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Allgemeine Zeitung, Nr. 9, 9. Januar 1872.

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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 9.
Dienstag, 9 Januar 1872.


Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.


Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.


[Spaltenumbruch]
Uebersicht.
Die Gemäldegallerie in Karlsruhe. Von A. Woltmann. -- Dr. Jacob Herz.
(Nekrolog.) -- Zu Friedrich Diez' fünfzigjährigem Jubiläum. -- Ohne Ge-
wissen. Roman von K. Heigel.
Neueste Posten. München: Die Meringer Beschwerde. Der Initiativan-
trag. Bukarest: Das Eisenbahngesetz.


Telegraphische Berichte.

Eine landesherrliche Verordnung verfügt eine
namhafte Reduction in der Justiz- und Verwaltungsorganisation. Aufgehoben
werden 4 Kreisgerichte, 13 Amtsgerichte und 7 Bezirksämter.


Sitzung des Abgeordnetenhauses. Richter
begründet die Interpellation, betr. die aus dem letzten Kriege vermißten Angehö-
rigen der preußischen Armee. Der Kriegsminister Graf Roon erklärt hierüber:
die Zahl der Vermißten von der Armee des Nordbundes, einschließlich der Baden-
ser, jedoch ohne das sächsische Corps, betrage derzeit 3241 Mann; hierin sind ein-
begriffen die nach Verlust der Necognitionsmarke Gefallenen, sowie ein großer
Theil der in der Gefangenschaft Verstorbenen. Der Kriegsminister erkennt an
daß unsere Gefangenen und Verwundeten theilweise mit schöner Humanität be-
handelt wurden, spricht aber gleichzeitig seinen Abscheu über die nachgewie-
sene bestialische Ermordung einiger derselben aus. Er sagt ferner: Die gepflo-
genen Nachforschungen haben ergeben daß in den Pyrenäen, auf der Insel Oleron
und in Algier keine Gefangenen existiren. In Algier waren überhaupt außer einigen
Matrosen keine deutschen Gefangenen. In Frankreich befinden sich nicht ganz
100 untransportirbare deutsche Verwundete, die wohlverpflegt und versorgt wer-
den. Es sei wenig Aussicht vorhanden daß ein Verlorengeglaubter wieder zurück-
kehre. Bezüglich der Frage der Todeserklärungen werde das Nöthige gethan werden.
Hiemit ist die Interpellation erledigt.


Der Präsident des Actionscomite's der Altkatholiken
hatte Audienz beim Cultusminister Stremayr, welcher versprach der kirchlichen Re-
formbewegung seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden.


Das heut ausgegebene Bulletin besagt: "Das Be-
finden des Prinzen ist vollständig zufriedenstellend. Die Genesung macht solche
Fortschritte daß vor Sonnabend kein Bulletin ausgegeben wird."


Graf Arnim überreicht morgen sein Beglaubigungs-
schreiben. Von den Ergänzungswahlen sind folgende Resultate bekannt: Nord-
Departement: Deregnaucourt und Dupont; Var-Departement: Cotte; Ardennes:
Robert; Basses-Pyrenees: Chesnelong.


Fernere Resultate der Ergänzungswahlen: Im Gard
wurde Laget (Republicaner), in der Somme Dauphin, in Pas de Calais Levert
(beide conservativ), in Oran (Algerien) Lambert und Jacques (beide Republi-
caner) gewählt.


Es heißt: das Ministerium habe sich bereit erklärt
bei Annahme des Eisenbahngesetzes von Seiten des Consortiums Bleichröder eine
Declaration zu Artikel 17 in dem von Bleichröder und Genossen gewünschten
Sinne zu erlassen.

Telegraphische Curs- und Handelsberichte s. vierte Seite.


Die Gemäldegallerie in Karlsruhe.

I.

* Als vor mehreren Monaten in der "Allg. Ztg." und dann auch in anderen
Organen gegen den projectirten Umbau des Schlosses in Bruchsal Einspruch er-
hoben wurde, da mußte man sich vor allem fragen: wie war es möglich daß ein sol-
cher Plan überhaupt auftauchen konnte, daß der künstlerische Werth dieses glänzen-
den Rococo-Palastes nicht längst bekannt und gewürdigt war? Und doch ist dieß
nicht der einzige Fall daß in Baden, diesem Lande voll Regsamkeit und lebendigen
Verkehrs, Schätze unbeachtet bleiben die dicht an der Heerstraße zu finden sind.
Wie wenige unter den architektonischen Monumenten der Vorzeit sind nach Gebühr
gewürdigt und publicirt! Aehnlich verhält es sich mit den öffentlichen Sammlun-
gen, der Kunsthalle in Karlsruhe, der Gallerie zu Mannheim, die bisher der Wis-
senschaft ebenso sehr wie dem einheimischen und dem reisenden Publicum fremd ge-
blieben sind. In Karlsruhe hat man höchstens einen Theil der Kunstschöpfungen
aus der Jetztzeit an Ort und Stelle gewürdigt, und auch nur von diesen hat man
auswärts gehört. Die paar Notizen welche Waagen im Kunstblatt von 1848
über einige ältere Gemälde gegeben hat sind vereinzelt, und wurden auf Grund
eines sehr flüchtigen Besuchs verfaßt.

