Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.-- Das aber ist Der, welcher des Menschen Ziel Und ich hiess sie ihre alten Lehr-Stühle umwerfen, Über ihre düsteren Weisen hiess ich sie lachen, An ihre grosse Gräberstrasse setzte ich mich und Wahrlich, gleich Busspredigern und Narrn schrie Meine weise Sehnsucht schrie und lachte also aus Und oft riss sie mich fort und hinauf und hinweg -- hinaus in ferne Zukünfte, die kein Traum -- dass ich nämlich in Gleichnissen rede und — Das aber ist Der, welcher des Menschen Ziel Und ich hiess sie ihre alten Lehr-Stühle umwerfen, Über ihre düsteren Weisen hiess ich sie lachen, An ihre grosse Gräberstrasse setzte ich mich und Wahrlich, gleich Busspredigern und Narrn schrie Meine weise Sehnsucht schrie und lachte also aus Und oft riss sie mich fort und hinauf und hinweg — hinaus in ferne Zukünfte, die kein Traum — dass ich nämlich in Gleichnissen rede und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="66"/> <p>— Das aber ist Der, welcher des Menschen Ziel<lb/> schafft und der Erde ihren Sinn giebt und ihre Zu¬<lb/> kunft: Dieser erst <hi rendition="#g">schafft</hi> es, <hi rendition="#g">dass</hi> Etwas gut und<lb/> böse ist.</p><lb/> <p>Und ich hiess sie ihre alten Lehr-Stühle umwerfen,<lb/> und wo nur jener alte Dünkel gesessen hatte; ich hiess<lb/> sie lachen über ihre grossen Tugend-Meister und<lb/> Heiligen und Dichter und Welt-Erlöser.</p><lb/> <p>Über ihre düsteren Weisen hiess ich sie lachen,<lb/> und wer je als schwarze Vogelscheuche warnend auf<lb/> dem Baume des Lebens gesessen hatte.</p><lb/> <p>An ihre grosse Gräberstrasse setzte ich mich und<lb/> selber zu Aas und Geiern — und ich lachte über all<lb/> ihr Einst und seine mürbe verfallende Herrlichkeit.</p><lb/> <p>Wahrlich, gleich Busspredigern und Narrn schrie<lb/> ich Zorn und Zeter über all ihr Grosses und Kleines,<lb/> — dass ihr Bestes so gar klein ist! Dass ihr Bösestes<lb/> so gar klein ist! — also lachte ich.</p><lb/> <p>Meine weise Sehnsucht schrie und lachte also aus<lb/> mir, die auf Bergen geboren ist, eine wilde Weisheit<lb/> wahrlich! — meine grosse flügelbrausende Sehnsucht.</p><lb/> <p>Und oft riss sie mich fort und hinauf und hinweg<lb/> und mitten im Lachen: da flog ich wohl schaudernd,<lb/> ein Pfeil, durch sonnentrunkenes Entzücken:</p><lb/> <p>— hinaus in ferne Zukünfte, die kein Traum<lb/> noch sah, in heissere Süden, als je sich Bildner<lb/> träumten: dorthin, wo Götter tanzend sich aller Kleider<lb/> schämen: —</p><lb/> <p>— dass ich nämlich in Gleichnissen rede und<lb/> gleich Dichtern hinke und stammle: und wahrlich,<lb/> ich schäme mich, dass ich noch Dichter sein muss! —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0076]
— Das aber ist Der, welcher des Menschen Ziel
schafft und der Erde ihren Sinn giebt und ihre Zu¬
kunft: Dieser erst schafft es, dass Etwas gut und
böse ist.
Und ich hiess sie ihre alten Lehr-Stühle umwerfen,
und wo nur jener alte Dünkel gesessen hatte; ich hiess
sie lachen über ihre grossen Tugend-Meister und
Heiligen und Dichter und Welt-Erlöser.
Über ihre düsteren Weisen hiess ich sie lachen,
und wer je als schwarze Vogelscheuche warnend auf
dem Baume des Lebens gesessen hatte.
An ihre grosse Gräberstrasse setzte ich mich und
selber zu Aas und Geiern — und ich lachte über all
ihr Einst und seine mürbe verfallende Herrlichkeit.
Wahrlich, gleich Busspredigern und Narrn schrie
ich Zorn und Zeter über all ihr Grosses und Kleines,
— dass ihr Bestes so gar klein ist! Dass ihr Bösestes
so gar klein ist! — also lachte ich.
Meine weise Sehnsucht schrie und lachte also aus
mir, die auf Bergen geboren ist, eine wilde Weisheit
wahrlich! — meine grosse flügelbrausende Sehnsucht.
Und oft riss sie mich fort und hinauf und hinweg
und mitten im Lachen: da flog ich wohl schaudernd,
ein Pfeil, durch sonnentrunkenes Entzücken:
— hinaus in ferne Zukünfte, die kein Traum
noch sah, in heissere Süden, als je sich Bildner
träumten: dorthin, wo Götter tanzend sich aller Kleider
schämen: —
— dass ich nämlich in Gleichnissen rede und
gleich Dichtern hinke und stammle: und wahrlich,
ich schäme mich, dass ich noch Dichter sein muss! —
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