Allgemeine Zeitung, Nr. 100, 10. April 1849.[Spaltenumbruch]
S. Marco weht bereits dreifarbig geschmückt aus den Fenstern der Bot- ^ Rom, 31 März. Die piemontesischen Niederlagen mußten na- * Rom, 31 März. Gestern Nacht durchzog ein Haufe Lärmender O Das Triumvirat in Rom hat sich dem Volk durch ein Proclam "Bürger! Brüder! Gewählt von der republicanischen con- von Guerrazzi, dem toscanischen Dictator: "An die Gränze! An die Gränze! Auf! toscanische Jugend vertheidige dein Vaterland. Nichts leichter als Vertheidigung! Die Wildnisse, Schluchten, Baumstümpfe, Blöcke decken uns und hindern den Feind, wenn er es wagen sollte in unsere Berge einzudringen. Denkt daran daß selbst die Bestie ihre Höhle vertheidigt, willst du Blüthe Toscana's, willst du dem Thiere nach- stehen? Zur Gränze! Zur Gränze!" Und so weiter, und so weiter! Wer das so täglich liest und dabei erfährt wie die Listen der freiwilligen Con- scription von der gioventu Toscana so leer gelassen werden, wie die Italiener ohne den Muth ihr Leben zu wagen -- das ließe sich vielleicht verzeihen -- nicht einmal so viel Begeisterung haben für ihre Sache die Gelder zu schaffen, dem fällt bei den dictatorischen Ergießungen die Apo- strophe des kühnen Abenteurers ein: Das ist ein Trumpf: Das paßt auf die republicanischen Theaterhelden, als wäre es ein paar h Hauptquartier Novara, 28 März. (Durch Zufall verspä- tet.) Gestern Nachmittag traf die Deputation hier ein welche, von der h Mailand, 1 April. Heute Morgen hat uns die Deputation des [Spaltenumbruch]
S. Marco weht bereits dreifarbig geſchmückt aus den Fenſtern der Bot- △ Rom, 31 März. Die piemonteſiſchen Niederlagen mußten na- * Rom, 31 März. Geſtern Nacht durchzog ein Haufe Lärmender O Das Triumvirat in Rom hat ſich dem Volk durch ein Proclam „Bürger! Brüder! Gewählt von der republicaniſchen con- von Guerrazzi, dem toscaniſchen Dictator: „An die Gränze! An die Gränze! Auf! toscaniſche Jugend vertheidige dein Vaterland. Nichts leichter als Vertheidigung! Die Wildniſſe, Schluchten, Baumſtümpfe, Blöcke decken uns und hindern den Feind, wenn er es wagen ſollte in unſere Berge einzudringen. Denkt daran daß ſelbſt die Beſtie ihre Höhle vertheidigt, willſt du Blüthe Toscana’s, willſt du dem Thiere nach- ſtehen? Zur Gränze! Zur Gränze!“ Und ſo weiter, und ſo weiter! Wer das ſo täglich liest und dabei erfährt wie die Liſten der freiwilligen Con- ſcription von der gioventù Toscana ſo leer gelaſſen werden, wie die Italiener ohne den Muth ihr Leben zu wagen — das ließe ſich vielleicht verzeihen — nicht einmal ſo viel Begeiſterung haben für ihre Sache die Gelder zu ſchaffen, dem fällt bei den dictatoriſchen Ergießungen die Apo- ſtrophe des kühnen Abenteurers ein: Das iſt ein Trumpf: Das paßt auf die republicaniſchen Theaterhelden, als wäre es ein paar h Hauptquartier Novara, 28 März. (Durch Zufall verſpä- tet.) Geſtern Nachmittag traf die Deputation hier ein welche, von der h Mailand, 1 April. Heute Morgen hat uns die Deputation des <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1531"/><cb/> S. 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Dieß mag eine der vielen, nicht eben ſüßen Täuſchungen ſeyn welche<lb/> Italien ſo heruntergebracht haben, und von denen man in der That ſelbſt<lb/> ganz gewiegte, in allen übrigen Dingen vernünftige Leute umfangen ſieht.