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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Sie wollen gerne todt sein, und wir sollten ihren
Willen gut heissen! Hüten wir uns, diese Todten zu
erwecken und diese lebendigen Särge zu versehren!

Ihnen begegnet ein Kranker oder ein Greis oder
ein Leichnam; und gleich sagen sie "das Leben ist
widerlegt!"

Aber nur sie sind widerlegt und ihr Auge, wel¬
ches nur das Eine Gesicht sieht am Dasein.

Eingehüllt in dicke Schwermuth und begierig auf
die kleinen Zufälle, welche den Tod bringen: so warten
sie und beissen die Zähne auf einander.

Oder aber: sie greifen nach Zuckerwerk und
spotten ihrer Kinderei dabei: sie hängen an ihrem
Strohhalm Leben und spotten, dass sie noch an einem
Strohhalm hängen.

Ihre Weisheit lautet: "ein Thor, der leben bleibt,
aber so sehr sind wir Thoren! Und das eben ist das
Thörichtste am Leben!" --

"Das Leben ist nur Leiden" -- so sagen Andre
und lügen nicht: so sorgt doch, dass ihr aufhört! So
sorgt doch, dass das Leben aufhört, welches nur
Leiden ist!

Und also laute die Lehre eurer Tugend "du
sollst dich selber tödten! Du sollst dich selber davon¬
stehlen!" --

"Wollust ist Sünde, -- so sagen die Einen, welche
den Tod predigen -- lasst uns bei Seite gehn und
keine Kinder zeugen!"

"Gebären ist mühsam, -- sagen die Andern --

Sie wollen gerne todt sein, und wir sollten ihren
Willen gut heissen! Hüten wir uns, diese Todten zu
erwecken und diese lebendigen Särge zu versehren!

Ihnen begegnet ein Kranker oder ein Greis oder
ein Leichnam; und gleich sagen sie „das Leben ist
widerlegt!“

Aber nur sie sind widerlegt und ihr Auge, wel¬
ches nur das Eine Gesicht sieht am Dasein.

Eingehüllt in dicke Schwermuth und begierig auf
die kleinen Zufälle, welche den Tod bringen: so warten
sie und beissen die Zähne auf einander.

Oder aber: sie greifen nach Zuckerwerk und
spotten ihrer Kinderei dabei: sie hängen an ihrem
Strohhalm Leben und spotten, dass sie noch an einem
Strohhalm hängen.

Ihre Weisheit lautet: „ein Thor, der leben bleibt,
aber so sehr sind wir Thoren! Und das eben ist das
Thörichtste am Leben!“ —

„Das Leben ist nur Leiden“ — so sagen Andre
und lügen nicht: so sorgt doch, dass ihr aufhört! So
sorgt doch, dass das Leben aufhört, welches nur
Leiden ist!

Und also laute die Lehre eurer Tugend „du
sollst dich selber tödten! Du sollst dich selber davon¬
stehlen!“ —

„Wollust ist Sünde, — so sagen die Einen, welche
den Tod predigen — lasst uns bei Seite gehn und
keine Kinder zeugen!“

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[60/0066] Sie wollen gerne todt sein, und wir sollten ihren Willen gut heissen! Hüten wir uns, diese Todten zu erwecken und diese lebendigen Särge zu versehren! Ihnen begegnet ein Kranker oder ein Greis oder ein Leichnam; und gleich sagen sie „das Leben ist widerlegt!“ Aber nur sie sind widerlegt und ihr Auge, wel¬ ches nur das Eine Gesicht sieht am Dasein. Eingehüllt in dicke Schwermuth und begierig auf die kleinen Zufälle, welche den Tod bringen: so warten sie und beissen die Zähne auf einander. Oder aber: sie greifen nach Zuckerwerk und spotten ihrer Kinderei dabei: sie hängen an ihrem Strohhalm Leben und spotten, dass sie noch an einem Strohhalm hängen. Ihre Weisheit lautet: „ein Thor, der leben bleibt, aber so sehr sind wir Thoren! Und das eben ist das Thörichtste am Leben!“ — „Das Leben ist nur Leiden“ — so sagen Andre und lügen nicht: so sorgt doch, dass ihr aufhört! So sorgt doch, dass das Leben aufhört, welches nur Leiden ist! Und also laute die Lehre eurer Tugend „du sollst dich selber tödten! Du sollst dich selber davon¬ stehlen!“ — „Wollust ist Sünde, — so sagen die Einen, welche den Tod predigen — lasst uns bei Seite gehn und keine Kinder zeugen!“ „Gebären ist mühsam, — sagen die Andern —

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/66>, abgerufen am 21.11.2024.