Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849.[Spaltenumbruch]
Und dennoch will man es der österreichischen Regierung zum Ver- Das allerdings große Werk der Organisation der deutschen Heeresmacht Hören wir unsern Politiker weiter: Das ist deutlich. Wie aber konnte es denn so weit kommen und fort- Es ist weder für den Verfassungsausschuß der Nationalversammlung, [Spaltenumbruch]
Und dennoch will man es der öſterreichiſchen Regierung zum Ver- Das allerdings große Werk der Organiſation der deutſchen Heeresmacht Hören wir unſern Politiker weiter: Das iſt deutlich. Wie aber konnte es denn ſo weit kommen und fort- Es iſt weder für den Verfaſſungsausſchuß der Nationalverſammlung, <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <pb facs="#f0010" n="1550"/> <cb/> <p>Und dennoch will man es der öſterreichiſchen Regierung zum Ver-<lb/> brechen machen wenn ſie nun auch ihrerſeits eine preußiſche deutſche Kaiſer-<lb/> würde nicht anerkennen will und die alleinige Dispoſition über die Militär-<lb/> kräfte des reinen Deutſchlands in preußiſche Hände nicht zuſagend findet!<lb/> Und nun in einer etwas ſpäteren Stelle: <cit><quote>„Die Sicherſtellung dieſer Dis-<lb/> poſition (über die Militärkräfte des reinen Deutſchlands) für den Fall<lb/> europäiſcher Kriege hat ſich von Anfang an als das Hauptintereſſe Oeſter-<lb/> reichs und Preußens an dem deutſchen Bunde geltend gemacht. Ihr<lb/> näheres Verhältniß zu einander und ihre Stellung zu den übrigen Groß-<lb/> mächten iſt und bleibt dadurch bis auf den heutigen Tag bedingt, und<lb/> darum iſt es kein Wunder wenn ſie den ganzen Bund fortwährend und<lb/> vorzugsweiſe von ihrem europäiſchen Standpunkt aus anſehen und behan-<lb/> deln, wenn ſie in dem nämlichen Geiſte der Napoleon von weiterer Ent-<lb/> wicklung des Rheinbundes abhielt, auch den deutſchen Bund betrachten<lb/> und behandeln, wenn er auch ihnen mehr wie eine <hi rendition="#aq">mesure,</hi> als wie ein<lb/><hi rendition="#aq">arrangement</hi> erſcheint. Hält man dieſen rothen Faden, der ſich durch<lb/> die ganze Geſchichte des deutſchen Bundes windet, feſt im Auge, ſo wird<lb/> man ſich über keine Phaſe derſelben verwundern, und in mehrfachen Er-<lb/> ſcheinungen, die man durch Willkür und Laune erklären zu können glaubte,<lb/> vielmehr feſte Conſequenzen erblicken. . . . Von den der Bundesverſamm-<lb/> lung durch die Bundesacte ſelbſt gemachten Aufgaben hat bloß die mit<lb/> dem vorgedachten rothen Faden innigſt zuſammenhängende militäriſche<lb/> Organiſation ihre Erledigung und fortwährende Cultivirung gefunden,<lb/> nur für dieſe Einrichtung iſt eine gewiſſe (von den rein deutſchen Bundes-<lb/> ſtaaten mit Mühe und Ausdauer erkämpfte) <hi rendition="#aq">justitia distributiva</hi> ins<lb/> Leben getreten, welche in planmäßiger Berückſichtigung der Selbſtändig-<lb/> keit und des Machtverhältniſſes der einzelnen Bundesſtaaten billigen An-<lb/> ſprüchen genügt und ſo im weſentlichen die öffentliche Meinung gewon-<lb/> nen hat.