<lb/> Weit lächerlicher iſt dagegen die andere ebenfalls als Troſtgrund vorge-<lb/> brachte Verſicherung daß ganz Italien den Oeſterreichern Haß geſchworen<lb/> habe, während in dieſem Augenblick wenigſteus im Kirchenſtaat gerade<lb/> das Umgekehrte behauptet werden kann. Sieben Zehntel der Geſammtbe-<lb/> völkerung des Kirchenſtaates ſehnen ſich nach threm lange erhofften Er-<lb/> ſcheinen wie nach der endlichen Erlöſung aus langer qualvoller Gefahr.<lb/> Dieſe wächst in der That von Stunde zu Stunde, da die Verſchleuderung<lb/> des Staatsvermögens in dem Maße zunimmt als der Augenblick einer<lb/> gänzlichen Auflöſung der uſurpirten Gewalt näher heranrückt. 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Den Gerüchten nach<lb/> ſollten die Republicaner ſich über die Gränze gewagt haben, und in Con-<lb/> flict mit den Neapolitanern gerathen ſeyn. Die gezwungene Anleihe hat<lb/> jetzt einige ſpärliche Reſultate erreicht. — Die römiſche Bank hat dem<lb/> Staatsſchatz die Anweiſung auf 90,000 Seudi vollſtändig in Bankbillet-<lb/> ten geleiſtet.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"><lb/> <p><hi rendition="#aq">O</hi> Das Triumvirat in Rom hat ſich dem Volk durch ein Proclam<lb/> angekündigt. <floatingText><body><div n="1"><p>„Bürger! Brüder! Gewählt von der republicaniſchen con-<lb/> ſtituirenden Verſammlung einem republicaniſchen Volk gegenüber iſt ein<lb/> Programm unnütz. Unſer Programm iſt unſer Mandat. Aufrechterhal-<lb/> tung der Republik, Schutz gegen innere und äußere Gefahren, würdige<lb/> Vertretung im Unabhängigkeitskrieg, das iſt unſere Pflicht und wir wer-<lb/> den ihr genügen. 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Wer<lb/> das ſo täglich liest und dabei erfährt wie die Liſten der freiwilligen Con-<lb/> ſcription von der <hi rendition="#aq">gioventù Toscana</hi> ſo leer gelaſſen werden, wie die<lb/> Italiener ohne den Muth ihr Leben zu wagen — das ließe ſich vielleicht<lb/> verzeihen — nicht einmal ſo viel Begeiſterung haben für ihre Sache die<lb/> Gelder zu ſchaffen, dem fällt bei den dictatoriſchen Ergießungen die Apo-<lb/> ſtrophe des kühnen Abenteurers ein:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>Das iſt ein Trumpf:<lb/> Der ſchüttelt euch des alten Tods Geripp<lb/> Aus ſeinen Lumpen! 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Sie haben kein: <hi rendition="#aq">Landau ou la mort!</hi> Und<lb/> wo ſie es haben, „ſpotten ſie ihrer ſelbſt und wiſſen nicht wie.“ Iſt es nicht<lb/> komiſch, wenn der allmächtig decretirte Guerrazzi in demſelben Proclam,<lb/> wo er die Jugend zum Verzweiflungskampfe ruft, zu dem inſolenten Ver-<lb/> gleich mit den Beſtien ſeine Hülfe nehmen muß, wenn er der tapfern<lb/> Blüthe Toscana’s einen Hinterhalt hinter den Büſchen verſpricht, wenn<lb/> Italien ſein Berggerölle zum Bundesgenoſſen für die Sache des Rechts<lb/> anruft, „deſſen Triumph Gott ſelbſt beſchloſſen habe?“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#aq">h</hi><hi rendition="#b">Hauptquartier Novara,</hi> 28 März.</dateline><lb/> <note>(Durch Zufall verſpä-<lb/> tet.)</note><lb/> <p>Geſtern Nachmittag traf die Deputation hier ein welche, von der<lb/> Commune Wien an den Feldmarſchall Radetzky geſchickt, demſelben das<lb/> Ehrenbürgerrecht der Stadt Wien feierlichſt übergab. 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Exc.<lb/> in jenen Tagen ernſter Siegesfreude (Curtatone und Cuſtozza) uns zurie-<lb/> fen, ſie finden in unſern Herzen noch heute den lebhafteſten Anklang. Ja,<lb/> der Bürger Wiens wird fortan die oft erprobte Treue mit um ſo größerer<lb/> Hingebung zu bewähren wiſſen, je tiefer ihn der Makel ſchmerzt womit<lb/> ein wahnſinniges Beginnen entfeſſelter Leidenſchaften den reinen Spiegel<lb/> ſeiner Ehre zu trüben wagte. Auch wir halten das Glück des Vaterlands<lb/> für unzertrennlich von ſeiner Einheit — für einzig möglich durch treues<lb/> Anſchließen an den Thron eines geliebten Herrſcherhauſes. Auch wir hof-<lb/> fen zuverſichtlich daß Eintracht und Bruderliebe die Völker des Kaiſer-<lb/> reiches mit einem feſten, mit einem unauflöslichen Band umſchlingen wer-<lb/> den. Die Blicke Oeſterreichs, die Blicke Europa’s ſind nun von neuem<lb/> erwartungsvoll auf die Heldenſchaar gerichtet, welche Ew. Excellenz <hi rendition="#g">un-<lb/> ter ſieggewohnten Fahnen</hi> vereinigen. 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Die Stadt Wien hat mir<lb/> durch Sie das Diplom überreichen laſſen, kraft welchem mein Name als<lb/> Ehrenbürger im goldenen Buche Wiens eingezeichnet ward. Durch dieſe<lb/> ſchmeichelhafte Auszeichnung ſehe ich mich in eine Bürgergemeinſchaft auf-<lb/> genommen die meinem Herzen immer theuer war. Die Stadt Wien wird<lb/> ſtets meine innigſte Anhänglichkeit beſitzen, denn ihr verdanke ich ſo viele<lb/> frohe Erinnerungen aus meinem frühern Leben. Ich bitte Sie, Hr. Prä-<lb/> ſident, dem Gemeinderath und der ganzen Bürgerſchaft Wiens meinen in-<lb/> nigſten Dank für eine Ehre auszudrücken die ich über alles hochſchätze.<lb/> Der Tag wo ich dieſe Geſinnungen meinen neuen Mitbürgern mündlich<lb/> ausdrücken zu können ſo glücklich wäre, würde einer der ſchönſten meines<lb/> langen Lebens ſeyn. Die politiſchen Stürme des unheilvollen Jahres<lb/> 1848, die nicht allein die Grundfeſten des europäiſchen Staatengebäudes,<lb/> ſondern auch die moraliſchen Grundpfeiler der Geſellſchaft umzuſtürzen<lb/> drohten, hatten ſich über dem ſonſt frohen und glücklichen Wien blutig ent-<lb/> laden, doch der Sturm iſt gottlob vorübergebraust, und nur noch aus wei-<lb/> ter Ferne hört man ſein Toſen. Schon bricht die Morgenröthe einer<lb/> beſſern Zeit heran, und aus finſterer Nacht tritt das alte treue Wien mit<lb/> verjüngtem Glanz wieder hervor. Bald zieht unſer junger und hoffnungs-<lb/> voller Monarch wieder in die Thore ſeiner Hauptſtadt, in die Hallen ſeiner<lb/> Väter ein, dort will er ſich die Krone des großen und vereinten Oeſter-<lb/></quote></cit></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1531/0007]
S. Marco weht bereits dreifarbig geſchmückt aus den Fenſtern der Bot-
ſchaftswohnung.
△ Rom, 31 März.
Die piemonteſiſchen Niederlagen mußten na-
türlich die Abortivgeburt eines dictatoriſchen Triumvirats beſchleunigen,
welches ſeit geſtern zur Rettung des von Gefahr bedrohten Geſammtvater-
lands erſtanden iſt. Mazzini, Saffi und Armellini haben eine Troſtpro-
clamation erlaſſen, durch welche ſie ſich und andern glauben machen wol-
len daß der Weizen der Independenza Italiana erſt jetzt in die wahrhaft
fruchtergiebige Blüthe einzutreten im Begriff ſey. Sähe man es nicht
gedruckt, man würde es nimmer glauben daß ſich dieſe Leute mit der
f Hoffnung ſchmeicheln können, die öſterreichiſche Militärmacht ſey in Ge-
ahr ſich bei der gewaltigen Ausdehnung der Operationsbaſis ſelbſt zu ſchwä-
chen. Dieß mag eine der vielen, nicht eben ſüßen Täuſchungen ſeyn welche
Italien ſo heruntergebracht haben, und von denen man in der That ſelbſt
ganz gewiegte, in allen übrigen Dingen vernünftige Leute umfangen ſieht.
