Allgemeine Zeitung, Nr. 8, vom 9. Januar 1924.Mittwoch, den 9. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 8 [Spaltenumbruch]
So stellt sich die bayerische Regierung mit Nach- Der Termin der Reichstagswahlen. * Berlin, 6. Januar.Der "Demokratische Vermischte Nachrichten. Staatsprüfung für den höheren landwirtschaft- lichen Staatsdienst. In der Zeit vom 15. bis 23. Oktober 1923 hat München. Bis zum 1. Januar 1924 haben die Schongau, 7. Januar. Gefährliche Einbrecher. Beim Volksgericht Kempten fand die Verhandlung Donauwörth. Stadtpfarrer und Geistlicher Rat = Donauwörth. Aus dem Krankenhause = Babenhausen. Ein seltenes Jagdglück = Memmingen. Ein Gewohnheitsver- n. Kempten. Während in den Städten viele = Salzburg. Wiederholt kamen aus Deutsch- = Wien. Ueber die bewundernwerte Geistes- Wien. (Künstliches Benzin.) Nach hie- Berlin. (Großfeuer.) In einer Mano- Agram. (Verurteilter Attentäter.) [irrelevantes Material] Letzte Telegramme. [Spaltenumbruch]
Eine Erklärung der amerikanischen Sach- Paris, 8. Januar.verständigen. Die beiden in Paris England und das französisch-tschechische London, 8. Januar.Bündnis. Zu dem bevorstehen- "Westminster Gazette" meldet, daß die Der sinkende Franken. Paris, 8. Januar.Die Hoffnung auf einen Die Einheitsliste in Thüringen. Weimar, 8. Januar.(Tel.-Union.) Nach Kein Rücktritt des Frankfurter Ober- * Frankfurt a. M., 8. Januar.bürgermeisters. Die durch noch, in beträchtlicher Winterkälte, feststellen, daß Rimband in Abessynien. Im "Corriere Italiano" veröffentlicht Ardengo "Novara, 7. August 1923. "Ehre". Was hindert, uns des deus ex machina zu Leider waren Tempo und Zusammenspiel stel- Kleine Nachrichten. Romantischer Abend. Im 13. Volks-Symphonie- 1. Schubert: Fantasie (f-moll) op. 103, in- Heute, Mittwoch, 9. Januar, Tonhalle Mittwoch, den 9. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 8 [Spaltenumbruch]
So ſtellt ſich die bayeriſche Regierung mit Nach- Der Termin der Reichstagswahlen. * Berlin, 6. Januar.Der „Demokratiſche Vermiſchte Nachrichten. Staatsprüfung für den höheren landwirtſchaft- lichen Staatsdienſt. In der Zeit vom 15. bis 23. Oktober 1923 hat München. Bis zum 1. Januar 1924 haben die Schongau, 7. Januar. Gefährliche Einbrecher. Beim Volksgericht Kempten fand die Verhandlung Donauwörth. Stadtpfarrer und Geiſtlicher Rat = Donauwörth. Aus dem Krankenhauſe = Babenhauſen. Ein ſeltenes Jagdglück = Memmingen. Ein Gewohnheitsver- n. Kempten. Während in den Städten viele = Salzburg. Wiederholt kamen aus Deutſch- = Wien. Ueber die bewundernwerte Geiſtes- Wien. (Künſtliches Benzin.) Nach hie- Berlin. (Großfeuer.) In einer Mano- Agram. (Verurteilter Attentäter.) [irrelevantes Material] Letzte Telegramme. [Spaltenumbruch]
Eine Erklärung der amerikaniſchen Sach- Paris, 8. Januar.verſtändigen. Die beiden in Paris England und das franzöſiſch-tſchechiſche London, 8. Januar.Bündnis. Zu dem bevorſtehen- „Weſtminſter Gazette“ meldet, daß die Der ſinkende Franken. Paris, 8. Januar.Die Hoffnung auf einen Die Einheitsliſte in Thüringen. Weimar, 8. Januar.(Tel.-Union.) Nach Kein Rücktritt des Frankfurter Ober- * Frankfurt a. M., 8. Januar.bürgermeiſters. Die durch noch, in beträchtlicher Winterkälte, feſtſtellen, daß Rimband in Abeſſynien. Im „Corriere Italiano“ veröffentlicht Ardengo „Novara, 7. Auguſt 1923. „Ehre“. Was hindert, uns des deus ex machina zu Leider waren Tempo und Zuſammenſpiel ſtel- Kleine Nachrichten. Romantiſcher Abend. Im 13. Volks-Symphonie- 1. Schubert: Fantaſie (f-moll) op. 103, in- Heute, Mittwoch, 9. Januar, Tonhalle <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Mittwoch, den 9. Januar 1924 <hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung</hi>. Nr. 8</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="a01b" prev="#a01a" type="jComment" n="2"> <p>So ſtellt ſich die bayeriſche Regierung mit Nach-<lb/> druck in den Dienſt des geſamtnationalen Gedan-<lb/> kens, dem ihrer Meinung nach eine kräftige Beto-<lb/> nung der Eigenſtaatlichkeit der Länder am beſten<lb/> frommt. Gleichwohl unterliegt auch ſie in ſtarkem<lb/> Maße der oben (unter <hi rendition="#aq">II</hi>) bloßgelegten „ſtaaten-<lb/> bündiſchen“ Einſtellung. Dieſe Geſinnung zieht ſich<lb/> wie ein roter Faden durch den ganzen Text, wenn<lb/> es immer wieder heißt, dieſe und jene Einwirkung<lb/> des Reichs vertrage ſich nicht mit dem ſtaatlichen<lb/> Charakter der Länder, dieſes und jenes Recht ſei<lb/> ein unerläßliches Attribut derſelben uſw. Beſonders<lb/> deutlich aber zeigt es ſich an zwei Stellen. Einmal<lb/> (S. 6) in dem Zitat einer Äußerung des Kriegs-<lb/> miniſters v. Pranckh, der, wie hervorgehoben wird,<lb/> ſpäter als Unterhändler an dem Zuſtandekommen<lb/> des Verſailier Vertrages von 1870 mitwirkte, in<lb/> der Abgeordnetenkammer zu Beginn des 70er<lb/> Krieges: „Die Selbſtändigkeit Bayerns muß ge-<lb/> wahrt bleiben.“ Wie bekannt, hat ſich die damalige<lb/> bayeriſche Regierung ſozuſagen mit Händen und<lb/> Füßen gegen den Eintritt Bayerns in das Reich<lb/> als Bundesſtaat geſträubt und ſich nur zu einem<lb/> ſtaatenbündiſchen Verhältnis verſtehen wollen. Noch<lb/> viel weniger hat ſie bei Eintritt in den Krieg an<lb/> eine bundesſtaattliche Eingliederung gedacht. Die<lb/> zweite markante Stelle iſt auf S. 14 zu finden, wo<lb/> die Erhebung der Zölle und indirekten Steuern be-<lb/> kämpft wird: <cit><quote>„<hi rendition="#g">weil die Tätigkeit</hi> <hi rendition="#b">fremder</hi><lb/><hi rendition="#g">Beamter auf dem Territorium eines<lb/> ſelbſtändigen Staates ſich mit deſſen<lb/> Souveränität nicht verträgt</hi>.“</quote></cit> Hier<lb/> wird geradezu der Grundgedanke des Bundes-<lb/> ſtaates, die ſich ergänzende <hi rendition="#g">Einheit</hi> von Reich<lb/> und Ländern, vollkommen verleugnet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Termin der Reichstagswahlen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Berlin,</hi> 6. Januar.</dateline><lb/> <p>Der „Demokratiſche<lb/> Zeitungsdienſt“ bezeichnet es als wahr-<lb/> ſcheinlich, daß die Reichstagswahlen im<lb/><hi rendition="#g">Mai</hi> ſtattfinden. Immerhin ſei es möglich,<lb/> daß eine <hi rendition="#g">vorzeitige Auflöſung</hi> des<lb/> Reichstags erfolgt und daß die Neuwahlen<lb/> dann ſehr raſch anberaumt werden, da durch<lb/> die Wahlgeſetznovelle die <hi rendition="#g">Friſten we-<lb/> ſentlich verkürzt</hi> worden ſind.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Vermiſchte Nachrichten.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Staatsprüfung für den höheren landwirtſchaft-<lb/> lichen Staatsdienſt.</hi> </head><lb/> <p>In der Zeit vom 15. bis 23. Oktober 1923 hat<lb/> in München eine Staatsprüfung für den höheren<lb/> landwirtſchaftlichen Staatsdienſt einſchließlich des<lb/> landwirtſchaftlichen Lehramtes ſtattgefunden. Zur<lb/> Teilnahme an der Prüfung hatten ſich 53 Be-<lb/> werber gemeldet. Hiervon traten 5 vor bzw.<lb/> während der Prüfung zurück. Von den übrigen 48<lb/> Kandidaten erhielt 1 die Hauptnote <hi rendition="#aq">I</hi>, 26 die<lb/> Hauptnote <hi rendition="#aq">II</hi>, 14 die Hauptnote <hi rendition="#aq">III</hi>, 5 Kandidaten<lb/> haben die Prüfung in einzelnen Prüfungsab-<lb/> ſchnitten, 2 Kandidaten die ganze Prüfung nicht<lb/> beſtanden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">München.</hi> </dateline><lb/> <p>Bis zum 1. Januar 1924 haben die<lb/><hi rendition="#g">Separatiſten</hi> in der Pfalz 51 Staatsbeamte<lb/> mit 98 Angehörigen und 3 Gemeindebeamte mit<lb/> 9 Angehörigen, insgeſamt 107 Perſonen, <hi rendition="#g">aus-<lb/> gewieſen</hi>.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Schongau,</hi> 7. Januar.</dateline><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Gefährliche Einbrecher.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Beim Volksgericht Kempten fand die Verhandlung<lb/> ſtatt gegen <hi rendition="#g">die Einbrecher</hi>, welche am 6. Ok-<lb/> tober hier im Kleidergeſchäft Kugler eingebrochen<lb/> hatten. Das Urteil lautete: Johann Daiß wird<lb/> wegen 21 Verbrechen des ſchweren Diebſtahls und<lb/> eines Vergehens der Meuterei unter Einſchluß<lb/> einer ſchon früher vom Amtsgericht Buchloe zu-<lb/> erkannten Gefängnisſtrafe von 8 Monaten zur<lb/> Geſamtzuchthausſtrafe von 6 Jahren und 10<lb/> Jahren Ehrenverluſt verurteilt; zwei Monate<lb/> Unterſuchungshaft kommen in Anrechnung. Jo-<lb/> hann Linder erhält wegen 25 Verbrechen des<lb/> ſchweren Diebſtahls und eines Vergehens der<lb/><cb/> Meuterei eine Gefängnisſtrafe von 6 Jahren und<lb/> 5 Jahren Ehrenverluſt; 2 Monate der Unter-<lb/> ſuchungshaft kommen in Anrechnung. Ernſt Lott<lb/> wird wegen 5 Verbrechen des ſchweren Diebſtahls<lb/> zu einem Jahr 6 Monaten Gefängnis und<lb/> Agathe Figel wegen eines Vergehens der Hehle-<lb/> rei zu zwei Monaten 15 Tagen Gefängnis —<lb/> letztere Strafe verbüßt durch die Unterſuchungs-<lb/> haft — verurteilt und der Haftbefehl gegen die<lb/> Figel aufgehoben. Daiß Genovova wird von der<lb/> Anklage eines Vergehens der Hehlerei freige-<lb/> ſprochen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Donauwörth.</hi> </dateline><lb/> <p>Stadtpfarrer und Geiſtlicher Rat<lb/> Max Joſef <hi rendition="#g">Beitelrock</hi> vollendete ſein 94. Le-<lb/> bensjahr. Der Herr Geiſtl. Rat erfreut ſich trotz<lb/> des hohen Alters einer ſeltenen geiſtigen Friſche,<lb/> der körperlichen leider nicht mehr, da er einen<lb/> bedauerlichen Unfall durch Sturz erlitt, wobei der<lb/> greiſe Prieſter ſich ſchwere Verletzungen zuzog.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Donauwörth.</hi></dateline><lb/> <p>Aus dem <hi rendition="#g">Krankenhauſe</hi><lb/> entfernte ſich nachts der 23jährige ledige Arbeiter<lb/> Karl Schmid aus Diſchingen, bekleidet nur mit<lb/> Hemd und Unterhoſe. Der Vermißte iſt 1,63 Me-<lb/> ter groß, ohne Bart und hat dunkelblonde Haare.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Babenhauſen.</hi></dateline><lb/> <p>Ein ſeltenes <hi rendition="#g">Jagdglück</hi><lb/> hatte Herr Martin Gutter von hier; er ſchoß im<lb/> Täuferbach auf ca. 150 Meter einen prachtvollen<lb/> männlichen <hi rendition="#g">Fiſchreiher</hi> mit einer Flügel-<lb/> ſpannweite von 1,65 Meter. Bemerkt ſei noch, daß<lb/> der Reiher 4 Forellen von 10—20 Zentimeter<lb/> Länge im Schlund hatte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Memmingen.</hi></dateline><lb/> <p>Ein <hi rendition="#g">Gewohnheitsver-<lb/> brecher</hi>, der nicht weniger als ſchon 40 mal<lb/> wegen der verſchiedenſten Reare beſtraft und ins-<lb/> geſamt 18½ Jahre Zuchthaus hinter ſich hat,<lb/> wurde vor dem Amtsgericht Memmingen neuer-<lb/> dings abgeurteilt. Es handelt ſich um den ver-<lb/> witweten Schloſſer <hi rendition="#g">Joh. Miller</hi> von Dieten-<lb/> heim, der ſeit dem 7. September hier in Unter-<lb/> ſuchungshaft ſaß. Er hat in Memmingen und in<lb/> der Umgebung eine große Zahl Fahrraddiebſtähle<lb/> begangen. Für ſeine Spezialität wurde er mit<lb/> 2 Jahren Zuchthaus beſtraft.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#aq">n.</hi> <hi rendition="#b">Kempten.</hi> </dateline><lb/> <p>Während in den Städten viele<lb/> Hungers ſterben, leben die <hi rendition="#g">Bettler auf dem<lb/> Lande</hi> derart im Vollen, daß ſie Brot und Käſe<lb/> ruckſackweiſe wegwerfen oder verſchenken. In einem<lb/> Falle gab ein Bettler einem Hund Preſſack, ein<lb/> anderes Stück warf er ins Waſſer, ein Häusler<lb/> holte ſich das ganz friſche Stück wieder heraus.<lb/> Von dem Brot, das Bettler wegwarfen, konnte er<lb/> 14 Tage lang die Hühner füttern. Ein anderer<lb/> Bettler verkaufte ihm 5 Pfund Mehl um billiges<lb/> Geld und ſchenkte ihm dazu einen ganzen Ruck-<lb/> ſack voll Käſe und Brot mit dem Bemerken, er<lb/> möge ſich mit dem Zeug nicht abſchleppen. Dabei<lb/> ſind die Bettler ungemein frech, nehmen kein Geld<lb/> oder beſtreuen die Straßen mit Milliardenſcheinen<lb/> und erpreſſen durch das ſtändige Drohen mit dem<lb/> Hausanzünden alles.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Salzburg.</hi></dateline><lb/> <p>Wiederholt kamen aus Deutſch-<lb/> land ſchon <hi rendition="#g">Klagen</hi> von dort beſchäftigten<lb/><hi rendition="#g">Oeſterreichern</hi>, daß ſie bei der <hi rendition="#g">Vertei-<lb/> lung der Liebesgaben</hi> aus der Heimat<lb/><hi rendition="#g">völlig übergangen</hi> werden. So entnehmen<lb/> wir einem Briefe aus Frankfurt a. M., daß die<lb/> dort lebenden Oeſterreicher von den öſterreichiſchen<lb/> Sammlungen nichts bekommen. Selbſtverſtändlich<lb/> werden auch ſie von der allgemeinen Not ſchwer<lb/> betroffen, zumal ſie der Abbau und die Arbeits-<lb/> loſigkeit viel eher trifft als die Einheimiſchen. In<lb/> Frankfurt haben ſich 600 Oeſterreicher zu einem<lb/> Bunde zuſammengeſchloſſen, um der Not zu<lb/> ſteuern. Es wäre ſicher am Platze, wenn die Not-<lb/> hilfe, die für die Brüder im Reiche geleiſtet wird,<lb/> auch unſeren eigenen Landsleuten geſichert würde.<lb/> Entweder ſoll dafür Sorge getragen werden, daß<lb/> man die Oeſterreicher in dieſem Falle nicht als<lb/> Ausländer behandelt, oder vielleicht noch beſſer<lb/> dadurch, daß ſich die Bünde der Oeſterreicher in<lb/> den deutſchen Städten unmittelbar mit öſter-<lb/> reichiſchen Hilfsſtellen in Verbindung ſetzen, um<lb/> der ärgſten Not ſteuern zu können.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Wien.</hi></dateline><lb/> <p>Ueber die bewundernwerte Geiſtes-<lb/> gegenwart eines Lokomotivführers erfahren wir<lb/> auf dem Umwege über Wien folgendes: Der<lb/> D-Zug Berlin—Wien kam mit fünfſtündiger Ver-<lb/><cb/> ſpätung in Wien an. Die 800 Reiſenden, die,<lb/> über die Verſpätung ſchimpfend, dem Zuge ent-<lb/> ſtiegen, ahnten nicht, daß ſie es nur dem Loko-<lb/> motivführer verdankten, wenn ſie lebend ankamen.<lb/> Als der Zug um Mitternacht mit 70 Kilometer<lb/> Geſchwindigkeit durch Plauen dampfen ſollte, ſtand<lb/> das Signal auf: Fahrt! Strecke frei! Doch der<lb/> Mann auf der Maſchine erkannte: Falſches Gleis!<lb/> Er ſah, daß auf demſelben Gleis, kaum 500 Meter<lb/> vor ihm, der fällige Güterzug herandampfte. Ein<lb/> Entſchluß von Augenblicken — die Bremſen des<lb/> D-Zuges arbeiten und noch während der letzten<lb/> Meter Fahrt ſchwingt ſich der Führer von der<lb/> Lokomotive und eilt in raſendem Laufe mit ge-<lb/> ſchwungener Laterne dem Güterzug entgegen. Die<lb/> Güterzugmaſchine ſtoppt. Auf wenige Meter Ent-<lb/> fernung ſtehen ſich die Maſchinen gegenüber.<lb/> Hätte der Lokomotivführer nicht erkannt, daß der<lb/> D-Zug auf das unrechte Gleis geglitten, ſo wäre<lb/> ein furchtbares Unheil entſtanden. Doch die Rei-<lb/> ſenden ahnten nichts von der Gefahr.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Wien.</hi> </dateline><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Künſtliches Benzin</hi>.) Nach hie-<lb/> ſigen Blättermeldungen trägt ſich die öſterreichiſche<lb/> Regierung mit dem Gedanken, die Erfindung<lb/> eines deutſchen Chemikers, <hi rendition="#g">ſynthetiſches<lb/> Benzin</hi> herzuſtellen, großzügig zu verwerten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Berlin.</hi> </dateline><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Großfeuer</hi>.) In einer Mano-<lb/> meterfabrik in der alten Jakobſtraße in Berlin<lb/> brach Samstag mittag Großfeuer aus. Ein Lehr-<lb/> junge war mit der Lötzunge einem Stapel Pack-<lb/> material zu nahe gekommen und in wenigen Mi-<lb/> nuten ſtanden die geſamten <hi rendition="#g">Fabrikräume<lb/> in Flammen</hi>. Die Arbeiter konnten das Fa-<lb/> brikgebäude wegen der ſtarken Rauchentwicklung<lb/> nicht mehr verlaſſen. Vier Frauen und ſechs<lb/> Männer wurden in ohnmächtigem Zuſtande aus<lb/> den Flammen gerettet. Einem Feuerwehrmann<lb/> wurde durch eine zerſpringende Fenſterſcheibe die<lb/> Schlagader aufgeſchnitten; er wurde in bedenk-<lb/> lichem Zuſtande in das Krankenhaus gebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Agram.</hi> </dateline><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Verurteilter Attentäter</hi>.)<lb/><hi rendition="#g">Rajic</hi>, der vor einigen Monaten ein <hi rendition="#g">Atten-<lb/> tat gegen Paſic</hi> verübte, hat durch ſeinen<lb/> Anwalt beim Kaſſationsgericht die Nichtigkeits-<lb/> beſchwerde gegen das gefällte Urteil eingereicht.<lb/> Wie erinnerlich, wurde er zu 20 Jahren ſchweren<lb/> Kerkers verurteilt. Rajic wurde jetzt auf Grund<lb/> eines neueingeleiteten Verfahrens definitiv zu<lb/><hi rendition="#g">18 Jahren Kerker</hi> verurteilt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Letzte Telegramme.</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Eine Erklärung der amerikaniſchen Sach-<lb/> verſtändigen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 8. Januar.</dateline><lb/> <p>Die beiden in Paris<lb/> eingetroffenen <hi rendition="#g">amerikaniſchen Re-<lb/> parations-Sachverſtändigen</hi> Da-<lb/> wes und Young haben dem „Matin“ eine<lb/> Erklärung zur Verfügung geſtellt, in der es<lb/> u. a. heißt: Wir werden an unſere Arbeit<lb/> mit dem brennenden Wunſche herangehen,<lb/> zuerſt einmal alle Tatſachen klarzuſtellen,<lb/> um dann ein <hi rendition="#g">Reſultat</hi> zu ſehen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">England und das franzöſiſch-tſchechiſche<lb/> Bündnis.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 8. Januar.</dateline><lb/> <p>Zu dem bevorſtehen-<lb/> den Abſchluß des tſchechiſch-franzöſiſchen<lb/> Bündniſſes ſchreibt die „Morningpoſt“, daß<lb/> die <hi rendition="#g">Türkei</hi> ſicher ſehr gerne auch mit<lb/><hi rendition="#g">Großbritannien</hi> zu einem ähnlichen<lb/> Abkommen gelangen würde und daß<lb/> Frankreich ſich einem ſolchen Plane keines-<lb/> wegs widerſetzen würde.</p><lb/> <p>„Weſtminſter Gazette“ meldet, daß die<lb/> Kleine Entente die Möglichkeit einer Aus-<lb/> dehnung des franzöſiſch-tſchechiſchen Ver-<lb/> trages auf die geſamte Kleine Entente auf<lb/> ihrer Konferenz beſprechen werde. Ein ſol-<lb/> cher Vertrag hätte die Aufgabe, eine Ver-<lb/> bindung mit Rußland herzuſtellen, zumal da<lb/> in gewiſſen Kreiſen Frankreichs die Nei-<lb/><cb/> gung beſteht, die Sowjetregierung anzuer-<lb/> kennen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der ſinkende Franken.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 8. Januar.</dateline><lb/> <p>Die Hoffnung auf einen<lb/> Umſchwung in der Bewertung des franzöſi-<lb/> ſchen Franken iſt ſehr <hi rendition="#g">gefallen</hi>. Der<lb/> Franken wurde heute früh mit 87,35, der<lb/> Dollar mit 20,35 notiert. Die öffentliche<lb/> Meinung Frankreichs wird durch dieſe Ent-<lb/> wicklung ſehr beunruhigt. Im heutigen Mi-<lb/> niſterrat wird der franzöſiſche Miniſter der<lb/> Finanzen Anträge einbringen, die auf eine<lb/> Unterbindung der Spekulation abzielen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Einheitsliſte in Thüringen.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Weimar,</hi> 8. Januar.</dateline><lb/> <p>(Tel.-Union.) Nach<lb/> längeren ſchwierigen Verhandlungen iſt es<lb/> gelungen, die Beratungen über die erſten<lb/> zehn Sitze der <hi rendition="#g">Einheitsliſte</hi> des Ord-<lb/> nungsbundes in den vier Wahlkreiſen des<lb/> Landes Thüringen zum Abſchluß zu bringen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Kein Rücktritt des Frankfurter Ober-<lb/> bürgermeiſters.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Frankfurt a. M.,</hi> 8. Januar.</dateline><lb/> <p>Die durch<lb/> die Preſſe gehende Nachricht von dem Rück-<lb/> tritt des Frankfurter Oberbürgermeiſters<lb/><hi rendition="#g">Vogl</hi> iſt unrichtig. Es liegt eine Verwech-<lb/> ſlung mit dem gleichnamigen Bürgermeiſter<lb/> von Biebrich a. Rh. vor.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a02b" prev="#a02a" type="jComment" n="2"> <p>noch, in beträchtlicher Winterkälte, feſtſtellen, daß<lb/> die abendlichen Spaziergänger ſich nur ſehr un-<lb/> gern vom Donaukorſo trennen, von dem aus ſie<lb/> durch die Dunkelheit nach Ofen hinüber zu blicken<lb/> pflegen, mit den Augen ſich feſtklammernd an die<lb/> Umriſſe von Bergen und Burg und an die Strah-<lb/> lenkette der jenſeitigen Lichter. Solange es warm<lb/> war, bis tief in den November hinein, gab es da<lb/> auch einen Waldhorniſten, der auf der Donau in<lb/> traditioneller Schwermut ſeine Weiſen blies und<lb/> dem man eine Stunde lang ergriffen und koſten-<lb/> los zuhörte. Jetzt iſt es ihm zu zugig geworden,<lb/> ſchade. Aber mit den erſten Lerchen wird er wieder<lb/> anſchwirren, um das hübſche Abendmärchen zu<lb/> vervollſtändigen, und wird die Zahl der erfreu-<lb/> lichen Peſter ſteigern, deren Lebensgenuß monate-<lb/> lang in nichts anderem beſtand, als ſich Abend<lb/> für Abend ruhig und beglückt dem Märchen des<lb/> anderen Ufers hinzugeben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Rimband in Abeſſynien.</hi> </head><lb/> <p>Im „Corriere Italiano“ veröffentlicht Ardengo<lb/> Soffici, ein bekannter Schriftſteller und Maler,<lb/> ein intereſſantes Dokument, das in das Dunkel<lb/> jener Periode des Lebens Arthue Rimbauds, als<lb/> dieſer den Muſen untreu geworden, ſich dem<lb/> proſaiſchen Waffenhandel von Dſchibuti nach<lb/> Abeſſinien hingab, ein merkwürdiges Licht wirft.<lb/> Es iſt nämlich Soffici gelungen, einen der Zeu-<lb/> gen jener phantaſtiſchen nächtlichen Unterhaltun-<lb/> gen in Harrar, welche Paterne Berſchon in ſeiner<lb/> Biographie des Dichters ſo anſchaulich beſchreibt,<lb/> in dem italieniſchen Reiſenden Ugo Ferrandi aus-<lb/> findig zu machen. Durch Vermittlung eines ge-<lb/> meinſamen Bekannten erhielt er nun folgenden<lb/> Brief des italieniſchen Afrikaforſchers:</p><lb/> <cb/> <cit> <quote>„Novara, 7. Auguſt 1923.<lb/> Lieber Freund und Kollege!<lb/> Glauben Sie nicht, ich hätte vergeſſen, die von<lb/> Ihnen gewünſchten Nachforſchungen über Rim-<lb/> baud in Afrika anzuſtellen, aber die Aufgabe iſt<lb/> ſchwieriger als ich dachte.<lb/> Ich finde die Notizen, die ich in Harrar machte,<lb/> zur Zeit, als ich mich dort zugleich mit dem gro-<lb/> ßen franzöſiſchen Dichter befand, nicht mehr; ſie<lb/> ſind mit vielen anderen Aufzeichnungen meiner<lb/> Reiſen durch den Schwarzen Erdteil verloren ge-<lb/> gangen. Ich lernte Rimbaud in Aden kennen ge-<lb/> gen Ende 1885 (wenn mein Gedächtnis mich nicht<lb/> täuſcht), als er von der franzöſiſchen Dankaliküſte<lb/> dorthin kam, um den Ankauf einer Karawane nach<lb/> dem Seivalande (Abeſſinien) abzuſchließen. Die<lb/> Karawane beſtand aus einer Ladung Gewehre<lb/> und gehörte einem Franzoſen, Labatut, der, weil<lb/> trank, in die Heimat verreiſte.<lb/> Gegen Mitte 1886 fand ich Rimbaud in Ta-<lb/> dſchura, da es ihm noch nicht möglich geweſen,<lb/> nach dem Innern abzureiſen. In Tadſchura be-<lb/> fand ſich damals auch die Karawane von Paul<lb/> Soleillet, dem bekannten Erforſcher der algeriſchen<lb/> Sahara, der krank nach Aden zurückkehrte, wo er<lb/> ſtarb. Die Karawane Soleillet und jene von<lb/> Franzoj — zu welcher ich gehörte — hatten ihre<lb/> Zelte in dem Palmenhain vor dem Dankalidorf<lb/> aufgeſchlagen, Rimbaud dagegen hatte in einer<lb/> Hütte des Dorfes ſeine Wohnung genommen. Er<lb/> ſtattete den verſchiedenen Lagern häufige Beſuche<lb/> ab, und bei allen herzlichen Beziehungen zu ſeinen<lb/> Landsleuten fand er ein beſonderes Gefallen an<lb/> unſerer Freundſchaft. Franzoj, ein bekannter<lb/> Journaliſt, war ein Freund franzöſiſcher und la-<lb/> teiniſcher Literatur (er las immer Horaz im Ori-<lb/> ginaltext) und hatte mit Rimbaud endloſe Dis-<lb/> kuſſionen über Literatur von den Romantikern<lb/> bis zu den Dekadenten. Ich hingegen beläſtigte<lb/> Rimbaud mit Fragen geographiſchen und iſlami-<lb/> tiſchen Inhalts. Rimbaud hatte nämlich einige<lb/> Jahre früher (während der arabiſchen Beſetzung<lb/> von Harrar) es mit den Ogader verſucht. Ein<lb/> Kenner des Arabiſchen erſter Güte, hielt er in<lb/><cb/> einer Hütte den eingeborenen Notabeln wahre<lb/> Vorträge über den Koran.<lb/> Hochgewachſen, dürr, mit an den Schläfen be-<lb/> reits ergrauten Haaren, europäiſch gekleidet, aber<lb/> auf eine ſehr ſummariſche Art: Weite Hoſen, ein<lb/> Trikot, eine ſehr bequeme Jacke von grauer Khaki-<lb/> farbe, trug er als Kopfbedeckung nur ein kleines<lb/> rundes, ebenfalls graues Käppchen, der Glutſonne<lb/> des Dankalilandes trotzend wie ein Eingeborener.<lb/> Trotzdem er ein Maultier beſaß, ritt er es auf<lb/> den Märſchen nie. Mit ſeiner Doppelbüchſe ging<lb/> er ſtets zu Fuß der Karawane voran ... Nach<lb/> mehrmonatigem Aufenthalt in Tadſchura mußte<lb/> ich das Dankaliland verlaſſen, und vernahm, daß<lb/> Rimbaud kurze Zeit darauf mit ſeiner Karawane<lb/> die Reiſe nach dem Schoalande fortſetzen konnte.<lb/> Das geſchah gegen Oktober 1886. Rimbaud gab<lb/> mir klare, knappe Aufſchlüſſe über Tadſchura, die<lb/> ich gerne mit einigen anderen Notizen hätte ver-<lb/> öffentlichen wollen — aber der Zufall geſtattete<lb/> es nicht. Ich habe noch einige Blätter der Notizen<lb/> von Rimbaud und, wenn Sie es wünſchen, werde<lb/> ich ſie Ihnen abſchreiben und ſenden ...“</quote> </cit> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">„Ehre“.</hi> </head><lb/> <p>Was hindert, uns des <hi rendition="#aq">deus ex machina</hi> zu<lb/> erfreuen, auch wenn er nicht im geheimnisvollen<lb/> Symbolgewand moderner Problemdichtung, ſon-<lb/> dern im eleganten Pelzmantel eines lehrhaften<lb/> Grafen Traſt auftritt und, ſtatt die Fäden einer<lb/> lebloſen oder ungeſtalteten Idee in blutloſen<lb/> Händen zu halten, als ein Menſch von beneidens-<lb/> wert geſunden Maximen in eine reale Welt hin-<lb/> eingezaubert wird, um hier begriffsverwirrte Men-<lb/> ſchen zur Vernunft zu bringen. Zumal, wenn<lb/> ſolch ein Graf ſo vollkommen moderniſiert und<lb/> ganz ohne Vollbart erſcheint, wie Herr <hi rendition="#g">Wüſten-<lb/> hagen</hi> bei der Neueinſtudierung von Suder-<lb/> mans „<hi rendition="#g">Ehre</hi>“ im <hi rendition="#g">Schauſpielhaus</hi>. Das<lb/> Gefühl achſelzuckender Ueberlegenheit einem<lb/> Autor von ſo trefflichem, bühnenwirkſamen Kön-<lb/> nen gegenüber iſt nicht am Platz, ſolange die mo-<lb/> derne dramatiſche Dichtung nicht durch Taten von<lb/><cb/> wirklicher Ueberlegenheit dies rechtfertigt. Graf<lb/> Traſts Beweisart <hi rendition="#g">ſeiner</hi> Relativitätstheorie<lb/> mag im Zuſammenhang mit den heute „über-<lb/> wunden“ erſcheinenden „ſozialen Gegenſätzen“<lb/> veraltet ſein, ſie wirkt aber immer noch wie<lb/> in der guten alten Zeit — das hat der ſtürmiſche<lb/> Beifall des Publikums erwieſen, der auch der zum<lb/> Teil guten Darſtellung gegolten hat.</p><lb/> <p>Leider waren Tempo und Zuſammenſpiel ſtel-<lb/> lenweiſe, beſonders zu Anfang, mangelhaft, aber<lb/> es war wieder ein Genuß, Herrn <hi rendition="#g">Raabe</hi> in der<lb/> Rolle des Alten, die er vor fünfundzwan-<lb/> zig Jahren ſchon ſpielte, zu ſehen. Auch Herr<lb/><hi rendition="#g">Wüſtenhagen</hi> als Traſt und Fräulein<lb/><hi rendition="#g">Tiedemann</hi> als Leonore begnügten ſich nicht<lb/> mit Schabloniſierung, wie es bei den meiſten<lb/> übrigen Darſtellern der Fall war. Fräulein<lb/><hi rendition="#g">Borkmann</hi> als Berliner Pflanze war ganz<lb/> in ihrem Element, eine bedauerlich ſchwache Lei-<lb/> ſtung war der Robert des Herrn <hi rendition="#g">Rafael</hi>, der,<lb/> wenn er über ſein ewig ſeufzendes Weh und Ach<lb/> hinauskam, in Toberei verfiel. Daß Herr <hi rendition="#g">Hoch</hi><lb/> den Schwager und Herr <hi rendition="#g">Rühmann</hi> den<lb/> Stengel ganz auf Komik einſtellten, war depla-<lb/> ziert. Man denkt dabei mit Wehmut an beſſere<lb/> Zeiten zurück .....</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">E. I.</hi> </byline> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kleine Nachrichten.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Romantiſcher Abend.</hi> </head><lb/> <p>Im 13. Volks-Symphonie-<lb/> Konzert, <hi rendition="#g">Freitag, 11. Januar</hi> 7½ Uhr, in<lb/> der <hi rendition="#g">Tonhalle</hi> wird unter Leitung von Dr.<lb/> Friedrich <hi rendition="#g">Munter</hi> aufgeführt:</p><lb/> <p>1. <hi rendition="#g">Schubert:</hi> Fantaſie (f-moll) op. 103, in-<lb/> ſtrumentiert von Felix Mottl. 2. <hi rendition="#g">Schumann:</hi><lb/> Klavier-Konzert (n-moll) op. 56. Soliſtin: Mar-<lb/> garethe Weber (Klavier). 3. <hi rendition="#g">Mendelsſohn:</hi><lb/> Schottiſche Symphonie, op. 56.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p><hi rendition="#b">Heute,</hi> Mittwoch, 9. Januar, <hi rendition="#g">Tonhalle</hi><lb/> (7½ Uhr): Violinkonzert Eliſabeth <hi rendition="#g">Biſchoff</hi>.<lb/> am Klavier Profeſſor Heinrich <hi rendition="#g">Schwartz.<lb/> Bayeriſcher Hof</hi> (7½ Uhr): Heiterer Abend<lb/> Profeſſor <hi rendition="#g">Marcell Salzer</hi>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Mittwoch, den 9. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 8
So ſtellt ſich die bayeriſche Regierung mit Nach-
druck in den Dienſt des geſamtnationalen Gedan-
kens, dem ihrer Meinung nach eine kräftige Beto-
nung der Eigenſtaatlichkeit der Länder am beſten
frommt. Gleichwohl unterliegt auch ſie in ſtarkem
Maße der oben (unter II) bloßgelegten „ſtaaten-
bündiſchen“ Einſtellung. Dieſe Geſinnung zieht ſich
wie ein roter Faden durch den ganzen Text, wenn
es immer wieder heißt, dieſe und jene Einwirkung
des Reichs vertrage ſich nicht mit dem ſtaatlichen
Charakter der Länder, dieſes und jenes Recht ſei
ein unerläßliches Attribut derſelben uſw. Beſonders
deutlich aber zeigt es ſich an zwei Stellen. Einmal
(S. 6) in dem Zitat einer Äußerung des Kriegs-
miniſters v. Pranckh, der, wie hervorgehoben wird,
ſpäter als Unterhändler an dem Zuſtandekommen
des Verſailier Vertrages von 1870 mitwirkte, in
der Abgeordnetenkammer zu Beginn des 70er
Krieges: „Die Selbſtändigkeit Bayerns muß ge-
wahrt bleiben.“ Wie bekannt, hat ſich die damalige
bayeriſche Regierung ſozuſagen mit Händen und
Füßen gegen den Eintritt Bayerns in das Reich
als Bundesſtaat geſträubt und ſich nur zu einem
ſtaatenbündiſchen Verhältnis verſtehen wollen. Noch
viel weniger hat ſie bei Eintritt in den Krieg an
eine bundesſtaattliche Eingliederung gedacht. Die
zweite markante Stelle iſt auf S. 14 zu finden, wo
die Erhebung der Zölle und indirekten Steuern be-
kämpft wird: „weil die Tätigkeit fremder
Beamter auf dem Territorium eines
ſelbſtändigen Staates ſich mit deſſen
Souveränität nicht verträgt.“ Hier
wird geradezu der Grundgedanke des Bundes-
ſtaates, die ſich ergänzende Einheit von Reich
und Ländern, vollkommen verleugnet.
Der Termin der Reichstagswahlen.
* Berlin, 6. Januar.
Der „Demokratiſche
Zeitungsdienſt“ bezeichnet es als wahr-
ſcheinlich, daß die Reichstagswahlen im
Mai ſtattfinden. Immerhin ſei es möglich,
daß eine vorzeitige Auflöſung des
Reichstags erfolgt und daß die Neuwahlen
dann ſehr raſch anberaumt werden, da durch
die Wahlgeſetznovelle die Friſten we-
ſentlich verkürzt worden ſind.
Vermiſchte Nachrichten.
Staatsprüfung für den höheren landwirtſchaft-
lichen Staatsdienſt.
In der Zeit vom 15. bis 23. Oktober 1923 hat
in München eine Staatsprüfung für den höheren
landwirtſchaftlichen Staatsdienſt einſchließlich des
landwirtſchaftlichen Lehramtes ſtattgefunden. Zur
Teilnahme an der Prüfung hatten ſich 53 Be-
werber gemeldet. Hiervon traten 5 vor bzw.
während der Prüfung zurück. Von den übrigen 48
Kandidaten erhielt 1 die Hauptnote I, 26 die
Hauptnote II, 14 die Hauptnote III, 5 Kandidaten
haben die Prüfung in einzelnen Prüfungsab-
ſchnitten, 2 Kandidaten die ganze Prüfung nicht
beſtanden.
München.
Bis zum 1. Januar 1924 haben die
Separatiſten in der Pfalz 51 Staatsbeamte
mit 98 Angehörigen und 3 Gemeindebeamte mit
9 Angehörigen, insgeſamt 107 Perſonen, aus-
gewieſen.
Schongau, 7. Januar.
Gefährliche Einbrecher.
Beim Volksgericht Kempten fand die Verhandlung
ſtatt gegen die Einbrecher, welche am 6. Ok-
tober hier im Kleidergeſchäft Kugler eingebrochen
hatten. Das Urteil lautete: Johann Daiß wird
wegen 21 Verbrechen des ſchweren Diebſtahls und
eines Vergehens der Meuterei unter Einſchluß
einer ſchon früher vom Amtsgericht Buchloe zu-
erkannten Gefängnisſtrafe von 8 Monaten zur
Geſamtzuchthausſtrafe von 6 Jahren und 10
Jahren Ehrenverluſt verurteilt; zwei Monate
Unterſuchungshaft kommen in Anrechnung. Jo-
hann Linder erhält wegen 25 Verbrechen des
ſchweren Diebſtahls und eines Vergehens der
Meuterei eine Gefängnisſtrafe von 6 Jahren und
5 Jahren Ehrenverluſt; 2 Monate der Unter-
ſuchungshaft kommen in Anrechnung. Ernſt Lott
wird wegen 5 Verbrechen des ſchweren Diebſtahls
zu einem Jahr 6 Monaten Gefängnis und
Agathe Figel wegen eines Vergehens der Hehle-
rei zu zwei Monaten 15 Tagen Gefängnis —
letztere Strafe verbüßt durch die Unterſuchungs-
haft — verurteilt und der Haftbefehl gegen die
Figel aufgehoben. Daiß Genovova wird von der
Anklage eines Vergehens der Hehlerei freige-
ſprochen.
Donauwörth.
Stadtpfarrer und Geiſtlicher Rat
Max Joſef Beitelrock vollendete ſein 94. Le-
bensjahr. Der Herr Geiſtl. Rat erfreut ſich trotz
des hohen Alters einer ſeltenen geiſtigen Friſche,
der körperlichen leider nicht mehr, da er einen
bedauerlichen Unfall durch Sturz erlitt, wobei der
greiſe Prieſter ſich ſchwere Verletzungen zuzog.
= Donauwörth.
Aus dem Krankenhauſe
entfernte ſich nachts der 23jährige ledige Arbeiter
Karl Schmid aus Diſchingen, bekleidet nur mit
Hemd und Unterhoſe. Der Vermißte iſt 1,63 Me-
ter groß, ohne Bart und hat dunkelblonde Haare.
= Babenhauſen.
Ein ſeltenes Jagdglück
hatte Herr Martin Gutter von hier; er ſchoß im
Täuferbach auf ca. 150 Meter einen prachtvollen
männlichen Fiſchreiher mit einer Flügel-
ſpannweite von 1,65 Meter. Bemerkt ſei noch, daß
der Reiher 4 Forellen von 10—20 Zentimeter
Länge im Schlund hatte.
= Memmingen.
Ein Gewohnheitsver-
brecher, der nicht weniger als ſchon 40 mal
wegen der verſchiedenſten Reare beſtraft und ins-
geſamt 18½ Jahre Zuchthaus hinter ſich hat,
wurde vor dem Amtsgericht Memmingen neuer-
dings abgeurteilt. Es handelt ſich um den ver-
witweten Schloſſer Joh. Miller von Dieten-
heim, der ſeit dem 7. September hier in Unter-
ſuchungshaft ſaß. Er hat in Memmingen und in
der Umgebung eine große Zahl Fahrraddiebſtähle
begangen. Für ſeine Spezialität wurde er mit
2 Jahren Zuchthaus beſtraft.
n. Kempten.
Während in den Städten viele
Hungers ſterben, leben die Bettler auf dem
Lande derart im Vollen, daß ſie Brot und Käſe
ruckſackweiſe wegwerfen oder verſchenken. In einem
Falle gab ein Bettler einem Hund Preſſack, ein
anderes Stück warf er ins Waſſer, ein Häusler
holte ſich das ganz friſche Stück wieder heraus.
Von dem Brot, das Bettler wegwarfen, konnte er
14 Tage lang die Hühner füttern. Ein anderer
Bettler verkaufte ihm 5 Pfund Mehl um billiges
Geld und ſchenkte ihm dazu einen ganzen Ruck-
ſack voll Käſe und Brot mit dem Bemerken, er
möge ſich mit dem Zeug nicht abſchleppen. Dabei
ſind die Bettler ungemein frech, nehmen kein Geld
oder beſtreuen die Straßen mit Milliardenſcheinen
und erpreſſen durch das ſtändige Drohen mit dem
Hausanzünden alles.
= Salzburg.
Wiederholt kamen aus Deutſch-
land ſchon Klagen von dort beſchäftigten
Oeſterreichern, daß ſie bei der Vertei-
lung der Liebesgaben aus der Heimat
völlig übergangen werden. So entnehmen
wir einem Briefe aus Frankfurt a. M., daß die
dort lebenden Oeſterreicher von den öſterreichiſchen
Sammlungen nichts bekommen. Selbſtverſtändlich
werden auch ſie von der allgemeinen Not ſchwer
betroffen, zumal ſie der Abbau und die Arbeits-
loſigkeit viel eher trifft als die Einheimiſchen. In
Frankfurt haben ſich 600 Oeſterreicher zu einem
Bunde zuſammengeſchloſſen, um der Not zu
ſteuern. Es wäre ſicher am Platze, wenn die Not-
hilfe, die für die Brüder im Reiche geleiſtet wird,
auch unſeren eigenen Landsleuten geſichert würde.
Entweder ſoll dafür Sorge getragen werden, daß
man die Oeſterreicher in dieſem Falle nicht als
Ausländer behandelt, oder vielleicht noch beſſer
dadurch, daß ſich die Bünde der Oeſterreicher in
den deutſchen Städten unmittelbar mit öſter-
reichiſchen Hilfsſtellen in Verbindung ſetzen, um
der ärgſten Not ſteuern zu können.
= Wien.
Ueber die bewundernwerte Geiſtes-
gegenwart eines Lokomotivführers erfahren wir
auf dem Umwege über Wien folgendes: Der
D-Zug Berlin—Wien kam mit fünfſtündiger Ver-
ſpätung in Wien an. Die 800 Reiſenden, die,
über die Verſpätung ſchimpfend, dem Zuge ent-
ſtiegen, ahnten nicht, daß ſie es nur dem Loko-
motivführer verdankten, wenn ſie lebend ankamen.
Als der Zug um Mitternacht mit 70 Kilometer
Geſchwindigkeit durch Plauen dampfen ſollte, ſtand
das Signal auf: Fahrt! Strecke frei! Doch der
Mann auf der Maſchine erkannte: Falſches Gleis!
Er ſah, daß auf demſelben Gleis, kaum 500 Meter
vor ihm, der fällige Güterzug herandampfte. Ein
Entſchluß von Augenblicken — die Bremſen des
D-Zuges arbeiten und noch während der letzten
Meter Fahrt ſchwingt ſich der Führer von der
Lokomotive und eilt in raſendem Laufe mit ge-
ſchwungener Laterne dem Güterzug entgegen. Die
Güterzugmaſchine ſtoppt. Auf wenige Meter Ent-
fernung ſtehen ſich die Maſchinen gegenüber.
Hätte der Lokomotivführer nicht erkannt, daß der
D-Zug auf das unrechte Gleis geglitten, ſo wäre
ein furchtbares Unheil entſtanden. Doch die Rei-
ſenden ahnten nichts von der Gefahr.
Wien.
(Künſtliches Benzin.) Nach hie-
ſigen Blättermeldungen trägt ſich die öſterreichiſche
Regierung mit dem Gedanken, die Erfindung
eines deutſchen Chemikers, ſynthetiſches
Benzin herzuſtellen, großzügig zu verwerten.
Berlin.
(Großfeuer.) In einer Mano-
meterfabrik in der alten Jakobſtraße in Berlin
brach Samstag mittag Großfeuer aus. Ein Lehr-
junge war mit der Lötzunge einem Stapel Pack-
material zu nahe gekommen und in wenigen Mi-
nuten ſtanden die geſamten Fabrikräume
in Flammen. Die Arbeiter konnten das Fa-
brikgebäude wegen der ſtarken Rauchentwicklung
nicht mehr verlaſſen. Vier Frauen und ſechs
Männer wurden in ohnmächtigem Zuſtande aus
den Flammen gerettet. Einem Feuerwehrmann
wurde durch eine zerſpringende Fenſterſcheibe die
Schlagader aufgeſchnitten; er wurde in bedenk-
lichem Zuſtande in das Krankenhaus gebracht.
Agram.
(Verurteilter Attentäter.)
Rajic, der vor einigen Monaten ein Atten-
tat gegen Paſic verübte, hat durch ſeinen
Anwalt beim Kaſſationsgericht die Nichtigkeits-
beſchwerde gegen das gefällte Urteil eingereicht.
Wie erinnerlich, wurde er zu 20 Jahren ſchweren
Kerkers verurteilt. Rajic wurde jetzt auf Grund
eines neueingeleiteten Verfahrens definitiv zu
18 Jahren Kerker verurteilt.
_
Letzte Telegramme.
Eine Erklärung der amerikaniſchen Sach-
verſtändigen.
Paris, 8. Januar.
Die beiden in Paris
eingetroffenen amerikaniſchen Re-
parations-Sachverſtändigen Da-
wes und Young haben dem „Matin“ eine
Erklärung zur Verfügung geſtellt, in der es
u. a. heißt: Wir werden an unſere Arbeit
mit dem brennenden Wunſche herangehen,
zuerſt einmal alle Tatſachen klarzuſtellen,
um dann ein Reſultat zu ſehen.
England und das franzöſiſch-tſchechiſche
Bündnis.
London, 8. Januar.
Zu dem bevorſtehen-
den Abſchluß des tſchechiſch-franzöſiſchen
Bündniſſes ſchreibt die „Morningpoſt“, daß
die Türkei ſicher ſehr gerne auch mit
Großbritannien zu einem ähnlichen
Abkommen gelangen würde und daß
Frankreich ſich einem ſolchen Plane keines-
wegs widerſetzen würde.
„Weſtminſter Gazette“ meldet, daß die
Kleine Entente die Möglichkeit einer Aus-
dehnung des franzöſiſch-tſchechiſchen Ver-
trages auf die geſamte Kleine Entente auf
ihrer Konferenz beſprechen werde. Ein ſol-
cher Vertrag hätte die Aufgabe, eine Ver-
bindung mit Rußland herzuſtellen, zumal da
in gewiſſen Kreiſen Frankreichs die Nei-
gung beſteht, die Sowjetregierung anzuer-
kennen.
Der ſinkende Franken.
Paris, 8. Januar.
Die Hoffnung auf einen
Umſchwung in der Bewertung des franzöſi-
ſchen Franken iſt ſehr gefallen. Der
Franken wurde heute früh mit 87,35, der
Dollar mit 20,35 notiert. Die öffentliche
Meinung Frankreichs wird durch dieſe Ent-
wicklung ſehr beunruhigt. Im heutigen Mi-
niſterrat wird der franzöſiſche Miniſter der
Finanzen Anträge einbringen, die auf eine
Unterbindung der Spekulation abzielen.
Die Einheitsliſte in Thüringen.
Weimar, 8. Januar.
(Tel.-Union.) Nach
längeren ſchwierigen Verhandlungen iſt es
gelungen, die Beratungen über die erſten
zehn Sitze der Einheitsliſte des Ord-
nungsbundes in den vier Wahlkreiſen des
Landes Thüringen zum Abſchluß zu bringen.
Kein Rücktritt des Frankfurter Ober-
bürgermeiſters.
* Frankfurt a. M., 8. Januar.
Die durch
die Preſſe gehende Nachricht von dem Rück-
tritt des Frankfurter Oberbürgermeiſters
Vogl iſt unrichtig. Es liegt eine Verwech-
ſlung mit dem gleichnamigen Bürgermeiſter
von Biebrich a. Rh. vor.
noch, in beträchtlicher Winterkälte, feſtſtellen, daß
die abendlichen Spaziergänger ſich nur ſehr un-
gern vom Donaukorſo trennen, von dem aus ſie
durch die Dunkelheit nach Ofen hinüber zu blicken
pflegen, mit den Augen ſich feſtklammernd an die
Umriſſe von Bergen und Burg und an die Strah-
lenkette der jenſeitigen Lichter. Solange es warm
war, bis tief in den November hinein, gab es da
auch einen Waldhorniſten, der auf der Donau in
traditioneller Schwermut ſeine Weiſen blies und
dem man eine Stunde lang ergriffen und koſten-
los zuhörte. Jetzt iſt es ihm zu zugig geworden,
ſchade. Aber mit den erſten Lerchen wird er wieder
anſchwirren, um das hübſche Abendmärchen zu
vervollſtändigen, und wird die Zahl der erfreu-
lichen Peſter ſteigern, deren Lebensgenuß monate-
lang in nichts anderem beſtand, als ſich Abend
für Abend ruhig und beglückt dem Märchen des
anderen Ufers hinzugeben.
Rimband in Abeſſynien.
Im „Corriere Italiano“ veröffentlicht Ardengo
Soffici, ein bekannter Schriftſteller und Maler,
ein intereſſantes Dokument, das in das Dunkel
jener Periode des Lebens Arthue Rimbauds, als
dieſer den Muſen untreu geworden, ſich dem
proſaiſchen Waffenhandel von Dſchibuti nach
Abeſſinien hingab, ein merkwürdiges Licht wirft.
Es iſt nämlich Soffici gelungen, einen der Zeu-
gen jener phantaſtiſchen nächtlichen Unterhaltun-
gen in Harrar, welche Paterne Berſchon in ſeiner
Biographie des Dichters ſo anſchaulich beſchreibt,
in dem italieniſchen Reiſenden Ugo Ferrandi aus-
findig zu machen. Durch Vermittlung eines ge-
meinſamen Bekannten erhielt er nun folgenden
Brief des italieniſchen Afrikaforſchers:
„Novara, 7. Auguſt 1923.
Lieber Freund und Kollege!
Glauben Sie nicht, ich hätte vergeſſen, die von
Ihnen gewünſchten Nachforſchungen über Rim-
baud in Afrika anzuſtellen, aber die Aufgabe iſt
ſchwieriger als ich dachte.
Ich finde die Notizen, die ich in Harrar machte,
zur Zeit, als ich mich dort zugleich mit dem gro-
ßen franzöſiſchen Dichter befand, nicht mehr; ſie
ſind mit vielen anderen Aufzeichnungen meiner
Reiſen durch den Schwarzen Erdteil verloren ge-
gangen. Ich lernte Rimbaud in Aden kennen ge-
gen Ende 1885 (wenn mein Gedächtnis mich nicht
täuſcht), als er von der franzöſiſchen Dankaliküſte
dorthin kam, um den Ankauf einer Karawane nach
dem Seivalande (Abeſſinien) abzuſchließen. Die
Karawane beſtand aus einer Ladung Gewehre
und gehörte einem Franzoſen, Labatut, der, weil
trank, in die Heimat verreiſte.
Gegen Mitte 1886 fand ich Rimbaud in Ta-
dſchura, da es ihm noch nicht möglich geweſen,
nach dem Innern abzureiſen. In Tadſchura be-
fand ſich damals auch die Karawane von Paul
Soleillet, dem bekannten Erforſcher der algeriſchen
Sahara, der krank nach Aden zurückkehrte, wo er
ſtarb. Die Karawane Soleillet und jene von
Franzoj — zu welcher ich gehörte — hatten ihre
Zelte in dem Palmenhain vor dem Dankalidorf
aufgeſchlagen, Rimbaud dagegen hatte in einer
Hütte des Dorfes ſeine Wohnung genommen. Er
ſtattete den verſchiedenen Lagern häufige Beſuche
ab, und bei allen herzlichen Beziehungen zu ſeinen
Landsleuten fand er ein beſonderes Gefallen an
unſerer Freundſchaft. Franzoj, ein bekannter
Journaliſt, war ein Freund franzöſiſcher und la-
teiniſcher Literatur (er las immer Horaz im Ori-
ginaltext) und hatte mit Rimbaud endloſe Dis-
kuſſionen über Literatur von den Romantikern
bis zu den Dekadenten. Ich hingegen beläſtigte
Rimbaud mit Fragen geographiſchen und iſlami-
tiſchen Inhalts. Rimbaud hatte nämlich einige
Jahre früher (während der arabiſchen Beſetzung
von Harrar) es mit den Ogader verſucht. Ein
Kenner des Arabiſchen erſter Güte, hielt er in
einer Hütte den eingeborenen Notabeln wahre
Vorträge über den Koran.
Hochgewachſen, dürr, mit an den Schläfen be-
reits ergrauten Haaren, europäiſch gekleidet, aber
auf eine ſehr ſummariſche Art: Weite Hoſen, ein
Trikot, eine ſehr bequeme Jacke von grauer Khaki-
farbe, trug er als Kopfbedeckung nur ein kleines
rundes, ebenfalls graues Käppchen, der Glutſonne
des Dankalilandes trotzend wie ein Eingeborener.
Trotzdem er ein Maultier beſaß, ritt er es auf
den Märſchen nie. Mit ſeiner Doppelbüchſe ging
er ſtets zu Fuß der Karawane voran ... Nach
mehrmonatigem Aufenthalt in Tadſchura mußte
ich das Dankaliland verlaſſen, und vernahm, daß
Rimbaud kurze Zeit darauf mit ſeiner Karawane
die Reiſe nach dem Schoalande fortſetzen konnte.
Das geſchah gegen Oktober 1886. Rimbaud gab
mir klare, knappe Aufſchlüſſe über Tadſchura, die
ich gerne mit einigen anderen Notizen hätte ver-
öffentlichen wollen — aber der Zufall geſtattete
es nicht. Ich habe noch einige Blätter der Notizen
von Rimbaud und, wenn Sie es wünſchen, werde
ich ſie Ihnen abſchreiben und ſenden ...“
„Ehre“.
Was hindert, uns des deus ex machina zu
erfreuen, auch wenn er nicht im geheimnisvollen
Symbolgewand moderner Problemdichtung, ſon-
dern im eleganten Pelzmantel eines lehrhaften
Grafen Traſt auftritt und, ſtatt die Fäden einer
lebloſen oder ungeſtalteten Idee in blutloſen
Händen zu halten, als ein Menſch von beneidens-
wert geſunden Maximen in eine reale Welt hin-
eingezaubert wird, um hier begriffsverwirrte Men-
ſchen zur Vernunft zu bringen. Zumal, wenn
ſolch ein Graf ſo vollkommen moderniſiert und
ganz ohne Vollbart erſcheint, wie Herr Wüſten-
hagen bei der Neueinſtudierung von Suder-
mans „Ehre“ im Schauſpielhaus. Das
Gefühl achſelzuckender Ueberlegenheit einem
Autor von ſo trefflichem, bühnenwirkſamen Kön-
nen gegenüber iſt nicht am Platz, ſolange die mo-
derne dramatiſche Dichtung nicht durch Taten von
wirklicher Ueberlegenheit dies rechtfertigt. Graf
Traſts Beweisart ſeiner Relativitätstheorie
mag im Zuſammenhang mit den heute „über-
wunden“ erſcheinenden „ſozialen Gegenſätzen“
veraltet ſein, ſie wirkt aber immer noch wie
in der guten alten Zeit — das hat der ſtürmiſche
Beifall des Publikums erwieſen, der auch der zum
Teil guten Darſtellung gegolten hat.
Leider waren Tempo und Zuſammenſpiel ſtel-
lenweiſe, beſonders zu Anfang, mangelhaft, aber
es war wieder ein Genuß, Herrn Raabe in der
Rolle des Alten, die er vor fünfundzwan-
zig Jahren ſchon ſpielte, zu ſehen. Auch Herr
Wüſtenhagen als Traſt und Fräulein
Tiedemann als Leonore begnügten ſich nicht
mit Schabloniſierung, wie es bei den meiſten
übrigen Darſtellern der Fall war. Fräulein
Borkmann als Berliner Pflanze war ganz
in ihrem Element, eine bedauerlich ſchwache Lei-
ſtung war der Robert des Herrn Rafael, der,
wenn er über ſein ewig ſeufzendes Weh und Ach
hinauskam, in Toberei verfiel. Daß Herr Hoch
den Schwager und Herr Rühmann den
Stengel ganz auf Komik einſtellten, war depla-
ziert. Man denkt dabei mit Wehmut an beſſere
Zeiten zurück .....
E. I.
Kleine Nachrichten.
Romantiſcher Abend.
Im 13. Volks-Symphonie-
Konzert, Freitag, 11. Januar 7½ Uhr, in
der Tonhalle wird unter Leitung von Dr.
Friedrich Munter aufgeführt:
1. Schubert: Fantaſie (f-moll) op. 103, in-
ſtrumentiert von Felix Mottl. 2. Schumann:
Klavier-Konzert (n-moll) op. 56. Soliſtin: Mar-
garethe Weber (Klavier). 3. Mendelsſohn:
Schottiſche Symphonie, op. 56.
Heute, Mittwoch, 9. Januar, Tonhalle
(7½ Uhr): Violinkonzert Eliſabeth Biſchoff.
am Klavier Profeſſor Heinrich Schwartz.
Bayeriſcher Hof (7½ Uhr): Heiterer Abend
Profeſſor Marcell Salzer.
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(2022-03-29T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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