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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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Auf einem Eilande glaubten sie einst zu landen,
als das Meer sie herumriss; aber siehe, es war ein
schlafendes Ungeheuer!

Falsche Werthe und Wahn-Worte: das sind die
schlimmsten Ungeheuer für Sterbliche, -- lange schläft
und wartet in ihnen das Verhängniss.

Aber endlich kommt es und wacht und frisst und
schlingt, was auf ihm sich Hütten baute.

Oh seht mir doch diese Hütten an, die sich diese
Priester bauten! Kirchen heissen sie ihre süssduftenden
Höhlen.

Oh über diess verfälschte Licht, diese verdumpfte
Luft! Hier, wo die Seele zu ihrer Höhe hinauf --
nicht fliegen darf!

Sondern also gebietet ihr Glaube: "auf den Knien
die Treppe hinan, ihr Sünder!"

Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen,
als die verrenkten Augen ihrer Scham und Andacht!

Wer schuf sich solche Höhlen und Buss-Treppen?
Waren es nicht Solche, die sich verbergen wollten
und sich vor dem reinen Himmel schämten?

Und erst wenn der reine Himmel wieder durch
zerbrochne Decken blickt, und hinab auf Gras und
rothen Mohn an zerbrochnen Mauern, -- will ich den
Stätten dieses Gottes wieder mein Herz zuwenden.

Sie nannten Gott, was ihnen widersprach und
wehe that: und wahrlich, es war viel Helden-Art in
ihrer Anbetung!

Und nicht anders wussten sie ihren Gott zu lieben,
als indem sie den Menschen an's Kreuz schlugen!

Auf einem Eilande glaubten sie einst zu landen,
als das Meer sie herumriss; aber siehe, es war ein
schlafendes Ungeheuer!

Falsche Werthe und Wahn-Worte: das sind die
schlimmsten Ungeheuer für Sterbliche, — lange schläft
und wartet in ihnen das Verhängniss.

Aber endlich kommt es und wacht und frisst und
schlingt, was auf ihm sich Hütten baute.

Oh seht mir doch diese Hütten an, die sich diese
Priester bauten! Kirchen heissen sie ihre süssduftenden
Höhlen.

Oh über diess verfälschte Licht, diese verdumpfte
Luft! Hier, wo die Seele zu ihrer Höhe hinauf —
nicht fliegen darf!

Sondern also gebietet ihr Glaube: „auf den Knien
die Treppe hinan, ihr Sünder!“

Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen,
als die verrenkten Augen ihrer Scham und Andacht!

Wer schuf sich solche Höhlen und Buss-Treppen?
Waren es nicht Solche, die sich verbergen wollten
und sich vor dem reinen Himmel schämten?

Und erst wenn der reine Himmel wieder durch
zerbrochne Decken blickt, und hinab auf Gras und
rothen Mohn an zerbrochnen Mauern, — will ich den
Stätten dieses Gottes wieder mein Herz zuwenden.

Sie nannten Gott, was ihnen widersprach und
wehe that: und wahrlich, es war viel Helden-Art in
ihrer Anbetung!

Und nicht anders wussten sie ihren Gott zu lieben,
als indem sie den Menschen an's Kreuz schlugen!

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[14/0024] Auf einem Eilande glaubten sie einst zu landen, als das Meer sie herumriss; aber siehe, es war ein schlafendes Ungeheuer! Falsche Werthe und Wahn-Worte: das sind die schlimmsten Ungeheuer für Sterbliche, — lange schläft und wartet in ihnen das Verhängniss. Aber endlich kommt es und wacht und frisst und schlingt, was auf ihm sich Hütten baute. Oh seht mir doch diese Hütten an, die sich diese Priester bauten! Kirchen heissen sie ihre süssduftenden Höhlen. Oh über diess verfälschte Licht, diese verdumpfte Luft! Hier, wo die Seele zu ihrer Höhe hinauf — nicht fliegen darf! Sondern also gebietet ihr Glaube: „auf den Knien die Treppe hinan, ihr Sünder!“ Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen, als die verrenkten Augen ihrer Scham und Andacht! Wer schuf sich solche Höhlen und Buss-Treppen? Waren es nicht Solche, die sich verbergen wollten und sich vor dem reinen Himmel schämten? Und erst wenn der reine Himmel wieder durch zerbrochne Decken blickt, und hinab auf Gras und rothen Mohn an zerbrochnen Mauern, — will ich den Stätten dieses Gottes wieder mein Herz zuwenden. Sie nannten Gott, was ihnen widersprach und wehe that: und wahrlich, es war viel Helden-Art in ihrer Anbetung! Und nicht anders wussten sie ihren Gott zu lieben, als indem sie den Menschen an's Kreuz schlugen!

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/24>, abgerufen am 21.11.2024.