Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Und dicht bei ihr sind hundert Schlüpfe und Schliche Du Ausgestossener, der du dich selber ausstiessest, Und rede zuerst und -nächst mit meinen Thieren! Also sprach Zarathustra und gieng seiner Wege, "Wie arm ist doch der Mensch! dachte er in Man sagt mir, dass der Mensch sich selber liebe: Auch dieser da liebte sich, wie er sich ver¬ Keinen fand ich noch, der sich tiefer verachtet Ich liebe die grossen Verachtenden. Der Mensch Und dicht bei ihr sind hundert Schlüpfe und Schliche Du Ausgestossener, der du dich selber ausstiessest, Und rede zuerst und -nächst mit meinen Thieren! Also sprach Zarathustra und gieng seiner Wege, „Wie arm ist doch der Mensch! dachte er in Man sagt mir, dass der Mensch sich selber liebe: Auch dieser da liebte sich, wie er sich ver¬ Keinen fand ich noch, der sich tiefer verachtet Ich liebe die grossen Verachtenden. Der Mensch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="48"/> Und dicht bei ihr sind hundert Schlüpfe und Schliche<lb/> für kriechendes, flatterndes und springendes Gethier.</p><lb/> <p>Du Ausgestossener, der du dich selber ausstiessest,<lb/> du willst nicht unter Menschen und Menschen-Mitleid<lb/> wohnen? Wohlan, so thu's mir gleich! So lernst du<lb/> auch von mir; nur der Thäter lernt.</p><lb/> <p>Und rede zuerst und -nächst mit meinen Thieren!<lb/> Das stolzeste Thier und das klügste Thier — die<lb/> möchten uns Beiden wohl die rechten Rathgeber<lb/> sein!“</p><lb/> <p>Also sprach Zarathustra und gieng seiner Wege,<lb/> nachdenklicher und langsamer noch als zuvor: denn<lb/> er fragte sich Vieles und wusste sich nicht leicht zu<lb/> antworten.</p><lb/> <p>„Wie arm ist doch der Mensch! dachte er in<lb/> seinem Herzen, wie hässlich, wie röchelnd, wie voll<lb/> verborgener Scham!</p><lb/> <p>Man sagt mir, dass der Mensch sich selber liebe:<lb/> ach, wie gross muss diese Selber-Liebe sein! Wie<lb/> viel Verachtung hat sie wider sich!</p><lb/> <p>Auch dieser da liebte sich, wie er sich ver¬<lb/> achtete, — ein grosser Liebender ist er mir und ein<lb/> grosser Verächter.</p><lb/> <p>Keinen fand ich noch, der sich tiefer verachtet<lb/> hätte: auch <hi rendition="#g">Das</hi> ist Höhe. Wehe, war <hi rendition="#g">Der</hi> vielleicht<lb/> der höhere Mensch, dessen Schrei ich hörte?</p><lb/> <p>Ich liebe die grossen Verachtenden. Der Mensch<lb/> aber ist Etwas, das überwunden werden muss.“ — —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [48/0055]
Und dicht bei ihr sind hundert Schlüpfe und Schliche
für kriechendes, flatterndes und springendes Gethier.
Du Ausgestossener, der du dich selber ausstiessest,
du willst nicht unter Menschen und Menschen-Mitleid
wohnen? Wohlan, so thu's mir gleich! So lernst du
auch von mir; nur der Thäter lernt.
Und rede zuerst und -nächst mit meinen Thieren!
Das stolzeste Thier und das klügste Thier — die
möchten uns Beiden wohl die rechten Rathgeber
sein!“
Also sprach Zarathustra und gieng seiner Wege,
nachdenklicher und langsamer noch als zuvor: denn
er fragte sich Vieles und wusste sich nicht leicht zu
antworten.
„Wie arm ist doch der Mensch! dachte er in
seinem Herzen, wie hässlich, wie röchelnd, wie voll
verborgener Scham!
Man sagt mir, dass der Mensch sich selber liebe:
ach, wie gross muss diese Selber-Liebe sein! Wie
viel Verachtung hat sie wider sich!
Auch dieser da liebte sich, wie er sich ver¬
achtete, — ein grosser Liebender ist er mir und ein
grosser Verächter.
Keinen fand ich noch, der sich tiefer verachtet
hätte: auch Das ist Höhe. Wehe, war Der vielleicht
der höhere Mensch, dessen Schrei ich hörte?
Ich liebe die grossen Verachtenden. Der Mensch
aber ist Etwas, das überwunden werden muss.“ — —
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