Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie summen um dich auch mit ihrem Lobe: Zu¬
dringlichkeit ist ihr Loben. Sie wollen die Nähe
deiner Haut und deines Blutes.

Sie schmeicheln dir wie einem Gotte oder Teufel;
sie winseln vor dir wie vor einem Gotte oder Teufel.
Was macht es! Schmeichler sind es und Winsler und
nicht mehr.

Auch geben sie sich dir oft als Liebenswürdige.
Aber das war immer die Klugheit der Feigen. Ja,
die Feigen sind klug!

Sie denken viel über dich mit ihrer engen Seele,
-- bedenklich bist du ihnen stets! Alles, was viel be¬
dacht wird, wird bedenklich.

Sie bestrafen dich für alle deine Tugenden. Sie
verzeihen dir von Grund aus nur -- deine Fehlgriffe.

Weil du milde bist und gerechten Sinnes, sagst
du: "unschuldig sind sie an ihrem kleinen Dasein."
Aber ihre enge Seele denkt: "Schuld ist alles grosse
Dasein."

Auch wenn du ihnen milde bist, fühlen sie sich
noch von dir verachtet; und sie geben dir deine Wohl¬
that zurück mit versteckten Wehthaten.

Dein wortloser Stolz geht immer wider ihren
Geschmack; sie frohlocken, wenn du einmal beschei¬
den genug bist, eitel zu sein.

Das, was wir an einem Menschen erkennen, das
entzünden wir an ihm auch. Also hüte dich vor den
Kleinen!

Vor dir fühlen sie sich klein, und ihre Niedrigkeit
glimmt und glüht gegen dich in unsichtbarer Rache.

Sie summen um dich auch mit ihrem Lobe: Zu¬
dringlichkeit ist ihr Loben. Sie wollen die Nähe
deiner Haut und deines Blutes.

Sie schmeicheln dir wie einem Gotte oder Teufel;
sie winseln vor dir wie vor einem Gotte oder Teufel.
Was macht es! Schmeichler sind es und Winsler und
nicht mehr.

Auch geben sie sich dir oft als Liebenswürdige.
Aber das war immer die Klugheit der Feigen. Ja,
die Feigen sind klug!

Sie denken viel über dich mit ihrer engen Seele,
— bedenklich bist du ihnen stets! Alles, was viel be¬
dacht wird, wird bedenklich.

Sie bestrafen dich für alle deine Tugenden. Sie
verzeihen dir von Grund aus nur — deine Fehlgriffe.

Weil du milde bist und gerechten Sinnes, sagst
du: „unschuldig sind sie an ihrem kleinen Dasein.“
Aber ihre enge Seele denkt: „Schuld ist alles grosse
Dasein.“

Auch wenn du ihnen milde bist, fühlen sie sich
noch von dir verachtet; und sie geben dir deine Wohl¬
that zurück mit versteckten Wehthaten.

Dein wortloser Stolz geht immer wider ihren
Geschmack; sie frohlocken, wenn du einmal beschei¬
den genug bist, eitel zu sein.

Das, was wir an einem Menschen erkennen, das
entzünden wir an ihm auch. Also hüte dich vor den
Kleinen!

Vor dir fühlen sie sich klein, und ihre Niedrigkeit
glimmt und glüht gegen dich in unsichtbarer Rache.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0078" n="72"/>
          <p>Sie summen um dich auch mit ihrem Lobe: Zu¬<lb/>
dringlichkeit ist ihr Loben. Sie wollen die Nähe<lb/>
deiner Haut und deines Blutes.</p><lb/>
          <p>Sie schmeicheln dir wie einem Gotte oder Teufel;<lb/>
sie winseln vor dir wie vor einem Gotte oder Teufel.<lb/>
Was macht es! Schmeichler sind es und Winsler und<lb/>
nicht mehr.</p><lb/>
          <p>Auch geben sie sich dir oft als Liebenswürdige.<lb/>
Aber das war immer die Klugheit der Feigen. Ja,<lb/>
die Feigen sind klug!</p><lb/>
          <p>Sie denken viel über dich mit ihrer engen Seele,<lb/>
&#x2014; bedenklich bist du ihnen stets! Alles, was viel be¬<lb/>
dacht wird, wird bedenklich.</p><lb/>
          <p>Sie bestrafen dich für alle deine Tugenden. Sie<lb/>
verzeihen dir von Grund aus nur &#x2014; deine Fehlgriffe.</p><lb/>
          <p>Weil du milde bist und gerechten Sinnes, sagst<lb/>
du: &#x201E;unschuldig sind sie an ihrem kleinen Dasein.&#x201C;<lb/>
Aber ihre enge Seele denkt: &#x201E;Schuld ist alles grosse<lb/>
Dasein.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Auch wenn du ihnen milde bist, fühlen sie sich<lb/>
noch von dir verachtet; und sie geben dir deine Wohl¬<lb/>
that zurück mit versteckten Wehthaten.</p><lb/>
          <p>Dein wortloser Stolz geht immer wider ihren<lb/>
Geschmack; sie frohlocken, wenn du einmal beschei¬<lb/>
den genug bist, eitel zu sein.</p><lb/>
          <p>Das, was wir an einem Menschen erkennen, das<lb/>
entzünden wir an ihm auch. Also hüte dich vor den<lb/>
Kleinen!</p><lb/>
          <p>Vor dir fühlen sie sich klein, und ihre Niedrigkeit<lb/>
glimmt und glüht gegen dich in unsichtbarer Rache.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0078] Sie summen um dich auch mit ihrem Lobe: Zu¬ dringlichkeit ist ihr Loben. Sie wollen die Nähe deiner Haut und deines Blutes. Sie schmeicheln dir wie einem Gotte oder Teufel; sie winseln vor dir wie vor einem Gotte oder Teufel. Was macht es! Schmeichler sind es und Winsler und nicht mehr. Auch geben sie sich dir oft als Liebenswürdige. Aber das war immer die Klugheit der Feigen. Ja, die Feigen sind klug! Sie denken viel über dich mit ihrer engen Seele, — bedenklich bist du ihnen stets! Alles, was viel be¬ dacht wird, wird bedenklich. Sie bestrafen dich für alle deine Tugenden. Sie verzeihen dir von Grund aus nur — deine Fehlgriffe. Weil du milde bist und gerechten Sinnes, sagst du: „unschuldig sind sie an ihrem kleinen Dasein.“ Aber ihre enge Seele denkt: „Schuld ist alles grosse Dasein.“ Auch wenn du ihnen milde bist, fühlen sie sich noch von dir verachtet; und sie geben dir deine Wohl¬ that zurück mit versteckten Wehthaten. Dein wortloser Stolz geht immer wider ihren Geschmack; sie frohlocken, wenn du einmal beschei¬ den genug bist, eitel zu sein. Das, was wir an einem Menschen erkennen, das entzünden wir an ihm auch. Also hüte dich vor den Kleinen! Vor dir fühlen sie sich klein, und ihre Niedrigkeit glimmt und glüht gegen dich in unsichtbarer Rache.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/78
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/78>, abgerufen am 09.11.2024.