Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.ein flüchtiges Andenken an so viele, die wir kennen Zwar -- es ist bey der unendlichen Summe das
ein flüchtiges Andenken an ſo viele, die wir kennen Zwar — es iſt bey der unendlichen Summe das
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="12[24]"/> ein flüchtiges Andenken an ſo viele, die wir kennen<lb/> und nicht kennen, möglich iſt; wenn wir da an viele<lb/> Bedürfniſſe der Menſchheit gar nicht denken, ſo ſey<lb/> uns auch darum der dem Herrn geweihte Tag will-<lb/> kommen und lieb, weil er uns Zeit läßt, uns ruhi-<lb/> ger als Theile der großen Menſchenfamilie zu be-<lb/> trachten, und dadurch feſter an ſie anzuſchließen, daß<lb/> wir ihr Wohl unſer Wohl, ihr Bedürfniß das unſri-<lb/> ge, ihre Schwächen die unſrigen, und ihre Anliegen<lb/> unſre eignen werden laſſen.</p><lb/> <p>Zwar — es iſt bey der unendlichen Summe<lb/> von Weſen, die, Menſchen wie wir, dieſen Erdball<lb/> bewohnen, eine unmerklich kleine Zahl, die wir auch<lb/> nur dem Namen nach kennen, und unter dieſen wie-<lb/> der ſo wenige, von denen wir mehr als dies wiſſen,<lb/> und unter dieſen keiner, dem wir in jedem Augen-<lb/> blick zu erbitten vermöchten, was er in jedem Augen-<lb/> blick zu ſeiner Ruhe und zu ſeiner Freude bedarf.<lb/> Nur <hi rendition="#g">Einer</hi> kennt ſie alle, ſieht ſie alle, allgegen-<lb/> wärtig und in jedem Moment ihres Daſeyns! Nur<lb/> du, <hi rendition="#fr">Menſchenvater,</hi> vor dem wir anbeten, von dem<lb/> wir es glauben müſſen, daß nichts dir verborgen iſt,<lb/> ob wir wohl nichts von deinem unendlichen Wiſſen<lb/> begreifen. Da iſt kein Gedanke in unſrer Seele, da<lb/> iſt auf unſern Lippen kein Wort, den du nicht ſahſt,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12[24]/0028]
ein flüchtiges Andenken an ſo viele, die wir kennen
und nicht kennen, möglich iſt; wenn wir da an viele
Bedürfniſſe der Menſchheit gar nicht denken, ſo ſey
uns auch darum der dem Herrn geweihte Tag will-
kommen und lieb, weil er uns Zeit läßt, uns ruhi-
ger als Theile der großen Menſchenfamilie zu be-
trachten, und dadurch feſter an ſie anzuſchließen, daß
wir ihr Wohl unſer Wohl, ihr Bedürfniß das unſri-
ge, ihre Schwächen die unſrigen, und ihre Anliegen
unſre eignen werden laſſen.
Zwar — es iſt bey der unendlichen Summe
von Weſen, die, Menſchen wie wir, dieſen Erdball
bewohnen, eine unmerklich kleine Zahl, die wir auch
nur dem Namen nach kennen, und unter dieſen wie-
der ſo wenige, von denen wir mehr als dies wiſſen,
und unter dieſen keiner, dem wir in jedem Augen-
blick zu erbitten vermöchten, was er in jedem Augen-
blick zu ſeiner Ruhe und zu ſeiner Freude bedarf.
Nur Einer kennt ſie alle, ſieht ſie alle, allgegen-
wärtig und in jedem Moment ihres Daſeyns! Nur
du, Menſchenvater, vor dem wir anbeten, von dem
wir es glauben müſſen, daß nichts dir verborgen iſt,
ob wir wohl nichts von deinem unendlichen Wiſſen
begreifen. Da iſt kein Gedanke in unſrer Seele, da
iſt auf unſern Lippen kein Wort, den du nicht ſahſt,
das
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