Weit lächerlicher iſt dagegen die andere ebenfalls als Troſtgrund vorge-
brachte Verſicherung daß ganz Italien den Oeſterreichern Haß geſchworen
habe, während in dieſem Augenblick wenigſteus im Kirchenſtaat gerade
das Umgekehrte behauptet werden kann. Sieben Zehntel der Geſammtbe-
völkerung des Kirchenſtaates ſehnen ſich nach threm lange erhofften Er-
ſcheinen wie nach der endlichen Erlöſung aus langer qualvoller Gefahr.
Dieſe wächst in der That von Stunde zu Stunde, da die Verſchleuderung
des Staatsvermögens in dem Maße zunimmt als der Augenblick einer
gänzlichen Auflöſung der uſurpirten Gewalt näher heranrückt. Noch zeigt
ſich indeſſen kein einziger ſicherer Vorbote der Intervention, und dieß er-
halt die Machthaber bei Dreiſtigkeit, ſo daß ſie noch zu Grunde zu rich-
ten verſuchen werden was ſich in einer ſolchen Galgenfriſt verwü-
ſten läßt.
* Rom, 31 März.
Geſtern Nacht durchzog ein Haufe Lärmender
die Stadt unter dem Geſchrei: „Nieder mit der Republik! Es lebe Pio IX!“
Die Sicherheitswachen durchzogen die Stadt, und ſo verlief die Nacht
ruhig. Die päpſiliche Partei rüſtet ſich zu einem Schlag, und ſie ſoll ſchon
einen großen Theil der Carabinieri gewonnen haben. Von der republi-
caniſchen Armee trafen geſtern und heute Staffetten ein, allein die Regie-
rung beobachtete Stillſchweigen über den Inhalt. Den Gerüchten nach
ſollten die Republicaner ſich über die Gränze gewagt haben, und in Con-
flict mit den Neapolitanern gerathen ſeyn. Die gezwungene Anleihe hat
jetzt einige ſpärliche Reſultate erreicht. — Die römiſche Bank hat dem
Staatsſchatz die Anweiſung auf 90,000 Seudi vollſtändig in Bankbillet-
ten geleiſtet.
O Das Triumvirat in Rom hat ſich dem Volk durch ein Proclam
angekündigt. „Bürger! Brüder! Gewählt von der republicaniſchen con-
ſtituirenden Verſammlung einem republicaniſchen Volk gegenüber iſt ein
Programm unnütz. Unſer Programm iſt unſer Mandat. Aufrechterhal-
tung der Republik, Schutz gegen innere und äußere Gefahren, würdige
Vertretung im Unabhängigkeitskrieg, das iſt unſere Pflicht und wir wer-
den ihr genügen. Die Siege gerade die den Feind zwingen ſein Opera-
tionsheer durch Ausdehnung zu verdünnen, können früher oder ſpäter
ſeine Niederlage herbeiführen. Die italieniſche Sache iſt nicht dieſem oder
jenem regulären Soldatentrupp in die Hand gelegt, ſondern der Energie
der Völker, dem unverſöhnlichen Haß gegen die fremde Race, dem Eid
der Deputirten und der Bürger, dem Wuthgeſchrei der gefolterten Lombar-
den, dem Höchſten, der den Triumph des Rechtes decretirt hat. Eure
Ahnen ſiegten immer, weil ſie als Verräther erklärten wer der Gefahr
wich, und Ihr werdet dieſer Väter nicht unwürdig ſeyn, nicht unwürdig
der Feldzeichen die wir aus den Gräbern der Voreltern hervorgeſucht zur
Hoffnung Italiens und zur Bewunderung Europa’s. Die Triumvirn:
Armellini, Mazzini, Saffi.“ Ein Seitenſtück zu dieſem iſt ein Proclam
von Guerrazzi, dem toscaniſchen Dictator: „An die Gränze! An die
Gränze! Auf! toscaniſche Jugend vertheidige dein Vaterland. Nichts
leichter als Vertheidigung! Die Wildniſſe, Schluchten, Baumſtümpfe,
