Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Als Leichname gedachten sie zu leben, schwarz Und wer ihnen nahe lebt, der lebt schwarzen Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich Nackt möchte ich sie sehn: denn allein die Schön¬ Wahrlich, ihre Erlöser selber kamen nicht aus Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser; In ihrem Mitleiden war ihr Geist ertrunken, und Eifrig trieben sie und mit Geschrei ihre Heerde Kleine Geister und umfängliche Seelen hatten Als Leichname gedachten sie zu leben, schwarz Und wer ihnen nahe lebt, der lebt schwarzen Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich Nackt möchte ich sie sehn: denn allein die Schön¬ Wahrlich, ihre Erlöser selber kamen nicht aus Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser; In ihrem Mitleiden war ihr Geist ertrunken, und Eifrig trieben sie und mit Geschrei ihre Heerde Kleine Geister und umfängliche Seelen hatten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0025" n="15"/> <p>Als Leichname gedachten sie zu leben, schwarz<lb/> schlugen sie ihren Leichnam aus; auch aus ihren<lb/> Reden rieche ich noch die üble Würze von Todten¬<lb/> kammern.</p><lb/> <p>Und wer ihnen nahe lebt, der lebt schwarzen<lb/> Teichen nahe, aus denen heraus die Unke ihr Lied<lb/> mit süssem Tiefsinne singt.</p><lb/> <p>Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich<lb/> an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir<lb/> seine Jünger aussehen!</p><lb/> <p>Nackt möchte ich sie sehn: denn allein die Schön¬<lb/> heit sollte Busse predigen. Aber wen überredet wohl<lb/> diese vermummte Trübsal!</p><lb/> <p>Wahrlich, ihre Erlöser selber kamen nicht aus<lb/> der Freiheit und der Freiheit siebentem Himmel!<lb/> Wahrlich, sie selber wandelten niemals auf den<lb/> Teppichen der Erkenntnis!</p><lb/> <p>Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser;<lb/> aber in jede Lücke hatten sie ihren Wahn gestellt,<lb/> ihren Lückenbüsser, den sie Gott nannten.</p><lb/> <p>In ihrem Mitleiden war ihr Geist ertrunken, und<lb/> wenn sie schwollen und überschwollen von Mitleiden,<lb/> schwamm immer obenauf eine grosse Thorheit.</p><lb/> <p>Eifrig trieben sie und mit Geschrei ihre Heerde<lb/> über ihren Steg: wie als ob es zur Zukunft nur Einen<lb/> Steg gäbe! Wahrlich, auch diese Hirten gehörten<lb/> noch zu den Schafen!</p><lb/> <p>Kleine Geister und umfängliche Seelen hatten<lb/> diese Hirten: aber, meine Brüder, was für kleine Länder<lb/> waren bisher auch die umfänglichsten Seelen!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
Als Leichname gedachten sie zu leben, schwarz
schlugen sie ihren Leichnam aus; auch aus ihren
Reden rieche ich noch die üble Würze von Todten¬
kammern.
Und wer ihnen nahe lebt, der lebt schwarzen
Teichen nahe, aus denen heraus die Unke ihr Lied
mit süssem Tiefsinne singt.
Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich
an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir
seine Jünger aussehen!
Nackt möchte ich sie sehn: denn allein die Schön¬
heit sollte Busse predigen. Aber wen überredet wohl
diese vermummte Trübsal!
Wahrlich, ihre Erlöser selber kamen nicht aus
der Freiheit und der Freiheit siebentem Himmel!
Wahrlich, sie selber wandelten niemals auf den
Teppichen der Erkenntnis!
Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser;
aber in jede Lücke hatten sie ihren Wahn gestellt,
ihren Lückenbüsser, den sie Gott nannten.
In ihrem Mitleiden war ihr Geist ertrunken, und
wenn sie schwollen und überschwollen von Mitleiden,
schwamm immer obenauf eine grosse Thorheit.
Eifrig trieben sie und mit Geschrei ihre Heerde
über ihren Steg: wie als ob es zur Zukunft nur Einen
Steg gäbe! Wahrlich, auch diese Hirten gehörten
noch zu den Schafen!
Kleine Geister und umfängliche Seelen hatten
diese Hirten: aber, meine Brüder, was für kleine Länder
waren bisher auch die umfänglichsten Seelen!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |