Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Dritter Abschnitt. niedriger ist, als er. Durch das Wort wird diekörperlose Idee verkörpert und für die Betrachtung fixirt, die geistlose Sache vergeistiget und für die Be- obachtung beweglich gemacht. Der Unterricht knüpft sich deshalb nicht nur nothwendig an das Wort an, selbst da wo die Sache vorgezeigt werden kann, son- dern es ist auch, wenn man das Wort selbst und seine Form zum Gegenstand des Unterrichts erhebt, so wenig ein leerer Wortkram zu fürchten, daß man vielmehr umgekehrt behaupten darf: der schlechteste Wortunterricht (da vom Worte einerseits die Idee, das Gefühl etc. andrerseits die Sache nie so getrennt seyn kann, daß der Geist nicht wenigstens be- strebt wäre, dem Schalle ein geistiges Bild oder Schema unterzulegen,) rege noch immer mehr Geist auf, als ein nicht ganz guter Sachunterricht. -- In der That vertheidigen die den Humanismus über seine Liebe zum Wort und Wortstudium gar ungeschickt, die zu verstehen geben, daß ja das Wortstudium ein nothwendiges Uebel sey, wenn man der Sachen und Genüsse, die das Alterthum anbiete, theilhaftig werden wolle! Mit dieser, freilich nur unvollkommnen, Unterschei- Dritter Abſchnitt. niedriger iſt, als er. Durch das Wort wird diekoͤrperloſe Idee verkoͤrpert und fuͤr die Betrachtung fixirt, die geiſtloſe Sache vergeiſtiget und fuͤr die Be- obachtung beweglich gemacht. Der Unterricht knuͤpft ſich deshalb nicht nur nothwendig an das Wort an, ſelbſt da wo die Sache vorgezeigt werden kann, ſon- dern es iſt auch, wenn man das Wort ſelbſt und ſeine Form zum Gegenſtand des Unterrichts erhebt, ſo wenig ein leerer Wortkram zu fuͤrchten, daß man vielmehr umgekehrt behaupten darf: der ſchlechteſte Wortunterricht (da vom Worte einerſeits die Idee, das Gefuͤhl ꝛc. andrerſeits die Sache nie ſo getrennt ſeyn kann, daß der Geiſt nicht wenigſtens be- ſtrebt waͤre, dem Schalle ein geiſtiges Bild oder Schema unterzulegen,) rege noch immer mehr Geiſt auf, als ein nicht ganz guter Sachunterricht. — In der That vertheidigen die den Humaniſmus uͤber ſeine Liebe zum Wort und Wortſtudium gar ungeſchickt, die zu verſtehen geben, daß ja das Wortſtudium ein nothwendiges Uebel ſey, wenn man der Sachen und Genuͤſſe, die das Alterthum anbiete, theilhaftig werden wolle! Mit dieſer, freilich nur unvollkommnen, Unterſchei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0188" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abſchnitt</hi>.</fw><lb/> niedriger iſt, als er. Durch das <hi rendition="#g">Wort</hi> wird die<lb/> koͤrperloſe <hi rendition="#g">Idee</hi> verkoͤrpert und fuͤr die Betrachtung<lb/> fixirt, die geiſtloſe <hi rendition="#g">Sache</hi> vergeiſtiget und fuͤr die Be-<lb/> obachtung beweglich gemacht. Der Unterricht knuͤpft<lb/> ſich deshalb nicht nur nothwendig an das <hi rendition="#g">Wort</hi> an,<lb/> ſelbſt da wo die <hi rendition="#g">Sache</hi> vorgezeigt werden kann, ſon-<lb/> dern es iſt auch, wenn man das <hi rendition="#g">Wort</hi> ſelbſt und<lb/> ſeine Form zum <hi rendition="#g">Gegenſtand</hi> des Unterrichts erhebt,<lb/> ſo wenig ein leerer <hi rendition="#g">Wortkram</hi> zu fuͤrchten, daß man<lb/> vielmehr umgekehrt behaupten darf: der ſchlechteſte<lb/><hi rendition="#g">Wortunterricht</hi> (da vom <hi rendition="#g">Worte</hi> einerſeits die<lb/><hi rendition="#g">Idee</hi>, das <hi rendition="#g">Gefuͤhl</hi> ꝛc. andrerſeits die <hi rendition="#g">Sache</hi> nie ſo<lb/> getrennt ſeyn kann, daß der Geiſt nicht wenigſtens be-<lb/> ſtrebt waͤre, dem <hi rendition="#g">Schalle</hi> ein geiſtiges <hi rendition="#g">Bild</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Schema</hi> unterzulegen,) rege noch immer <hi rendition="#g">mehr Geiſt</hi><lb/> auf, als ein nicht ganz guter <hi rendition="#g">Sachunterricht</hi>. —<lb/> In der That vertheidigen die den Humaniſmus uͤber<lb/> ſeine Liebe zum Wort und Wortſtudium gar ungeſchickt,<lb/> die zu verſtehen geben, daß ja das <hi rendition="#g">Wortſtudium</hi><lb/> ein nothwendiges Uebel ſey, wenn man der <hi rendition="#g">Sachen</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Genuͤſſe</hi>, die das Alterthum anbiete, theilhaftig<lb/> werden wolle!</p><lb/> <p>Mit dieſer, freilich nur unvollkommnen, Unterſchei-<lb/> dung der verwickelten Gegenſaͤtze, (die nur in der hoͤch-<lb/> ſten Wiſſenſchaft mit vollſtaͤndiger Beſtimmtheit aus-<lb/> einander geſetzt werden koͤnnen,) iſt gleichwohl die Ver-<lb/> wechſelung und verworrne Anſicht von <hi rendition="#g">Begriff und<lb/> Gegenſtand, geiſtigen und materiellen Ge-<lb/> genſtaͤnden, Wort und Sache, Idealem und</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0188]
Dritter Abſchnitt.
niedriger iſt, als er. Durch das Wort wird die
koͤrperloſe Idee verkoͤrpert und fuͤr die Betrachtung
fixirt, die geiſtloſe Sache vergeiſtiget und fuͤr die Be-
obachtung beweglich gemacht. Der Unterricht knuͤpft
ſich deshalb nicht nur nothwendig an das Wort an,
ſelbſt da wo die Sache vorgezeigt werden kann, ſon-
dern es iſt auch, wenn man das Wort ſelbſt und
ſeine Form zum Gegenſtand des Unterrichts erhebt,
ſo wenig ein leerer Wortkram zu fuͤrchten, daß man
vielmehr umgekehrt behaupten darf: der ſchlechteſte
Wortunterricht (da vom Worte einerſeits die
Idee, das Gefuͤhl ꝛc. andrerſeits die Sache nie ſo
getrennt ſeyn kann, daß der Geiſt nicht wenigſtens be-
ſtrebt waͤre, dem Schalle ein geiſtiges Bild oder
Schema unterzulegen,) rege noch immer mehr Geiſt
auf, als ein nicht ganz guter Sachunterricht. —
In der That vertheidigen die den Humaniſmus uͤber
ſeine Liebe zum Wort und Wortſtudium gar ungeſchickt,
die zu verſtehen geben, daß ja das Wortſtudium
ein nothwendiges Uebel ſey, wenn man der Sachen
und Genuͤſſe, die das Alterthum anbiete, theilhaftig
werden wolle!
Mit dieſer, freilich nur unvollkommnen, Unterſchei-
dung der verwickelten Gegenſaͤtze, (die nur in der hoͤch-
ſten Wiſſenſchaft mit vollſtaͤndiger Beſtimmtheit aus-
einander geſetzt werden koͤnnen,) iſt gleichwohl die Ver-
wechſelung und verworrne Anſicht von Begriff und
Gegenſtand, geiſtigen und materiellen Ge-
genſtaͤnden, Wort und Sache, Idealem und
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