Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.diesem Thal gestanden. Und vieles Schwere legte "Zarathustra! Zarathustra! Rathe mein Räthsel! Ich locke dich zurück, hier ist glattes Eis! Sieh zu, Du dünkst dich weise, du stolzer Zarathustra! So -- Als aber Zarathustra diese Worte gehört hatte, diesem Thal gestanden. Und vieles Schwere legte „Zarathustra! Zarathustra! Rathe mein Räthsel! Ich locke dich zurück, hier ist glattes Eis! Sieh zu, Du dünkst dich weise, du stolzer Zarathustra! So — Als aber Zarathustra diese Worte gehört hatte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="43"/> diesem Thal gestanden. Und vieles Schwere legte<lb/> sich ihm über den Sinn: also, dass er langsam gieng<lb/> und immer langsamer und endlich still stand. Da<lb/> aber sahe er, als er die Augen aufthat, Etwas, das<lb/> am Wege sass, gestaltet wie ein Mensch, und kaum<lb/> wie ein Mensch, etwas Unaussprechliches. Und mit<lb/> Einem Schlage überfiel Zarathustra die grosse Scham<lb/> darob, dass er so Etwas mit den Augen angesehn<lb/> habe: erröthend bis hinauf an sein weisses Haar,<lb/> wandte er den Blick ab und hob den Fuss, dass er<lb/> diese schlimme Stelle verlasse. Da aber wurde die<lb/> todte Öde laut: vom Boden auf nämlich quoll es<lb/> gurgelnd und röchelnd, wie Wasser Nachts durch<lb/> verstopfte Wasser-Röhren gurgelt und röchelt; und<lb/> zuletzt wurde daraus eine Menschen-Stimme und<lb/> Menschen-Rede: — die lautete also.</p><lb/> <p>„Zarathustra! Zarathustra! Rathe mein Räthsel!<lb/> Sprich, sprich! Was ist <hi rendition="#g">die Rache am Zeugen</hi>?</p><lb/> <p>Ich locke dich zurück, hier ist glattes Eis! Sieh zu,<lb/> sieh zu, ob dein Stolz sich hier nicht die Beine bricht!</p><lb/> <p>Du dünkst dich weise, du stolzer Zarathustra! So<lb/> rathe doch das Räthsel, du harter Nüsseknacker, —<lb/> das Räthsel, das ich bin! So sprich doch: wer bin <hi rendition="#g">ich</hi>!“</p><lb/> <p>— Als aber Zarathustra diese Worte gehört hatte,<lb/> — was glaubt ihr wohl, dass sich da mit seiner Seele<lb/> zutrug? <hi rendition="#g">Das Mitleiden fiel ihn an</hi>; und er sank<lb/> mit Einem Male nieder, wie ein Eichbaum, der lange<lb/> vielen Holzschlägern widerstanden hat, — schwer,<lb/> plötzlich, zum Schrecken selber für Die, welche ihn<lb/> fällen wollten. Aber schon stand er wieder vom Boden<lb/> auf, und sein Antlitz wurde hart.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [43/0050]
diesem Thal gestanden. Und vieles Schwere legte
sich ihm über den Sinn: also, dass er langsam gieng
und immer langsamer und endlich still stand. Da
aber sahe er, als er die Augen aufthat, Etwas, das
am Wege sass, gestaltet wie ein Mensch, und kaum
wie ein Mensch, etwas Unaussprechliches. Und mit
Einem Schlage überfiel Zarathustra die grosse Scham
darob, dass er so Etwas mit den Augen angesehn
habe: erröthend bis hinauf an sein weisses Haar,
wandte er den Blick ab und hob den Fuss, dass er
diese schlimme Stelle verlasse. Da aber wurde die
todte Öde laut: vom Boden auf nämlich quoll es
gurgelnd und röchelnd, wie Wasser Nachts durch
verstopfte Wasser-Röhren gurgelt und röchelt; und
zuletzt wurde daraus eine Menschen-Stimme und
Menschen-Rede: — die lautete also.
„Zarathustra! Zarathustra! Rathe mein Räthsel!
Sprich, sprich! Was ist die Rache am Zeugen?
Ich locke dich zurück, hier ist glattes Eis! Sieh zu,
sieh zu, ob dein Stolz sich hier nicht die Beine bricht!
Du dünkst dich weise, du stolzer Zarathustra! So
rathe doch das Räthsel, du harter Nüsseknacker, —
das Räthsel, das ich bin! So sprich doch: wer bin ich!“
— Als aber Zarathustra diese Worte gehört hatte,
— was glaubt ihr wohl, dass sich da mit seiner Seele
zutrug? Das Mitleiden fiel ihn an; und er sank
mit Einem Male nieder, wie ein Eichbaum, der lange
vielen Holzschlägern widerstanden hat, — schwer,
plötzlich, zum Schrecken selber für Die, welche ihn
fällen wollten. Aber schon stand er wieder vom Boden
auf, und sein Antlitz wurde hart.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |