Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

In eurer Liebe sei eure Ehre! Wenig versteht
sich sonst das Weib auf Ehre. Aber diess sei eure
Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet,
und nie die Zweiten zu sein.

Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es
liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding
gilt ihm ohne Werth.

Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es
hasst: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur
böse, das Weib aber ist dort schlecht.

Wen hasst das Weib am meisten? -- Also sprach
das Eisen zum Magneten: "ich hasse dich am meisten,
weil du anziehst, aber nicht stark genug bist, an dich
zu ziehen."

Das Glück des Mannes heisst: ich will. Das Glück
des Weibes heisst: er will.

"Siehe, jetzt eben ward die Welt vollkommen!"
-- also denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer
Liebe gehorcht.

Und gehorchen muss das Weib und eine Tiefe
finden zu seiner Oberfläche. Oberfläche ist des Weibes
Gemüth, eine bewegliche stürmische Haut auf einem
seichten Gewässer.

Des Mannes Gemüth aber ist tief, sein Strom
rauscht in unterirdischen Höhlen: das Weib ahnt seine
Kraft, aber begreift sie nicht. --

Da entgegnete mir das alte Weiblein: "Vieles
Artige sagte Zarathustra und sonderlich für Die, welche
jung genug dazu sind.

"Seltsam ist's, Zarathustra kennt wenig die Weiber,

In eurer Liebe sei eure Ehre! Wenig versteht
sich sonst das Weib auf Ehre. Aber diess sei eure
Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet,
und nie die Zweiten zu sein.

Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es
liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding
gilt ihm ohne Werth.

Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es
hasst: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur
böse, das Weib aber ist dort schlecht.

Wen hasst das Weib am meisten? — Also sprach
das Eisen zum Magneten: „ich hasse dich am meisten,
weil du anziehst, aber nicht stark genug bist, an dich
zu ziehen.“

Das Glück des Mannes heisst: ich will. Das Glück
des Weibes heisst: er will.

„Siehe, jetzt eben ward die Welt vollkommen!“
— also denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer
Liebe gehorcht.

Und gehorchen muss das Weib und eine Tiefe
finden zu seiner Oberfläche. Oberfläche ist des Weibes
Gemüth, eine bewegliche stürmische Haut auf einem
seichten Gewässer.

Des Mannes Gemüth aber ist tief, sein Strom
rauscht in unterirdischen Höhlen: das Weib ahnt seine
Kraft, aber begreift sie nicht. —

Da entgegnete mir das alte Weiblein: „Vieles
Artige sagte Zarathustra und sonderlich für Die, welche
jung genug dazu sind.

„Seltsam ist's, Zarathustra kennt wenig die Weiber,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0100" n="94"/>
          <p>In eurer Liebe sei eure Ehre! Wenig versteht<lb/>
sich sonst das Weib auf Ehre. Aber diess sei eure<lb/>
Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet,<lb/>
und nie die Zweiten zu sein.</p><lb/>
          <p>Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es<lb/>
liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding<lb/>
gilt ihm ohne Werth.</p><lb/>
          <p>Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es<lb/>
hasst: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur<lb/>
böse, das Weib aber ist dort schlecht.</p><lb/>
          <p>Wen hasst das Weib am meisten? &#x2014; Also sprach<lb/>
das Eisen zum Magneten: &#x201E;ich hasse dich am meisten,<lb/>
weil du anziehst, aber nicht stark genug bist, an dich<lb/>
zu ziehen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das Glück des Mannes heisst: ich will. Das Glück<lb/>
des Weibes heisst: er will.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Siehe, jetzt eben ward die Welt vollkommen!&#x201C;<lb/>
&#x2014; also denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer<lb/>
Liebe gehorcht.</p><lb/>
          <p>Und gehorchen muss das Weib und eine Tiefe<lb/>
finden zu seiner Oberfläche. Oberfläche ist des Weibes<lb/>
Gemüth, eine bewegliche stürmische Haut auf einem<lb/>
seichten Gewässer.</p><lb/>
          <p>Des Mannes Gemüth aber ist tief, sein Strom<lb/>
rauscht in unterirdischen Höhlen: das Weib ahnt seine<lb/>
Kraft, aber begreift sie nicht. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Da entgegnete mir das alte Weiblein: &#x201E;Vieles<lb/>
Artige sagte Zarathustra und sonderlich für Die, welche<lb/>
jung genug dazu sind.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Seltsam ist's, Zarathustra kennt wenig die Weiber,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0100] In eurer Liebe sei eure Ehre! Wenig versteht sich sonst das Weib auf Ehre. Aber diess sei eure Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet, und nie die Zweiten zu sein. Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding gilt ihm ohne Werth. Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es hasst: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur böse, das Weib aber ist dort schlecht. Wen hasst das Weib am meisten? — Also sprach das Eisen zum Magneten: „ich hasse dich am meisten, weil du anziehst, aber nicht stark genug bist, an dich zu ziehen.“ Das Glück des Mannes heisst: ich will. Das Glück des Weibes heisst: er will. „Siehe, jetzt eben ward die Welt vollkommen!“ — also denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer Liebe gehorcht. Und gehorchen muss das Weib und eine Tiefe finden zu seiner Oberfläche. Oberfläche ist des Weibes Gemüth, eine bewegliche stürmische Haut auf einem seichten Gewässer. Des Mannes Gemüth aber ist tief, sein Strom rauscht in unterirdischen Höhlen: das Weib ahnt seine Kraft, aber begreift sie nicht. — Da entgegnete mir das alte Weiblein: „Vieles Artige sagte Zarathustra und sonderlich für Die, welche jung genug dazu sind. „Seltsam ist's, Zarathustra kennt wenig die Weiber,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/100
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/100>, abgerufen am 24.11.2024.