Bei dem Zustand in welchem sich die Sammlung bisher befand, konnte das
auch kaum anders sein. Das Gebäude der Kunsthalle ist ein 1845 vollendeter
Prachtbau von Hübsch und in der That eines seiner edelsten Werke. Aber ob-
gleich das Treppenhaus großartig wirkt und die Räume der Gypsabgußsammlung
ihrem Zweck vortrefflich entsprechen, so läßt doch die Beleuchtung der Gemäldegallerie
viel zu wünschen übrig, und dazu kam eine Anordnung und Aufstellung der Samm-
lung die unter jeder Kritik war, eine Bildertaufe die über alle Gränzen gieng, eine höchst
ungenügende Pflege der Gemälde. Niemand empfand diese Uebelstände lebhafter
als der ausgezeichnete und verehrte Mann der jetzt die Stelle eines Galleriedirec-
[Spaltenumbruch] tors bekleidet, Karl Friedrich Lessing. Herberufen mit dem ausdrücklichen Zugeständ
niß daß ihm alles Geschäftliche so viel als möglich abgenommen werden solle, hatte
er von den Zuständen welche sich vorfanden keine Ahnung gehabt. Hier durchzu-
greifen konnte nicht die Aufgabe des schaffenden Künstlers sein. Hr. Director
Lessing begnügte sich damit einigen der schlimmsten Mißbräuche, dem Ankauf ganz
werthloser älterer Bilder, wie sie ehemals häufig vorgekommen waren, dem Firnissen
der Gemälde durch unkundige Hand, dem häufigen Versenden von Bildern vorzu-
beugen. Später, als ich nach Karlsruhe berufen wurde, forderte er mich gleich bei
meinem ersten Schritt über seine Schwelle auf: der Gallerie meine Aufmerksamkeit
zuzuwenden. Ich leistete um so eher Folge, als eine solche Thätigkeit mir bei der
Richtung meiner Studien lebhaftes Interesse gewährte. Und als dann die ersten
Schritte zu einer neuen Anordnung der Gallerie geschehen waren, ward dieser
Arbeit die allerhöchste Förderung Sr. k. Hoh. des Großherzogs zutheil.

Daß sich vorläufig die ungünstige Beleuchtung nicht ändern ließ, bereitete der
neuen Aufstellung um so größere Schwierigkeiten. Zunächst war ein zu hohes
Aufhängen zu vermeiden, weil in diesem Falle nicht nur die Entfernung der Bilder
vom Auge, sondern auch das Blendlicht sie ungenießbar machte. Eine streng kunst-
historische Anordnung war nicht erreichbar, dazu ist die Sammlung nicht umfang-
reich und nach den verschiedenen Richtungen nicht vollständig genug. Es kam
darauf an nur im großen und ganzen das Zusammengehörige zu vereinigen, die
Bilder des 19. Jahrhunderts consequent von den älteren, die ganz alterthümlichen
Werke von denen aus entwickelteren Perioden zu scheiden, die einzelnen Wände stets
zu einem harmonischen Ganzen zu machen, in welchem das bedeutendste von selbst
den Blick auf sich zieht und kein Mißklang stört. In welchem Maß eine Gallerie
bloß durch geänderte Aufstellung gewinnen, wie sie dadurch beinahe zu einer neuen
Sammlung werden kann, hat ja namentlich auch die Pinakothek in München, seit
Hr. Director Foltz in ihr schaltet, bewiesen.

Der Karlsruher Gallerie that aber vor allem auch Säuberung noth, das
ganz Untergeordnete mußte entfernt werden. Wenn in dem letzten Oberlichtsaale
früher die Mitte einer Wand durch acht sogenannte "Canaletto" eingenommen
war, von denen jetzt nur einer, als erträgliche Arbeit von Guardi, in der Gallerie
geduldet werden konnte, während die übrigen als fabrikmäßige Nachahmungen be-
seitigt werden mußten; wenn ferner dem herrlichen Bildniß Rembrandts gegen-
über ein Kopf van Dycks mit einer Sonnenblume, mittelmäßige Copie des bekann-
ten Kupferstiches, hieng, so war damit der Eindruck des ganzen Raumes verdorben,
wenn er auch daneben Meisterwerke enthielt. Während aber manches ausge-
schlossen wurde, fehlte es nicht an Ersatz. Aus dem Vorrath ließen sich einige alt-
deutsche Bilder von Werth an Stelle verschiedener falschen "Dürer" einreihen. Ein
paar Gemälde, darunter französische Bilder ersten Rangs, die 1865 einem da-
maligen Minister zur Decoration seiner Empfangszimmer bewilligt worden waren,
kamen in die Gallerie der sie gehörten zurück. Endlich wurden dieser durch die
Huld des Großherzogs einige Bilder aus höchstem Privatbesitze zur Aufstellung
überwiesen.

Sodann geschah in den Jahren 1870 und 1871 viel für die Conservirung
und Herstellung der Kunstwerke. Dieß war der Punkt auf welchen Hr. Director
Lessing mit Recht das Hauptgewicht legte. Zahlreiche Bilder, welche längst darauf
warteten, wurden gefirnißt; viele, deren Fehler in Trübung des Firnisses bestand,
wurden regenerirt. Noch größer war aber die Zahl derjenigen Gemälde bei
welchen die Regeneration von keinem Nutzen sein konnte, sondern Abnahme des
Firnisses, Beseitigung früherer Uebermalungen nothwendig waren. Diese Arbeiten
wurden von den HH. E. v. Huber und A. Sesar, theils an Ort und Stelle, theils,
wenn größere Restaurationen zu machen waren, an ihrem Wohnsitz Augsburg,
ebenso gewissenhaft wie vorzüglich durchgeführt und sollen in den nächsten Jahren
fortgesetzt werden.

Völlig freie Hand wurde mir endlich bei der Bestimmung der älteren Ge-
mälde gelassen, von denen mehr als ein Drittel anders benannt werden mußte.
An Stelle der früheren sehr plumpen Schilder mit Namen, welche gewöhnlich eine
Verunstaltung des Rahmens waren, beginnen neue geschmackvolle Täfelchen zu
treten, nach dem Muster derjenigen in der Gallerie Suermondt, deren Proben der
Eigenthümer mir freundlich übersendet hatte. Jetzt besteht das alte Unwesen nur
noch an einer Stelle fort, wo man es auch nicht mehr dulden sollte, im Kata-
log. Der Mißbrauch der mit großen Namen getrieben wurde gieng über jeden
Begriff. Außerdem wurden aber nicht nur die Irrthümer begangen die verzeihlich
waren, wenn man sich vorstellt daß hier früher keine Prüfung durch einen Fachmann
stattgefunden hatte, sondern es waren auch die Inschriften auf den Gemälden selbst
nicht einmal zu Rathe gezogen worden. Wo Verwechselungen irgend möglich wa-
ren, hatte man sie gemacht, z. B. zwei bezeichnete Bilder des Willem van Aelft dem
Evert van Aelst zugeschrieben, ebenso ein Bild des Willem van Mieris, trotz der
Namensbezeichnung, Frans van Mieris getauft. Daß man neben mehreren echten
Chardin ein holländisches Stillleben mit demselben Namen belegen konnte, war
schon ein seltsamer Mißgriff, aber noch schlimmer wird er dadurch daß auf diesem
Gemälde deutlich der Namen Heda stand. Und noch mehr: das auf den ersten
Blick als solches kenntliche Gegenstück desselben führte einen zweiten falschen Na-
men: J. D. de Heem. Diesem großen Meister aber waren, neben seinen eigenen
Arbeiten, noch solche von vier andern Künstlern zugeschrieben, von seinem Sohne
Cornelius de Heem, von Heda, Desportes und Everbroeck. Zu dem Bilde des letz-
tern, dem diese Ehre widerfahren, ist noch ein Gegenstück da, aber dieses galt für
Mignon. Von der fehlerhaften Orthographie in den Künstlernamen (z. B., Cimo da

Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 9.
Dienſtag, 9 Januar 1872.


Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.


Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.


[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.
Die Gemäldegallerie in Karlsruhe. Von A. Woltmann. — Dr. Jacob Herz.
(Nekrolog.) — Zu Friedrich Diez’ fünfzigjährigem Jubiläum. — Ohne Ge-
wiſſen. Roman von K. Heigel.
Neueſte Poſten. München: Die Meringer Beſchwerde. Der Initiativan-
trag. Bukareſt: Das Eiſenbahngeſetz.


Telegraphiſche Berichte.

Eine landesherrliche Verordnung verfügt eine
namhafte Reduction in der Juſtiz- und Verwaltungsorganiſation. Aufgehoben
werden 4 Kreisgerichte, 13 Amtsgerichte und 7 Bezirksämter.


Sitzung des Abgeordnetenhauſes. Richter
begründet die Interpellation, betr. die aus dem letzten Kriege vermißten Angehö-
rigen der preußiſchen Armee. Der Kriegsminiſter Graf Roon erklärt hierüber:
die Zahl der Vermißten von der Armee des Nordbundes, einſchließlich der Baden-
ſer, jedoch ohne das ſächſiſche Corps, betrage derzeit 3241 Mann; hierin ſind ein-
begriffen die nach Verluſt der Necognitionsmarke Gefallenen, ſowie ein großer
Theil der in der Gefangenſchaft Verſtorbenen. Der Kriegsminiſter erkennt an
daß unſere Gefangenen und Verwundeten theilweiſe mit ſchöner Humanität be-
handelt wurden, ſpricht aber gleichzeitig ſeinen Abſcheu über die nachgewie-
ſene beſtialiſche Ermordung einiger derſelben aus. Er ſagt ferner: Die gepflo-
genen Nachforſchungen haben ergeben daß in den Pyrenäen, auf der Inſel Oleron
und in Algier keine Gefangenen exiſtiren. In Algier waren überhaupt außer einigen
Matroſen keine deutſchen Gefangenen. In Frankreich befinden ſich nicht ganz
100 untransportirbare deutſche Verwundete, die wohlverpflegt und verſorgt wer-
den. Es ſei wenig Ausſicht vorhanden daß ein Verlorengeglaubter wieder zurück-
kehre. Bezüglich der Frage der Todeserklärungen werde das Nöthige gethan werden.
Hiemit iſt die Interpellation erledigt.


Der Präſident des Actionscomité’s der Altkatholiken
hatte Audienz beim Cultusminiſter Stremayr, welcher verſprach der kirchlichen Re-
formbewegung ſeine volle Aufmerkſamkeit zuzuwenden.


Das heut ausgegebene Bulletin beſagt: „Das Be-
finden des Prinzen iſt vollſtändig zufriedenſtellend. Die Geneſung macht ſolche
Fortſchritte daß vor Sonnabend kein Bulletin ausgegeben wird.“


Graf Arnim überreicht morgen ſein Beglaubigungs-
ſchreiben. Von den Ergänzungswahlen ſind folgende Reſultate bekannt: Nord-
Departement: Deregnaucourt und Dupont; Var-Departement: Cotte; Ardennes:
Robert; Baſſes-Pyrenées: Chesnelong.


Fernere Reſultate der Ergänzungswahlen: Im Gard
wurde Laget (Republicaner), in der Somme Dauphin, in Pas de Calais Levert
(beide conſervativ), in Oran (Algerien) Lambert und Jacques (beide Republi-
caner) gewählt.


Es heißt: das Miniſterium habe ſich bereit erklärt
bei Annahme des Eiſenbahngeſetzes von Seiten des Conſortiums Bleichröder eine
Declaration zu Artikel 17 in dem von Bleichröder und Genoſſen gewünſchten
Sinne zu erlaſſen.

Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte ſ. vierte Seite.


Die Gemäldegallerie in Karlsruhe.

I.

* Als vor mehreren Monaten in der „Allg. Ztg.“ und dann auch in anderen
Organen gegen den projectirten Umbau des Schloſſes in Bruchſal Einſpruch er-
hoben wurde, da mußte man ſich vor allem fragen: wie war es möglich daß ein ſol-
cher Plan überhaupt auftauchen konnte, daß der künſtleriſche Werth dieſes glänzen-
den Rococo-Palaſtes nicht längſt bekannt und gewürdigt war? Und doch iſt dieß
nicht der einzige Fall daß in Baden, dieſem Lande voll Regſamkeit und lebendigen
Verkehrs, Schätze unbeachtet bleiben die dicht an der Heerſtraße zu finden ſind.
Wie wenige unter den architektoniſchen Monumenten der Vorzeit ſind nach Gebühr
gewürdigt und publicirt! Aehnlich verhält es ſich mit den öffentlichen Sammlun-
gen, der Kunſthalle in Karlsruhe, der Gallerie zu Mannheim, die bisher der Wiſ-
ſenſchaft ebenſo ſehr wie dem einheimiſchen und dem reiſenden Publicum fremd ge-
blieben ſind. In Karlsruhe hat man höchſtens einen Theil der Kunſtſchöpfungen
aus der Jetztzeit an Ort und Stelle gewürdigt, und auch nur von dieſen hat man
auswärts gehört. Die paar Notizen welche Waagen im Kunſtblatt von 1848
über einige ältere Gemälde gegeben hat ſind vereinzelt, und wurden auf Grund
eines ſehr flüchtigen Beſuchs verfaßt.

Bei dem Zuſtand in welchem ſich die Sammlung bisher befand, konnte das
auch kaum anders ſein. Das Gebäude der Kunſthalle iſt ein 1845 vollendeter
Prachtbau von Hübſch und in der That eines ſeiner edelſten Werke. Aber ob-
gleich das Treppenhaus großartig wirkt und die Räume der Gypsabgußſammlung
ihrem Zweck vortrefflich entſprechen, ſo läßt doch die Beleuchtung der Gemäldegallerie
viel zu wünſchen übrig, und dazu kam eine Anordnung und Aufſtellung der Samm-
lung die unter jeder Kritik war, eine Bildertaufe die über alle Gränzen gieng, eine höchſt
ungenügende Pflege der Gemälde. Niemand empfand dieſe Uebelſtände lebhafter
als der ausgezeichnete und verehrte Mann der jetzt die Stelle eines Galleriedirec-
[Spaltenumbruch] tors bekleidet, Karl Friedrich Leſſing. Herberufen mit dem ausdrücklichen Zugeſtänd
niß daß ihm alles Geſchäftliche ſo viel als möglich abgenommen werden ſolle, hatte
er von den Zuſtänden welche ſich vorfanden keine Ahnung gehabt. Hier durchzu-
greifen konnte nicht die Aufgabe des ſchaffenden Künſtlers ſein. Hr. Director
Leſſing begnügte ſich damit einigen der ſchlimmſten Mißbräuche, dem Ankauf ganz
werthloſer älterer Bilder, wie ſie ehemals häufig vorgekommen waren, dem Firniſſen
der Gemälde durch unkundige Hand, dem häufigen Verſenden von Bildern vorzu-
beugen. Später, als ich nach Karlsruhe berufen wurde, forderte er mich gleich bei
meinem erſten Schritt über ſeine Schwelle auf: der Gallerie meine Aufmerkſamkeit
zuzuwenden. Ich leiſtete um ſo eher Folge, als eine ſolche Thätigkeit mir bei der
Richtung meiner Studien lebhaftes Intereſſe gewährte. Und als dann die erſten
Schritte zu einer neuen Anordnung der Gallerie geſchehen waren, ward dieſer
Arbeit die allerhöchſte Förderung Sr. k. Hoh. des Großherzogs zutheil.

Daß ſich vorläufig die ungünſtige Beleuchtung nicht ändern ließ, bereitete der
neuen Aufſtellung um ſo größere Schwierigkeiten. Zunächſt war ein zu hohes
Aufhängen zu vermeiden, weil in dieſem Falle nicht nur die Entfernung der Bilder
vom Auge, ſondern auch das Blendlicht ſie ungenießbar machte. Eine ſtreng kunſt-
hiſtoriſche Anordnung war nicht erreichbar, dazu iſt die Sammlung nicht umfang-
reich und nach den verſchiedenen Richtungen nicht vollſtändig genug. Es kam
darauf an nur im großen und ganzen das Zuſammengehörige zu vereinigen, die
Bilder des 19. Jahrhunderts conſequent von den älteren, die ganz alterthümlichen
Werke von denen aus entwickelteren Perioden zu ſcheiden, die einzelnen Wände ſtets
zu einem harmoniſchen Ganzen zu machen, in welchem das bedeutendſte von ſelbſt
den Blick auf ſich zieht und kein Mißklang ſtört. In welchem Maß eine Gallerie
bloß durch geänderte Aufſtellung gewinnen, wie ſie dadurch beinahe zu einer neuen
Sammlung werden kann, hat ja namentlich auch die Pinakothek in München, ſeit
Hr. Director Foltz in ihr ſchaltet, bewieſen.

Der Karlsruher Gallerie that aber vor allem auch Säuberung noth, das
ganz Untergeordnete mußte entfernt werden. Wenn in dem letzten Oberlichtſaale
früher die Mitte einer Wand durch acht ſogenannte „Canaletto“ eingenommen
war, von denen jetzt nur einer, als erträgliche Arbeit von Guardi, in der Gallerie
geduldet werden konnte, während die übrigen als fabrikmäßige Nachahmungen be-
ſeitigt werden mußten; wenn ferner dem herrlichen Bildniß Rembrandts gegen-
über ein Kopf van Dycks mit einer Sonnenblume, mittelmäßige Copie des bekann-
ten Kupferſtiches, hieng, ſo war damit der Eindruck des ganzen Raumes verdorben,
wenn er auch daneben Meiſterwerke enthielt. Während aber manches ausge-
ſchloſſen wurde, fehlte es nicht an Erſatz. Aus dem Vorrath ließen ſich einige alt-
deutſche Bilder von Werth an Stelle verſchiedener falſchen „Dürer“ einreihen. Ein
paar Gemälde, darunter franzöſiſche Bilder erſten Rangs, die 1865 einem da-
maligen Miniſter zur Decoration ſeiner Empfangszimmer bewilligt worden waren,
kamen in die Gallerie der ſie gehörten zurück. Endlich wurden dieſer durch die
Huld des Großherzogs einige Bilder aus höchſtem Privatbeſitze zur Aufſtellung
überwieſen.

Sodann geſchah in den Jahren 1870 und 1871 viel für die Conſervirung
und Herſtellung der Kunſtwerke. Dieß war der Punkt auf welchen Hr. Director
Leſſing mit Recht das Hauptgewicht legte. Zahlreiche Bilder, welche längſt darauf
warteten, wurden gefirnißt; viele, deren Fehler in Trübung des Firniſſes beſtand,
wurden regenerirt. Noch größer war aber die Zahl derjenigen Gemälde bei
welchen die Regeneration von keinem Nutzen ſein konnte, ſondern Abnahme des
Firniſſes, Beſeitigung früherer Uebermalungen nothwendig waren. Dieſe Arbeiten
wurden von den HH. E. v. Huber und A. Seſar, theils an Ort und Stelle, theils,
wenn größere Reſtaurationen zu machen waren, an ihrem Wohnſitz Augsburg,
ebenſo gewiſſenhaft wie vorzüglich durchgeführt und ſollen in den nächſten Jahren
fortgeſetzt werden.

Völlig freie Hand wurde mir endlich bei der Beſtimmung der älteren Ge-
mälde gelaſſen, von denen mehr als ein Drittel anders benannt werden mußte.
An Stelle der früheren ſehr plumpen Schilder mit Namen, welche gewöhnlich eine
Verunſtaltung des Rahmens waren, beginnen neue geſchmackvolle Täfelchen zu
treten, nach dem Muſter derjenigen in der Gallerie Suermondt, deren Proben der
Eigenthümer mir freundlich überſendet hatte. Jetzt beſteht das alte Unweſen nur
noch an einer Stelle fort, wo man es auch nicht mehr dulden ſollte, im Kata-
log. Der Mißbrauch der mit großen Namen getrieben wurde gieng über jeden
Begriff. Außerdem wurden aber nicht nur die Irrthümer begangen die verzeihlich
waren, wenn man ſich vorſtellt daß hier früher keine Prüfung durch einen Fachmann
ſtattgefunden hatte, ſondern es waren auch die Inſchriften auf den Gemälden ſelbſt
nicht einmal zu Rathe gezogen worden. Wo Verwechſelungen irgend möglich wa-
ren, hatte man ſie gemacht, z. B. zwei bezeichnete Bilder des Willem van Aelft dem
Evert van Aelſt zugeſchrieben, ebenſo ein Bild des Willem van Mieris, trotz der
Namensbezeichnung, Frans van Mieris getauft. Daß man neben mehreren echten
Chardin ein holländiſches Stillleben mit demſelben Namen belegen konnte, war
ſchon ein ſeltſamer Mißgriff, aber noch ſchlimmer wird er dadurch daß auf dieſem
Gemälde deutlich der Namen Heda ſtand. Und noch mehr: das auf den erſten
Blick als ſolches kenntliche Gegenſtück desſelben führte einen zweiten falſchen Na-
men: J. D. de Heem. Dieſem großen Meiſter aber waren, neben ſeinen eigenen
Arbeiten, noch ſolche von vier andern Künſtlern zugeſchrieben, von ſeinem Sohne
Cornelius de Heem, von Heda, Desportes und Everbroeck. Zu dem Bilde des letz-
tern, dem dieſe Ehre widerfahren, iſt noch ein Gegenſtück da, aber dieſes galt für
Mignon. Von der fehlerhaften Orthographie in den Künſtlernamen (z. B., Cimo da

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[0009] Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nr. 9. Dienſtag, 9 Januar 1872. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif. Ueberſicht. Die Gemäldegallerie in Karlsruhe. Von A. Woltmann. — Dr. Jacob Herz. (Nekrolog.) — Zu Friedrich Diez’ fünfzigjährigem Jubiläum. — Ohne Ge- wiſſen. Roman von K. Heigel. Neueſte Poſten. München: Die Meringer Beſchwerde. Der Initiativan- trag. Bukareſt: Das Eiſenbahngeſetz. Telegraphiſche Berichte. * Karlsruhe, 8 Jan. Eine landesherrliche Verordnung verfügt eine namhafte Reduction in der Juſtiz- und Verwaltungsorganiſation. Aufgehoben werden 4 Kreisgerichte, 13 Amtsgerichte und 7 Bezirksämter. (*) Berlin, 8 Jan. Sitzung des Abgeordnetenhauſes. Richter begründet die Interpellation, betr. die aus dem letzten Kriege vermißten Angehö- rigen der preußiſchen Armee. Der Kriegsminiſter Graf Roon erklärt hierüber: die Zahl der Vermißten von der Armee des Nordbundes, einſchließlich der Baden- ſer, jedoch ohne das ſächſiſche Corps, betrage derzeit 3241 Mann; hierin ſind ein- begriffen die nach Verluſt der Necognitionsmarke Gefallenen, ſowie ein großer Theil der in der Gefangenſchaft Verſtorbenen. Der Kriegsminiſter erkennt an daß unſere Gefangenen und Verwundeten theilweiſe mit ſchöner Humanität be- handelt wurden, ſpricht aber gleichzeitig ſeinen Abſcheu über die nachgewie- ſene beſtialiſche Ermordung einiger derſelben aus. Er ſagt ferner: Die gepflo- genen Nachforſchungen haben ergeben daß in den Pyrenäen, auf der Inſel Oleron und in Algier keine Gefangenen exiſtiren. In Algier waren überhaupt außer einigen Matroſen keine deutſchen Gefangenen. In Frankreich befinden ſich nicht ganz 100 untransportirbare deutſche Verwundete, die wohlverpflegt und verſorgt wer- den. Es ſei wenig Ausſicht vorhanden daß ein Verlorengeglaubter wieder zurück- kehre. 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Fernere Reſultate der Ergänzungswahlen: Im Gard wurde Laget (Republicaner), in der Somme Dauphin, in Pas de Calais Levert (beide conſervativ), in Oran (Algerien) Lambert und Jacques (beide Republi- caner) gewählt. (*) Bukareſt, 8 Jan. Es heißt: das Miniſterium habe ſich bereit erklärt bei Annahme des Eiſenbahngeſetzes von Seiten des Conſortiums Bleichröder eine Declaration zu Artikel 17 in dem von Bleichröder und Genoſſen gewünſchten Sinne zu erlaſſen. Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte ſ. vierte Seite. Die Gemäldegallerie in Karlsruhe. Von Alfred Woltmann. I. * Als vor mehreren Monaten in der „Allg. Ztg.“ und dann auch in anderen Organen gegen den projectirten Umbau des Schloſſes in Bruchſal Einſpruch er- hoben wurde, da mußte man ſich vor allem fragen: wie war es möglich daß ein ſol- cher Plan überhaupt auftauchen konnte, daß der künſtleriſche Werth dieſes glänzen- den Rococo-Palaſtes nicht längſt bekannt und gewürdigt war? Und doch iſt dieß nicht der einzige Fall daß in Baden, dieſem Lande voll Regſamkeit und lebendigen Verkehrs, Schätze unbeachtet bleiben die dicht an der Heerſtraße zu finden ſind. Wie wenige unter den architektoniſchen Monumenten der Vorzeit ſind nach Gebühr gewürdigt und publicirt! Aehnlich verhält es ſich mit den öffentlichen Sammlun- gen, der Kunſthalle in Karlsruhe, der Gallerie zu Mannheim, die bisher der Wiſ- ſenſchaft ebenſo ſehr wie dem einheimiſchen und dem reiſenden Publicum fremd ge- blieben ſind. In Karlsruhe hat man höchſtens einen Theil der Kunſtſchöpfungen aus der Jetztzeit an Ort und Stelle gewürdigt, und auch nur von dieſen hat man auswärts gehört. Die paar Notizen welche Waagen im Kunſtblatt von 1848 über einige ältere Gemälde gegeben hat ſind vereinzelt, und wurden auf Grund eines ſehr flüchtigen Beſuchs verfaßt. Bei dem Zuſtand in welchem ſich die Sammlung bisher befand, konnte das auch kaum anders ſein. Das Gebäude der Kunſthalle iſt ein 1845 vollendeter Prachtbau von Hübſch und in der That eines ſeiner edelſten Werke. Aber ob- gleich das Treppenhaus großartig wirkt und die Räume der Gypsabgußſammlung ihrem Zweck vortrefflich entſprechen, ſo läßt doch die Beleuchtung der Gemäldegallerie viel zu wünſchen übrig, und dazu kam eine Anordnung und Aufſtellung der Samm- lung die unter jeder Kritik war, eine Bildertaufe die über alle Gränzen gieng, eine höchſt ungenügende Pflege der Gemälde. Niemand empfand dieſe Uebelſtände lebhafter als der ausgezeichnete und verehrte Mann der jetzt die Stelle eines Galleriedirec- tors bekleidet, Karl Friedrich Leſſing. Herberufen mit dem ausdrücklichen Zugeſtänd niß daß ihm alles Geſchäftliche ſo viel als möglich abgenommen werden ſolle, hatte er von den Zuſtänden welche ſich vorfanden keine Ahnung gehabt. Hier durchzu- greifen konnte nicht die Aufgabe des ſchaffenden Künſtlers ſein. Hr. Director Leſſing begnügte ſich damit einigen der ſchlimmſten Mißbräuche, dem Ankauf ganz werthloſer älterer Bilder, wie ſie ehemals häufig vorgekommen waren, dem Firniſſen der Gemälde durch unkundige Hand, dem häufigen Verſenden von Bildern vorzu- beugen. Später, als ich nach Karlsruhe berufen wurde, forderte er mich gleich bei meinem erſten Schritt über ſeine Schwelle auf: der Gallerie meine Aufmerkſamkeit zuzuwenden. Ich leiſtete um ſo eher Folge, als eine ſolche Thätigkeit mir bei der Richtung meiner Studien