jenem sein Schreckliches zu nehmen und ihm -- er komme spät oder früh -- mit ruhigem Herzen entge- gegen gehn zu können, ist vernüftig und ist christ- lich.
Noch einen Gedanken will ich in Rücksicht auf die verlebte Zeit hinzusetzen, ich meyne den, daß wir am Ende eines Zeitabschnitts, und bey der ruhigen Uebersicht der vergangnen Tage, so sehr im Stande sind, die ungleichen Eindrücke gut und übel angewendeter Stunden zu bemerken. Diese Bemerkung macht der nicht, der nie still steht; der in einer steten Betäubung oder Berauschung lebt, und das Andenken an das, was vorüber ist, schon deswegen vermeidet, weil es ihm sagt, daß er älter wird. Wer im Gegentheil gern eine Musterung seiner durchlebten Zeit anstellt, der wird ohnfehlbar itzt auf Tage stoßen, bey denen er gern lang ver- weilt und vielleicht auf Monate, in denen er nichts findet, dessen Wiedererinerung ihn erquicken, oder auch nur befriedigen könnte, die wie ein Nichts in seinem Leben dastehn, und von denen bloß die Tage- register aber keine einzige Handlung, die des An- merkens werth wäre, ihm sagt, daß sie dazu gehört haben; vielleicht auch umgekehrt, auf Monate, auf Jahre, deren Andenken unvertilgbar, und auf Tage,
deren
jenem ſein Schreckliches zu nehmen und ihm — er komme ſpät oder früh — mit ruhigem Herzen entge- gegen gehn zu können, iſt vernüftig und iſt chriſt- lich.
Noch einen Gedanken will ich in Rückſicht auf die verlebte Zeit hinzuſetzen, ich meyne den, daß wir am Ende eines Zeitabſchnitts, und bey der ruhigen Ueberſicht der vergangnen Tage, ſo ſehr im Stande ſind, die ungleichen Eindrücke gut und übel angewendeter Stunden zu bemerken. Dieſe Bemerkung macht der nicht, der nie ſtill ſteht; der in einer ſteten Betäubung oder Berauſchung lebt, und das Andenken an das, was vorüber iſt, ſchon deswegen vermeidet, weil es ihm ſagt, daß er älter wird. Wer im Gegentheil gern eine Muſterung ſeiner durchlebten Zeit anſtellt, der wird ohnfehlbar itzt auf Tage ſtoßen, bey denen er gern lang ver- weilt und vielleicht auf Monate, in denen er nichts findet, deſſen Wiedererinerung ihn erquicken, oder auch nur befriedigen könnte, die wie ein Nichts in ſeinem Leben daſtehn, und von denen bloß die Tage- regiſter aber keine einzige Handlung, die des An- merkens werth wäre, ihm ſagt, daß ſie dazu gehört haben; vielleicht auch umgekehrt, auf Monate, auf Jahre, deren Andenken unvertilgbar, und auf Tage,
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[52[64]/0068]
jenem ſein Schreckliches zu nehmen und ihm — er
komme ſpät oder früh — mit ruhigem Herzen entge-
gegen gehn zu können, iſt vernüftig und iſt chriſt-
lich.
Noch einen Gedanken will ich in Rückſicht auf
die verlebte Zeit hinzuſetzen, ich meyne den, daß
wir am Ende eines Zeitabſchnitts, und bey der
ruhigen Ueberſicht der vergangnen Tage, ſo ſehr im
Stande ſind, die ungleichen Eindrücke gut und
übel angewendeter Stunden zu bemerken. Dieſe
Bemerkung macht der nicht, der nie ſtill ſteht; der
in einer ſteten Betäubung oder Berauſchung lebt,
und das Andenken an das, was vorüber iſt, ſchon
deswegen vermeidet, weil es ihm ſagt, daß er älter
wird. Wer im Gegentheil gern eine Muſterung
ſeiner durchlebten Zeit anſtellt, der wird ohnfehlbar
itzt auf Tage ſtoßen, bey denen er gern lang ver-
weilt und vielleicht auf Monate, in denen er nichts
findet, deſſen Wiedererinerung ihn erquicken, oder
auch nur befriedigen könnte, die wie ein Nichts in
ſeinem Leben daſtehn, und von denen bloß die Tage-
regiſter aber keine einzige Handlung, die des An-
merkens werth wäre, ihm ſagt, daß ſie dazu gehört
haben; vielleicht auch umgekehrt, auf Monate, auf
Jahre, deren Andenken unvertilgbar, und auf Tage,
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 52[64]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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