Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.Mitschaffender und Mitfeiernder Zarathustra's --: ein Und um seinetwillen und seines Gleichen muss Und wahrlich, Zeit war's, dass ich gieng; und des Der Wind blies mir durch's Schlüsselloch und Aber ich lag angekettet an die Liebe zu meinen Begehren -- das heisst mir schon: mich verloren Aber brütend lag die Sonne meiner Liebe auf Nach Frost und Winter gelüstete mich schon: "oh Meine Vergangenheit brach ihre Gräber, manch Mitschaffender und Mitfeiernder Zarathustra's —: ein Und um seinetwillen und seines Gleichen muss Und wahrlich, Zeit war's, dass ich gieng; und des Der Wind blies mir durch's Schlüsselloch und Aber ich lag angekettet an die Liebe zu meinen Begehren — das heisst mir schon: mich verloren Aber brütend lag die Sonne meiner Liebe auf Nach Frost und Winter gelüstete mich schon: „oh Meine Vergangenheit brach ihre Gräber, manch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="15"/> Mitschaffender und Mitfeiernder Zarathustra's —: ein<lb/> Solcher, der mir meinen Willen auf meine Tafeln<lb/> schreibt: zu aller Dinge vollerer Vollendung.</p><lb/> <p>Und um seinetwillen und seines Gleichen muss<lb/> ich selber <hi rendition="#g">mich</hi> vollenden: darum weiche ich jetzt<lb/> meinem Glücke aus und biete mich allem Unglücke<lb/> an — zu <hi rendition="#g">meiner</hi> letzten Prüfung und Erkenntniss.</p><lb/> <p>Und wahrlich, Zeit war's, dass ich gieng; und des<lb/> Wanderers Schatten und die längste Weile und die<lb/> stillste Stunde — alle redeten mir zu: „es ist höchste Zeit!“</p><lb/> <p>Der Wind blies mir durch's Schlüsselloch und<lb/> sagte „Komm!“ Die Thür sprang mir listig auf und<lb/> sagte „Geh!“</p><lb/> <p>Aber ich lag angekettet an die Liebe zu meinen<lb/> Kindern: das Begehren legte mir diese Schlinge, das<lb/> Begehren nach Liebe, dass ich meiner Kinder Beute<lb/> würde und mich an sie verlöre.</p><lb/> <p>Begehren — das heisst mir schon: mich verloren<lb/> haben. <hi rendition="#g">Ich habe euch</hi>, <hi rendition="#g">meine Kinder</hi>! In diesem<lb/> Haben soll Alles Sicherheit und Nichts Begehren sein.</p><lb/> <p>Aber brütend lag die Sonne meiner Liebe auf<lb/> mir, im eignen Safte kochte Zarathustra, — da flogen<lb/> Schatten und Zweifel über mich weg.</p><lb/> <p>Nach Frost und Winter gelüstete mich schon: „oh<lb/> dass Frost und Winter mich wieder knacken und<lb/> knirschen machten!“ seufzte ich: — da stiegen eisige<lb/> Nebel aus mir auf.</p><lb/> <p>Meine Vergangenheit brach ihre Gräber, manch<lb/> lebendig begrabner Schmerz wachte auf —: ausge¬<lb/> schlafen hatte er sich nur, versteckt in Leichen-<lb/> Gewänder.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
Mitschaffender und Mitfeiernder Zarathustra's —: ein
Solcher, der mir meinen Willen auf meine Tafeln
schreibt: zu aller Dinge vollerer Vollendung.
Und um seinetwillen und seines Gleichen muss
ich selber mich vollenden: darum weiche ich jetzt
meinem Glücke aus und biete mich allem Unglücke
an — zu meiner letzten Prüfung und Erkenntniss.
Und wahrlich, Zeit war's, dass ich gieng; und des
Wanderers Schatten und die längste Weile und die
stillste Stunde — alle redeten mir zu: „es ist höchste Zeit!“
Der Wind blies mir durch's Schlüsselloch und
sagte „Komm!“ Die Thür sprang mir listig auf und
sagte „Geh!“
Aber ich lag angekettet an die Liebe zu meinen
Kindern: das Begehren legte mir diese Schlinge, das
Begehren nach Liebe, dass ich meiner Kinder Beute
würde und mich an sie verlöre.
Begehren — das heisst mir schon: mich verloren
haben. Ich habe euch, meine Kinder! In diesem
Haben soll Alles Sicherheit und Nichts Begehren sein.
Aber brütend lag die Sonne meiner Liebe auf
mir, im eignen Safte kochte Zarathustra, — da flogen
Schatten und Zweifel über mich weg.
Nach Frost und Winter gelüstete mich schon: „oh
dass Frost und Winter mich wieder knacken und
knirschen machten!“ seufzte ich: — da stiegen eisige
Nebel aus mir auf.
Meine Vergangenheit brach ihre Gräber, manch
lebendig begrabner Schmerz wachte auf —: ausge¬
schlafen hatte er sich nur, versteckt in Leichen-
Gewänder.
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/25>, abgerufen am 16.07.2024. |