Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Wissenschaftl. Gesichtspunkt d. Untersuchung. aus dieser Hoffnung schöpfen: der Kluge läßt sich nichtbethören, sein Handeln darnach zu berechnen. Er hält sich an die Gegenwart, an das, was keinem Zweifel unterworfen ist; für eine ungewisse Zukunft seine Zeit und seine Kraft verwenden, nennt er bei dem rechten Namen: Schwärmen! und weiß von diesem Fehler rein sich zu erhalten. Was da ist, faßt er, und ge- brauchts; was seyn wird, läßt er sich nicht kümmern: wie er es weder läugnet noch behauptet, so hoffet er auch nichts und fürchtet nichts davon! Kömmt eine beßre Zukunft? Wohl! er wird, auch sie zu brauchen, schon verstehen oder lernen. Kömmt sie nicht? so hat er wenigstens auch nichts auf sie vorausbezahlt, und seine Rechnung schließt ihm rein! So kann er dem Beruf der Gegenwart, den er mit Sicherheit erkennt, mit ganzer Kraft und ganzer Seele leben." Es ist nicht zu verkennen, daß die angedeuteten Und doch sind sie die Hauptgrundlage des Phil- 4*
Wiſſenſchaftl. Geſichtspunkt d. Unterſuchung. aus dieſer Hoffnung ſchoͤpfen: der Kluge laͤßt ſich nichtbethoͤren, ſein Handeln darnach zu berechnen. Er haͤlt ſich an die Gegenwart, an das, was keinem Zweifel unterworfen iſt; fuͤr eine ungewiſſe Zukunft ſeine Zeit und ſeine Kraft verwenden, nennt er bei dem rechten Namen: Schwaͤrmen! und weiß von dieſem Fehler rein ſich zu erhalten. Was da iſt, faßt er, und ge- brauchts; was ſeyn wird, laͤßt er ſich nicht kuͤmmern: wie er es weder laͤugnet noch behauptet, ſo hoffet er auch nichts und fuͤrchtet nichts davon! Koͤmmt eine beßre Zukunft? Wohl! er wird, auch ſie zu brauchen, ſchon verſtehen oder lernen. Koͤmmt ſie nicht? ſo hat er wenigſtens auch nichts auf ſie vorausbezahlt, und ſeine Rechnung ſchließt ihm rein! So kann er dem Beruf der Gegenwart, den er mit Sicherheit erkennt, mit ganzer Kraft und ganzer Seele leben.“ Es iſt nicht zu verkennen, daß die angedeuteten Und doch ſind ſie die Hauptgrundlage des Phil- 4*
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Wiſſenſchaftl. Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
aus dieſer Hoffnung ſchoͤpfen: der Kluge laͤßt ſich nicht
bethoͤren, ſein Handeln darnach zu berechnen. Er haͤlt
ſich an die Gegenwart, an das, was keinem Zweifel
unterworfen iſt; fuͤr eine ungewiſſe Zukunft ſeine Zeit
und ſeine Kraft verwenden, nennt er bei dem rechten
Namen: Schwaͤrmen! und weiß von dieſem Fehler
rein ſich zu erhalten. Was da iſt, faßt er, und ge-
brauchts; was ſeyn wird, laͤßt er ſich nicht kuͤmmern:
wie er es weder laͤugnet noch behauptet, ſo hoffet er
auch nichts und fuͤrchtet nichts davon! Koͤmmt eine
beßre Zukunft? Wohl! er wird, auch ſie zu brauchen,
ſchon verſtehen oder lernen. Koͤmmt ſie nicht? ſo hat
er wenigſtens auch nichts auf ſie vorausbezahlt, und
ſeine Rechnung ſchließt ihm rein! So kann er dem
Beruf der Gegenwart, den er mit Sicherheit erkennt,
mit ganzer Kraft und ganzer Seele leben.“
Es iſt nicht zu verkennen, daß die angedeuteten
Grundſaͤtze des Syſtems ſich ſehr verſtaͤndig und un-
ſchuldig ankuͤndigen. Nichtsdeſtoweniger ſind ſie ſo
entſchieden unvernuͤnftig und verderblich, die Vernunft
und Menſchheit entehrend, daß es fuͤr die, die ſehen
wollen, hier nicht einmal eines beſondern Beweiſes die-
ſer Beſchuldigung bedarf.
Und doch ſind ſie die Hauptgrundlage des Phil-
anthropinismus! Ihr werdet das mir nicht glauben;
und ich glaube euch gern, daß ihr entweder den Phil-
anthropinismus nicht fuͤr ſo gefaͤhrlich, oder das, was
ihr mit euern Kindern treibet, nicht fuͤr Philanthro-
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