Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Das Nachtwandler-Lied. 1. Inzwischen aber war Einer nach dem Andern Da aber geschah Das, was an jenem erstaunlichen Das Nachtwandler-Lied. 1. Inzwischen aber war Einer nach dem Andern Da aber geschah Das, was an jenem erstaunlichen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0126" n="119"/> <div n="1"> <head>Das Nachtwandler-Lied.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>1.<lb/></head> <p>Inzwischen aber war Einer nach dem Andern<lb/> hinaus getreten, in's Freie und in die kühle nachdenk¬<lb/> liche Nacht; Zarathustra selber aber führte den häss¬<lb/> lichsten Menschen an der Hand, dass er ihm seine<lb/> Nacht-Welt und den grossen runden Mond und die<lb/> silbernen Wasserstürze bei seiner Höhle zeige. Da<lb/> standen sie endlich still bei einander, lauter alte<lb/> Leute, aber mit einem getrösteten tapferen Herzen<lb/> und verwundert bei sich, dass es ihnen auf Erden so<lb/> wohl war; die Heimlichkeit der Nacht aber kam ihnen<lb/> näher und näher an's Herz. Und von Neuem dachte<lb/> Zarathustra bei sich: „oh wie gut sie mir nun ge¬<lb/> fallen, diese höheren Menschen!“ — aber er sprach<lb/> es nicht aus, denn er ehrte ihr Glück und ihr Still¬<lb/> schweigen. —</p><lb/> <p>Da aber geschah Das, was an jenem erstaunlichen<lb/> langen Tage das Erstaunlichste war: der hässlichste<lb/> Mensch begann noch ein Mal und zum letzten Mal zu<lb/> gurgeln und zu schnauben, und als er es bis zu Worten<lb/> gebracht hatte, siehe, da sprang eine Frage rund und<lb/> reinlich aus seinem Munde, eine gute tiefe klare Frage,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0126]
Das Nachtwandler-Lied.
1.
Inzwischen aber war Einer nach dem Andern
hinaus getreten, in's Freie und in die kühle nachdenk¬
liche Nacht; Zarathustra selber aber führte den häss¬
lichsten Menschen an der Hand, dass er ihm seine
Nacht-Welt und den grossen runden Mond und die
silbernen Wasserstürze bei seiner Höhle zeige. Da
standen sie endlich still bei einander, lauter alte
Leute, aber mit einem getrösteten tapferen Herzen
und verwundert bei sich, dass es ihnen auf Erden so
wohl war; die Heimlichkeit der Nacht aber kam ihnen
näher und näher an's Herz. Und von Neuem dachte
Zarathustra bei sich: „oh wie gut sie mir nun ge¬
fallen, diese höheren Menschen!“ — aber er sprach
es nicht aus, denn er ehrte ihr Glück und ihr Still¬
schweigen. —
Da aber geschah Das, was an jenem erstaunlichen
langen Tage das Erstaunlichste war: der hässlichste
Mensch begann noch ein Mal und zum letzten Mal zu
gurgeln und zu schnauben, und als er es bis zu Worten
gebracht hatte, siehe, da sprang eine Frage rund und
reinlich aus seinem Munde, eine gute tiefe klare Frage,
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