“</quote></cit></p><lb/> <p>Das allerdings große Werk der Organiſation der deutſchen Heeresmacht<lb/> iſt alſo ein Werk der Bundesverſammlung und nicht etwa des Verfaſſungsaus-<lb/> ſchuſſes und des Reichsminiſteriums. Was dieſe daran etwa geändert haben,<lb/> iſt entweder unhaltbar oder verletzt die <hi rendition="#aq">justitia distributiva,</hi> d. h. die ver-<lb/> tragsmäßig feſtgeſetzten Beſtimmungen derſelben, vermöge deren ſich die<lb/> rein deutſchen Bundesſtaaten von der Schmach befreiten, bloßes blindes<lb/> Mittel für die lediglich europäiſchen Zwecke der beiden deutſchen Groß-<lb/> mächte bleiben, ohne deßwegen dem Einklange des Ganzen irgendwie zu<lb/> ſchaden. Wenn dieſe militäriſche Organiſation nur im weſentlichen die<lb/> öffentliche Meinung früher, wie auch jetzt noch, ſich hat gewinnen können,<lb/> ſo erklärt ſich das dadurch daß man ziemlich allgemein den Normalſtand<lb/> des Bundesheeres für zu hoch und den jetzigen Stand desſelben, obwohl<lb/> er kein Friedensſtand iſt, für die politiſchen Mißverhältniſſe, deren Löſung<lb/> man im Rathe der <hi rendition="#aq">dii majorum gentium,</hi> auch ohne die koſtbaren in<lb/> jetziger Zeit den bürgerlichen Wohlſtand für lange Jahre ruinirenden Auf-<lb/> ſtellungen und Märſche der <hi rendition="#aq">dii minorum gentium</hi> bereits beſeitigt zu<lb/> glauben ſich unterfängt, was ich, der ich diplomatiſchen Kreiſen ganz ent-<lb/> fremdet bin, billig dahin geſtellt ſeyn laſſen muß. Beides erklärt man<lb/> ſich aber wieder dadurch daß es immer und jetzt wieder preußiſche Generale<lb/> waren welche auf einen hohen Militärſtand drangen, weil ſie den preußi-<lb/> ſchen Staat für einen Militärſtaat halten, mit Recht, da dieſer Staat nur<lb/> durch unverhältnißmäßige Anziehung aller Kräfte ſeines Landes ſich als<lb/> fünfte europäiſche Macht halten konnte, und nun, um unangenehmen<lb/> Vergleichungen zu entgehen, nicht wollte daß die andern Bundesſtaaten<lb/> weniger oder doch nicht viel weniger angeſtrengt würden als er. Das<lb/> kann nun künftig anders werden, theils wenn Preußen erkennt daß es,<lb/> wenn es eine wahrhaft bundesmäßige Haltung annimmt, in der ehrlichen<lb/> Vereinigung mit dem reinen Deutſchland, im wahrhaft deutſchen Intereſſe,<lb/> das zugleich ein europäiſches iſt, zu ſeiner außerordentlichen Länge eine<lb/> ſichernde Tiefe findet, die jene übermäßige Anſtrengung überflüſſig macht,<lb/> theils weil die preußiſchen Kammern bei der Prüfung der Finanzvoran-<lb/> ſchläge mit der Bewilligung für das Heer über das wahrhaft Nothwendige<lb/> ſchwerlich lange noch hinausgehen dürften.</p><lb/> <p>Hören wir unſern Politiker weiter: <cit><quote>„Dagegen ſind die auswärtigen<lb/> Verhältniſſe des Bundes durchaus vernachläſſigt — ſie ſind weſentlich in<lb/> den Händen Oeſterreichs und Preußens verblieben als europäiſcher Mächte,<lb/> und noch in einem weit ausgedehnteren Maße, wie früher von dem<lb/> Kaiſer für das Reich, von ihnen gehandhabt worden, und wenn man ſich<lb/> in einzelnen Fällen den Anſchein gab die Bundesverſammlung dabei zu<lb/> Rathe zu ziehen und von den nichteuropäiſchen Bundesgliedern Aufträge<lb/> anzunehmen, ſo gleichen ſolche Erſcheinungen nur in der Luft buntfarbig<lb/> ſchillernden Seifenblaſen, die, bald zerplatzend, keine Spur zurücklaſſen.<lb/> Ja, die Bundesverſammlung iſt unter dieſer Vormundſchaft zu einer ſol-<lb/> chen Schwäche herabgeſunken und erniedrigt daß ſie ja nicht einmal wagte<lb/> ihre Mandatare zur Rechenſchaft zu ziehen wenn ſie im Widerſpruch mit<lb/> ausdrücklichen Bundesbeſchlüſſen bei Verhandlungen mit auswärtigen<lb/><cb/> Staaten verfuhren, oder vielleicht durch frühere ohne Theilnahme des<lb/> Bundes ſtattgefundene eigenmächtige Einräumungen ſchon aufgegeben<lb/> hatten was dieſer feſtzuhalten ihnen auferlegt hatte.“</quote></cit></p><lb/> <p>Das iſt deutlich. Wie aber konnte es denn ſo weit kommen und fort-<lb/> während geduldet werden? Nur darum, weil die rein deutſchen Minder-<lb/> mächtigen zu keiner relativen Einheit verbunden waren, welche dem Iſoli-<lb/> rungs- und Parteigänger-Syſtem Einzelner unter ihnen bald ein Ende<lb/> gemacht haben würde. Aber das iſt hier noch beſonders hervorzuheben daß<lb/> das active Geſandtſchaftsrecht des Bundes als Grundſatz durch Bundes-<lb/> beſchlüſſe feſtgeſetzt und von den beiden Großmächten auch anerkannt wurde,<lb/> alſo nicht erſt eine Schöpfung des Verfaſſungsausſchuſſes iſt. Der 50ſte<lb/> Artikel der Wiener Schlußacte von 1820 ſagt ausdrücklich: In Bezug auf<lb/> die auswärtigen Verhältniſſe überhaupt liegt der Bundesverſammlung ob<lb/> 1) als Organ der Geſammtheit des Bundes für die Aufrechthaltung fried-<lb/> licher und freundſchaftlicher Verhältniſſe mit den auswärtigen Staaten<lb/> Sorge zu tragen; 2) die von fremden Mächten bei dem Bunde beglaubig-<lb/> ten Geſandten anzunehmen und (wenn es nöthig befunden werden ſollte) im<lb/><hi rendition="#g">Namen des Bundes Geſandte an fremde Mächte abzuordnen</hi>.“<lb/> Die Worte der Parentheſe ſind ein willkürlicher Zuſatz der Cabinetscon-<lb/> ferenz zu Wien und als ſolcher ungültig. Auch iſt nicht mit Stillſchweigen<lb/> zu übergehen daß dieſe beiden deutſchen Großmächte den Bemühungen der<lb/> rein deutſchen Staaten um Ausbildung der Bundesverfaſſung nicht überall<lb/> in den Weg treten wollten oder in den Weg zu treten wagten. Dahin ge-<lb/> hört z. B. die Austrägalordnung, welche ſowohl zur Beſeitigung der<lb/> Streitigkeiten zwiſchen Bundesgliedern, als der Entſcheidung über Privat-<lb/> reclamationen, vortrefflich gewirkt hat. Die Austrägalgerichte waren da-<lb/> mals einem ſtändigen Bundesgerichte ebenſo gewiß, als künftig unter ver-<lb/> änderten Verhältniſſen umgekehrt ein Reichsgericht jenen Austrägalgerich-<lb/> ten vorzuziehen wie es der Verfaſſungsausſchuß vorgeſchlagen, und an dem<lb/> hoffentlich nicht viel gemäkelt werden wird. Durchgebildeter waren indeſſen<lb/> jene. Ferner gehört hierher die angeordnete Herſtellung gemeinſchaftlicher<lb/> Oberappellationsgerichte für die kleineren Staaten welche keine eigenen<lb/> hatten. Ferner die Garantie der Verfaſſungen der einzelnen Bundesſtaaten<lb/> und die vortreffliche Beſtimmung des 56ſten Artikels der Wiener Schluß-<lb/> acte von 1820: „Die in anerkannter Wirkſamkeit beſtehenden landſtändi-<lb/> ſchen Verfaſſungen können nur auf verfaſſungsmäßigen Wegen wieder ab-<lb/> geändert werden.“ Ferner eine Executionsordnung welche der Verfaſſungs-<lb/> ausſchuß faſt ganz aufgenommen hat, ohne die Quelle anzugeben. Endlich<lb/> die wichtige und leicht ſehr fruchtbar zu machende Beſtimmung des 64ſten<lb/> Artikels der Wiener Schlußacte von 1820, der mit dem 53ſten Artikel der-<lb/> ſelben in Verbindung zu ſetzen iſt: „Wenn Vorſchläge zu gemeinnützigen<lb/> Anordnungen, deren Zweck nur durch die zuſammenwirkende Theilnahme<lb/> aller Bundesſtaaten vollſtändig erreicht werden kann, von einzelnen Bun-<lb/> desgliedern an die Bundesverſammlung gebracht werden und dieſe ſich von<lb/> der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit ſolcher Vorſchläge im allgemeinen<lb/> überzeugt, ſo liegt ihr ob die Mittel zur Vollführung derſelben in ſorg-<lb/> fältige Erwägung zu ziehen, und ihr anhaltendes Beſtreben dahin zu rich-<lb/> ten die zu dem Ende erforderliche freiwillige Vereinbarung unter ſämmt-<lb/> lichen Bundesgliedern zu bewirken“ (hier ſteht der Zuſatz: oder nach den<lb/> von der Bundesverfaſſung aufgeſtellten und von den Regierungen aner-<lb/> kannten Grundſätzen feſtzuſtellen), und endlich die Beſtimmung in dem<lb/> 65ſten Artikel: „Die in den beſondern Beſtimmungen der Bundesacte<lb/> Art. 16, 18 und 19 zur Berathung der Bundesverſammlung geſtellten<lb/> Gegenſtände bleiben derſelben, um durch gemeinſchaftliche Uebereinkunft<lb/> zu möglich gleichförmigen Verfügungen zu gelangen, zur fernern Bearbei-<lb/> tung vorbehalten.“ Hierher gehören Religionsausübung, Preßfreiheit,<lb/> Büchernachdruck, Handel und Schifffahrt. Dann als Rechte der Staats-<lb/> bürger und Unterthanen im Bunde, welche ſich nur auf den Bundesverein<lb/> beziehen: Recht Grundeigenthum außerhalb des Staats den ſie bewoh-<lb/> nen, zu erwerben und zu beſitzen, ohne deßhalb in dem fremden Staate<lb/> mehreren Abgaben und Laſten unterworfen zu ſeyn als deſſen eigene Un-<lb/> terthanen; Recht des freien Wegziehens aus einem Bundesſtaat in den<lb/> andern; Recht in Civil- und Militärdienſte eines jeden Bundesſtaats zu<lb/> treten; Freiheit von aller Nachſteuer, und eine ſpätere Berathung wegen<lb/> wechſelſeitiger Uebernahme der Vaganten. Dieß alles vom Papier aus ins<lb/> Leben einzuführen und dafür die Mittel beziehungsweiſe zu beſchließen und<lb/> anzuwenden wäre eine kürzere und fruchtbarere Arbeit für den Verfaſſungs-<lb/> ausſchuß und die Nationalverſammlung geweſen, als faſt ein Jahr lang<lb/> damit zuzubringen abermals vieles aufs Papier zu bringen was ſchon da<lb/> war, und manches weſentliche auszulaſſen das nicht entbehrt werden kann.</p><lb/> <p>Es iſt weder für den Verfaſſungsausſchuß der Nationalverſammlung,<lb/> an deren Auflöſung wohl kein Beſonnener denkt, zu ſpät im rein deutſchen<lb/> Intereſſe zu wirken, noch für die öſterreichiſchen Abgeordneten welche aus<lb/> dem Parlamente auszutreiben nur blinde Leidenſchaft fordern kann, in<lb/> demſelben deutſchen Intereſſe, welches zugleich ein öſterreichiſches iſt, zu<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1550/0010]
Und dennoch will man es der öſterreichiſchen Regierung zum Ver-
brechen machen wenn ſie nun auch ihrerſeits eine preußiſche deutſche Kaiſer-
würde nicht anerkennen will und die alleinige Dispoſition über die Militär-
kräfte des reinen Deutſchlands in preußiſche Hände nicht zuſagend findet!
Und nun in einer etwas ſpäteren Stelle: „Die Sicherſtellung dieſer Dis-
poſition (über die Militärkräfte des reinen Deutſchlands) für den Fall
europäiſcher Kriege hat ſich von Anfang an als das Hauptintereſſe Oeſter-
reichs und Preußens an dem deutſchen Bunde geltend gemacht. Ihr
näheres Verhältniß zu einander und ihre Stellung zu den übrigen Groß-
mächten iſt und bleibt dadurch bis auf den heutigen Tag bedingt, und
darum iſt es kein Wunder wenn ſie den ganzen Bund fortwährend und
vorzugsweiſe von ihrem europäiſchen Standpunkt aus anſehen und behan-
deln, wenn ſie in dem nämlichen Geiſte der Napoleon von weiterer Ent-
wicklung des Rheinbundes abhielt, auch den deutſchen Bund betrachten
und behandeln, wenn er auch ihnen mehr wie eine mesure, als wie ein
arrangement erſcheint. Hält man dieſen rothen Faden, der ſich durch
die ganze Geſchichte des deutſchen Bundes windet, feſt im Auge, ſo wird
man ſich über keine Phaſe derſelben verwundern, und in mehrfachen Er-
ſcheinungen, die man durch Willkür und Laune erklären zu können glaubte,
vielmehr feſte Conſequenzen erblicken. . . . Von den der Bundesverſamm-
lung durch die Bundesacte ſelbſt gemachten Aufgaben hat bloß die mit
dem vorgedachten rothen Faden innigſt zuſammenhängende militäriſche
Organiſation ihre Erledigung und fortwährende Cultivirung gefunden,
nur für dieſe Einrichtung iſt eine gewiſſe (von den rein deutſchen Bundes-
ſtaaten mit Mühe und Ausdauer erkämpfte) justitia distributiva ins
Leben getreten, welche in planmäßiger Berückſichtigung der Selbſtändig-
keit und des Machtverhältniſſes der einzelnen Bundesſtaaten billigen An-
ſprüchen genügt und ſo im weſentlichen die öffentliche Meinung gewon-
nen hat.“
Das allerdings große Werk der Organiſation der deutſchen Heeresmacht
iſt alſo ein Werk der Bundesverſammlung und nicht etwa des Verfaſſungsaus-
ſchuſſes und des Reichsminiſteriums. Was dieſe daran etwa geändert haben,
iſt entweder unhaltbar oder verletzt die justitia distributiva, d. h. die ver-
tragsmäßig feſtgeſetzten Beſtimmungen derſelben, vermöge deren ſich die
rein deutſchen Bundesſtaaten von der Schmach befreiten, bloßes blindes
Mittel für die lediglich europäiſchen Zwecke der beiden deutſchen Groß-
mächte bleiben, ohne deßwegen dem Einklange des Ganzen irgendwie zu
ſchaden. Wenn dieſe militäriſche Organiſation nur im weſentlichen die
öffentliche Meinung früher, wie auch jetzt noch, ſich hat gewinnen können,
ſo erklärt ſich das dadurch daß man ziemlich allgemein den Normalſtand
des Bundesheeres für zu hoch und den jetzigen Stand desſelben, obwohl
er kein Friedensſtand iſt, für die politiſchen Mißverhältniſſe, deren Löſung
man im Rathe der dii majorum gentium, auch ohne die koſtbaren in
jetziger Zeit den bürgerlichen Wohlſtand für lange Jahre ruinirenden Auf-
ſtellungen und Märſche der dii minorum gentium bereits beſeitigt zu
glauben ſich unterfängt, was ich, der ich diplomatiſchen Kreiſen ganz ent-
fremdet bin, billig dahin geſtellt ſeyn laſſen muß. Beides erklärt man
ſich aber wieder dadurch daß es immer und jetzt wieder preußiſche Generale
waren welche auf einen hohen Militärſtand drangen, weil ſie den preußi-
ſchen Staat für einen Militärſtaat halten, mit Recht, da dieſer Staat nur
durch unverhältnißmäßige Anziehung aller Kräfte ſeines Landes ſich als
fünfte europäiſche Macht halten konnte, und nun, um unangenehmen
Vergleichungen zu entgehen, nicht wollte daß die andern Bundesſtaaten
weniger oder doch nicht viel weniger angeſtrengt würden als er. Das
kann nun künftig anders werden, theils wenn Preußen erkennt daß es,
wenn es eine wahrhaft bundesmäßige Haltung annimmt, in der ehrlichen
Vereinigung mit dem reinen Deutſchland, im wahrhaft deutſchen Intereſſe,
das zugleich ein europäiſches iſt, zu ſeiner außerordentlichen Länge eine
ſichernde Tiefe findet, die jene übermäßige Anſtrengung überflüſſig macht,
theils weil die preußiſchen Kammern bei der Prüfung der Finanzvoran-
ſchläge mit der Bewilligung für das Heer über das wahrhaft Nothwendige
ſchwerlich lange noch hinausgehen dürften.
