Allgemeine Zeitung, Nr. 6, vom 7. Januar 1924.Allgemeine Zeitung Süddeutsches Tagblatt Großdeutsche Rundschau 127. Jahrgang. Nr. 6 München, Montag den 7. Januar 1924.Hauptschriftleitung und verantwortlich für Deutsche und Bayerische Politik: Max Heilgemayr. -- Wirtschaftszeitung u. Auswärtige Politik: Josef Schrepfer. -- Unpolitische Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. -- Kunst u. Musik: Albin v. Probram-Gladona. -- Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. -- Anzeigenteil: Josef Spiegel, sämtl. in München. -- Redaktion: München, Baaderstr. 1, Tel. 27940. -- Berliner Schriftleitung: SW 68., Zimmerstr. 9, Tel. Zentrum 54 98 u. 3967; Letter: Alfred Gerigk. [Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erscheint täglich. Bei Störung des Erscheinens infolge höherer Gewalt oder Streiks besteht kein Anspruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be- zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-spaltige Millimeterzeile im Inseratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10 Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Postscheckkonto: München 8170 Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderstraße 1 und 1a. Telefon 24287. Einzelpreis 5 Pfennig. Der sinkende Franken. Sonderdienst der Allgem. Zeitung. Finanzminister de "Ere Nouvelle" bemerkt hierzu, daß Inzwischen dauert der Sturz des Der wahre Grund. Sonderdienst der Allgem. Zeitung. Der Sturz des Auf Grund der Besprechungen des Fi- Das Urteil Amerikas. Sonderdienst der Allgem. Zeitung. In Wall- Spaltung der Sozialdemokratie. Der sächsische Landesparteitag. Der sozialdemokratische Landesparteitag, der gestern Wie zu erwarten, hatten die Radikalen die Mehrheit. Sie setzten mit 74 gegen 22 Nach dem Verlauf des Parteitages und der Erklärung des Fraktionsvorstandes zu [Spaltenumbruch] Französische Senatswahlen. * Paris, 7. Januar.Gestern haben in 26 Besondere Bedeutung mißt man der Poincare triumphiert. Sonderdienst der Allgem. Zeitung. Poincare erklärte nach seiner Wie- Rückwirkungen der Senatswahlen auf die Paris--Belgrad. * Berlin, 6. Jan.Die über Paris und Auf der hiesigen jugoslavischen Gesandt- Frankreich und der Lausanner Vertrag. Paris, 6. Januar.Der "Matin" glaubt zu Der "Matin" läßt durchblicken, daß die Aus den weiteren Auslassungen des Blat- Naturrecht und Humanität. München, 30. Dezember 1923.Spricht man in Deutschland von "Demo- Sie heißt "Naturrecht und Humanität in Nicht ohne Sinn für die düstere Würde Allgemeine Zeitung Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau 127. Jahrgang. Nr. 6 München, Montag den 7. Januar 1924.Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik: Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer. — Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v. Probram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 54 98 u. 3967; Letter: Alfred Gerigk. [Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be- zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10 Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170 Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287. Einzelpreis 5 Pfennig. Der ſinkende Franken. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. Finanzminiſter de „Ere Nouvelle“ bemerkt hierzu, daß Inzwiſchen dauert der Sturz des Der wahre Grund. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. Der Sturz des Auf Grund der Beſprechungen des Fi- Das Urteil Amerikas. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. In Wall- Spaltung der Sozialdemokratie. Der ſächſiſche Landesparteitag. Der ſozialdemokratiſche Landesparteitag, der geſtern Wie zu erwarten, hatten die Radikalen die Mehrheit. Sie ſetzten mit 74 gegen 22 Nach dem Verlauf des Parteitages und der Erklärung des Fraktionsvorſtandes zu [Spaltenumbruch] Franzöſiſche Senatswahlen. * Paris, 7. Januar.Geſtern haben in 26 Beſondere Bedeutung mißt man der Poincare triumphiert. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. Poincaré erklärte nach ſeiner Wie- Rückwirkungen der Senatswahlen auf die Paris—Belgrad. * Berlin, 6. Jan.Die über Paris und Auf der hieſigen jugoſlaviſchen Geſandt- Frankreich und der Lauſanner Vertrag. Paris, 6. Januar.Der „Matin“ glaubt zu Der „Matin“ läßt durchblicken, daß die Aus den weiteren Auslaſſungen des Blat- Naturrecht und Humanität. München, 30. Dezember 1923.Spricht man in Deutſchland von „Demo- Sie heißt „Naturrecht und Humanität in Nicht ohne Sinn für die düſtere Würde <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/><lb/> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> </titlePart><lb/> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau</hi> </titlePart> <titlePart type="volume"> <hi rendition="#b">127. Jahrgang. Nr. 6 </hi> </titlePart> </docTitle> <docImprint> <pubPlace> <hi rendition="#b">München,</hi> </pubPlace> <docDate> <hi rendition="#b"> Montag den 7. Januar 1924.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#g">Hauptſchriftleitung</hi> und verantwortlich für <hi rendition="#g">Deutſche</hi> und <hi rendition="#g">Bayeriſche Politik:</hi><lb/> Max Heilgemayr. — <hi rendition="#g">Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik:</hi> Joſef Schrepfer.<lb/> — <hi rendition="#g">Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport:</hi> Richard Rieß. — <hi rendition="#g">Kunſt u. Muſik:</hi> Albin v.<lb/> Probram-Gladona. — <hi rendition="#g">Feuilleton u. Theater:</hi> Walter Foitzick. — <hi rendition="#g">Anzeigenteil:</hi> Joſef<lb/> Spiegel, ſämtl. in München. — <hi rendition="#g">Redaktion:</hi> München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner<lb/> Schriftleitung: <hi rendition="#aq">SW</hi> 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 54 98 u. 3967; Letter: Alfred Gerigk.</head><lb/> <figure/> </div> <div type="jExpedition" n="1"> <head>Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer<lb/> Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-<lb/> zugsgeldes. <hi rendition="#g">Bezugspreis:</hi> Mk. 2.80 für den Monat. <hi rendition="#g">Anzeigenpreis:</hi> für die 9-ſpaltige<lb/> Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10<lb/><hi rendition="#g">Verlag der Allgemeinen Zeitung</hi> G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170<lb/> Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287.</head> </div> <div type="jExpedition" n="1"><lb/> <head> <hi rendition="#b">Einzelpreis 5 Pfennig.</hi> </head><lb/> </div> </front> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der ſinkende Franken.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline>** <hi rendition="#g">Paris,</hi> 6. Jan.</dateline><lb/> <p>Finanzminiſter <hi rendition="#g">de<lb/> Laſterie,</hi> der am Samstag aus der<lb/> Provinz nach Paris zurückkehrte konfe-<lb/> rierte geſtern und heute mit dem Gouver-<lb/> neur der Bank von Frankreich, dem Syn-<lb/> dikus der Wechſelagenten, dem Präſidenten<lb/> der Pariſer Handelskammer und einer An-<lb/> zahl ſonſtiger Finanzleute über die <hi rendition="#g">Lage<lb/> auf dem Wechſelmarkt</hi> und über<lb/><hi rendition="#g">Maßnahmen</hi> zur Unterdrückung der<lb/> Baiſſeſpekulation in franzöſiſchen Franken.<lb/> In erſter Linie iſt beabſichtigt, die <hi rendition="#g">Spe-<lb/> kulation ohne Deckung</hi> zu be-<lb/> kämpfen, die in den letzten Tagen von<lb/> mehreren Großbanken betrieben worden<lb/> ſein ſoll.</p><lb/> <p>„Ere Nouvelle“ bemerkt hierzu, daß<lb/> eine „mißbräuchliche Spekulation“ vor-<lb/> liege. Es ſtehe aber feſt, daß die Urſachen<lb/> tiefer lägen. Die Spekulation heute die<lb/> Urſachen nur aus. Sie lägen in der<lb/><hi rendition="#g">Finanzpolitik,</hi> die von der Hand in<lb/> den Mund lebe, die auf dem Papier das<lb/> Budget im Gleichgewicht halte, deſſen<lb/> Gleichgewicht aber völlig zerſtört ſei.</p><lb/> <p>Inzwiſchen <hi rendition="#g">dauert der Sturz</hi> des<lb/> Franken <hi rendition="#g">an.</hi> Der <hi rendition="#g">Dollar,</hi> der am Frei-<lb/> tag mit 20,29 notiert wurde, erreichte am<lb/> Samstag den Stand von 20,87.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der wahre Grund.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">** <hi rendition="#g">Paris,</hi></hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <p>Der Sturz des<lb/> Franken wird in hieſigen Finanzkreiſen<lb/> darauf zurückgeführt, daß aus der Kriegs-<lb/> und Nachkriegszeit zahlreiche <hi rendition="#g">kommu-<lb/> nale Verpflichtungen</hi> beſtehen, die<lb/> faſt ausſchließlich in <hi rendition="#g">Dollars</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Pfund Sterling</hi> zu ſehr ungünſtigen<lb/> Bedingungen, zu Zinsſätzen von 7—8%<lb/> aufgenommen wurden und jetzt zurückge-<lb/> zahlt werden müſſen. Damit würde es über-<lb/> einſtimmen, daß in London dauernd franzö-<lb/> ſiſche Franken gegen Dollars und Pfunde<lb/> umgewechſelt werden. Man erwartet des-<lb/> halb in der nächſten Zeit <hi rendition="#g">keine Beſſe-<lb/> rung des Frankenkurſes.</hi></p><lb/> <p>Auf Grund der Beſprechungen des Fi-<lb/> nanzminiſters mit führenden Bank- und Fi-<lb/> nanzleuten hat der Innenminiſter bereits<lb/><hi rendition="#g">Maßnahmen gegen die Spekula-<lb/> tion</hi> eingeleitet. In erſter Linie ſoll die<lb/> Börſe von ausländiſchen Elementen gerei-<lb/> nigt werden. Man weiſt jedoch in Finanz-<lb/> kreiſen darauf hin, daß der Sturz des Fran-<lb/> ken zum großen Teil durch das Mißverhält-<lb/> nis zwiſchen den Steuereinnahmen und den<lb/><hi rendition="#g">übergroßen Rüſtungausgaben</hi><lb/> veranlaßt ſei.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Urteil Amerikas.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline>** <hi rendition="#g">Newyork,</hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <p>In <hi rendition="#g">Wall-<lb/> ſtreet</hi> beſchäftigt man ſich ſehr eingehend<lb/> mit dem Frankenſturz. Es wird erklärt,<lb/> daß die Schuld hieran <hi rendition="#g">nicht die inter-<lb/> nationale Spekulation</hi> treffe, ſon-<lb/> dern darauf zurückzuführen ſei, daß das<lb/> Vertrauen in die franzöſiſche Währung des-<lb/> halb geſunken ſei, weil die internationalen<lb/> Schuldenfragen immer noch keine Löſung<lb/> gefunden haben, Frankreich vielmehr inzwi-<lb/> ſchen zu ſeinen Verpflichtungen gegenüber<lb/> England und Amerika <hi rendition="#g">neue Verpflich-<lb/> tungen gegen über den Balkan-<lb/> ſtaaten und Polen</hi> übernommen habe.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Spaltung der Sozialdemokratie.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Der ſächſiſche Landesparteitag.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgemeinen Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">** <hi rendition="#g">Dresden,</hi></hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <p>Der ſozialdemokratiſche Landesparteitag, der geſtern<lb/> im hieſigen Landtagsgebäude ſtattfand, und an dem 104 Delegierte teilnahmen,<lb/> hatte darüber zu entſcheiden, ob die Partei an der <hi rendition="#g">großen Koalition</hi> in Sachſen<lb/> teilnehmen ſolle. Er nahm einen außerordentlich <hi rendition="#g">ſtürmiſchen Verlauf,</hi> der die<lb/><hi rendition="#g">Spaltung der ſächſiſchen Partei unerläßlich</hi> erſcheinen läßt und auf die<lb/> Partei des Reiches von tiefgreifender Wirkung ſein wird.</p><lb/> <p>Wie zu erwarten, hatten die Radikalen die Mehrheit. Sie ſetzten mit 74 gegen 22<lb/> Stimmen die Annahme einer Entſchließung durch, die den Rücktritt des neuen Mi-<lb/> niſterpräſidenten <hi rendition="#g">Heldt</hi> und die ſofortige <hi rendition="#g">Auflöſung des Landtags</hi> fordert.<lb/> Nachdem der Vorſitzende der Landtagsfraktion namens der gemäßigten Fraktions-<lb/> mehrheit erklärt hatte, daß er dieſen Beſchluß nicht anerkenne und alſo auch nicht<lb/> befolgen werde, ſich vielmehr an den <hi rendition="#g">Reichsparteitag</hi> wenden werde, der Ende<lb/> März ſtattfindet, verließen die Gemäßigten und die aus Berlin eingetroffenen Dele-<lb/> gierten <hi rendition="#g">Hilfferding, Wels</hi> und <hi rendition="#g">Dittmann</hi> (alſo zwei frühere Unabhängige)<lb/> demonſtrativ den Saal und hielten ſich den weiteren Beratungen fern. Hierauf er-<lb/> folgte die Annahme eines Antrags <hi rendition="#g">Lipinſki</hi> auf <hi rendition="#g">Ausſchluß</hi> aller derjenigen, die<lb/> die <hi rendition="#g">Oppoſition von rechts</hi> bilden und billigen. Das heißt alſo, daß die radi-<lb/> kale Parteitagsmehrheit die Spaltung bereits vollzogen hat. Von radikaler Seite<lb/> wird erklärt, daß die Bildung der großen Koalition dem Landesparteitag die Entſchei-<lb/> dung vorweggenommen habe und einen in der Geſchichte der Sozialdemokraten uner-<lb/> hörten <hi rendition="#g">Bruch der Parteidiſziplin</hi> bedeute. Das kam auch in der außeror-<lb/> dentlich demagogiſchen Schlußrede des Abg. <hi rendition="#g">Arzt</hi> zum Ausdruck.</p><lb/> <p>Nach dem Verlauf des Parteitages und der Erklärung des Fraktionsvorſtandes zu<lb/> ſchließen, dürfte die Regierung der großen Koalition nun wahrſcheinlich im Amte blei-<lb/> ben, allerdings unter Rücktritt der dem radikalen Flügel angehörenden Sozialdemo-<lb/> kraten. Der als Wirtſchaftsminiſter in Ausſicht genommene Miniſterpräſident <hi rendition="#g">Fel-<lb/> liſch</hi> hat für ſeine Perſon bereits die Konſequenzen gezogen und ſein Amt in die<lb/> Hände des Miniſterpräſidenten zurückgelegt.</p> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Franzöſiſche Senatswahlen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Paris,</hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <p>Geſtern haben in 26<lb/> Departements Ergänzungswahlen zum Se-<lb/> nat ſtattgefunden. Von den bisherigen Se-<lb/> natoren ſind 73 wiedergewählt worden;<lb/> neugewählt wurden neun Senatoren. Die<lb/> Ergebniſſe von 33 Stichwahlen und das Er-<lb/> gebnis aus Martinique liegt noch nicht vor.</p><lb/> <p>Beſondere Bedeutung mißt man der<lb/><hi rendition="#g">Wiederwahl Poincarés</hi> bei, der<lb/> von insgeſamt 812 Stimmen mit der gewal-<lb/> tigen Mehrheit von 794 Stimmen neuge-<lb/> wählt wurde. Von den fünf Kommuniſten<lb/> wurde bisher keiner gewählt, obgleich <hi rendition="#g">Ca-<lb/> chin</hi> in ſämtlichen 36 Departements ſich als<lb/> Kandidat aufſtellen ließ Großes Aufſehen<lb/> erregt die Niederlage des konſervativen<lb/> Vizepräſidenten des Senats, <hi rendition="#g">Rivet.</hi></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Poincare triumphiert.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">** Paris,</hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <p><hi rendition="#g">Poincaré</hi> erklärte nach ſeiner Wie-<lb/> derwahl im Maaß-Departement in einer<lb/> kurzen Anſprache: <cit><quote>„Wir werden die <hi rendition="#g">Repa-<lb/> rationspolitik</hi> fortführen, die allge-<lb/> mein gutgeheißen worden iſt. <hi rendition="#g">Wir wer-<lb/> den dieſe Politik mit Hartnäk-<lb/> kigkeit verfolgen</hi> bis zum friedlichen<lb/> Triumph (!) und der <hi rendition="#g">vollkommenen<lb/> Ausführung des Verſailler Ver-<lb/> trages.</hi>“</quote></cit></p><lb/> <p>Rückwirkungen der Senatswahlen auf die<lb/> franzöſiſche Geſamtpolitik ſind nicht zu er-<lb/> warten. Man nimmt von vornherein nicht<lb/> an, daß die Wahlen Ueberraſchungen brin-<lb/> gen werden. Die Verſchiebungen ſind zum<lb/> größten Teil auf rein lokale Gründe zurück-<lb/> zuführen. Das einzige neue Moment iſt,<lb/> daß die <hi rendition="#g">Sozialiſten</hi> jetzt mit zwei Man-<lb/> daten zum erſtenmal in den Senat einzie-<lb/> hen, und zwar auf Koſten der Radikalſozia-<lb/> liſten, deren Kandidaten geſchlagen wurden.<lb/> Außer dieſen beiden ſozialiſtiſchen Manda-<lb/> ten hat die bürgerliche Linke allenfalls noch<lb/> den Gewinn eines weiteren Mandats zu<lb/> verzeichnen. Die bis heute morgen vorlie-<lb/><cb/> genden Ziffern zeigen folgendes Ergebnis:<lb/> Linksdemokraten 56,<lb/> Union republicaine (Poincarés Partei) 33,<lb/> Linksrepublikaner 13,<lb/> Rechtsrepublikaner 11,<lb/> Sozialiſten 2 Mandate.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Paris—Belgrad.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Berlin,</hi> 6. Jan.</dateline><lb/> <p>Die über Paris und<lb/> Belgrad veröffentlichten Nachrichten über<lb/> den unmittelbar bevorſtehenden Abſchluß<lb/> eines <hi rendition="#g">franzöſiſch-jugoſlaviſchen<lb/> Vertrages</hi> nach dem Muſter des franko-<lb/> tſchechiſchen Abkommens werden von unter-<lb/> richteter Seite als zum mindeſten <hi rendition="#g">ver-<lb/> früht</hi> bezeichnet.</p><lb/> <p>Auf der hieſigen jugoſlaviſchen Geſandt-<lb/> ſchaft iſt offiziell von einem ſolch bevor-<lb/> ſtehenden Abſchluß nichts bekannt. Es iſt<lb/> aber möglich, daß die Frage eines ſolchen<lb/> Abkommens auf der Konferenz der Kleinen<lb/> Entente erörtert wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich und der Lauſanner Vertrag.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 6. Januar.</dateline><lb/> <p>Der „Matin“ glaubt zu<lb/> wiſſen, daß Poincaré die ſofortige <hi rendition="#g">Rati-<lb/> fikation des Lauſanner Ver-<lb/> trags</hi> herbeizuführen beabſichtige. Er<lb/> hofft, daß die Kammer bereits Ende Januar<lb/> über den Vertrag abſtimmen und der Senat<lb/> ihn in der erſten Hälfte des Februar gut-<lb/> heißen wird.</p><lb/> <p>Der „Matin“ läßt durchblicken, daß die<lb/> Regierung zur Verſtärkung ihrer Poſition<lb/> in der Kammer die ſofortige Eröffnung<lb/> eines von Angora herbeigeführten Mei-<lb/> nungsaustauſches in der Frage der Zins-<lb/> ſcheine wünſche.</p><lb/> <p>Aus den weiteren Auslaſſungen des Blat-<lb/> tes iſt zu entnehmen, daß Poincaré ſich we-<lb/> gen der <hi rendition="#g">deutſchen Annäherungs-<lb/> verſuche</hi> in der Türkei, die durch die be-<lb/> vorſtehende Abreiſe des Bukareſter deut-<lb/> ſchen Geſandten nach Angora in ein neues<lb/> Stadium gerückt ſei, ſich zu beſonderer Eile<lb/> angetrieben ſehe.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Naturrecht und Humanität.</hi> </head><lb/> <byline>Von<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Thomas Mann</hi></hi></byline><lb/> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 30. Dezember 1923.</dateline><lb/> <p>Spricht man in Deutſchland von „Demo-<lb/> kratie“, ſo pflegen die Unterredner nichts<lb/> weiter als eine Staatsform, die Republik<lb/> alſo, darunter zu verſtehen und einem mit<lb/> den Argumenten zu begegnen, die gegen<lb/> dieſe Verfaſſung jederzeit bequem zur Hand<lb/> ſind, die man ſelbſt bis zum Ueberdruſſe am<lb/> Schnürchen hat. Aber damit iſt nicht viel ge-<lb/> tan; die Widerlegung iſt ſchwach, ſie iſt nur<lb/> parteipolitiſch, während man doch nicht Par-<lb/> teipolitik treibt, wenn man den Fürſprecher<lb/> der Demokratie macht, ſondern in bewußter<lb/> Selbſtkorrektur für gewiſſe geiſtige Not-<lb/> wendigkeiten ſich einſetzt, denen Rechnung<lb/> zu tragen der Deutſche um ſeiner inneren<lb/> Geſundheit willen ſich nicht wird ſperren<lb/> können. Worin ſie beſtehen, dieſe Notwen-<lb/> digkeiten, was alſo in Wahrheit Demo-<lb/> kratie iſt und welcher bedeutenden und<lb/> keineswegs einfach verächtlichen Art die<lb/> Widerſtände ſind, die das deutſche Weſen ihr<lb/> hiſtoriſch entgegenſetzt, das iſt mit vollen-<lb/> deter Klarheit ausgeſprochen in der un-<lb/> ſcheinbaren Broſchüre, deren Lektüre ich<lb/> aller Welt empfehle.</p><lb/> <p>Sie heißt „Naturrecht und Humanität in<lb/> der Weltpolitik“ und hat zum Verfaſſer<lb/> Ernſt Tröltſch, den leider kürzlich verſtor-<lb/> benen Kulturphiloſophen. Dieſe Schrift iſt<lb/> eine poſthume Veröffentlichung, nichts als<lb/> ein Vortrag, den Tröltſch kurz vor ſeinem<lb/> Ende bei der Jahresfeier der Deutſchen<lb/> Hochſchule für Politik gehalten. Sie begnügt<lb/> ſich nicht, den Unterſchied des deutſchen<lb/> politiſch-geſchichtlich-moraliſchen. Denkens<lb/> gegenüber dem weſteuropäiſch-amerikani-<lb/> ſchen, kurz geſagt alſo, den Gegenſatz zwi-<lb/> ſchen der Ideenwelt der deutſch-romanti-<lb/> ſchen Gegenrevolution und der älteren bür-<lb/> gerlich-konſervativ-revolutionären des Na-<lb/> turrechtes, der Humanität und des Fort-<lb/> ſchrittes mit bewunderungswürdiger Präzi-<lb/> ſion aufzuzeigen. Sie hält ſich nicht im ana-<lb/> lytiſch Kontemplativen, ſie wird von einem<lb/> gewiſſen Punkte an zur pädagogiſchen For-<lb/> derung. Mit überzeugender Wärme beweiſt<lb/> und propagiert ſie das hiſtoriſche Erforder-<lb/> nis einer Wiederannäherung des deutſchen<lb/> Gedankens an den mit beſtimmten religi-<lb/> öſen und ideologiſchen Elementen unſeres<lb/> Kulturkreiſes unlöslich verbundenen weſt-<lb/> europäiſchen, unter Vorbehalt aller an der<lb/> Verrottung und dem heuchleriſchen Miß-<lb/> brauch der antik-chriſtlichen Humanitäts-<lb/> idee zu übenden Kritik, beweiſt, ſage ich<lb/> und propagiert die vollkommene Möglich-<lb/> keit, dieſe zeit- und weltnotwendige Wieder-<lb/> annäherung ohne jede grundſätzliche Ver-<lb/> leugnung unſerer geiſtigen Eigenart zu voll-<lb/> ziehen.... Ich kann den großen Gedan-<lb/> kengang der Schrift nicht auf zwei Worte<lb/> bringen. Was aber hier von einem gelehrten<lb/> Denker mit ſtärkender Beſtimmtheit aus<lb/> geſprochen wurde, das war, gefühlsweiſe<lb/> als dunkle Gewiſſensregung, ſeit Jahr und<lb/> Tag in manchem Deutſchen lebendig gewe-<lb/> ſen — in ſolchen vielleicht ſogar, die in<lb/> Zauberberge des romantiſchen Aeſthetizis-<lb/> mus recht lange und gründlich geweilt —<lb/> und hatte zu Bekenntniſſen geführt, die vor<lb/> einer Zukunftsloſigkeit, die ſich treu dünkt<lb/> als Zeugnis des Ueberläufertums und den<lb/> Geſinnungslumperei übel begrüßt worden<lb/> waren. ...</p><lb/> <p>Nicht ohne Sinn für die düſtere Würde<lb/> eines Konſervativismus, der Todesverbun-<lb/> denheit bedeutet, bleiben wir entſchloſſen<lb/> uns nicht irre machen zu laſſen in unſere</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Allgemeine Zeitung
Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau127. Jahrgang. Nr. 6 München, Montag den 7. Januar 1924. Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik:
Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer.
— Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v.
Probram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef
Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 54 98 u. 3967; Letter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige
Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287.
Einzelpreis 5 Pfennig.
Der ſinkende Franken.
Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.
** Paris, 6. Jan.
Finanzminiſter de
Laſterie, der am Samstag aus der
Provinz nach Paris zurückkehrte konfe-
rierte geſtern und heute mit dem Gouver-
neur der Bank von Frankreich, dem Syn-
dikus der Wechſelagenten, dem Präſidenten
der Pariſer Handelskammer und einer An-
zahl ſonſtiger Finanzleute über die Lage
auf dem Wechſelmarkt und über
Maßnahmen zur Unterdrückung der
Baiſſeſpekulation in franzöſiſchen Franken.
In erſter Linie iſt beabſichtigt, die Spe-
kulation ohne Deckung zu be-
kämpfen, die in den letzten Tagen von
mehreren Großbanken betrieben worden
ſein ſoll.
„Ere Nouvelle“ bemerkt hierzu, daß
eine „mißbräuchliche Spekulation“ vor-
liege. Es ſtehe aber feſt, daß die Urſachen
tiefer lägen. Die Spekulation heute die
Urſachen nur aus. Sie lägen in der
Finanzpolitik, die von der Hand in
den Mund lebe, die auf dem Papier das
Budget im Gleichgewicht halte, deſſen
Gleichgewicht aber völlig zerſtört ſei.
Inzwiſchen dauert der Sturz des
Franken an. Der Dollar, der am Frei-
tag mit 20,29 notiert wurde, erreichte am
Samstag den Stand von 20,87.
Der wahre Grund.
Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.
** Paris, 7. Januar.
Der Sturz des
Franken wird in hieſigen Finanzkreiſen
darauf zurückgeführt, daß aus der Kriegs-
und Nachkriegszeit zahlreiche kommu-
nale Verpflichtungen beſtehen, die
faſt ausſchließlich in Dollars und
Pfund Sterling zu ſehr ungünſtigen
Bedingungen, zu Zinsſätzen von 7—8%
aufgenommen wurden und jetzt zurückge-
zahlt werden müſſen. Damit würde es über-
einſtimmen, daß in London dauernd franzö-
ſiſche Franken gegen Dollars und Pfunde
umgewechſelt werden. Man erwartet des-
halb in der nächſten Zeit keine Beſſe-
rung des Frankenkurſes.
Auf Grund der Beſprechungen des Fi-
nanzminiſters mit führenden Bank- und Fi-
nanzleuten hat der Innenminiſter bereits
Maßnahmen gegen die Spekula-
tion eingeleitet. In erſter Linie ſoll die
Börſe von ausländiſchen Elementen gerei-
nigt werden. Man weiſt jedoch in Finanz-
kreiſen darauf hin, daß der Sturz des Fran-
ken zum großen Teil durch das Mißverhält-
nis zwiſchen den Steuereinnahmen und den
übergroßen Rüſtungausgaben
veranlaßt ſei.
Das Urteil Amerikas.
Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.
** Newyork, 7. Januar.
In Wall-
ſtreet beſchäftigt man ſich ſehr eingehend
mit dem Frankenſturz. Es wird erklärt,
daß die Schuld hieran nicht die inter-
nationale Spekulation treffe, ſon-
dern darauf zurückzuführen ſei, daß das
Vertrauen in die franzöſiſche Währung des-
halb geſunken ſei, weil die internationalen
Schuldenfragen immer noch keine Löſung
gefunden haben, Frankreich vielmehr inzwi-
ſchen zu ſeinen Verpflichtungen gegenüber
England und Amerika neue Verpflich-
tungen gegen über den Balkan-
ſtaaten und Polen übernommen habe.
Spaltung der Sozialdemokratie.
Der ſächſiſche Landesparteitag.
Sonderdienſt der Allgemeinen Zeitung.
** Dresden, 7. Januar.
Der ſozialdemokratiſche Landesparteitag, der geſtern
im hieſigen Landtagsgebäude ſtattfand, und an dem 104 Delegierte teilnahmen,
hatte darüber zu entſcheiden, ob die Partei an der großen Koalition in Sachſen
teilnehmen ſolle. Er nahm einen außerordentlich ſtürmiſchen Verlauf, der die
Spaltung der ſächſiſchen Partei unerläßlich erſcheinen läßt und auf die
Partei des Reiches von tiefgreifender Wirkung ſein wird.
Wie zu erwarten, hatten die Radikalen die Mehrheit. Sie ſetzten mit 74 gegen 22
Stimmen die Annahme einer Entſchließung durch, die den Rücktritt des neuen Mi-
niſterpräſidenten Heldt und die ſofortige Auflöſung des Landtags fordert.
Nachdem der Vorſitzende der Landtagsfraktion namens der gemäßigten Fraktions-
mehrheit erklärt hatte, daß er dieſen Beſchluß nicht anerkenne und alſo auch nicht
befolgen werde, ſich vielmehr an den Reichsparteitag wenden werde, der Ende
März ſtattfindet, verließen die Gemäßigten und die aus Berlin eingetroffenen Dele-
gierten Hilfferding, Wels und Dittmann (alſo zwei frühere Unabhängige)
demonſtrativ den Saal und hielten ſich den weiteren Beratungen fern. Hierauf er-
folgte die Annahme eines Antrags Lipinſki auf Ausſchluß aller derjenigen, die
die Oppoſition von rechts bilden und billigen. Das heißt alſo, daß die radi-
kale Parteitagsmehrheit die Spaltung bereits vollzogen hat. Von radikaler Seite
wird erklärt, daß die Bildung der großen Koalition dem Landesparteitag die Entſchei-
dung vorweggenommen habe und einen in der Geſchichte der Sozialdemokraten uner-
hörten Bruch der Parteidiſziplin bedeute. Das kam auch in der außeror-
dentlich demagogiſchen Schlußrede des Abg. Arzt zum Ausdruck.
Nach dem Verlauf des Parteitages und der Erklärung des Fraktionsvorſtandes zu
ſchließen, dürfte die Regierung der großen Koalition nun wahrſcheinlich im Amte blei-
ben, allerdings unter Rücktritt der dem radikalen Flügel angehörenden Sozialdemo-
kraten. Der als Wirtſchaftsminiſter in Ausſicht genommene Miniſterpräſident Fel-
liſch hat für ſeine Perſon bereits die Konſequenzen gezogen und ſein Amt in die
Hände des Miniſterpräſidenten zurückgelegt.
Franzöſiſche Senatswahlen.
* Paris, 7. Januar.
Geſtern haben in 26
Departements Ergänzungswahlen zum Se-
nat ſtattgefunden. Von den bisherigen Se-
natoren ſind 73 wiedergewählt worden;
neugewählt wurden neun Senatoren. Die
Ergebniſſe von 33 Stichwahlen und das Er-
gebnis aus Martinique liegt noch nicht vor.
Beſondere Bedeutung mißt man der
Wiederwahl Poincarés bei, der
von insgeſamt 812 Stimmen mit der gewal-
tigen Mehrheit von 794 Stimmen neuge-
wählt wurde. Von den fünf Kommuniſten
wurde bisher keiner gewählt, obgleich Ca-
chin in ſämtlichen 36 Departements ſich als
Kandidat aufſtellen ließ Großes Aufſehen
erregt die Niederlage des konſervativen
Vizepräſidenten des Senats, Rivet.
Poincare triumphiert.
Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.
** Paris, 7. Januar.
Poincaré erklärte nach ſeiner Wie-
derwahl im Maaß-Departement in einer
kurzen Anſprache: „Wir werden die Repa-
rationspolitik fortführen, die allge-
mein gutgeheißen worden iſt. Wir wer-
den dieſe Politik mit Hartnäk-
kigkeit verfolgen bis zum friedlichen
Triumph (!) und der vollkommenen
Ausführung des Verſailler Ver-
trages.“
Rückwirkungen der Senatswahlen auf die
franzöſiſche Geſamtpolitik ſind nicht zu er-
warten. Man nimmt von vornherein nicht
an, daß die Wahlen Ueberraſchungen brin-
gen werden. Die Verſchiebungen ſind zum
größten Teil auf rein lokale Gründe zurück-
zuführen. Das einzige neue Moment iſt,
daß die Sozialiſten jetzt mit zwei Man-
daten zum erſtenmal in den Senat einzie-
hen, und zwar auf Koſten der Radikalſozia-
liſten, deren Kandidaten geſchlagen wurden.
Außer dieſen beiden ſozialiſtiſchen Manda-
ten hat die bürgerliche Linke allenfalls noch
den Gewinn eines weiteren Mandats zu
verzeichnen. Die bis heute morgen vorlie-
genden Ziffern zeigen folgendes Ergebnis:
Linksdemokraten 56,
Union republicaine (Poincarés Partei) 33,
Linksrepublikaner 13,
Rechtsrepublikaner 11,
Sozialiſten 2 Mandate.
Paris—Belgrad.
* Berlin, 6. Jan.
Die über Paris und
Belgrad veröffentlichten Nachrichten über
den unmittelbar bevorſtehenden Abſchluß
eines franzöſiſch-jugoſlaviſchen
Vertrages nach dem Muſter des franko-
tſchechiſchen Abkommens werden von unter-
richteter Seite als zum mindeſten ver-
früht bezeichnet.
Auf der hieſigen jugoſlaviſchen Geſandt-
ſchaft iſt offiziell von einem ſolch bevor-
ſtehenden Abſchluß nichts bekannt. Es iſt
aber möglich, daß die Frage eines ſolchen
Abkommens auf der Konferenz der Kleinen
Entente erörtert wird.
Frankreich und der Lauſanner Vertrag.
Paris, 6. Januar.
Der „Matin“ glaubt zu
wiſſen, daß Poincaré die ſofortige Rati-
fikation des Lauſanner Ver-
trags herbeizuführen beabſichtige. Er
hofft, daß die Kammer bereits Ende Januar
über den Vertrag abſtimmen und der Senat
ihn in der erſten Hälfte des Februar gut-
heißen wird.
Der „Matin“ läßt durchblicken, daß die
Regierung zur Verſtärkung ihrer Poſition
in der Kammer die ſofortige Eröffnung
eines von Angora herbeigeführten Mei-
nungsaustauſches in der Frage der Zins-
ſcheine wünſche.
Aus den weiteren Auslaſſungen des Blat-
tes iſt zu entnehmen, daß Poincaré ſich we-
gen der deutſchen Annäherungs-
verſuche in der Türkei, die durch die be-
vorſtehende Abreiſe des Bukareſter deut-
ſchen Geſandten nach Angora in ein neues
Stadium gerückt ſei, ſich zu beſonderer Eile
angetrieben ſehe.
Naturrecht und Humanität.
Von
Thomas Mann
München, 30. Dezember 1923.
Spricht man in Deutſchland von „Demo-
kratie“, ſo pflegen die Unterredner nichts
weiter als eine Staatsform, die Republik
alſo, darunter zu verſtehen und einem mit
den Argumenten zu begegnen, die gegen
dieſe Verfaſſung jederzeit bequem zur Hand
ſind, die man ſelbſt bis zum Ueberdruſſe am
Schnürchen hat. Aber damit iſt nicht viel ge-
tan; die Widerlegung iſt ſchwach, ſie iſt nur
parteipolitiſch, während man doch nicht Par-
teipolitik treibt, wenn man den Fürſprecher
der Demokratie macht, ſondern in bewußter
Selbſtkorrektur für gewiſſe geiſtige Not-
wendigkeiten ſich einſetzt, denen Rechnung
zu tragen der Deutſche um ſeiner inneren
Geſundheit willen ſich nicht wird ſperren
können. Worin ſie beſtehen, dieſe Notwen-
digkeiten, was alſo in Wahrheit Demo-
kratie iſt und welcher bedeutenden und
keineswegs einfach verächtlichen Art die
Widerſtände ſind, die das deutſche Weſen ihr
hiſtoriſch entgegenſetzt, das iſt mit vollen-
deter Klarheit ausgeſprochen in der un-
ſcheinbaren Broſchüre, deren Lektüre ich
aller Welt empfehle.
Sie heißt „Naturrecht und Humanität in
der Weltpolitik“ und hat zum Verfaſſer
Ernſt Tröltſch, den leider kürzlich verſtor-
benen Kulturphiloſophen. Dieſe Schrift iſt
eine poſthume Veröffentlichung, nichts als
ein Vortrag, den Tröltſch kurz vor ſeinem
Ende bei der Jahresfeier der Deutſchen
Hochſchule für Politik gehalten. Sie begnügt
ſich nicht, den Unterſchied des deutſchen
politiſch-geſchichtlich-moraliſchen. Denkens
gegenüber dem weſteuropäiſch-amerikani-
ſchen, kurz geſagt alſo, den Gegenſatz zwi-
ſchen der Ideenwelt der deutſch-romanti-
ſchen Gegenrevolution und der älteren bür-
gerlich-konſervativ-revolutionären des Na-
turrechtes, der Humanität und des Fort-
ſchrittes mit bewunderungswürdiger Präzi-
ſion aufzuzeigen. Sie hält ſich nicht im ana-
lytiſch Kontemplativen, ſie wird von einem
gewiſſen Punkte an zur pädagogiſchen For-
derung. Mit überzeugender Wärme beweiſt
und propagiert ſie das hiſtoriſche Erforder-
nis einer Wiederannäherung des deutſchen
Gedankens an den mit beſtimmten religi-
öſen und ideologiſchen Elementen unſeres
Kulturkreiſes unlöslich verbundenen weſt-
europäiſchen, unter Vorbehalt aller an der
Verrottung und dem heuchleriſchen Miß-
brauch der antik-chriſtlichen Humanitäts-
idee zu übenden Kritik, beweiſt, ſage ich
und propagiert die vollkommene Möglich-
keit, dieſe zeit- und weltnotwendige Wieder-
annäherung ohne jede grundſätzliche Ver-
leugnung unſerer geiſtigen Eigenart zu voll-
ziehen.... Ich kann den großen Gedan-
kengang der Schrift nicht auf zwei Worte
bringen. Was aber hier von einem gelehrten
Denker mit ſtärkender Beſtimmtheit aus
geſprochen wurde, das war, gefühlsweiſe
als dunkle Gewiſſensregung, ſeit Jahr und
Tag in manchem Deutſchen lebendig gewe-
ſen — in ſolchen vielleicht ſogar, die in
Zauberberge des romantiſchen Aeſthetizis-
mus recht lange und gründlich geweilt —
und hatte zu Bekenntniſſen geführt, die vor
einer Zukunftsloſigkeit, die ſich treu dünkt
als Zeugnis des Ueberläufertums und den
Geſinnungslumperei übel begrüßt worden
waren. ...
Nicht ohne Sinn für die düſtere Würde
eines Konſervativismus, der Todesverbun-
denheit bedeutet, bleiben wir entſchloſſen
uns nicht irre machen zu laſſen in unſere
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |