Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.Berge, -- ich baue ein Gebirge aus immer heiligeren Wohin ihr aber auch mit mir steigen mögt, oh Schmarotzer: das ist ein Gewürm, ein kriechendes, Und das ist seine Kunst, dass er steigende Seelen Wo der Starke schwach, der Edle allzumild ist, Was ist die höchste Art alles Seienden und was Die Seele nämlich, welche die längste Leiter hat -- die umfänglichste Seele, welche am weitesten -- die seiende Seele, welche in's Werden taucht; -- die sich selber fliehende, die sich selber im -- die sich selber liebendste, in der alle Dinge Berge, — ich baue ein Gebirge aus immer heiligeren Wohin ihr aber auch mit mir steigen mögt, oh Schmarotzer: das ist ein Gewürm, ein kriechendes, Und das ist seine Kunst, dass er steigende Seelen Wo der Starke schwach, der Edle allzumild ist, Was ist die höchste Art alles Seienden und was Die Seele nämlich, welche die längste Leiter hat — die umfänglichste Seele, welche am weitesten — die seiende Seele, welche in's Werden taucht; — die sich selber fliehende, die sich selber im — die sich selber liebendste, in der alle Dinge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="82"/> Berge, — ich baue ein Gebirge aus immer heiligeren<lb/> Bergen. —</p><lb/> <p>Wohin ihr aber auch mit mir steigen mögt, oh<lb/> meine Brüder: seht zu, dass nicht ein <hi rendition="#g">Schmarotzer</hi><lb/> mit euch steige!</p><lb/> <p>Schmarotzer: das ist ein Gewürm, ein kriechendes,<lb/> geschmiegtes, das fett werden will an euren kranken<lb/> wunden Winkeln.</p><lb/> <p>Und <hi rendition="#g">das</hi> ist seine Kunst, dass er steigende Seelen<lb/> erräth, wo sie müde sind: in euren Gram und Unmuth,<lb/> in eure zarte Scham baut er sein ekles Nest.</p><lb/> <p>Wo der Starke schwach, der Edle allzumild ist,<lb/> — dahinein baut er sein ekles Nest: der Schmarotzer<lb/> wohnt, wo der Grosse kleine wunde Winkel hat.</p><lb/> <p>Was ist die höchste Art alles Seienden und was<lb/> die geringste? Der Schmarotzer ist die geringste Art;<lb/> wer aber höchster Art ist, der ernährt die meisten<lb/> Schmarotzer.</p><lb/> <p>Die Seele nämlich, welche die längste Leiter hat<lb/> und am tiefsten hinunter kann: wie sollten nicht an der<lb/> die meisten Schmarotzer sitzen? —</p><lb/> <p>— die umfänglichste Seele, welche am weitesten<lb/> in sich laufen und irren und schweifen kann; die noth¬<lb/> wendigste, welche sich aus Lust in den Zufall stürzt: —</p><lb/> <p>— die seiende Seele, welche in's Werden taucht;<lb/> die habende, welche in's Wollen und Verlangen <hi rendition="#g">will</hi>: —</p><lb/> <p>— die sich selber fliehende, die sich selber im<lb/> weitesten Kreise einholt; die weiseste Seele, welcher<lb/> die Narrheit am süssesten zuredet: —</p><lb/> <p>— die sich selber liebendste, in der alle Dinge<lb/> ihr Strömen und Wiederströmen und Ebbe und Fluth<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
Berge, — ich baue ein Gebirge aus immer heiligeren
Bergen. —
Wohin ihr aber auch mit mir steigen mögt, oh
meine Brüder: seht zu, dass nicht ein Schmarotzer
mit euch steige!
Schmarotzer: das ist ein Gewürm, ein kriechendes,
geschmiegtes, das fett werden will an euren kranken
wunden Winkeln.
Und das ist seine Kunst, dass er steigende Seelen
erräth, wo sie müde sind: in euren Gram und Unmuth,
in eure zarte Scham baut er sein ekles Nest.
Wo der Starke schwach, der Edle allzumild ist,
— dahinein baut er sein ekles Nest: der Schmarotzer
wohnt, wo der Grosse kleine wunde Winkel hat.
Was ist die höchste Art alles Seienden und was
die geringste? Der Schmarotzer ist die geringste Art;
wer aber höchster Art ist, der ernährt die meisten
Schmarotzer.
Die Seele nämlich, welche die längste Leiter hat
und am tiefsten hinunter kann: wie sollten nicht an der
die meisten Schmarotzer sitzen? —
— die umfänglichste Seele, welche am weitesten
in sich laufen und irren und schweifen kann; die noth¬
wendigste, welche sich aus Lust in den Zufall stürzt: —
— die seiende Seele, welche in's Werden taucht;
die habende, welche in's Wollen und Verlangen will: —
— die sich selber fliehende, die sich selber im
weitesten Kreise einholt; die weiseste Seele, welcher
die Narrheit am süssesten zuredet: —
— die sich selber liebendste, in der alle Dinge
ihr Strömen und Wiederströmen und Ebbe und Fluth
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |