Allgemeine Zeitung, Nr. 6, vom 7. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 8. Montag, den 7. Januar 1924. Lebensfreundlichkeit, unserem besseren Wis- Zur Ideen- und Idealwelt der naturrecht- Kabinettssitzung in Berlin. Sonderdienst der Allgem. Zeitung. Heute wird das Die Rückkehr Stresemanns. Sonderdienst der Allgem. Zeitung. Reichsaußenminister Um den Pariser Botschafterposten. Eigener Drahtbericht. Französische Blätter mel- Hoesch in Berlin. Eigener Drahtbericht. Der deutsche Geschäfts- Frankreichs Antwort auf die deutschen Paris, 7. Januar.Vorschläge. Die französische Antwort auf die deut- Wie nunmehr feststeht, wird die Note am Die Deutschen Ruhrgefangenen. * Berlin, 6. Jan.Nach dem letzten authen- Nach den hier vorliegenden Informationen be- Der neue Reichskommissar für Reparations- * Berlin, 6. Januar.leistungen. Anstelle des bisheri- Der thüringische Skandal. * Weimar, 6. Jan.Wie die "Weimarer Zei- Die Untersuchung. * Berlin, 6. Jan.Die thüringifchen Staats- Ende des Berliner Metall- ** Berlin, 7. Jan.arbeiterstreiks. Nach zehn- Das Abkommen fand gestern die Bil- Der vereinbarte Stundenlohn beträgt in Wichtiger als die Regelung der Lohn- Gegen den Bankwucher! * Berlin, 6. Januar.Seitens der Staats- Wie die "Telegraphen-Union" hierzu er- Zeitungsverbote. Berlin, 6. Jan.Der Inhaber der vollziehen- Georg Kaiser: Nebeneinander. Kammerspiele. Zwischen Glauben und Sehnen -- Glaube an Klage über das neueste Drama: es ersetzt die Georg Kaiser nun, diese gezackteste Erscheinung Vielleicht ist es an dem, daß Georg Kaiser mit Seinen Helden wählt Kaiser aus seinem eige- In seinem Volksstück "Nebeneinander" ist ein Man könnte die Möglichkeit, Wahrscheinlich- Gleichviel: Der Pfandverleiher macht sich mit Nun aber streckt sich der Einfall zum Drama. Der Pfandverleiher aber, Schicksal spielend, Helfen wollte er andern und sich selbst verdarb Die Kammerspiele haben das Stück mit Aech- Allgemeine Zeitung. Nr. 8. Montag, den 7. Januar 1924. Lebensfreundlichkeit, unſerem beſſeren Wiſ- Zur Ideen- und Idealwelt der naturrecht- Kabinettsſitzung in Berlin. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. Heute wird das Die Rückkehr Streſemanns. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. Reichsaußenminiſter Um den Pariſer Botſchafterpoſten. Eigener Drahtbericht. Franzöſiſche Blätter mel- Hoeſch in Berlin. Eigener Drahtbericht. Der deutſche Geſchäfts- Frankreichs Antwort auf die deutſchen Paris, 7. Januar.Vorſchläge. Die franzöſiſche Antwort auf die deut- Wie nunmehr feſtſteht, wird die Note am Die Deutſchen Ruhrgefangenen. * Berlin, 6. Jan.Nach dem letzten authen- Nach den hier vorliegenden Informationen be- Der neue Reichskommiſſar für Reparations- * Berlin, 6. Januar.leiſtungen. Anſtelle des bisheri- Der thüringiſche Skandal. * Weimar, 6. Jan.Wie die „Weimarer Zei- Die Unterſuchung. * Berlin, 6. Jan.Die thüringifchen Staats- Ende des Berliner Metall- ** Berlin, 7. Jan.arbeiterſtreiks. Nach zehn- Das Abkommen fand geſtern die Bil- Der vereinbarte Stundenlohn beträgt in Wichtiger als die Regelung der Lohn- Gegen den Bankwucher! * Berlin, 6. Januar.Seitens der Staats- Wie die „Telegraphen-Union“ hierzu er- Zeitungsverbote. Berlin, 6. Jan.Der Inhaber der vollziehen- Georg Kaiſer: Nebeneinander. Kammerſpiele. Zwiſchen Glauben und Sehnen — Glaube an Klage über das neueſte Drama: es erſetzt die Georg Kaiſer nun, dieſe gezackteſte Erſcheinung Vielleicht iſt es an dem, daß Georg Kaiſer mit Seinen Helden wählt Kaiſer aus ſeinem eige- In ſeinem Volksſtück „Nebeneinander“ iſt ein Man könnte die Möglichkeit, Wahrſcheinlich- Gleichviel: Der Pfandverleiher macht ſich mit Nun aber ſtreckt ſich der Einfall zum Drama. Der Pfandverleiher aber, Schickſal ſpielend, Helfen wollte er andern und ſich ſelbſt verdarb Die Kammerſpiele haben das Stück mit Aech- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> Nr. 8. Montag, den 7. Januar 1924.</fw><lb/> <p>Lebensfreundlichkeit, unſerem beſſeren Wiſ-<lb/> ſen um Forderungen des Lebens. Daß dieſe<lb/> Forderungen deutſchem Weſen zuwiderlie-<lb/> fen, iſt nicht erwieſen und iſt zu beſtreiten.<lb/> Spielarten deutſchen Volkstums, die, vom<lb/> Hauptſtamm politiſch frühzeitig getrennt,<lb/> ſeine geiſtigen, ſittlichen Schickſale nur bis<lb/> zu einem gewiſſen Grade teilten — ich denke<lb/> an die Schweiz und ſelbſt an die Deutſchen<lb/> Oeſterreichs — haben die Fühlung mit weſt-<lb/> europäiſchem Denken niemals, wie wir, ver-<lb/> loren und die Entartung des Romantismus,<lb/> die uns zu Einſamen und <hi rendition="#aq">outlaws</hi> machte,<lb/> nicht miterlebt. Es fragt ſich, ob wir ſie dar-<lb/> um beneiden ſollen. Das iſt eine Krankheit,<lb/> die ſie nicht gehabt haben, und ein wenig<lb/> tragen unſere Empfindungen für ihre be-<lb/> wahrte Tugend vielleicht den Akzent des<lb/> „Kinder, was wißt denn ihr!“ Eines aber<lb/> jedenfalls kann ihr Anblick uns lehren:<lb/> Eine Stufe des deutſchen Schickſalsganges,<lb/> die irrend zu überſchreiten war, nicht mit<lb/> dem Deutſchtum ſelbſt — und Selbſtzucht<lb/> nicht mit Selbſtaufgabe zu verwechſeln.</p><lb/> <p>Zur Ideen- und Idealwelt der naturrecht-<lb/> lich beſtimmten europäiſchen Humanität ge-<lb/> hört der Gedanke der Menſchheitsorganiſa-<lb/> tion — ein Gedanke, geboren ganz aus<lb/> jener ſchon ſtoiſch-mittelalterlichen Verbin-<lb/> dung von Recht, Moral und Wohlfahrt, die<lb/> wir als utilitariſtiſche Aufklärung ſo tief —<lb/> und mit urſprünglich zweifellos großem re-<lb/> volutionärem Recht ſo tief zu verachten ge-<lb/> lernt haben — ein Gedanke, kompromit-<lb/> tiert und mißbraucht in aller Erfahrung.<lb/> verhöhnt und vorgeſchützt von den Macht-<lb/> habern der Wirklichkeit — und ein Gedanke<lb/> dennoch, der einen unverlierbaren Kern re-<lb/> gulativer Wahrheit, praktiſcher Vernunft-<lb/> forderung birgt, und deſſen grundſätzlicher<lb/> Verleugnung kein Volk — und ſei es aus<lb/> den anfänglich geiſtigſten Gründen — ſich<lb/> ſchuldig machen kann, ohne an ſeinem<lb/> Menſchentum nicht nur geſellſchaftlich, ſon-<lb/> dern tiefinnerlich Schaden zu nehmen. Das<lb/> iſt erwieſen. Wir ſollen das arge Zucker-<lb/> brot, das jeder Erfahrungstag unſerem<lb/> hiſtoriſchen Peſſimismus anbietet, nicht gie-<lb/> rig ſchlingen, weil unſer romantiſcher In-<lb/> ſtinkt an dieſem Peſſimismus hängt und<lb/> ihn nicht laſſen will. Wir ſollen angeſichts<lb/> der Korruption des Gedankens den reinen<lb/> Gedanken hüten — denn ſogar deutſcher<lb/> werden wir uns damit erweiſen als durch<lb/> den verbiſſen rückwärts gewandten Kult<lb/> von Ideen, deren ſchließlich nicht minder<lb/> totale Entartung uns in ein Unglück ge-<lb/> ſtürzt hat, das würdelos wäre, wenn es uns<lb/> nicht zu bilden vermöchte.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kabinettsſitzung in Berlin.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline> <hi rendition="#b">* <hi rendition="#g">Berlin</hi> 7. Jan.</hi> </dateline><lb/> <p> <hi rendition="#b">Heute wird das<lb/> Reichskabinett <hi rendition="#g">vor-und nachmittags<lb/> Sitzungen</hi> abhalten, an denen auch be-<lb/> reits der geſtern von ſeiner Erholungs-<lb/> reiſe zurüchgekehrte Außenminiſter Dr.<lb/> Streſemann wieder teilnehmen wird. Ent-<lb/> gegen anderslautenden Meldungen wird<lb/> ſich das Reichskabinett vorausſichtlich heute<lb/> noch nicht mit den wichtigſten Fragen<lb/> (Hypothekenaufwertung, bayeriſche Denk-<lb/><cb/> ſchrift) beſchäftigen, ſondern nur kleinere<lb/> Vorlagen beraten, damit die in den letzten<lb/> Tagen von Berlin abweſenden Miniſter<lb/> Gelegenheit haben, ſich vorher in ihre<lb/> Reſſorts wieder einzuarbeiten.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Rückkehr Streſemanns.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">** Berlin,</hi> 6. Januar.</dateline><lb/> <p>Reichsaußenminiſter<lb/> Dr. Streſemann iſt am Samstag Morgen, nach-<lb/> dem er nochmals den deutſchen Geſandten in<lb/> Bern, Dr. <hi rendition="#g">Müller,</hi> empfangen hatte, von Lu-<lb/> gano über Zürich nach Berlin zurückgereiſt, wo<lb/> er heute Vormittag eintraf. Er hat die Leitung<lb/> der Geſchäfte des Außenminiſteriums bereits wie-<lb/> der übernommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Um den Pariſer Botſchafterpoſten.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Eigener Drahtbericht.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline>** <hi rendition="#g">Berlin,</hi> 6. Jan.</dateline><lb/> <p>Franzöſiſche Blätter mel-<lb/> den, daß die Ernennung des deutſchen Geſchäfts-<lb/> trägers v. <hi rendition="#g">Hoeſch</hi> zum Botſchafter in Paris er-<lb/> folgt ſei. Dagegen kann darauf hingewieſen wer-<lb/> den, daß die Ernennung des deutſchen Botſchaf-<lb/> ters für Paris ſelbſtverſtändlich erſt nach der<lb/> Rückkehr des Außenminiſters Dr. Streſemann<lb/> erfolgen wird. Herr v. Hoeſch iſt allerdings<lb/> der <hi rendition="#g">ausſichtsreichſte Kandidat</hi> für den<lb/> Poſten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Hoeſch in Berlin.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#g">Eigener Drahtbericht.</hi> </p> </argument><lb/> <dateline>** <hi rendition="#g">Berlin,</hi> 7. Jan.</dateline><lb/> <p>Der deutſche Geſchäfts-<lb/> träger in Paris <hi rendition="#g">von Hoeſch</hi> wird bis Dienstag<lb/> oder Mittwoch dieſer Woche nach Berlin kommen,<lb/> um mit dem Außenminiſter Dr. <hi rendition="#g">Streſemann</hi><lb/> zu konferieren. Man nimmt an, daß während<lb/> ſeiner Anweſenheit ſeine <hi rendition="#g">Ernennung zum<lb/> Botſchafter</hi> erfolgen wird. Die Berliner Be-<lb/> ſprechung wird ſich nicht nur auf die aktuellen<lb/> Fragen der deutſch-franzöſiſchen Ruhrverhandlun-<lb/> gen erſtrecken, ſondern in erſter Linie eine Klä-<lb/> rung darüber bringen, welche Bedeutung den<lb/><hi rendition="#g">franzöſiſchen Verſöhnungsverſu-<lb/> chen</hi> beizumeſſen iſt. In Pariſer politiſchen<lb/> Kreiſen bezeichnet man es als nicht ausgeſchloſ-<lb/> ſen, daß Deutſchland jetzt in der einen oder<lb/> anderen Form in das Syſtem der <hi rendition="#g">franzöſi-<lb/> ſchen Kontinentalpolitik</hi> eingeſpannt<lb/> werden kann.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreichs Antwort auf die deutſchen<lb/> Vorſchläge.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <p>Die franzöſiſche Antwort auf die deut-<lb/> ſchen Rhein- und Ruhrvorſchläge iſt am<lb/> Samstag der <hi rendition="#g">belgiſchen Regierung<lb/> überreicht</hi> worden, nachdem Poincaré<lb/> telephoniſch vom Meuſe-Departement aus<lb/> ſeine Zuſtimmung gegeben hatte. Der Ent-<lb/> wurf iſt vom Quai d’Orſai in Gemeinſchaft<lb/> mit <hi rendition="#g">Degoutte</hi> und <hi rendition="#g">Tirard</hi> ausgearbei-<lb/> tet worden. Ueber den Inhalt wird offiziell<lb/> erklärt, die Antwort ſei im Ton verſöhnlich,<lb/> aber durchaus feſt bei der Behandlung der<lb/> entſcheidenden Frage. Unterrichtete Kreiſe<lb/> erläutern dieſe Information dahin, daß ſie<lb/> äußerlich konziliant, aber <hi rendition="#g">für Deutſch-<lb/> land unbefriedigend</hi> gehalten ſei.<lb/> Von offizieller franzöſiſcher Seite wird noch<lb/> erklärt, es werde der franzöſiſchen Regie-<lb/> rung nicht ſchwer ſein, der Reichsregierung<lb/> ihren guten Willen zu beweiſen, da die Be-<lb/> ſatzungsbehörde ſchon vor dem Eintreffen<lb/> des deutſchen Memorandums Maßnahmen<lb/> ergriffen hätte, welche eine <hi rendition="#g">Wiederher-<lb/> ſtellung des Wirtſchaftslebens</hi><lb/><cb/> zum Ziele hätten. In einer ganzen Reihe<lb/> von Fragen könnten allerdings Zugeſtänd-<lb/> niſſe noch nicht gemacht werden, wenn nicht<lb/> der Wert des Ruhrpfandes geſchädigt wer-<lb/> den ſoll. Im <hi rendition="#g">April</hi> (!) werde man über<lb/> weitere Erleichterungen reden können, weil<lb/> dann die Beratungen der Reparationskom-<lb/> miſſion ſo weit fortgeſchritten ſein würden,<lb/> daß eine Erörterung des Geſamtkomplexes<lb/> möglich ſei.</p><lb/> <p>Wie nunmehr feſtſteht, wird die Note am<lb/> Dienstag überreicht werden. Es ſcheint, daß<lb/> von belgiſcher Seite Bemühungen im Gange<lb/> ſind, die Antwort gleichzeitig mit der fran-<lb/> zöſiſchen ſo zu geſtalten, daß die Verhand-<lb/> lungen <hi rendition="#g">nicht abgebrochen</hi> werden<lb/> müſſen. Es iſt dabei der Wunſch maßgebend,<lb/> der Aufrechterhaltung der Entente mit Eng-<lb/> land Rechnung zu tragen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Deutſchen Ruhrgefangenen.</hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#g">Berlin,</hi> 6. Jan.</dateline><lb/> <p>Nach dem letzten authen-<lb/> tiſchen Bericht werden in Gefängniſſen des be-<lb/> ſetzten Gebietes über 2000 <hi rendition="#g">deutſche Staats-<lb/> bürger</hi> aus politiſchen Gründen feſtgehalten.<lb/> Bei dieſer Ziffer ſind bereits die nach franzöſiſchen<lb/> Angaben in den letzten Wochen erfolgten <hi rendition="#g">300<lb/> Amneſtierungen in Abzug gebracht.</hi><lb/> Nach deutſchen Feſtſtellungen iſt die Zahl der<lb/> Amneſtierungen nicht einmal ſo hoch. Die fran-<lb/> zöſiſchen Quellen geben die Zahl der politiſch In-<lb/> haftierten im beſetzten Gebiet weſentlich niedriger<lb/> an, da ſie zwiſchen politiſchen und kriminellen<lb/> Inhaftierten unterſcheiden und zu den letzteren<lb/> auch die rechnen, die nach deutſcher Auffaſſung<lb/> nur wegen politiſcher Mißhelligkeiten verurteilt<lb/> worden ſind.</p><lb/> <p>Nach den hier vorliegenden Informationen be-<lb/> findet ſich immer noch eine anſehnliche Zahl<lb/> von Deutſchen in <hi rendition="#g">franzöſiſchen Gefäng-<lb/> niſſen,</hi> z.B. in <hi rendition="#g">Nancy</hi> 5, in <hi rendition="#g">Pas de Ca-<lb/> lais</hi> 3, in <hi rendition="#g">Endersheim</hi> bei Mühlhauſen 1<lb/> und in <hi rendition="#g">Marſeille</hi> 10.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der neue Reichskommiſſar für Reparations-<lb/> leiſtungen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Berlin,</hi> 6. Januar.</dateline><lb/> <p>Anſtelle des bisheri-<lb/> gen Reichskommiſſars für Reparationslei-<lb/> ſtungen, Generaldirektor <hi rendition="#g">Lob,</hi> der auf ſei-<lb/> nen Antrag von ſeinem Amte enthoben wor-<lb/> den iſt, iſt mit der Führung der Geſchäfte<lb/> des Reichskommiſſars der Abteilungsleiter<lb/> im Reichsminiſterium für Wiederaufbau,<lb/> Miniſterialrat Dr. <hi rendition="#g">Guntze,</hi> beauftragt<lb/> worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der thüringiſche Skandal.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Weimar,</hi> 6. Jan.</dateline><lb/> <p>Wie die „Weimarer Zei-<lb/> tung“ hört, iſt durch Verfügung des Militär-<lb/> befehlshabers die vorläufige Amtsenthebung der<lb/> Kreisdelegierten <hi rendition="#g">Rennert-</hi>Meiningen und<lb/><hi rendition="#g">Hönſchelmann-</hi>Eiſenach verfügt worden. Es<lb/> wird gegen die Obengenannten der Verdacht aus-<lb/> geſprochen, ſich möglicherweiſe an den <hi rendition="#g">Urkun-<lb/> denfälſchungen</hi> inſofern beteiligt zu haben,<lb/> als ſie ein Protokoll über die erdliche Verpflichtung<lb/> eines Beamten aufgenommen haben, in dem das<lb/><hi rendition="#g">Datum falſch angegeben</hi> iſt. Die Staats-<lb/> anwaltſchaft in Weimar will ſich die Ausdehnung<lb/> der gerichtlichen Unterſuchung vorbehalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Unterſuchung.</hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#g">Berlin,</hi> 6. Jan.</dateline><lb/> <p>Die thüringifchen Staats-<lb/> miniſter <hi rendition="#g">Frölich, Hartmann</hi> und <hi rendition="#g">Greil</hi><lb/> hatten Samstag mittag in einer Sitzung in der<lb/> Reichskanzlei unter dem Vorſitz des Reichskanz-<lb/> lers <hi rendition="#g">Marx</hi> Gelegenheit, ſich ohne Rückſicht auf<lb/> die Feſtſtellungen, die von den Reichsbeauftragten<lb/> in Thüringen getroffen worden ſind, zu äußern.<lb/> Das Reichskabinett wird ſich nunmehr mit den<lb/><cb/> Ergebniſſen der vorgenommenen Unterſuchung be-<lb/> faſſen. Vorausſichtlich findet die Kabinettsſitzung<lb/> über die Vorgänge in Thüringen am Montag<lb/> vormittag ſtatt. Für nachmittag 3 Uhr ſind die<lb/> thüringiſchen Staatsminiſter wiederum zu Be-<lb/> ſprechungen in die Reichskanzkei geladen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ende des Berliner Metall-<lb/> arbeiterſtreiks.</hi> </head><lb/> <dateline> <hi rendition="#b">** <hi rendition="#g">Berlin,</hi> 7. Jan.</hi> </dateline><lb/> <p> <hi rendition="#b">Nach zehn-<lb/> ſtündigen Verhandlungen wurde am Sams-<lb/> tag abend im Lohnkampf der Berliner<lb/> Metallinduſtrie eine <hi rendition="#g">Verſtändigung</hi><lb/> erzielt, <hi rendition="#g">ohne</hi> daß das von dem Schlich-<lb/> tungstag für Großberlin beſtellten Reichs-<lb/> tagsabgeordneten <hi rendition="#g">Wiſſel</hi> berufene<lb/><hi rendition="#g">Schiedsgericht</hi> in Tätigkeit zu treten<lb/> brauchte.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Das Abkommen fand geſtern die <hi rendition="#g">Bil-<lb/> ligung der Betriebsräte.</hi> Die<lb/> Unternehmer werden ſich heute entſcheiden.<lb/> An ihrer Zuſtimmung iſt jedoch nicht zu<lb/> zweifeln.</hi> </p><lb/> <p>Der vereinbarte Stundenlohn beträgt in<lb/> Klaſſe <hi rendition="#aq">I</hi> 48 Pfg. gegen 40 Pfg. nach dem<lb/> Angebot der Arbeitgeber und gegen 50 Pfg.<lb/> nach den bis zum 1. Juli gültigen Sätzen,<lb/> in Klaſſe <hi rendition="#aq">V</hi> 38 Pfg. gegen 30 Pfg. nach<lb/> dem Angebot und 41 Pfg. ſeither. Die<lb/> Frauen- und Kinderzulagen bleiben, wie<lb/> ſie vor dem 1. Januar beſtanden.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Wichtiger als die Regelung der Lohn-<lb/> frage erſcheint jedoch die Beſtimmung, daß,<lb/> ſobald genügend Aufträge vorliegen, der<lb/><hi rendition="#g">Neunſtundentag,</hi> und mit Zuſtim-<lb/> mung des Betriebsrates der betr. Werke<lb/> auch der <hi rendition="#g">Zehnſtundentag</hi> eingeführt<lb/> werden kann, wobei <hi rendition="#g">Ueberſtunden-<lb/> zuſchläge nur für die zehnte,</hi><lb/> nicht auch ſchon für die neunte <hi rendition="#g">Arbeits-<lb/> ſtunde</hi> zu bezahlen ſind.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Gegen den Bankwucher!</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Berlin,</hi> 6. Januar.</dateline><lb/> <p>Seitens der Staats-<lb/> anwaltſchaft iſt ein Verfahren gegen ver-<lb/> ſchiedene Banken wegen zu hoher Zinsfor-<lb/> derungen eingeleitet worden.</p><lb/> <p>Wie die „Telegraphen-Union“ hierzu er-<lb/> fährt, ſind durch dieſe, beſonders im No-<lb/> vember und anfangs Dezember 1923 erho-<lb/> benen zu hohen Zinsforderungen der Ban-<lb/> ken zahlreiche Firmen, und zwar nicht nur<lb/> der Nahrungsmittelbranche, in <hi rendition="#g">Schwie-<lb/> rigkeitengeraten.</hi> Zwiſchen der Ab-<lb/> teilung <hi rendition="#aq">V</hi> des Polizeipräſidiums und dem<lb/> Reichswirtſchaftsminiſterium haben übri-<lb/> gens wiederholt bis in die letzten Tage hin-<lb/> ein Verhandlungen ſtattgefunden, deren<lb/> Zweck eine Einwirkung auf die Banken<lb/> war, ihre Zinsforderungen <hi rendition="#g">herabzu-<lb/> ſetzen,</hi> was auch zum Teil geſchehen iſt.<lb/> Die bereits eingeleiteten ſtaatsanwaltſchaft-<lb/> lichen Verfahren bleiben jedoch hiervon un-<lb/> berührt</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zeitungsverbote.</hi> </head><lb/> <dateline> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 6. Jan.</hi> </dateline><lb/> <p>Der Inhaber der vollziehen-<lb/> den Gewalt, General v. <hi rendition="#g">Serckt,</hi> hat auf Grund<lb/> des § 1 der Verordnung des Reichspräſidenten<lb/> vom 26. September den Vertrieb der <hi rendition="#g">Noten<lb/> Fahne,</hi> Wien, des <hi rendition="#g">Baſler Vorwärts</hi> und<lb/> der <hi rendition="#g">Internationalen Preſſekorre-<lb/> ſpondenz</hi> (Inprekorr.). Wien, für das Reichs-<lb/> gebiet verboten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a01a" next="#a01b" type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Georg Kaiſer: Nebeneinander.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Kammerſpiele.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Zwiſchen Glauben und Sehnen — Glaube an<lb/> die (alte) Menſchheit und Sehnſucht nach dem<lb/> (neuen) Menſchen — ſchwingt das europäiſche<lb/> Drama. In dieſem Rahmen iſt Raum für die<lb/> höchſte Meinung von Gott und für die niedrigſte<lb/> vom Menſchen und umgekehrt. Wenn ſich nur<lb/> über den beiden Polen der Regenbogen einer<lb/> Idee ſpannt, in deſſen Farben Menſchheit, Gott<lb/> und Menſch ſich ſpiegeln ...</p><lb/> <p>Klage über das neueſte Drama: es erſetzt die<lb/> Idee durch den Einfall; Glaube wird zum Pro-<lb/> gramm; Sehnſucht zur Tendenz; es fehlt ihm alſo<lb/> die hohe Spannung. Der Gegenſatz regiert, un-<lb/> gelöſt, die dramatiſche Welt. Er ſetzt ſich über die<lb/> Rampe hinüber fort und wird Gegenſatz zwiſchen<lb/> dem Dramatiker und dem vom Drama erregten<lb/> Zuſchauer-Menſchen. Darum herrſcht kein Ein-<lb/> klang und überhaupt wenig Klang im Thea er<lb/> der Modernen. Sie tun, als ob ſie beten. Sie<lb/> beten vielleicht ſogar wirklich. Aber es fehlt der<lb/> kosmiſche Chor. Die Sphäre der Welt bleibt<lb/> ſtumm. Solch Gebet wird nicht erhört. Das<lb/> Drama mithin verharrt, erſtarrt, entleibt ſich in<lb/> inbrünſtiger Deklamation, in Uebung der Worte<lb/> und des Willens zur Ausſage.</p><lb/> <p>Georg Kaiſer nun, dieſe gezackteſte Erſcheinung<lb/> unter den heutigen Dramatikern, hingenommen<lb/> vom Kitſch wie von einer verzehrenden Flamme,<lb/> in der er erglüht, raſt als Flüchtling neben dem<lb/> Kreis der Idee von Menſchheit, Gott und Menſch<lb/> und ſucht dieſen Kreis durch den motoriſchen An-<lb/> trieb eines Einfalls von außen her in Bewegung<lb/> zu ſetzen. Immer hängt über ſeinem dichteriſchen<lb/> Tun die bleierne Wolke des Mißtrauens, ob denn,<lb/> bei ſeiner Finger- und Handfertigkeit, die Linke<lb/> auch weiß, was die Rechte tut, das Herz auch<lb/> fühlt, was die Stimme ſpricht. Iſt es denn wahr,<lb/> daß dieſer befliſſene Flegellaut, indem er ſich in<lb/> ſeinen Geſtalten peinigt, die Schmerzen der<lb/><cb/> Geißelung leidet und alſo das leidvolle Geſicht,<lb/> das er uns zeigt, keine Grimaſſe und keine Maske<lb/> iſt? Wenn nur der Wald ſeiner Worte nicht gar<lb/> ſo dicht, wenn nur mehr Lichtung und Licht um<lb/> ſeine Geſtalten wäre! Wenn nur das Phone-<lb/> tiſche im Drama, das wir von der Antike und von<lb/> Schiller her ſo vertrauensvoll lieben, bei ihm<lb/> nicht ſo grammophonetiſch klänge! Die Walze<lb/> hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.</p><lb/> <p>Vielleicht iſt es an dem, daß Georg Kaiſer mit<lb/> ſich ſelbſt um den Glauben an den Kreis, an deſ-<lb/> ſen Peripherie er ſteht, ſchmerzlich ringt, — ein<lb/> Skeptiker, der glauben möchte, ein Weltmenſch,<lb/> den es in die Einſamkeit zieht, ein Einſiedler, der<lb/> das Gebrauſe des Lebens nicht vergeſſen kann.<lb/> Soviel iſt gewiß: irgend etwas ſtimmt an dieſem<lb/> Kaiſer nicht. Irgendwie wuchert ſein Talent ins<lb/> Ungefähre, in den Effekt, in den trüben Schwall.<lb/> Er macht eine anſehnliche Figur, aber ſie hat für<lb/> unverblendete Augen einen Buckel. Wo und wie,<lb/> muß man halt durch Beklopfen eruieren.</p><lb/> <p>Seinen Helden wählt Kaiſer aus ſeinem eige-<lb/> nen Organismus heraus: meiſt irgend einen<lb/> kleinen, verkümmerten Schößling unſeres Ge-<lb/> ſchlechts, durch Beruf und Neigung verkrümmt (wie<lb/> der Dichter?!), einen Bankkaſſier oder Pfand-<lb/> verleiher, immer irgend einen Klein- und Kleinſt-<lb/> bürger oder, geradezu, eine Karikatur. Und<lb/> dann heftet er dem Leben ſolcher Kreatur einen<lb/> Einfall an, von außen her, und bohrt und bohrt<lb/> und ſchürft halt ein Schickſal zutage, das groß<lb/> wäre, wenn es nicht mit dem Einfall fallen<lb/> könnte.</p><lb/> <p>In ſeinem Volksſtück „Nebeneinander“ iſt ein<lb/> Pfandverleiher der beſagte Held. Zuerſt knöpft<lb/> er einer armen Frau ihr Bett um zu billiges<lb/> Geld ab — wie häßlich! Dann jagt er einem<lb/> Schieber den Frack ab — zu beiderſeitiger Zufrie-<lb/> denheit. Und endlich wird ſein Herz erſt einer<lb/> armen Frau gegenüber weich, der er für eine<lb/> Pfeife mehr gibt, als er dürfte. Insgeſamt alſo:<lb/> Der Beruf hat ihn mit Schmutz umkruſtet. Er<lb/><cb/> muß erſt in dem Frack einen Abſagebrief an ein<lb/> zum Selbſtmord bereites liebendes Mädchen fin-<lb/> den, um ſeine eigene Seele und ihre Erbarmungs-<lb/> fähigkeit zu entdecken. Nun will er den Brief<lb/> an ſeine Adreſſe bringen, um nicht an einem<lb/> Mord mitſchuldig, um nicht, nach ſeiner durch die-<lb/> ſen einen Funken überhitzten Vorſtellung, Mör-<lb/> der zu werden.</p><lb/> <p>Man könnte die Möglichkeit, Wahrſcheinlich-<lb/> keit, Armſeligkeit dieſes Zufalls der Dichtung und<lb/> Einfalls des Dichters zerpflücken. Es bliebe nichts<lb/> davon übrig. Um nur das Platteſte zu ſagen:<lb/> Der Pfandverleiher findet den Brief beim Rei-<lb/> nigen des Rockes. Was hat denn ein Pfandver-<lb/> leiher einen Rock zu reinigen, der morgen viel-<lb/> leicht ſchon wieder abgeholt wird? Hier ſchon<lb/> buckelt ſich etwas, in der platten Wahrſcheinlich-<lb/> keit ſchon. Nur ſowas nicht unterſchätzen! Zu-<lb/> mal in einem Volksſtück.</p><lb/> <p>Gleichviel: Der Pfandverleiher macht ſich mit<lb/> ſeiner übrigens ausdrücklich buckeligen Tochter<lb/> auf die Suche nach ihm, der den Brief geſchrieben<lb/> hat, und nach ihr, die ihn empfangen ſollte. Eine<lb/> Seele (von einem Menſchen) alſo ſucht nach einem<lb/> Leib, den ſie retten will. Retten? Von wegen<lb/> dem bißchen Leben? Ein Kümmerlicher traktiert<lb/> Kümmerliches. Der Einfall ſetzt mit ſeiner über-<lb/> ſpitzten Nadel eine Platte in Bewegung, auf der<lb/> die Idee ſpielt. Die Melodie lullt nur arme<lb/> Leute ein. Ach, wir Armen!</p><lb/> <p>Nun aber ſtreckt ſich der Einfall zum Drama.<lb/> Er wird dramaturgiſch. Und da fingert unſer<lb/> Kaiſer etwas, wovor man grenzenloſen Reſpekt<lb/> haben muß. Er läßt nämlich das äußere Schick-<lb/> ſal des Schiebers, der den Brief geſchrieben hat,<lb/> und des Mädchens, das ihn empfangen ſollte, in<lb/> kurzen Film <gap reason="lost" unit="words"/><lb/> Nebeneinander. Der inbrünſtig geſuchte Schieber<lb/> wird Filmunternehmer, klein erſt, immer größer<lb/> und zuletzt, in Keßheit ſtarrend, ein Mann von<lb/> abenteuerlichem Gewicht. Scheingroße Welt!<lb/> Und das Mädchen eilt zu ſeiner Schweſter, der<lb/> Frau eines Deichhauptmanns von Sudermanns<lb/><cb/> Gnaden, und findet da in einem gartenlaubiſch<lb/> blühenden Ingenieur ihr kleines Glück. In<lb/> Summa: das Leben hilft ſich ſelbſt und produ-<lb/> ziert Schickſal als Alltagsware. Wen’s trifft, der<lb/> wird reich und mächtig, und wen’s anders trifft,<lb/> der wird glücklich im Winkel. Dort Schieber, hier<lb/> Mädchen!</p><lb/> <p>Der Pfandverleiher aber, Schickſal ſpielend,<lb/> was er nicht kann, erleidet das Los des Dilettan-<lb/> ten. Er trommelt nach jenen beiden. Schließ-<lb/> lich bekleidet er ſich mit Frack und Pelzmantel<lb/> aus ſeiner Pfandleihe, um in einer Bar (Einfall,<lb/> o Einfalt!) nach den Geſuchten zu ſuchen. Der<lb/> Pelzmantel aber war geſtohlen, der Beſtohlene<lb/> entdeckt ihn in der Garderobe der Bar, der Pfand-<lb/> verleiher wird als Dieb zur Polizei gebracht und<lb/> ſchließlich des unrechtmäßigen Gebrauchs von<lb/> Pfandſtücken überführt. Man entzieht ihm ſeine<lb/> Konzeſſion, alſo ſein äußeres Leben. Er tötet<lb/> ſich nebſt dem Haſcherl von Tochter mit Gas.</p><lb/> <p>Helfen wollte er andern und ſich ſelbſt verdarb<lb/> er. Seele des Menſchen, wie gleichſt du ....<lb/> wem? Dem Zufall, dem Einfall! Mehr kommt<lb/> dabei nicht heraus. Trotzdem: ein virtuoſes,<lb/> buntes, feſſelndes Stück! Ein großartiger Drama-<lb/> rurg, dem Szeniſches nur ſo einfällt, nur ſo zu-<lb/> fällt, hat es gemacht, ein mittlerer Dramatiker<lb/> hat es nicht gekonnt. Nebeneinander — rotieren<lb/> die Kreiſe, gefüllt mit Blitzlicht, dazwiſchen klafft,<lb/> was Idee heißen und bedeuten müßte. Ein auf-<lb/> geregt mattes Stück, mit Glanz poliert. Und<lb/> doch iſt es von allerhand Schönheit umgeiſtert,<lb/> von menſchlichem Atem beflügelt. Es greift an<lb/> eine Totalität, aber es hat ſie nicht.</p><lb/> <p>Die Kammerſpiele haben das Stück mit Aech-<lb/> zen und Stöhnen aufgeführt. Ihre kleine Bühne,<lb/> dreigeteilt für das Nebeneinander, gab zu wenig<lb/> Raum für die Sinnfälligkeit der Szene, der Re-<lb/> giſſeur Bernhard Reich nicht genug Phantaſie für<lb/> die Pointierung der drei Milieus her. In un-<lb/> quemem Trippelbett wälzte ſich die Aufführung</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Allgemeine Zeitung. Nr. 8. Montag, den 7. Januar 1924.
Lebensfreundlichkeit, unſerem beſſeren Wiſ-
ſen um Forderungen des Lebens. Daß dieſe
Forderungen deutſchem Weſen zuwiderlie-
fen, iſt nicht erwieſen und iſt zu beſtreiten.
Spielarten deutſchen Volkstums, die, vom
Hauptſtamm politiſch frühzeitig getrennt,
ſeine geiſtigen, ſittlichen Schickſale nur bis
zu einem gewiſſen Grade teilten — ich denke
an die Schweiz und ſelbſt an die Deutſchen
Oeſterreichs — haben die Fühlung mit weſt-
europäiſchem Denken niemals, wie wir, ver-
loren und die Entartung des Romantismus,
die uns zu Einſamen und outlaws machte,
nicht miterlebt. Es fragt ſich, ob wir ſie dar-
um beneiden ſollen. Das iſt eine Krankheit,
die ſie nicht gehabt haben, und ein wenig
tragen unſere Empfindungen für ihre be-
wahrte Tugend vielleicht den Akzent des
„Kinder, was wißt denn ihr!“ Eines aber
jedenfalls kann ihr Anblick uns lehren:
Eine Stufe des deutſchen Schickſalsganges,
die irrend zu überſchreiten war, nicht mit
dem Deutſchtum ſelbſt — und Selbſtzucht
nicht mit Selbſtaufgabe zu verwechſeln.
Zur Ideen- und Idealwelt der naturrecht-
lich beſtimmten europäiſchen Humanität ge-
hört der Gedanke der Menſchheitsorganiſa-
tion — ein Gedanke, geboren ganz aus
jener ſchon ſtoiſch-mittelalterlichen Verbin-
dung von Recht, Moral und Wohlfahrt, die
wir als utilitariſtiſche Aufklärung ſo tief —
und mit urſprünglich zweifellos großem re-
volutionärem Recht ſo tief zu verachten ge-
lernt haben — ein Gedanke, kompromit-
tiert und mißbraucht in aller Erfahrung.
verhöhnt und vorgeſchützt von den Macht-
habern der Wirklichkeit — und ein Gedanke
dennoch, der einen unverlierbaren Kern re-
gulativer Wahrheit, praktiſcher Vernunft-
forderung birgt, und deſſen grundſätzlicher
Verleugnung kein Volk — und ſei es aus
den anfänglich geiſtigſten Gründen — ſich
ſchuldig machen kann, ohne an ſeinem
Menſchentum nicht nur geſellſchaftlich, ſon-
dern tiefinnerlich Schaden zu nehmen. Das
iſt erwieſen. Wir ſollen das arge Zucker-
brot, das jeder Erfahrungstag unſerem
hiſtoriſchen Peſſimismus anbietet, nicht gie-
rig ſchlingen, weil unſer romantiſcher In-
ſtinkt an dieſem Peſſimismus hängt und
ihn nicht laſſen will. Wir ſollen angeſichts
der Korruption des Gedankens den reinen
Gedanken hüten — denn ſogar deutſcher
werden wir uns damit erweiſen als durch
den verbiſſen rückwärts gewandten Kult
von Ideen, deren ſchließlich nicht minder
totale Entartung uns in ein Unglück ge-
ſtürzt hat, das würdelos wäre, wenn es uns
nicht zu bilden vermöchte.
Kabinettsſitzung in Berlin.
Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.
* Berlin 7. Jan.
Heute wird das
Reichskabinett vor-und nachmittags
Sitzungen abhalten, an denen auch be-
reits der geſtern von ſeiner Erholungs-
reiſe zurüchgekehrte Außenminiſter Dr.
Streſemann wieder teilnehmen wird. Ent-
gegen anderslautenden Meldungen wird
ſich das Reichskabinett vorausſichtlich heute
noch nicht mit den wichtigſten Fragen
(Hypothekenaufwertung, bayeriſche Denk-
ſchrift) beſchäftigen, ſondern nur kleinere
Vorlagen beraten, damit die in den letzten
Tagen von Berlin abweſenden Miniſter
Gelegenheit haben, ſich vorher in ihre
Reſſorts wieder einzuarbeiten.
Die Rückkehr Streſemanns.
Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.
** Berlin, 6. Januar.
Reichsaußenminiſter
Dr. Streſemann iſt am Samstag Morgen, nach-
dem er nochmals den deutſchen Geſandten in
Bern, Dr. Müller, empfangen hatte, von Lu-
gano über Zürich nach Berlin zurückgereiſt, wo
er heute Vormittag eintraf. Er hat die Leitung
der Geſchäfte des Außenminiſteriums bereits wie-
der übernommen.
Um den Pariſer Botſchafterpoſten.
Eigener Drahtbericht.
** Berlin, 6. Jan.
Franzöſiſche Blätter mel-
den, daß die Ernennung des deutſchen Geſchäfts-
trägers v. Hoeſch zum Botſchafter in Paris er-
folgt ſei. Dagegen kann darauf hingewieſen wer-
den, daß die Ernennung des deutſchen Botſchaf-
ters für Paris ſelbſtverſtändlich erſt nach der
Rückkehr des Außenminiſters Dr. Streſemann
erfolgen wird. Herr v. Hoeſch iſt allerdings
der ausſichtsreichſte Kandidat für den
Poſten.
Hoeſch in Berlin.
Eigener Drahtbericht.
** Berlin, 7. Jan.
Der deutſche Geſchäfts-
träger in Paris von Hoeſch wird bis Dienstag
oder Mittwoch dieſer Woche nach Berlin kommen,
um mit dem Außenminiſter Dr. Streſemann
zu konferieren. Man nimmt an, daß während
ſeiner Anweſenheit ſeine Ernennung zum
Botſchafter erfolgen wird. Die Berliner Be-
ſprechung wird ſich nicht nur auf die aktuellen
Fragen der deutſch-franzöſiſchen Ruhrverhandlun-
gen erſtrecken, ſondern in erſter Linie eine Klä-
rung darüber bringen, welche Bedeutung den
franzöſiſchen Verſöhnungsverſu-
chen beizumeſſen iſt. In Pariſer politiſchen
Kreiſen bezeichnet man es als nicht ausgeſchloſ-
ſen, daß Deutſchland jetzt in der einen oder
anderen Form in das Syſtem der franzöſi-
ſchen Kontinentalpolitik eingeſpannt
werden kann.
Frankreichs Antwort auf die deutſchen
Vorſchläge.
Paris, 7. Januar.
Die franzöſiſche Antwort auf die deut-
ſchen Rhein- und Ruhrvorſchläge iſt am
Samstag der belgiſchen Regierung
überreicht worden, nachdem Poincaré
telephoniſch vom Meuſe-Departement aus
ſeine Zuſtimmung gegeben hatte. Der Ent-
wurf iſt vom Quai d’Orſai in Gemeinſchaft
mit Degoutte und Tirard ausgearbei-
tet worden. Ueber den Inhalt wird offiziell
erklärt, die Antwort ſei im Ton verſöhnlich,
aber durchaus feſt bei der Behandlung der
entſcheidenden Frage. Unterrichtete Kreiſe
erläutern dieſe Information dahin, daß ſie
äußerlich konziliant, aber für Deutſch-
land unbefriedigend gehalten ſei.
Von offizieller franzöſiſcher Seite wird noch
erklärt, es werde der franzöſiſchen Regie-
rung nicht ſchwer ſein, der Reichsregierung
ihren guten Willen zu beweiſen, da die Be-
ſatzungsbehörde ſchon vor dem Eintreffen
des deutſchen Memorandums Maßnahmen
ergriffen hätte, welche eine Wiederher-
ſtellung des Wirtſchaftslebens
zum Ziele hätten. In einer ganzen Reihe
von Fragen könnten allerdings Zugeſtänd-
niſſe noch nicht gemacht werden, wenn nicht
der Wert des Ruhrpfandes geſchädigt wer-
den ſoll. Im April (!) werde man über
weitere Erleichterungen reden können, weil
dann die Beratungen der Reparationskom-
miſſion ſo weit fortgeſchritten ſein würden,
daß eine Erörterung des Geſamtkomplexes
möglich ſei.
Wie nunmehr feſtſteht, wird die Note am
Dienstag überreicht werden. Es ſcheint, daß
von belgiſcher Seite Bemühungen im Gange
ſind, die Antwort gleichzeitig mit der fran-
zöſiſchen ſo zu geſtalten, daß die Verhand-
lungen nicht abgebrochen werden
müſſen. Es iſt dabei der Wunſch maßgebend,
der Aufrechterhaltung der Entente mit Eng-
land Rechnung zu tragen.
Die Deutſchen Ruhrgefangenen.
* Berlin, 6. Jan.
Nach dem letzten authen-
tiſchen Bericht werden in Gefängniſſen des be-
ſetzten Gebietes über 2000 deutſche Staats-
bürger aus politiſchen Gründen feſtgehalten.
Bei dieſer Ziffer ſind bereits die nach franzöſiſchen
Angaben in den letzten Wochen erfolgten 300
Amneſtierungen in Abzug gebracht.
Nach deutſchen Feſtſtellungen iſt die Zahl der
Amneſtierungen nicht einmal ſo hoch. Die fran-
zöſiſchen Quellen geben die Zahl der politiſch In-
haftierten im beſetzten Gebiet weſentlich niedriger
an, da ſie zwiſchen politiſchen und kriminellen
Inhaftierten unterſcheiden und zu den letzteren
auch die rechnen, die nach deutſcher Auffaſſung
nur wegen politiſcher Mißhelligkeiten verurteilt
worden ſind.
Nach den hier vorliegenden Informationen be-
findet ſich immer noch eine anſehnliche Zahl
von Deutſchen in franzöſiſchen Gefäng-
niſſen, z.B. in Nancy 5, in Pas de Ca-
lais 3, in Endersheim bei Mühlhauſen 1
und in Marſeille 10.
Der neue Reichskommiſſar für Reparations-
leiſtungen.
* Berlin, 6. Januar.
Anſtelle des bisheri-
gen Reichskommiſſars für Reparationslei-
ſtungen, Generaldirektor Lob, der auf ſei-
nen Antrag von ſeinem Amte enthoben wor-
den iſt, iſt mit der Führung der Geſchäfte
des Reichskommiſſars der Abteilungsleiter
im Reichsminiſterium für Wiederaufbau,
Miniſterialrat Dr. Guntze, beauftragt
worden.
Der thüringiſche Skandal.
* Weimar, 6. Jan.
Wie die „Weimarer Zei-
tung“ hört, iſt durch Verfügung des Militär-
befehlshabers die vorläufige Amtsenthebung der
Kreisdelegierten Rennert-Meiningen und
Hönſchelmann-Eiſenach verfügt worden. Es
wird gegen die Obengenannten der Verdacht aus-
geſprochen, ſich möglicherweiſe an den Urkun-
denfälſchungen inſofern beteiligt zu haben,
als ſie ein Protokoll über die erdliche Verpflichtung
eines Beamten aufgenommen haben, in dem das
Datum falſch angegeben iſt. Die Staats-
anwaltſchaft in Weimar will ſich die Ausdehnung
der gerichtlichen Unterſuchung vorbehalten.
Die Unterſuchung.
* Berlin, 6. Jan.
Die thüringifchen Staats-
miniſter Frölich, Hartmann und Greil
hatten Samstag mittag in einer Sitzung in der
Reichskanzlei unter dem Vorſitz des Reichskanz-
lers Marx Gelegenheit, ſich ohne Rückſicht auf
die Feſtſtellungen, die von den Reichsbeauftragten
in Thüringen getroffen worden ſind, zu äußern.
Das Reichskabinett wird ſich nunmehr mit den
Ergebniſſen der vorgenommenen Unterſuchung be-
faſſen. Vorausſichtlich findet die Kabinettsſitzung
über die Vorgänge in Thüringen am Montag
vormittag ſtatt. Für nachmittag 3 Uhr ſind die
thüringiſchen Staatsminiſter wiederum zu Be-
ſprechungen in die Reichskanzkei geladen.
Ende des Berliner Metall-
arbeiterſtreiks.
** Berlin, 7. Jan.
Nach zehn-
ſtündigen Verhandlungen wurde am Sams-
tag abend im Lohnkampf der Berliner
Metallinduſtrie eine Verſtändigung
erzielt, ohne daß das von dem Schlich-
tungstag für Großberlin beſtellten Reichs-
tagsabgeordneten Wiſſel berufene
Schiedsgericht in Tätigkeit zu treten
brauchte.
Das Abkommen fand geſtern die Bil-
ligung der Betriebsräte. Die
Unternehmer werden ſich heute entſcheiden.
An ihrer Zuſtimmung iſt jedoch nicht zu
zweifeln.
Der vereinbarte Stundenlohn beträgt in
Klaſſe I 48 Pfg. gegen 40 Pfg. nach dem
Angebot der Arbeitgeber und gegen 50 Pfg.
nach den bis zum 1. Juli gültigen Sätzen,
in Klaſſe V 38 Pfg. gegen 30 Pfg. nach
dem Angebot und 41 Pfg. ſeither. Die
Frauen- und Kinderzulagen bleiben, wie
ſie vor dem 1. Januar beſtanden.
Wichtiger als die Regelung der Lohn-
frage erſcheint jedoch die Beſtimmung, daß,
ſobald genügend Aufträge vorliegen, der
Neunſtundentag, und mit Zuſtim-
mung des Betriebsrates der betr. Werke
auch der Zehnſtundentag eingeführt
werden kann, wobei Ueberſtunden-
zuſchläge nur für die zehnte,
nicht auch ſchon für die neunte Arbeits-
ſtunde zu bezahlen ſind.
Gegen den Bankwucher!
* Berlin, 6. Januar.
Seitens der Staats-
anwaltſchaft iſt ein Verfahren gegen ver-
ſchiedene Banken wegen zu hoher Zinsfor-
derungen eingeleitet worden.
Wie die „Telegraphen-Union“ hierzu er-
fährt, ſind durch dieſe, beſonders im No-
vember und anfangs Dezember 1923 erho-
benen zu hohen Zinsforderungen der Ban-
ken zahlreiche Firmen, und zwar nicht nur
der Nahrungsmittelbranche, in Schwie-
rigkeitengeraten. Zwiſchen der Ab-
teilung V des Polizeipräſidiums und dem
Reichswirtſchaftsminiſterium haben übri-
gens wiederholt bis in die letzten Tage hin-
ein Verhandlungen ſtattgefunden, deren
Zweck eine Einwirkung auf die Banken
war, ihre Zinsforderungen herabzu-
ſetzen, was auch zum Teil geſchehen iſt.
Die bereits eingeleiteten ſtaatsanwaltſchaft-
lichen Verfahren bleiben jedoch hiervon un-
berührt
Zeitungsverbote.
Berlin, 6. Jan.
Der Inhaber der vollziehen-
den Gewalt, General v. Serckt, hat auf Grund
des § 1 der Verordnung des Reichspräſidenten
vom 26. September den Vertrieb der Noten
Fahne, Wien, des Baſler Vorwärts und
der Internationalen Preſſekorre-
ſpondenz (Inprekorr.). Wien, für das Reichs-
gebiet verboten.
Georg Kaiſer: Nebeneinander.
Kammerſpiele.
Zwiſchen Glauben und Sehnen — Glaube an
die (alte) Menſchheit und Sehnſucht nach dem
(neuen) Menſchen — ſchwingt das europäiſche
Drama. In dieſem Rahmen iſt Raum für die
höchſte Meinung von Gott und für die niedrigſte
vom Menſchen und umgekehrt. Wenn ſich nur
über den beiden Polen der Regenbogen einer
Idee ſpannt, in deſſen Farben Menſchheit, Gott
und Menſch ſich ſpiegeln ...
Klage über das neueſte Drama: es erſetzt die
Idee durch den Einfall; Glaube wird zum Pro-
gramm; Sehnſucht zur Tendenz; es fehlt ihm alſo
die hohe Spannung. Der Gegenſatz regiert, un-
gelöſt, die dramatiſche Welt. Er ſetzt ſich über die
Rampe hinüber fort und wird Gegenſatz zwiſchen
dem Dramatiker und dem vom Drama erregten
Zuſchauer-Menſchen. Darum herrſcht kein Ein-
klang und überhaupt wenig Klang im Thea er
der Modernen. Sie tun, als ob ſie beten. Sie
beten vielleicht ſogar wirklich. Aber es fehlt der
kosmiſche Chor. Die Sphäre der Welt bleibt
ſtumm. Solch Gebet wird nicht erhört. Das
Drama mithin verharrt, erſtarrt, entleibt ſich in
inbrünſtiger Deklamation, in Uebung der Worte
und des Willens zur Ausſage.
Georg Kaiſer nun, dieſe gezackteſte Erſcheinung
unter den heutigen Dramatikern, hingenommen
vom Kitſch wie von einer verzehrenden Flamme,
in der er erglüht, raſt als Flüchtling neben dem
Kreis der Idee von Menſchheit, Gott und Menſch
und ſucht dieſen Kreis durch den motoriſchen An-
trieb eines Einfalls von außen her in Bewegung
zu ſetzen. Immer hängt über ſeinem dichteriſchen
Tun die bleierne Wolke des Mißtrauens, ob denn,
bei ſeiner Finger- und Handfertigkeit, die Linke
auch weiß, was die Rechte tut, das Herz auch
fühlt, was die Stimme ſpricht. Iſt es denn wahr,
daß dieſer befliſſene Flegellaut, indem er ſich in
ſeinen Geſtalten peinigt, die Schmerzen der
Geißelung leidet und alſo das leidvolle Geſicht,
das er uns zeigt, keine Grimaſſe und keine Maske
iſt? Wenn nur der Wald ſeiner Worte nicht gar
ſo dicht, wenn nur mehr Lichtung und Licht um
ſeine Geſtalten wäre! Wenn nur das Phone-
tiſche im Drama, das wir von der Antike und von
Schiller her ſo vertrauensvoll lieben, bei ihm
nicht ſo grammophonetiſch klänge! Die Walze
hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Vielleicht iſt es an dem, daß Georg Kaiſer mit
ſich ſelbſt um den Glauben an den Kreis, an deſ-
ſen Peripherie er ſteht, ſchmerzlich ringt, — ein
Skeptiker, der glauben möchte, ein Weltmenſch,
den es in die Einſamkeit zieht, ein Einſiedler, der
das Gebrauſe des Lebens nicht vergeſſen kann.
Soviel iſt gewiß: irgend etwas ſtimmt an dieſem
Kaiſer nicht. Irgendwie wuchert ſein Talent ins
Ungefähre, in den Effekt, in den trüben Schwall.
Er macht eine anſehnliche Figur, aber ſie hat für
unverblendete Augen einen Buckel. Wo und wie,
muß man halt durch Beklopfen eruieren.
Seinen Helden wählt Kaiſer aus ſeinem eige-
nen Organismus heraus: meiſt irgend einen
kleinen, verkümmerten Schößling unſeres Ge-
ſchlechts, durch Beruf und Neigung verkrümmt (wie
der Dichter?!), einen Bankkaſſier oder Pfand-
verleiher, immer irgend einen Klein- und Kleinſt-
bürger oder, geradezu, eine Karikatur. Und
dann heftet er dem Leben ſolcher Kreatur einen
Einfall an, von außen her, und bohrt und bohrt
und ſchürft halt ein Schickſal zutage, das groß
wäre, wenn es nicht mit dem Einfall fallen
könnte.
In ſeinem Volksſtück „Nebeneinander“ iſt ein
Pfandverleiher der beſagte Held. Zuerſt knöpft
er einer armen Frau ihr Bett um zu billiges
Geld ab — wie häßlich! Dann jagt er einem
Schieber den Frack ab — zu beiderſeitiger Zufrie-
denheit. Und endlich wird ſein Herz erſt einer
armen Frau gegenüber weich, der er für eine
Pfeife mehr gibt, als er dürfte. Insgeſamt alſo:
Der Beruf hat ihn mit Schmutz umkruſtet. Er
muß erſt in dem Frack einen Abſagebrief an ein
zum Selbſtmord bereites liebendes Mädchen fin-
den, um ſeine eigene Seele und ihre Erbarmungs-
fähigkeit zu entdecken. Nun will er den Brief
an ſeine Adreſſe bringen, um nicht an einem
Mord mitſchuldig, um nicht, nach ſeiner durch die-
ſen einen Funken überhitzten Vorſtellung, Mör-
der zu werden.
Man könnte die Möglichkeit, Wahrſcheinlich-
keit, Armſeligkeit dieſes Zufalls der Dichtung und
Einfalls des Dichters zerpflücken. Es bliebe nichts
davon übrig. Um nur das Platteſte zu ſagen:
Der Pfandverleiher findet den Brief beim Rei-
nigen des Rockes. Was hat denn ein Pfandver-
leiher einen Rock zu reinigen, der morgen viel-
leicht ſchon wieder abgeholt wird? Hier ſchon
buckelt ſich etwas, in der platten Wahrſcheinlich-
keit ſchon. Nur ſowas nicht unterſchätzen! Zu-
mal in einem Volksſtück.
Gleichviel: Der Pfandverleiher macht ſich mit
ſeiner übrigens ausdrücklich buckeligen Tochter
auf die Suche nach ihm, der den Brief geſchrieben
hat, und nach ihr, die ihn empfangen ſollte. Eine
Seele (von einem Menſchen) alſo ſucht nach einem
Leib, den ſie retten will. Retten? Von wegen
dem bißchen Leben? Ein Kümmerlicher traktiert
Kümmerliches. Der Einfall ſetzt mit ſeiner über-
ſpitzten Nadel eine Platte in Bewegung, auf der
die Idee ſpielt. Die Melodie lullt nur arme
Leute ein. Ach, wir Armen!
Nun aber ſtreckt ſich der Einfall zum Drama.
Er wird dramaturgiſch. Und da fingert unſer
Kaiſer etwas, wovor man grenzenloſen Reſpekt
haben muß. Er läßt nämlich das äußere Schick-
ſal des Schiebers, der den Brief geſchrieben hat,
und des Mädchens, das ihn empfangen ſollte, in
kurzen Film _
Nebeneinander. Der inbrünſtig geſuchte Schieber
wird Filmunternehmer, klein erſt, immer größer
und zuletzt, in Keßheit ſtarrend, ein Mann von
abenteuerlichem Gewicht. Scheingroße Welt!
Und das Mädchen eilt zu ſeiner Schweſter, der
Frau eines Deichhauptmanns von Sudermanns
Gnaden, und findet da in einem gartenlaubiſch
blühenden Ingenieur ihr kleines Glück. In
Summa: das Leben hilft ſich ſelbſt und produ-
ziert Schickſal als Alltagsware. Wen’s trifft, der
wird reich und mächtig, und wen’s anders trifft,
der wird glücklich im Winkel. Dort Schieber, hier
Mädchen!
Der Pfandverleiher aber, Schickſal ſpielend,
was er nicht kann, erleidet das Los des Dilettan-
ten. Er trommelt nach jenen beiden. Schließ-
lich bekleidet er ſich mit Frack und Pelzmantel
aus ſeiner Pfandleihe, um in einer Bar (Einfall,
o Einfalt!) nach den Geſuchten zu ſuchen. Der
Pelzmantel aber war geſtohlen, der Beſtohlene
entdeckt ihn in der Garderobe der Bar, der Pfand-
verleiher wird als Dieb zur Polizei gebracht und
ſchließlich des unrechtmäßigen Gebrauchs von
Pfandſtücken überführt. Man entzieht ihm ſeine
Konzeſſion, alſo ſein äußeres Leben. Er tötet
ſich nebſt dem Haſcherl von Tochter mit Gas.
Helfen wollte er andern und ſich ſelbſt verdarb
er. Seele des Menſchen, wie gleichſt du ....
wem? Dem Zufall, dem Einfall! Mehr kommt
dabei nicht heraus. Trotzdem: ein virtuoſes,
buntes, feſſelndes Stück! Ein großartiger Drama-
rurg, dem Szeniſches nur ſo einfällt, nur ſo zu-
fällt, hat es gemacht, ein mittlerer Dramatiker
hat es nicht gekonnt. Nebeneinander — rotieren
die Kreiſe, gefüllt mit Blitzlicht, dazwiſchen klafft,
was Idee heißen und bedeuten müßte. Ein auf-
geregt mattes Stück, mit Glanz poliert. Und
doch iſt es von allerhand Schönheit umgeiſtert,
von menſchlichem Atem beflügelt. Es greift an
eine Totalität, aber es hat ſie nicht.
Die Kammerſpiele haben das Stück mit Aech-
zen und Stöhnen aufgeführt. Ihre kleine Bühne,
dreigeteilt für das Nebeneinander, gab zu wenig
Raum für die Sinnfälligkeit der Szene, der Re-
giſſeur Bernhard Reich nicht genug Phantaſie für
die Pointierung der drei Milieus her. In un-
quemem Trippelbett wälzte ſich die Aufführung
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(2022-12-19T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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