Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.

[Spaltenumbruch]
Humanismus.
3. Der Erziehungsunter-
richt übt den Geist der
Lehrlinge, nicht sowohl um
ihn zu bestimmten Ge-
schäften geschickt zu
machen,
sondern es ist
ihm vielmehr Bildung
des Geistes an und
für sich selbst Zweck
.
4. Es ist überhaupt in
dem Erziehungsunterrichte
nicht sowohl darum zu
thun, den Lehrling
für diese Welt zu bil-
den;
wozu er in späte-
ren Jahren seines Lebens
noch Zeit und Gelegenheit
genug findet; als vielmehr
für die höhere Welt
des Geistes ihn zu
bilden;
welche Bildung,
wenn er nicht darinn ei-
nen festen Grund in seiner
Jugend gelegt hat, für ihn
oft ganz verloren ist, da
ihm in spätern Jahren
Philanthropinismus.
3. Dem Erziehungsun-
terricht kann Bildung
des Geistes an und
für sich selbst nicht
Zweck seyn;
sie gilt ihm
vielmehr für etwas zweck-
loses, sofern nicht dadurch
der Geist zu bestimm-
ten Geschäften ge-
schickt gemacht
werden
soll.
4. Es ist zweckwidrig,
in dem Erziehungsunter-
richte schon den Lehrling
zu der höhern Bil-
dung des Geistes für
eine andre Welt
füh-
ren zu wollen; wozu er
in spätern Jahren seines
Lebens erst die erforderli-
che Reife des Verstandes
erlangt: dagegen ist es um
so nothwendiger, die Bil-
dung für diese Welt

in Zeiten mit ihm anzu-
fangen; ihn mit Sachen
bekannt zu machen, damit
nicht die bloß an Wor-
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.

[Spaltenumbruch]
Humaniſmus.
3. Der Erziehungsunter-
richt uͤbt den Geiſt der
Lehrlinge, nicht ſowohl um
ihn zu beſtimmten Ge-
ſchaͤften geſchickt zu
machen,
ſondern es iſt
ihm vielmehr Bildung
des Geiſtes an und
fuͤr ſich ſelbſt Zweck
.
4. Es iſt uͤberhaupt in
dem Erziehungsunterrichte
nicht ſowohl darum zu
thun, den Lehrling
fuͤr dieſe Welt zu bil-
den;
wozu er in ſpaͤte-
ren Jahren ſeines Lebens
noch Zeit und Gelegenheit
genug findet; als vielmehr
fuͤr die hoͤhere Welt
des Geiſtes ihn zu
bilden;
welche Bildung,
wenn er nicht darinn ei-
nen feſten Grund in ſeiner
Jugend gelegt hat, fuͤr ihn
oft ganz verloren iſt, da
ihm in ſpaͤtern Jahren
Philanthropiniſmus.
3. Dem Erziehungsun-
terricht kann Bildung
des Geiſtes an und
fuͤr ſich ſelbſt nicht
Zweck ſeyn;
ſie gilt ihm
vielmehr fuͤr etwas zweck-
loſes, ſofern nicht dadurch
der Geiſt zu beſtimm-
ten Geſchaͤften ge-
ſchickt gemacht
werden
ſoll.
4. Es iſt zweckwidrig,
in dem Erziehungsunter-
richte ſchon den Lehrling
zu der hoͤhern Bil-
dung des Geiſtes fuͤr
eine andre Welt
fuͤh-
ren zu wollen; wozu er
in ſpaͤtern Jahren ſeines
Lebens erſt die erforderli-
che Reife des Verſtandes
erlangt: dagegen iſt es um
ſo nothwendiger, die Bil-
dung fuͤr dieſe Welt

