Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.Also rief mir Alles in Zeichen zu: "es ist Zeit!" Ach, abgründlicher Gedanke, der du mein Ge¬ Bis zur Kehle hinauf klopft mir das Herz, wenn Noch wagte ich niemals, dich herauf zu rufen: Genug des Furchtbaren war mir immer schon Wenn ich mich dessen erst überwunden habe, Inzwischen treibe ich noch auf ungewissen Meeren; Noch kam mir die Stunde meines letzten Kampfes Oh Nachmittag meines Lebens! Oh Glück vor Also rief mir Alles in Zeichen zu: „es ist Zeit!“ Ach, abgründlicher Gedanke, der du mein Ge¬ Bis zur Kehle hinauf klopft mir das Herz, wenn Noch wagte ich niemals, dich herauf zu rufen: Genug des Furchtbaren war mir immer schon Wenn ich mich dessen erst überwunden habe, Inzwischen treibe ich noch auf ungewissen Meeren; Noch kam mir die Stunde meines letzten Kampfes Oh Nachmittag meines Lebens! Oh Glück vor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="16"/> <p>Also rief mir Alles in Zeichen zu: „es ist Zeit!“<lb/> Aber ich — hörte nicht: bis endlich mein Abgrund<lb/> sich rührte und mein Gedanke mich biss.</p><lb/> <p>Ach, abgründlicher Gedanke, der du <hi rendition="#g">mein</hi> Ge¬<lb/> danke bist! Wann finde ich die Stärke, dich graben<lb/> zu hören und nicht mehr zu zittern?</p><lb/> <p>Bis zur Kehle hinauf klopft mir das Herz, wenn<lb/> ich dich graben höre! Dein Schweigen noch will mich<lb/> würgen, du abgründlich Schweigender!</p><lb/> <p>Noch wagte ich niemals, dich <hi rendition="#g">herauf</hi> zu rufen:<lb/> genug schon, dass ich dich mit mir — trug! Noch<lb/> war ich nicht stark genug zum letzten Löwen-Übermuthe<lb/> und -Muthwillen.</p><lb/> <p>Genug des Furchtbaren war mir immer schon<lb/> deine Schwere: aber einst soll ich noch die Stärke<lb/> finden und die Löwen-Stimme, die dich herauf ruft!</p><lb/> <p>Wenn ich mich dessen erst überwunden habe,<lb/> dann will ich mich auch des Grösseren noch über¬<lb/> winden; und ein <hi rendition="#g">Sieg</hi> soll meiner Vollendung Siegel<lb/> sein! —</p><lb/> <p>Inzwischen treibe ich noch auf ungewissen Meeren;<lb/> der Zufall schmeichelt mir, der glattzüngige; vorwärts<lb/> und rückwärts schaue ich —, noch schaue ich kein<lb/> Ende.</p><lb/> <p>Noch kam mir die Stunde meines letzten Kampfes<lb/> nicht, — oder kommt sie wohl mir eben? Wahrlich,<lb/> mit tückischer Schönheit schaut mich rings Meer und<lb/> Leben an!</p><lb/> <p>Oh Nachmittag meines Lebens! Oh Glück vor<lb/> Abend! Oh Hafen auf hoher See! Oh Friede im Un¬<lb/> gewissen! Wie misstraue ich euch Allen!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
Also rief mir Alles in Zeichen zu: „es ist Zeit!“
Aber ich — hörte nicht: bis endlich mein Abgrund
sich rührte und mein Gedanke mich biss.
Ach, abgründlicher Gedanke, der du mein Ge¬
danke bist! Wann finde ich die Stärke, dich graben
zu hören und nicht mehr zu zittern?
Bis zur Kehle hinauf klopft mir das Herz, wenn
ich dich graben höre! Dein Schweigen noch will mich
würgen, du abgründlich Schweigender!
Noch wagte ich niemals, dich herauf zu rufen:
genug schon, dass ich dich mit mir — trug! Noch
war ich nicht stark genug zum letzten Löwen-Übermuthe
und -Muthwillen.
Genug des Furchtbaren war mir immer schon
deine Schwere: aber einst soll ich noch die Stärke
finden und die Löwen-Stimme, die dich herauf ruft!
Wenn ich mich dessen erst überwunden habe,
dann will ich mich auch des Grösseren noch über¬
winden; und ein Sieg soll meiner Vollendung Siegel
sein! —
Inzwischen treibe ich noch auf ungewissen Meeren;
der Zufall schmeichelt mir, der glattzüngige; vorwärts
und rückwärts schaue ich —, noch schaue ich kein
Ende.
Noch kam mir die Stunde meines letzten Kampfes
nicht, — oder kommt sie wohl mir eben? Wahrlich,
mit tückischer Schönheit schaut mich rings Meer und
Leben an!
Oh Nachmittag meines Lebens! Oh Glück vor
Abend! Oh Hafen auf hoher See! Oh Friede im Un¬
gewissen! Wie misstraue ich euch Allen!
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