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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

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Wir können mitten unter den Geschäfften des Le-
bens, wo wir denen, die uns umgeben, bloß für
die Erde zu leben scheinen, einige Augenblicke ganz
auf Gott gerichtet seyn, es mit dem innigsten Gefühl
empfinden, daß Er der große Unsichtbare ist, und
daß er auch für uns da ist; können wenige Minu-
ten -- denn wie schnell denkt nicht unsre Seele! --
uns in den entzückenden Gedanken, zu seinen ver-
nünftigen Geschöpfen zu gehören, und eine ganze
Ewigkeit vor uns zu haben, in der wir vollkommner,
verständiger und besser werden können, verlieren;
oder das Bild unsers Herrn Jesu Christi kann in den
verschiednen Auftritten seines göttlichen Lebens, wie
er wohlthut, wie er tröstet, wie er leidet, wie er
stirbt, vor uns stehen, -- daß wir vor ihm nieder-
sinken und anbeten möchten; und wir sind wahrhaf-
tig andächtig gewesen, ohne daß jemand außer uns,
wie auch gar nicht zur Sache gehört, etwas von
unster Andacht wußte oder ahndete.

Nur solche Andacht, die so weit von Schein-
heiligkeit
oder Heucheley unterschieden ist, erfüllt
unsre Seele mit den seligsten Freuden; mit Freuden,
die, wer sie kennt, um keine Freuden der Erde, wel-
chen Namen sie auch haben mögen, hingeben würde.

Wo

Wir können mitten unter den Geſchäfften des Le-
bens, wo wir denen, die uns umgeben, bloß für
die Erde zu leben ſcheinen, einige Augenblicke ganz
auf Gott gerichtet ſeyn, es mit dem innigſten Gefühl
empfinden, daß Er der große Unſichtbare iſt, und
daß er auch für uns da iſt; können wenige Minu-
ten — denn wie ſchnell denkt nicht unſre Seele! —
uns in den entzückenden Gedanken, zu ſeinen ver-
nünftigen Geſchöpfen zu gehören, und eine ganze
Ewigkeit vor uns zu haben, in der wir vollkommner,
verſtändiger und beſſer werden können, verlieren;
oder das Bild unſers Herrn Jeſu Chriſti kann in den
verſchiednen Auftritten ſeines göttlichen Lebens, wie
er wohlthut, wie er tröſtet, wie er leidet, wie er
ſtirbt, vor uns ſtehen, — daß wir vor ihm nieder-
ſinken und anbeten möchten; und wir ſind wahrhaf-
tig andächtig geweſen, ohne daß jemand außer uns,
wie auch gar nicht zur Sache gehört, etwas von
unſter Andacht wußte oder ahndete.

Nur ſolche Andacht, die ſo weit von Schein-
heiligkeit
oder Heucheley unterſchieden iſt, erfüllt
unſre Seele mit den ſeligſten Freuden; mit Freuden,
die, wer ſie kennt, um keine Freuden der Erde, wel-
chen Namen ſie auch haben mögen, hingeben würde.

Wo
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[31[43]/0047] Wir können mitten unter den Geſchäfften des Le- bens, wo wir denen, die uns umgeben, bloß für die Erde zu leben ſcheinen, einige Augenblicke ganz auf Gott gerichtet ſeyn, es mit dem innigſten Gefühl empfinden, daß Er der große Unſichtbare iſt, und daß er auch für uns da iſt; können wenige Minu- ten — denn wie ſchnell denkt nicht unſre Seele! — uns in den entzückenden Gedanken, zu ſeinen ver- nünftigen Geſchöpfen zu gehören, und eine ganze Ewigkeit vor uns zu haben, in der wir vollkommner, verſtändiger und beſſer werden können, verlieren; oder das Bild unſers Herrn Jeſu Chriſti kann in den verſchiednen Auftritten ſeines göttlichen Lebens, wie er wohlthut, wie er tröſtet, wie er leidet, wie er ſtirbt, vor uns ſtehen, — daß wir vor ihm nieder- ſinken und anbeten möchten; und wir ſind wahrhaf- tig andächtig geweſen, ohne daß jemand außer uns, wie auch gar nicht zur Sache gehört, etwas von unſter Andacht wußte oder ahndete. Nur ſolche Andacht, die ſo weit von Schein- heiligkeit oder Heucheley unterſchieden iſt, erfüllt unſre Seele mit den ſeligſten Freuden; mit Freuden, die, wer ſie kennt, um keine Freuden der Erde, wel- chen Namen ſie auch haben mögen, hingeben würde. Wo

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Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 31[43]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/47>, abgerufen am 21.11.2024.