lebhaftes Intereſſe gewährte. Und als dann die erſten Schritte zu einer neuen Anordnung der Gallerie geſchehen waren, ward dieſer Arbeit die allerhöchſte Förderung Sr. k. Hoh. des Großherzogs zutheil. Daß ſich vorläufig die ungünſtige Beleuchtung nicht ändern ließ, bereitete der neuen Aufſtellung um ſo größere Schwierigkeiten. Zunächſt war ein zu hohes Aufhängen zu vermeiden, weil in dieſem Falle nicht nur die Entfernung der Bilder vom Auge, ſondern auch das Blendlicht ſie ungenießbar machte. Eine ſtreng kunſt- hiſtoriſche Anordnung war nicht erreichbar, dazu iſt die Sammlung nicht umfang- reich und nach den verſchiedenen Richtungen nicht vollſtändig genug. Es kam darauf an nur im großen und ganzen das Zuſammengehörige zu vereinigen, die Bilder des 19. Jahrhunderts conſequent von den älteren, die ganz alterthümlichen Werke von denen aus entwickelteren Perioden zu ſcheiden, die einzelnen Wände ſtets zu einem harmoniſchen Ganzen zu machen, in welchem das bedeutendſte von ſelbſt den Blick auf ſich zieht und kein Mißklang ſtört. In welchem Maß eine Gallerie bloß durch geänderte Aufſtellung gewinnen, wie ſie dadurch beinahe zu einer neuen Sammlung werden kann, hat ja namentlich auch die Pinakothek in München, ſeit Hr. Director Foltz in ihr ſchaltet, bewieſen. Der Karlsruher Gallerie that aber vor allem auch Säuberung noth, das ganz Untergeordnete mußte entfernt werden. Wenn in dem letzten Oberlichtſaale früher die Mitte einer Wand durch acht ſogenannte „Canaletto“ eingenommen war, von denen jetzt nur einer, als erträgliche Arbeit von Guardi, in der Gallerie geduldet werden konnte, während die übrigen als fabrikmäßige Nachahmungen be- ſeitigt werden mußten; wenn ferner dem herrlichen Bildniß Rembrandts gegen- über ein Kopf van Dycks mit einer Sonnenblume, mittelmäßige Copie des bekann- ten Kupferſtiches, hieng, ſo war damit der Eindruck des ganzen Raumes verdorben, wenn er auch daneben Meiſterwerke enthielt. Während aber manches ausge- ſchloſſen wurde, fehlte es nicht an Erſatz. Aus dem Vorrath ließen ſich einige alt- deutſche Bilder von Werth an Stelle verſchiedener falſchen „Dürer“ einreihen. Ein paar Gemälde, darunter franzöſiſche Bilder erſten Rangs, die 1865 einem da- maligen Miniſter zur Decoration ſeiner Empfangszimmer bewilligt worden waren, kamen in die Gallerie der ſie gehörten zurück. Endlich wurden dieſer durch die Huld des Großherzogs einige Bilder aus höchſtem Privatbeſitze zur Aufſtellung überwieſen. Sodann geſchah in den Jahren 1870 und 1871 viel für die Conſervirung und Herſtellung der Kunſtwerke. Dieß war der Punkt auf welchen Hr. Director Leſſing mit Recht das Hauptgewicht legte. Zahlreiche Bilder, welche längſt darauf warteten, wurden gefirnißt; viele, deren Fehler in Trübung des Firniſſes beſtand, wurden regenerirt. Noch größer war aber die Zahl derjenigen Gemälde bei welchen die Regeneration von keinem Nutzen ſein konnte, ſondern Abnahme des Firniſſes, Beſeitigung früherer Uebermalungen nothwendig waren. Dieſe Arbeiten wurden von den HH. E. v. Huber und A. Seſar, theils an Ort und Stelle, theils, wenn größere Reſtaurationen zu machen waren, an ihrem Wohnſitz Augsburg, ebenſo gewiſſenhaft wie vorzüglich durchgeführt und ſollen in den nächſten Jahren fortgeſetzt werden. Völlig freie Hand wurde mir endlich bei der Beſtimmung der älteren Ge- mälde gelaſſen, von denen mehr als ein Drittel anders benannt werden mußte. An Stelle der früheren ſehr plumpen Schilder mit Namen, welche gewöhnlich eine Verunſtaltung des Rahmens waren, beginnen neue geſchmackvolle Täfelchen zu treten, nach dem Muſter derjenigen in der Gallerie Suermondt, deren Proben der Eigenthümer mir freundlich überſendet hatte. Jetzt beſteht das alte Unweſen nur noch an einer Stelle fort, wo man es auch nicht mehr dulden ſollte, im Kata- log. Der Mißbrauch der mit großen Namen getrieben wurde gieng über jeden Begriff. Außerdem wurden aber nicht nur die Irrthümer begangen die verzeihlich waren, wenn man ſich vorſtellt daß hier früher keine Prüfung durch einen Fachmann ſtattgefunden hatte, ſondern es waren auch die Inſchriften auf den Gemälden ſelbſt nicht einmal zu Rathe gezogen worden. Wo Verwechſelungen irgend möglich wa- ren, hatte man ſie gemacht, z. B. zwei bezeichnete Bilder des Willem van Aelft dem Evert van Aelſt zugeſchrieben, ebenſo ein Bild des Willem van Mieris, trotz der Namensbezeichnung, Frans van Mieris getauft. Daß man neben mehreren echten Chardin ein holländiſches Stillleben mit demſelben Namen belegen konnte, war ſchon ein ſeltſamer Mißgriff, aber noch ſchlimmer wird er dadurch daß auf dieſem Gemälde deutlich der Namen Heda ſtand. Und noch mehr: das auf den erſten Blick als ſolches kenntliche Gegenſtück desſelben führte einen zweiten falſchen Na- men: J. D. de Heem. Dieſem großen Meiſter aber waren, neben ſeinen eigenen Arbeiten, noch ſolche von vier andern Künſtlern zugeſchrieben, von ſeinem Sohne Cornelius de Heem, von Heda, Desportes und Everbroeck. Zu dem Bilde des letz- tern, dem dieſe Ehre widerfahren, iſt noch ein Gegenſtück da, aber dieſes galt für Mignon. Von der fehlerhaften Orthographie in den Künſtlernamen (z. B., Cimo da

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 9, 9. Januar 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine09_1872/9>, abgerufen am 21.11.2024.