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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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nützigsten Billigkeit befleißigen sollten, so ist es da,
wo etwas zum allgemeinen Besten für Alle unter-
nommen wird, wo jede Klasse von Menschen, die
daran Theil nimmt, zu bedenken ist, jedes Bedürf-
niß, befriedigt zu werden, gleiches Recht hat. Es
ist eben so vernünftig als es christliche Pflicht ist, in
diesem Fall sich nicht allein vordrängen, nach sei-
nem Gefühl entscheiden, und was dem nicht gemäß
ist, verachten zu wollen. Und diese Betrachtung allein
könnte schon eine Art von Gottesverehrung seyn.
Denn wir verehren Gott, je näher wir ihm, der
Allen Alles ist, mit unsern Gesinnungen kommen.

Laßt uns diesen Gedanken in unsre Kirchen be-
gleiten. Hier kommen hundert und tausende zusam-
men, von denen jeder ein andrer ist; jeder, der nicht
ganz gedankenlos bleibt, andre Vorstellungen von
Gott und den göttlichen Lehren hat. Gott selbst hat
diese Mannichfaltigkeit gewollt. Denn von ihm
kommen die verschiednen Kräfte und Fähigkeiten; von
ihm die verschiednen Gelegenheiten, besser und schlech-
ter in der Religion unterrichtet zu werden. Sie alle
finden aber doch Nahrung für ihren Geist, in diesem
unschätzbaren Geschenk der göttlichen Güte. Hier
wird dem einen ein Zweifel beantwortet; dort einem
andern ein Jrrthum benommen; hier einem eine

Lücke
B 4

nützigſten Billigkeit befleißigen ſollten, ſo iſt es da,
wo etwas zum allgemeinen Beſten für Alle unter-
nommen wird, wo jede Klaſſe von Menſchen, die
daran Theil nimmt, zu bedenken iſt, jedes Bedürf-
niß, befriedigt zu werden, gleiches Recht hat. Es
iſt eben ſo vernünftig als es chriſtliche Pflicht iſt, in
dieſem Fall ſich nicht allein vordrängen, nach ſei-
nem Gefühl entſcheiden, und was dem nicht gemäß
iſt, verachten zu wollen. Und dieſe Betrachtung allein
könnte ſchon eine Art von Gottesverehrung ſeyn.
Denn wir verehren Gott, je näher wir ihm, der
Allen Alles iſt, mit unſern Geſinnungen kommen.

Laßt uns dieſen Gedanken in unſre Kirchen be-
gleiten. Hier kommen hundert und tauſende zuſam-
men, von denen jeder ein andrer iſt; jeder, der nicht
ganz gedankenlos bleibt, andre Vorſtellungen von
Gott und den göttlichen Lehren hat. Gott ſelbſt hat
dieſe Mannichfaltigkeit gewollt. Denn von ihm
kommen die verſchiednen Kräfte und Fähigkeiten; von
ihm die verſchiednen Gelegenheiten, beſſer und ſchlech-
ter in der Religion unterrichtet zu werden. Sie alle
finden aber doch Nahrung für ihren Geiſt, in dieſem
unſchätzbaren Geſchenk der göttlichen Güte. Hier
wird dem einen ein Zweifel beantwortet; dort einem
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[23[35]/0039] nützigſten Billigkeit befleißigen ſollten, ſo iſt es da, wo etwas zum allgemeinen Beſten für Alle unter- nommen wird, wo jede Klaſſe von Menſchen, die daran Theil nimmt, zu bedenken iſt, jedes Bedürf- niß, befriedigt zu werden, gleiches Recht hat. Es iſt eben ſo vernünftig als es chriſtliche Pflicht iſt, in dieſem Fall ſich nicht allein vordrängen, nach ſei- nem Gefühl entſcheiden, und was dem nicht gemäß iſt, verachten zu wollen. Und dieſe Betrachtung allein könnte ſchon eine Art von Gottesverehrung ſeyn. Denn wir verehren Gott, je näher wir ihm, der Allen Alles iſt, mit unſern Geſinnungen kommen. Laßt uns dieſen Gedanken in unſre Kirchen be- gleiten. Hier kommen hundert und tauſende zuſam- men, von denen jeder ein andrer iſt; jeder, der nicht ganz gedankenlos bleibt, andre Vorſtellungen von Gott und den göttlichen Lehren hat. Gott ſelbſt hat dieſe Mannichfaltigkeit gewollt. Denn von ihm kommen die verſchiednen Kräfte und Fähigkeiten; von ihm die verſchiednen Gelegenheiten, beſſer und ſchlech- ter in der Religion unterrichtet zu werden. Sie alle finden aber doch Nahrung für ihren Geiſt, in dieſem unſchätzbaren Geſchenk der göttlichen Güte. Hier wird dem einen ein Zweifel beantwortet; dort einem andern ein Jrrthum benommen; hier einem eine Lücke B 4

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 23[35]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/39>, abgerufen am 21.11.2024.