Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.gut wisst ihr, was sich in sieben Tagen erfüllen -- und wie jenes Unthier mir in den Schlund Und ihr, -- ihr machtet schon ein Leier-Lied Und ihr schautet dem Allen zu? Oh meine Bei Trauerspielen, Stierkämpfen und Kreuzigungen Wenn der grosse Mensch schreit --: flugs läuft Der kleine Mensch, sonderlich der Dichter -- wie Solche Ankläger des Lebens: die überwindet das Der Mensch ist gegen sich selber das grausamste gut wisst ihr, was sich in sieben Tagen erfüllen — und wie jenes Unthier mir in den Schlund Und ihr, — ihr machtet schon ein Leier-Lied Und ihr schautet dem Allen zu? Oh meine Bei Trauerspielen, Stierkämpfen und Kreuzigungen Wenn der grosse Mensch schreit —: flugs läuft Der kleine Mensch, sonderlich der Dichter — wie Solche Ankläger des Lebens: die überwindet das Der Mensch ist gegen sich selber das grausamste <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0106" n="96"/> gut wisst ihr, was sich in sieben Tagen erfüllen<lb/> musste: —</p><lb/> <p>— und wie jenes Unthier mir in den Schlund<lb/> kroch und mich würgte! Aber ich biss ihm den Kopf<lb/> ab und spie ihn weg von mir.</p><lb/> <p>Und ihr, — ihr machtet schon ein Leier-Lied<lb/> daraus? Nun aber liege ich da, müde noch von diesem<lb/> Beissen und Wegspein, krank noch von der eigenen<lb/> Erlösung.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Und ihr schautet dem Allen zu</hi>? Oh meine<lb/> Thiere, seid auch ihr grausam? Habt ihr meinem<lb/> grossen Schmerze zuschaun wollen, wie Menschen<lb/> thun? Der Mensch nämlich ist das grausamste Thier.</p><lb/> <p>Bei Trauerspielen, Stierkämpfen und Kreuzigungen<lb/> ist es ihm bisher am wohlsten geworden auf Erden;<lb/> und als er sich die Hölle erfand, siehe, da war das<lb/> sein Himmel auf Erden.</p><lb/> <p>Wenn der grosse Mensch schreit —: flugs läuft<lb/> der kleine hinzu; und die Zunge hängt ihm aus dem<lb/> Halse vor Lüsternheit. Er aber heisst es sein „Mit¬<lb/> leiden.“</p><lb/> <p>Der kleine Mensch, sonderlich der Dichter — wie<lb/> eifrig klagt er das Leben in Worten an! Hört hin,<lb/> aber überhört mir die Lust nicht, die in allem An¬<lb/> klagen ist!</p><lb/> <p>Solche Ankläger des Lebens: die überwindet das<lb/> Leben mit einem Augenblinzeln. „Du liebst mich?<lb/> sagt die Freche; warte noch ein Wenig, noch habe<lb/> ich für dich nicht Zeit.“</p><lb/> <p>Der Mensch ist gegen sich selber das grausamste<lb/> Thier; und bei Allem, was sich „Sünder“ und „Kreuz¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0106]
gut wisst ihr, was sich in sieben Tagen erfüllen
musste: —
— und wie jenes Unthier mir in den Schlund
kroch und mich würgte! Aber ich biss ihm den Kopf
ab und spie ihn weg von mir.
Und ihr, — ihr machtet schon ein Leier-Lied
daraus? Nun aber liege ich da, müde noch von diesem
Beissen und Wegspein, krank noch von der eigenen
Erlösung.
Und ihr schautet dem Allen zu? Oh meine
Thiere, seid auch ihr grausam? Habt ihr meinem
grossen Schmerze zuschaun wollen, wie Menschen
thun? Der Mensch nämlich ist das grausamste Thier.
Bei Trauerspielen, Stierkämpfen und Kreuzigungen
ist es ihm bisher am wohlsten geworden auf Erden;
und als er sich die Hölle erfand, siehe, da war das
sein Himmel auf Erden.
Wenn der grosse Mensch schreit —: flugs läuft
der kleine hinzu; und die Zunge hängt ihm aus dem
Halse vor Lüsternheit. Er aber heisst es sein „Mit¬
leiden.“
Der kleine Mensch, sonderlich der Dichter — wie
eifrig klagt er das Leben in Worten an! Hört hin,
aber überhört mir die Lust nicht, die in allem An¬
klagen ist!
Solche Ankläger des Lebens: die überwindet das
Leben mit einem Augenblinzeln. „Du liebst mich?
sagt die Freche; warte noch ein Wenig, noch habe
ich für dich nicht Zeit.“
Der Mensch ist gegen sich selber das grausamste
Thier; und bei Allem, was sich „Sünder“ und „Kreuz¬
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