Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

das du nicht hörtest, ehe wir jenen dachten und die-
ses aussprachen. Nichts können wir dir sagen, was
du nicht wissest; um nichts dich flehen, was nicht,
ehe wir flehten, deine Weisheit zu thun oder nicht
zu thun beschloß! Was wäre auch der Mensch, wenn
erst Menschen durch ihre Fürbitte dich bewegen soll-
ten, ihm zu helfen und ihn zu beglücken? Wie viele
Tausende giebt es, für die kein Freund je betete,
wie viele vielleicht gar, denen wohl Menschen fluch-
ten, indeß nicht einer sie segnete! Aber dennoch hat
der Vater gern, wenn Kinder für einander sprechen,
ob er wohl schon lange gethan hätte, oder gewiß
gethan haben würde, was er nun um ihrer Bitte
willen zu thun scheint. Und sie selbst werden besser,
je mehr sie sich unter einander lieben, werther seiner
Liebe, aufmerksamer auf ihre Abhängigkeit von ihm,
und auf das, was sie selbst bedürfen, indem sie es
andern erbitten.

Ja höre uns, o du, von dem aller Segen, alle
Gnade, alle Kraft kömmt, und der du auf tausend
uns unbekannten, aber immer weisen und guten We-
gen, deinen deiner so bedürftigen Geschöpfen giebst,
was sie brauchen, und auch denen, für die wir zu
dir flehen, zu geben wissen wirst, was ihnen gut ist,
ob wir gleich die Art und Weise nicht zu bestimmen

vermö-

das du nicht hörteſt, ehe wir jenen dachten und die-
ſes ausſprachen. Nichts können wir dir ſagen, was
du nicht wiſſeſt; um nichts dich flehen, was nicht,
ehe wir flehten, deine Weisheit zu thun oder nicht
zu thun beſchloß! Was wäre auch der Menſch, wenn
erſt Menſchen durch ihre Fürbitte dich bewegen ſoll-
ten, ihm zu helfen und ihn zu beglücken? Wie viele
Tauſende giebt es, für die kein Freund je betete,
wie viele vielleicht gar, denen wohl Menſchen fluch-
ten, indeß nicht einer ſie ſegnete! Aber dennoch hat
der Vater gern, wenn Kinder für einander ſprechen,
ob er wohl ſchon lange gethan hätte, oder gewiß
gethan haben würde, was er nun um ihrer Bitte
willen zu thun ſcheint. Und ſie ſelbſt werden beſſer,
je mehr ſie ſich unter einander lieben, werther ſeiner
Liebe, aufmerkſamer auf ihre Abhängigkeit von ihm,
und auf das, was ſie ſelbſt bedürfen, indem ſie es
andern erbitten.

Ja höre uns, o du, von dem aller Segen, alle
Gnade, alle Kraft kömmt, und der du auf tauſend
uns unbekannten, aber immer weiſen und guten We-
gen, deinen deiner ſo bedürftigen Geſchöpfen giebſt,
was ſie brauchen, und auch denen, für die wir zu
dir flehen, zu geben wiſſen wirſt, was ihnen gut iſt,
ob wir gleich die Art und Weiſe nicht zu beſtimmen

vermö-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="13[25]"/>
das du nicht hörte&#x017F;t, ehe wir jenen dachten und die-<lb/>
&#x017F;es aus&#x017F;prachen. Nichts können wir dir &#x017F;agen, was<lb/>
du nicht wi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t; um nichts dich flehen, was nicht,<lb/>
ehe wir flehten, deine Weisheit zu thun oder nicht<lb/>
zu thun be&#x017F;chloß! Was wäre auch der Men&#x017F;ch, wenn<lb/>
er&#x017F;t Men&#x017F;chen durch ihre Fürbitte dich bewegen &#x017F;oll-<lb/>
ten, ihm zu helfen und ihn zu beglücken? Wie viele<lb/>
Tau&#x017F;ende giebt es, für die kein Freund je betete,<lb/>
wie viele vielleicht gar, denen wohl Men&#x017F;chen fluch-<lb/>
ten, indeß nicht einer &#x017F;ie &#x017F;egnete! Aber dennoch hat<lb/>
der Vater gern, wenn Kinder für einander &#x017F;prechen,<lb/>
ob er wohl &#x017F;chon lange gethan hätte, oder gewiß<lb/>
gethan haben würde, was er nun um ihrer Bitte<lb/>
willen zu thun &#x017F;cheint. Und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t werden be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
je mehr &#x017F;ie &#x017F;ich unter einander lieben, werther &#x017F;einer<lb/>
Liebe, aufmerk&#x017F;amer auf ihre Abhängigkeit von ihm,<lb/>
und auf das, was &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t bedürfen, indem &#x017F;ie es<lb/>
andern erbitten.</p><lb/>
          <p>Ja höre uns, o du, von dem aller Segen, alle<lb/>
Gnade, alle Kraft kömmt, und der du auf tau&#x017F;end<lb/>
uns unbekannten, aber immer wei&#x017F;en und guten We-<lb/>
gen, deinen deiner &#x017F;o bedürftigen Ge&#x017F;chöpfen gieb&#x017F;t,<lb/>
was &#x017F;ie brauchen, und auch denen, für die wir zu<lb/>
dir flehen, zu geben wi&#x017F;&#x017F;en wir&#x017F;t, was ihnen gut i&#x017F;t,<lb/>
ob wir gleich die Art und Wei&#x017F;e nicht zu be&#x017F;timmen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vermö-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13[25]/0029] das du nicht hörteſt, ehe wir jenen dachten und die- ſes ausſprachen. Nichts können wir dir ſagen, was du nicht wiſſeſt; um nichts dich flehen, was nicht, ehe wir flehten, deine Weisheit zu thun oder nicht zu thun beſchloß! Was wäre auch der Menſch, wenn erſt Menſchen durch ihre Fürbitte dich bewegen ſoll- ten, ihm zu helfen und ihn zu beglücken? Wie viele Tauſende giebt es, für die kein Freund je betete, wie viele vielleicht gar, denen wohl Menſchen fluch- ten, indeß nicht einer ſie ſegnete! Aber dennoch hat der Vater gern, wenn Kinder für einander ſprechen, ob er wohl ſchon lange gethan hätte, oder gewiß gethan haben würde, was er nun um ihrer Bitte willen zu thun ſcheint. Und ſie ſelbſt werden beſſer, je mehr ſie ſich unter einander lieben, werther ſeiner Liebe, aufmerkſamer auf ihre Abhängigkeit von ihm, und auf das, was ſie ſelbſt bedürfen, indem ſie es andern erbitten. Ja höre uns, o du, von dem aller Segen, alle Gnade, alle Kraft kömmt, und der du auf tauſend uns unbekannten, aber immer weiſen und guten We- gen, deinen deiner ſo bedürftigen Geſchöpfen giebſt, was ſie brauchen, und auch denen, für die wir zu dir flehen, zu geben wiſſen wirſt, was ihnen gut iſt, ob wir gleich die Art und Weiſe nicht zu beſtimmen vermö-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/29
Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 13[25]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/29>, abgerufen am 21.11.2024.