Blöcke decken uns und hindern den Feind, wenn er es wagen ſollte
in unſere Berge einzudringen. Denkt daran daß ſelbſt die Beſtie ihre
Höhle vertheidigt, willſt du Blüthe Toscana’s, willſt du dem Thiere nach-
ſtehen? Zur Gränze! Zur Gränze!“ Und ſo weiter, und ſo weiter! Wer
das ſo täglich liest und dabei erfährt wie die Liſten der freiwilligen Con-
ſcription von der gioventù Toscana ſo leer gelaſſen werden, wie die
Italiener ohne den Muth ihr Leben zu wagen — das ließe ſich vielleicht
verzeihen — nicht einmal ſo viel Begeiſterung haben für ihre Sache die
Gelder zu ſchaffen, dem fällt bei den dictatoriſchen Ergießungen die Apo-
ſtrophe des kühnen Abenteurers ein:
Das iſt ein Trumpf:
Der ſchüttelt euch des alten Tods Geripp
Aus ſeinen Lumpen! Traun ein großes Maul,
Das Tod ausſpeit und Berge, Felſen, Seen;
Das ſo vertraut von grimmen Löwen ſchwatzt
Wie von dem Schoßhund dreizehnjährge Mädchen.
Hat den Kumpan ein Kanonier erzeugt?
Er ſpricht Kanonen, Feuer, Dampf und Knall,
Er gibt mit ſeiner Zunge Baſtonaden,
Das Ohr wird ausgeprügelt; jedes Wort
Pufft kräftiger als eine fränk’ſche Fauſt.
Blitz! ich bin nie mit Worten ſo gewalkt,
Seit ich des Bruders Vater Tatte nannte.
Das paßt auf die republicaniſchen Theaterhelden, als wäre es ein paar
Jahrhunderte ſpäter geſchrieben. Die italieniſche Bewegung hat längſt
den Charakter der jungfräulichen Romantik verloren. Sie ſetzen Lamar-
tine’s hiſtoriſchen Roman der Girondins in Scene mit tragiſchen Geſten
und Helmen aus Pappe. Sie haben kein: Landau ou la mort! Und
wo ſie es haben, „ſpotten ſie ihrer ſelbſt und wiſſen nicht wie.“ Iſt es nicht
komiſch, wenn der allmächtig decretirte Guerrazzi in demſelben Proclam,
wo er die Jugend zum Verzweiflungskampfe ruft, zu dem inſolenten Ver-
gleich mit den Beſtien ſeine Hülfe nehmen muß, wenn er der tapfern
Blüthe Toscana’s einen Hinterhalt hinter den Büſchen verſpricht, wenn
Italien ſein Berggerölle zum Bundesgenoſſen für die Sache des Rechts
anruft, „deſſen Triumph Gott ſelbſt beſchloſſen habe?“
h Hauptquartier Novara, 28 März.
(Durch Zufall verſpä-
tet.)
Geſtern Nachmittag traf die Deputation hier ein welche, von der
Commune Wien an den Feldmarſchall Radetzky geſchickt, demſelben das
Ehrenbürgerrecht der Stadt Wien feierlichſt übergab. Unter dieſen
Herren befindet ſich der Präſident des Gemeinderaths, Dr. Seiller, und der
Wiener Bürgermeiſter Bergmüller. Was die Ausſtattung des Diploms
ſelbſt anbelangt, ſo iſt dieſelbe in jeder Hinſicht ein Prachtwerk; auf dem
Umſchlag iſt in Silber, Gold und Emaille das Wappen des Feldmarſchalls,
in der Kapſel unten an dem Document diejenigen des Hauſes Habsburg
und der Stadt Wien. Mit Freude und Rührung übernahm der greiſe
Marſchall das Diplom und dankte der Deputation in beredten freundlichen
Worten. Die Deputirten bleiben heute hier in Novara, verweilen alsdann
einige Tage in Mailand und gehen hierauf nach Wien zurück. Aus der An-
rede des Hrn. Dr. Seiller bei Uebergabe des Diploms an den Feldmarſchall
hebe ich folgende Stellen aus: „Die bedeutſamen Worte welche Ew. Exc.
