Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.Und muss ich mich nicht verbergen, gleich Muss ich nicht Stelzen tragen, dass sie meine Diese räucherigen, stubenwarmen, verbrauchten, So zeige ich ihnen nur das Eis und den Winter Sie hören nur meine Winter-Stürme pfeifen: und Sie erbarmen sich noch meiner Unfälle und Zufälle: Wie könnten sie mein Glück ertragen, wenn ich -- wenn ich mich nicht selbst ihres Mitleids er¬ -- wenn ich nicht selber vor ihnen seufzte und Diess ist der weise Muthwille und Wohlwille meiner Des Einen Einsamkeit ist die Flucht des Kranken; Und muss ich mich nicht verbergen, gleich Muss ich nicht Stelzen tragen, dass sie meine Diese räucherigen, stubenwarmen, verbrauchten, So zeige ich ihnen nur das Eis und den Winter Sie hören nur meine Winter-Stürme pfeifen: und Sie erbarmen sich noch meiner Unfälle und Zufälle: Wie könnten sie mein Glück ertragen, wenn ich — wenn ich mich nicht selbst ihres Mitleids er¬ — wenn ich nicht selber vor ihnen seufzte und Diess ist der weise Muthwille und Wohlwille meiner Des Einen Einsamkeit ist die Flucht des Kranken; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0044" n="34"/> <p>Und <hi rendition="#g">muss</hi> ich mich nicht verbergen, gleich<lb/> Einem, der Gold verschluckt hat, — dass man mir nicht<lb/> die Seele aufschlitze?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Muss</hi> ich nicht Stelzen tragen, dass sie meine<lb/> langen Beine <hi rendition="#g">übersehen</hi>, — alle diese Neidbolde<lb/> und Leidholde, die um mich sind?</p><lb/> <p>Diese räucherigen, stubenwarmen, verbrauchten,<lb/> vergrünten, vergrämelten Seelen — wie <hi rendition="#g">könnte</hi> ihr<lb/> Neid mein Glück ertragen!</p><lb/> <p>So zeige ich ihnen nur das Eis und den Winter<lb/> auf meinen Gipfeln — und <hi rendition="#g">nicht</hi>, dass mein Berg<lb/> noch alle Sonnengürtel um sich schlingt!</p><lb/> <p>Sie hören nur meine Winter-Stürme pfeifen: und<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi>, dass ich auch über warme Meere fahre, gleich<lb/> sehnsüchtigen, schweren, heissen Südwinden.</p><lb/> <p>Sie erbarmen sich noch meiner Unfälle und Zufälle:<lb/> — aber <hi rendition="#g">mein</hi> Wort heisst: „lasst den Zufall zu mir<lb/> kommen: unschuldig ist er, wie ein Kindlein!“</p><lb/> <p>Wie <hi rendition="#g">könnten</hi> sie mein Glück ertragen, wenn ich<lb/> nicht Unfälle und Winter-Nöthe und Eisbären-Mützen<lb/> und Schneehimmel-Hüllen um mein Glück legte!</p><lb/> <p>— wenn ich mich nicht selbst ihres <hi rendition="#g">Mitleids</hi> er¬<lb/> barmte: des Mitleids dieser Neidbolde und Leidholde!</p><lb/> <p>— wenn ich nicht selber vor ihnen seufzte und<lb/> frostklapperte und mich geduldsam in ihr Mitleid<lb/> wickeln <hi rendition="#g">liesse</hi>!</p><lb/> <p>Diess ist der weise Muthwille und Wohlwille meiner<lb/> Seele, dass sie ihren Winter und ihre Froststürme <hi rendition="#g">nicht<lb/> verbirgt</hi>; sie verbirgt auch ihre Frostbeulen nicht.</p><lb/> <p>Des Einen Einsamkeit ist die Flucht des Kranken;<lb/> des Andern Einsamkeit die Flucht vor den Kranken.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [34/0044]
Und muss ich mich nicht verbergen, gleich
Einem, der Gold verschluckt hat, — dass man mir nicht
die Seele aufschlitze?
Muss ich nicht Stelzen tragen, dass sie meine
langen Beine übersehen, — alle diese Neidbolde
und Leidholde, die um mich sind?
Diese räucherigen, stubenwarmen, verbrauchten,
vergrünten, vergrämelten Seelen — wie könnte ihr
Neid mein Glück ertragen!
So zeige ich ihnen nur das Eis und den Winter
auf meinen Gipfeln — und nicht, dass mein Berg
noch alle Sonnengürtel um sich schlingt!
Sie hören nur meine Winter-Stürme pfeifen: und
nicht, dass ich auch über warme Meere fahre, gleich
sehnsüchtigen, schweren, heissen Südwinden.
Sie erbarmen sich noch meiner Unfälle und Zufälle:
— aber mein Wort heisst: „lasst den Zufall zu mir
kommen: unschuldig ist er, wie ein Kindlein!“
Wie könnten sie mein Glück ertragen, wenn ich
nicht Unfälle und Winter-Nöthe und Eisbären-Mützen
und Schneehimmel-Hüllen um mein Glück legte!
— wenn ich mich nicht selbst ihres Mitleids er¬
barmte: des Mitleids dieser Neidbolde und Leidholde!
— wenn ich nicht selber vor ihnen seufzte und
frostklapperte und mich geduldsam in ihr Mitleid
wickeln liesse!
Diess ist der weise Muthwille und Wohlwille meiner
Seele, dass sie ihren Winter und ihre Froststürme nicht
verbirgt; sie verbirgt auch ihre Frostbeulen nicht.
Des Einen Einsamkeit ist die Flucht des Kranken;
des Andern Einsamkeit die Flucht vor den Kranken.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |