sondre Rücksicht genommen wird, mit der Uebung der vorherrschenden Anlagen verhältnißmäßig fortrücken und sich entwickeln; für welche Behauptung sich sogar das späte Erwachen mancher Talente als Beweis anführen ließe.
Gerade dadurch also besteht in der That eine Artverschiedenheit unter den Individuen, daß sie -- obgleich Alle, der Idee nach, zu Allem em- pfänglich und mit Allem ausgerüstet, was die Ver- nunft ist und hat, -- in Absicht auf die Mischung der Anlagen so ganz verschieden sind, daß bei dem Einen diese bei dem Andern andre Anlagen so entschieden vorherrschen, daß er als dies bestimmte Individuum nur durch diese hervortretenden Anlagen ausgezeichnet ist, und die andern in ihm schlummernden (qualitates occultae) gar nicht mit gerechnet werden. Da es nun nur der Mühe lohnt, die vorherrschenden Anlagen mit besondrer Sorgfalt auszubilden, die andern aber entweder gar nicht, oder doch sehr wenig in Betracht kommen können, so sind zwei Individuen, in denen sich verschiedne Anlagen auszeichnen, durch diese verschiedne Mischung der Anlagen (obgleich wir an- nehmen wollen, daß alle Anlagen der Vernunft in bei- den seyen und von diesen Anlagen nur einige verschie- dene sich dem Grade nach unterscheiden) doch als zwei verschiedne Arten für die praktische Behandlung des Erziehungslehrers zu betrachten.
Sonach muß auch von dieser Seite eine Artver- schiedenheit des Erziehungsunterrichts als
Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.
ſondre Ruͤckſicht genommen wird, mit der Uebung der vorherrſchenden Anlagen verhaͤltnißmaͤßig fortruͤcken und ſich entwickeln; fuͤr welche Behauptung ſich ſogar das ſpaͤte Erwachen mancher Talente als Beweis anfuͤhren ließe.
Gerade dadurch alſo beſteht in der That eine Artverſchiedenheit unter den Individuen, daß ſie — obgleich Alle, der Idee nach, zu Allem em- pfaͤnglich und mit Allem ausgeruͤſtet, was die Ver- nunft iſt und hat, — in Abſicht auf die Miſchung der Anlagen ſo ganz verſchieden ſind, daß bei dem Einen dieſe bei dem Andern andre Anlagen ſo entſchieden vorherrſchen, daß er als dies beſtimmte Individuum nur durch dieſe hervortretenden Anlagen ausgezeichnet iſt, und die andern in ihm ſchlummernden (qualitates occultae) gar nicht mit gerechnet werden. Da es nun nur der Muͤhe lohnt, die vorherrſchenden Anlagen mit beſondrer Sorgfalt auszubilden, die andern aber entweder gar nicht, oder doch ſehr wenig in Betracht kommen koͤnnen, ſo ſind zwei Individuen, in denen ſich verſchiedne Anlagen auszeichnen, durch dieſe verſchiedne Miſchung der Anlagen (obgleich wir an- nehmen wollen, daß alle Anlagen der Vernunft in bei- den ſeyen und von dieſen Anlagen nur einige verſchie- dene ſich dem Grade nach unterſcheiden) doch als zwei verſchiedne Arten fuͤr die praktiſche Behandlung des Erziehungslehrers zu betrachten.
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Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.
ſondre Ruͤckſicht genommen wird, mit der Uebung der
vorherrſchenden Anlagen verhaͤltnißmaͤßig fortruͤcken und
ſich entwickeln; fuͤr welche Behauptung ſich ſogar das
ſpaͤte Erwachen mancher Talente als Beweis anfuͤhren
ließe.
Gerade dadurch alſo beſteht in der That eine
Artverſchiedenheit unter den Individuen,
daß ſie — obgleich Alle, der Idee nach, zu Allem em-
pfaͤnglich und mit Allem ausgeruͤſtet, was die Ver-
nunft iſt und hat, — in Abſicht auf die Miſchung der
Anlagen ſo ganz verſchieden ſind, daß bei dem Einen
dieſe bei dem Andern andre Anlagen ſo entſchieden
vorherrſchen, daß er als dies beſtimmte Individuum
nur durch dieſe hervortretenden Anlagen ausgezeichnet
iſt, und die andern in ihm ſchlummernden (qualitates
occultae) gar nicht mit gerechnet werden. Da es nun
nur der Muͤhe lohnt, die vorherrſchenden Anlagen mit
beſondrer Sorgfalt auszubilden, die andern aber
entweder gar nicht, oder doch ſehr wenig in
Betracht kommen koͤnnen, ſo ſind zwei Individuen, in
denen ſich verſchiedne Anlagen auszeichnen, durch dieſe
verſchiedne Miſchung der Anlagen (obgleich wir an-
nehmen wollen, daß alle Anlagen der Vernunft in bei-
den ſeyen und von dieſen Anlagen nur einige verſchie-
dene ſich dem Grade nach unterſcheiden) doch als
zwei verſchiedne Arten fuͤr die praktiſche Behandlung
des Erziehungslehrers zu betrachten.
Sonach muß auch von dieſer Seite eine Artver-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/339>, abgerufen am 26.06.2024.
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