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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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Mensch vorher Wein zu trinken gegeben. Diess mag sich
nun so verhalten oder auch anders; und wenn in Wahrheit
an jenem Abende der Esel nicht getanzt hat, so ge¬
schahen doch damals grössere und seltsamere Wunder¬
dinge als es das Tanzen eines Esels wäre. Kurz, wie
das Sprichwort Zarathustra's lautet: "was liegt daran!"


2.

Zarathustra aber, als sich diess mit dem häss¬
lichsten Menschen zutrug, stand da, wie ein Trunkener:
sein Blick erlosch, seine Zunge lallte, seine Füsse
schwankten. Und wer möchte auch errathen, welche
Gedanken dabei über Zarathustra's Seele liefen? Er¬
sichtlich aber wich sein Geist zurück und floh voraus
und war in weiten Fernen und gleichsam "auf hohem
Joche, wie geschrieben steht, zwischen zwei Meeren,

-- zwischen Vergangenem und Zukünftigem als
schwere Wolke wandelnd." Allgemach aber, während
ihn die höheren Menschen in den Armen hielten, kam
er ein Wenig zu sich selber zurück und wehrte mit den
Händen dem Gedränge der Verehrenden und Be¬
sorgten; doch sprach er nicht. Mit Einem Male aber
wandte er schnell den Kopf, denn er schien Etwas zu
hören: da legte er den Finger an den Mund und
sprach: "Kommt!"

Und alsbald wurde es rings still und heimlich; aus
der Tiefe aber kam langsam der Klang einer Glocke
herauf. Zarathustra horchte darnach, gleich den höheren
Menschen; dann aber legte er zum andern Male den

Mensch vorher Wein zu trinken gegeben. Diess mag sich
nun so verhalten oder auch anders; und wenn in Wahrheit
an jenem Abende der Esel nicht getanzt hat, so ge¬
schahen doch damals grössere und seltsamere Wunder¬
dinge als es das Tanzen eines Esels wäre. Kurz, wie
das Sprichwort Zarathustra's lautet: „was liegt daran!“


2.

Zarathustra aber, als sich diess mit dem häss¬
lichsten Menschen zutrug, stand da, wie ein Trunkener:
sein Blick erlosch, seine Zunge lallte, seine Füsse
schwankten. Und wer möchte auch errathen, welche
Gedanken dabei über Zarathustra's Seele liefen? Er¬
sichtlich aber wich sein Geist zurück und floh voraus
und war in weiten Fernen und gleichsam „auf hohem
Joche, wie geschrieben steht, zwischen zwei Meeren,

— zwischen Vergangenem und Zukünftigem als
schwere Wolke wandelnd.“ Allgemach aber, während
ihn die höheren Menschen in den Armen hielten, kam
er ein Wenig zu sich selber zurück und wehrte mit den
Händen dem Gedränge der Verehrenden und Be¬
sorgten; doch sprach er nicht. Mit Einem Male aber
wandte er schnell den Kopf, denn er schien Etwas zu
hören: da legte er den Finger an den Mund und
sprach: „Kommt!“

Und alsbald wurde es rings still und heimlich; aus
der Tiefe aber kam langsam der Klang einer Glocke
herauf. Zarathustra horchte darnach, gleich den höheren
Menschen; dann aber legte er zum andern Male den

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[121/0128] Mensch vorher Wein zu trinken gegeben. Diess mag sich nun so verhalten oder auch anders; und wenn in Wahrheit an jenem Abende der Esel nicht getanzt hat, so ge¬ schahen doch damals grössere und seltsamere Wunder¬ dinge als es das Tanzen eines Esels wäre. Kurz, wie das Sprichwort Zarathustra's lautet: „was liegt daran!“ 2. Zarathustra aber, als sich diess mit dem häss¬ lichsten Menschen zutrug, stand da, wie ein Trunkener: sein Blick erlosch, seine Zunge lallte, seine Füsse schwankten. Und wer möchte auch errathen, welche Gedanken dabei über Zarathustra's Seele liefen? Er¬ sichtlich aber wich sein Geist zurück und floh voraus und war in weiten Fernen und gleichsam „auf hohem Joche, wie geschrieben steht, zwischen zwei Meeren, — zwischen Vergangenem und Zukünftigem als schwere Wolke wandelnd.“ Allgemach aber, während ihn die höheren Menschen in den Armen hielten, kam er ein Wenig zu sich selber zurück und wehrte mit den Händen dem Gedränge der Verehrenden und Be¬ sorgten; doch sprach er nicht. Mit Einem Male aber wandte er schnell den Kopf, denn er schien Etwas zu hören: da legte er den Finger an den Mund und sprach: „Kommt!“ Und alsbald wurde es rings still und heimlich; aus der Tiefe aber kam langsam der Klang einer Glocke herauf. Zarathustra horchte darnach, gleich den höheren Menschen; dann aber legte er zum andern Male den

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/128>, abgerufen am 21.11.2024.