in Zeiten mit ihm anzu-
fangen; ihn mit Sachen
bekannt zu machen, damit
nicht die bloß an Wor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0089" n="77"/>
                <fw place="top" type="header">Von d. Grund&#x017F;. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/>
                <cb/>
                <table>
                  <row>
                    <cell><hi rendition="#c">Humani&#x017F;mus.</hi><lb/>
3. Der Erziehungsunter-<lb/>
richt u&#x0364;bt den Gei&#x017F;t der<lb/>
Lehrlinge, nicht &#x017F;owohl um<lb/><hi rendition="#g">ihn zu be&#x017F;timmten Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ften ge&#x017F;chickt zu<lb/>
machen,</hi> &#x017F;ondern es i&#x017F;t<lb/>
ihm vielmehr <hi rendition="#g">Bildung<lb/>
des Gei&#x017F;tes an und<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Zweck</hi>.<lb/>
4. Es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt in<lb/>
dem Erziehungsunterrichte<lb/>
nicht &#x017F;owohl darum zu<lb/>
thun, <hi rendition="#g">den Lehrling<lb/>
fu&#x0364;r die&#x017F;e Welt zu bil-<lb/>
den;</hi> wozu er in &#x017F;pa&#x0364;te-<lb/>
ren Jahren &#x017F;eines Lebens<lb/>
noch Zeit und Gelegenheit<lb/>
genug findet; als vielmehr<lb/><hi rendition="#g">fu&#x0364;r die ho&#x0364;here Welt<lb/>
des Gei&#x017F;tes ihn zu<lb/>
bilden;</hi> welche Bildung,<lb/>
wenn er nicht darinn ei-<lb/>
nen fe&#x017F;ten Grund in &#x017F;einer<lb/>
Jugend gelegt hat, fu&#x0364;r ihn<lb/>
oft ganz verloren i&#x017F;t, da<lb/>
ihm in &#x017F;pa&#x0364;tern Jahren</cell>
                    <cell><hi rendition="#c">Philanthropini&#x017F;mus.</hi><lb/>
3. Dem Erziehungsun-<lb/>
terricht kann <hi rendition="#g">Bildung<lb/>
des Gei&#x017F;tes an und<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
Zweck &#x017F;eyn;</hi> &#x017F;ie gilt ihm<lb/>
vielmehr fu&#x0364;r etwas zweck-<lb/>
lo&#x017F;es, &#x017F;ofern nicht dadurch<lb/><hi rendition="#g">der Gei&#x017F;t zu be&#x017F;timm-<lb/>
ten Ge&#x017F;cha&#x0364;ften ge-<lb/>
&#x017F;chickt gemacht</hi> werden<lb/>
&#x017F;oll.<lb/>
4. Es i&#x017F;t zweckwidrig,<lb/>
in dem Erziehungsunter-<lb/>
richte &#x017F;chon den Lehrling<lb/>
zu der <hi rendition="#g">ho&#x0364;hern Bil-<lb/>
dung des Gei&#x017F;tes fu&#x0364;r<lb/>
eine andre Welt</hi> fu&#x0364;h-<lb/>
ren zu wollen; wozu er<lb/>
in &#x017F;pa&#x0364;tern Jahren &#x017F;eines<lb/>
Lebens er&#x017F;t die erforderli-<lb/>
che Reife des Ver&#x017F;tandes<lb/>
erlangt: dagegen i&#x017F;t es um<lb/>
&#x017F;o nothwendiger, <hi rendition="#g">die Bil-<lb/>
dung fu&#x0364;r die&#x017F;e Welt</hi><lb/>
in Zeiten mit ihm anzu-<lb/>
fangen; ihn mit <hi rendition="#g">Sachen</hi><lb/>
bekannt zu machen, damit<lb/>
nicht die bloß an <hi rendition="#g">Wor-</hi></cell>
                  </row>
                </table>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. Humaniſmus. 3. Der Erziehungsunter- richt uͤbt den Geiſt der Lehrlinge, nicht ſowohl um ihn zu beſtimmten Ge- ſchaͤften geſchickt zu machen, ſondern es iſt ihm vielmehr Bildung des Geiſtes an und fuͤr ſich ſelbſt Zweck. 4. Es iſt uͤberhaupt in dem Erziehungsunterrichte nicht ſowohl darum zu thun, den Lehrling fuͤr dieſe Welt zu bil- den; wozu er in ſpaͤte- ren Jahren ſeines Lebens noch Zeit und Gelegenheit genug findet; als vielmehr fuͤr die hoͤhere Welt des Geiſtes ihn zu bilden; welche Bildung, wenn er nicht darinn ei- nen feſten Grund in ſeiner Jugend gelegt hat, fuͤr ihn oft ganz verloren iſt, da ihm in ſpaͤtern Jahren Philanthropiniſmus. 3. Dem Erziehungsun- terricht kann Bildung des Geiſtes an und fuͤr ſich ſelbſt nicht Zweck ſeyn; ſie gilt ihm vielmehr fuͤr etwas zweck- loſes, ſofern nicht dadurch der Geiſt zu beſtimm- ten Geſchaͤften ge- ſchickt gemacht werden ſoll. 4. Es iſt zweckwidrig, in dem Erziehungsunter- richte ſchon den Lehrling zu der hoͤhern Bil- dung des Geiſtes fuͤr eine andre Welt fuͤh- ren zu wollen; wozu er in ſpaͤtern Jahren ſeines Lebens erſt die erforderli- che Reife des Verſtandes erlangt: dagegen iſt es um ſo nothwendiger, die Bil- dung fuͤr dieſe Welt in Zeiten mit ihm anzu- fangen; ihn mit Sachen bekannt zu machen, damit nicht die bloß an Wor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/89
Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/89>, abgerufen am 21.11.2024.