in jenen Tagen ernſter Siegesfreude (Curtatone und Cuſtozza) uns zurie-
fen, ſie finden in unſern Herzen noch heute den lebhafteſten Anklang. Ja,
der Bürger Wiens wird fortan die oft erprobte Treue mit um ſo größerer
Hingebung zu bewähren wiſſen, je tiefer ihn der Makel ſchmerzt womit
ein wahnſinniges Beginnen entfeſſelter Leidenſchaften den reinen Spiegel
ſeiner Ehre zu trüben wagte. Auch wir halten das Glück des Vaterlands
für unzertrennlich von ſeiner Einheit — für einzig möglich durch treues
Anſchließen an den Thron eines geliebten Herrſcherhauſes. Auch wir hof-
fen zuverſichtlich daß Eintracht und Bruderliebe die Völker des Kaiſer-
reiches mit einem feſten, mit einem unauflöslichen Band umſchlingen wer-
den. Die Blicke Oeſterreichs, die Blicke Europa’s ſind nun von neuem
erwartungsvoll auf die Heldenſchaar gerichtet, welche Ew. Excellenz un-
ter ſieggewohnten Fahnen vereinigen. Möge uns demnächſt ein
ehrenvoller Friede beglücken, mögen neue Siege uns zu neuer Bewun-
derung aufrufen: der Dank des Vaterlandes für Vollbrachtes wie für
Zukünftiges lebt in dem Herzen jedes ächten Oeſterreichers.“ Richtiger
und zu beſſerer Zeit wie in dieſem Augenblick hätte die Deputation Wiens
nicht erſcheinen können. Die neuen Siege ſind da, und neue Lorbeer-
blätter winden ſich um das weiße Haupt des greiſen Führers; neben Cur-
tatone und Cuſtozza ſchreibt die Geſchichte Mortara und Novara!
h Mailand, 1 April.
Heute Morgen hat uns die Deputation des
Wiener Gemeinderaths verlaſſen. Nachſtehend erhalten Sie die Antwort
des Hrn. Feldmarſchalls Radetzky auf das demſelben übergebene Diplom und
Schreiben der Stadt Wien: „Hr. Präſident! Die Stadt Wien hat mir
durch Sie das Diplom überreichen laſſen, kraft welchem mein Name als
Ehrenbürger im goldenen Buche Wiens eingezeichnet ward. Durch dieſe
ſchmeichelhafte Auszeichnung ſehe ich mich in eine Bürgergemeinſchaft auf-
genommen die meinem Herzen immer theuer war. Die Stadt Wien wird
ſtets meine innigſte Anhänglichkeit beſitzen, denn ihr verdanke ich ſo viele
frohe Erinnerungen aus meinem frühern Leben. Ich bitte Sie, Hr. Prä-
ſident, dem Gemeinderath und der ganzen Bürgerſchaft Wiens meinen in-
nigſten Dank für eine Ehre auszudrücken die ich über alles hochſchätze.
Der Tag wo ich dieſe Geſinnungen meinen neuen Mitbürgern mündlich
ausdrücken zu können ſo glücklich wäre, würde einer der ſchönſten meines
langen Lebens ſeyn. Die politiſchen Stürme des unheilvollen Jahres
1848, die nicht allein die Grundfeſten des europäiſchen Staatengebäudes,
ſondern auch die moraliſchen Grundpfeiler der Geſellſchaft umzuſtürzen
drohten, hatten ſich über dem ſonſt frohen und glücklichen Wien blutig ent-
laden, doch der Sturm iſt gottlob vorübergebraust, und nur noch aus wei-
ter Ferne hört man ſein Toſen. Schon bricht die Morgenröthe einer
beſſern Zeit heran, und aus finſterer Nacht tritt das alte treue Wien mit
verjüngtem Glanz wieder hervor. Bald zieht unſer junger und hoffnungs-
voller Monarch wieder in die Thore ſeiner Hauptſtadt, in die Hallen ſeiner
Väter ein, dort will er ſich die Krone des großen und vereinten Oeſter-
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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