Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahrlich, auch neue Sterne liess ich sie sehn
sammt neuen Nächten; und über Wolken und Tag
und Nacht spannte ich noch das Lachen aus wie ein
buntes Gezelt.

Ich lehrte sie all mein Dichten und Trachten: in
Eins zu dichten und zusammen zu tragen, was Bruch¬
stück ist am Menschen und Räthsel und grauser
Zufall, --

-- als Dichter, Räthselrather und Erlöser des
Zufalls lehrte ich sie an der Zukunft schaffen, und
Alles, das war --, schaffend zu erlösen.

Das Vergangne am Menschen zu erlösen und
alles "Es war" umzuschaffen, bis der Wille spricht:
"Aber so wollte ich es! So werde ich's wollen --"

-- Diess hiess ich ihnen Erlösung, Diess allein
lehrte ich sie Erlösung heissen. -- --

Nun warte ich meiner Erlösung --, dass ich
zum letzten Male zu ihnen gehe.

Denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen:
unter ihnen will ich untergehen, sterbend will ich
ihnen meine reichste Gabe geben!

Der Sonne lernte ich Das ab, wenn sie hinabgeht,
die Überreiche: Gold schüttet sie da in's Meer aus
unerschöpflichem Reichthume, --

-- also, dass der ärmste Fischer noch mit goldenem
Ruder rudert! Diess nämlich sah ich einst und wurde
der Thränen nicht satt im Zuschauen. -- --

Der Sonne gleich will auch Zarathustra untergehn:
nun sitzt er hier und wartet, alte zerbrochne Tafeln
um sich und auch neue Tafeln, -- halbbeschriebene.


Wahrlich, auch neue Sterne liess ich sie sehn
sammt neuen Nächten; und über Wolken und Tag
und Nacht spannte ich noch das Lachen aus wie ein
buntes Gezelt.

Ich lehrte sie all mein Dichten und Trachten: in
Eins zu dichten und zusammen zu tragen, was Bruch¬
stück ist am Menschen und Räthsel und grauser
Zufall, —

— als Dichter, Räthselrather und Erlöser des
Zufalls lehrte ich sie an der Zukunft schaffen, und
Alles, das war —, schaffend zu erlösen.

Das Vergangne am Menschen zu erlösen und
alles „Es war“ umzuschaffen, bis der Wille spricht:
„Aber so wollte ich es! So werde ich's wollen —“

— Diess hiess ich ihnen Erlösung, Diess allein
lehrte ich sie Erlösung heissen. — —

Nun warte ich meiner Erlösung —, dass ich
zum letzten Male zu ihnen gehe.

Denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen:
unter ihnen will ich untergehen, sterbend will ich
ihnen meine reichste Gabe geben!

Der Sonne lernte ich Das ab, wenn sie hinabgeht,
die Überreiche: Gold schüttet sie da in's Meer aus
unerschöpflichem Reichthume, —

— also, dass der ärmste Fischer noch mit goldenem
Ruder rudert! Diess nämlich sah ich einst und wurde
der Thränen nicht satt im Zuschauen. — —

Der Sonne gleich will auch Zarathustra untergehn:
nun sitzt er hier und wartet, alte zerbrochne Tafeln
um sich und auch neue Tafeln, — halbbeschriebene.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0078" n="68"/>
          <p>Wahrlich, auch neue Sterne liess ich sie sehn<lb/>
sammt neuen Nächten; und über Wolken und Tag<lb/>
und Nacht spannte ich noch das Lachen aus wie ein<lb/>
buntes Gezelt.</p><lb/>
          <p>Ich lehrte sie all <hi rendition="#g">mein</hi> Dichten und Trachten: in<lb/>
Eins zu dichten und zusammen zu tragen, was Bruch¬<lb/>
stück ist am Menschen und Räthsel und grauser<lb/>
Zufall, &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; als Dichter, Räthselrather und Erlöser des<lb/>
Zufalls lehrte ich sie an der Zukunft schaffen, und<lb/>
Alles, das <hi rendition="#g">war</hi> &#x2014;, schaffend zu erlösen.</p><lb/>
          <p>Das Vergangne am Menschen zu erlösen und<lb/>
alles &#x201E;Es war&#x201C; umzuschaffen, bis der Wille spricht:<lb/>
&#x201E;Aber so wollte ich es! So werde ich's wollen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x2014; Diess hiess ich ihnen Erlösung, Diess allein<lb/>
lehrte ich sie Erlösung heissen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nun warte ich <hi rendition="#g">meiner</hi> Erlösung &#x2014;, dass ich<lb/>
zum letzten Male zu ihnen gehe.</p><lb/>
          <p>Denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen:<lb/><hi rendition="#g">unter</hi> ihnen will ich untergehen, sterbend will ich<lb/>
ihnen meine reichste Gabe geben!</p><lb/>
          <p>Der Sonne lernte ich Das ab, wenn sie hinabgeht,<lb/>
die Überreiche: Gold schüttet sie da in's Meer aus<lb/>
unerschöpflichem Reichthume, &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; also, dass der ärmste Fischer noch mit <hi rendition="#g">goldenem</hi><lb/>
Ruder rudert! Diess nämlich sah ich einst und wurde<lb/>
der Thränen nicht satt im Zuschauen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Sonne gleich will auch Zarathustra untergehn:<lb/>
nun sitzt er hier und wartet, alte zerbrochne Tafeln<lb/>
um sich und auch neue Tafeln, &#x2014; halbbeschriebene.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0078] Wahrlich, auch neue Sterne liess ich sie sehn sammt neuen Nächten; und über Wolken und Tag und Nacht spannte ich noch das Lachen aus wie ein buntes Gezelt. Ich lehrte sie all mein Dichten und Trachten: in Eins zu dichten und zusammen zu tragen, was Bruch¬ stück ist am Menschen und Räthsel und grauser Zufall, — — als Dichter, Räthselrather und Erlöser des Zufalls lehrte ich sie an der Zukunft schaffen, und Alles, das war —, schaffend zu erlösen. Das Vergangne am Menschen zu erlösen und alles „Es war“ umzuschaffen, bis der Wille spricht: „Aber so wollte ich es! So werde ich's wollen —“ — Diess hiess ich ihnen Erlösung, Diess allein lehrte ich sie Erlösung heissen. — — Nun warte ich meiner Erlösung —, dass ich zum letzten Male zu ihnen gehe. Denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen: unter ihnen will ich untergehen, sterbend will ich ihnen meine reichste Gabe geben! Der Sonne lernte ich Das ab, wenn sie hinabgeht, die Überreiche: Gold schüttet sie da in's Meer aus unerschöpflichem Reichthume, — — also, dass der ärmste Fischer noch mit goldenem Ruder rudert! Diess nämlich sah ich einst und wurde der Thränen nicht satt im Zuschauen. — — Der Sonne gleich will auch Zarathustra untergehn: nun sitzt er hier und wartet, alte zerbrochne Tafeln um sich und auch neue Tafeln, — halbbeschriebene.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/78
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/78>, abgerufen am 21.11.2024.