Hören wir unſern Politiker weiter: „Dagegen ſind die auswärtigen
Verhältniſſe des Bundes durchaus vernachläſſigt — ſie ſind weſentlich in
den Händen Oeſterreichs und Preußens verblieben als europäiſcher Mächte,
und noch in einem weit ausgedehnteren Maße, wie früher von dem
Kaiſer für das Reich, von ihnen gehandhabt worden, und wenn man ſich
in einzelnen Fällen den Anſchein gab die Bundesverſammlung dabei zu
Rathe zu ziehen und von den nichteuropäiſchen Bundesgliedern Aufträge
anzunehmen, ſo gleichen ſolche Erſcheinungen nur in der Luft buntfarbig
ſchillernden Seifenblaſen, die, bald zerplatzend, keine Spur zurücklaſſen.
Ja, die Bundesverſammlung iſt unter dieſer Vormundſchaft zu einer ſol-
chen Schwäche herabgeſunken und erniedrigt daß ſie ja nicht einmal wagte
ihre Mandatare zur Rechenſchaft zu ziehen wenn ſie im Widerſpruch mit
ausdrücklichen Bundesbeſchlüſſen bei Verhandlungen mit auswärtigen
Staaten verfuhren, oder vielleicht durch frühere ohne Theilnahme des
Bundes ſtattgefundene eigenmächtige Einräumungen ſchon aufgegeben
hatten was dieſer feſtzuhalten ihnen auferlegt hatte.“
Das iſt deutlich. Wie aber konnte es denn ſo weit kommen und fort-
während geduldet werden? Nur darum, weil die rein deutſchen Minder-
mächtigen zu keiner relativen Einheit verbunden waren, welche dem Iſoli-
rungs- und Parteigänger-Syſtem Einzelner unter ihnen bald ein Ende
gemacht haben würde. Aber das iſt hier noch beſonders hervorzuheben daß
das active Geſandtſchaftsrecht des Bundes als Grundſatz durch Bundes-
beſchlüſſe feſtgeſetzt und von den beiden Großmächten auch anerkannt wurde,
alſo nicht erſt eine Schöpfung des Verfaſſungsausſchuſſes iſt. Der 50ſte
Artikel der Wiener Schlußacte von 1820 ſagt ausdrücklich: In Bezug auf
die auswärtigen Verhältniſſe überhaupt liegt der Bundesverſammlung ob
1) als Organ der Geſammtheit des Bundes für die Aufrechthaltung fried-
licher und freundſchaftlicher Verhältniſſe mit den auswärtigen Staaten
Sorge zu tragen; 2) die von fremden Mächten bei dem Bunde beglaubig-
ten Geſandten anzunehmen und (wenn es nöthig befunden werden ſollte) im
Namen des Bundes Geſandte an fremde Mächte abzuordnen.“
Die Worte der Parentheſe ſind ein willkürlicher Zuſatz der Cabinetscon-
ferenz zu Wien und als ſolcher ungültig. Auch iſt nicht mit Stillſchweigen
zu übergehen daß dieſe beiden deutſchen Großmächte den Bemühungen der
rein deutſchen Staaten um Ausbildung der Bundesverfaſſung nicht überall
in den Weg treten wollten oder in den Weg zu treten wagten. Dahin ge-
hört z. B. die Austrägalordnung, welche ſowohl zur Beſeitigung der
Streitigkeiten zwiſchen Bundesgliedern, als der Entſcheidung über Privat-
reclamationen, vortrefflich gewirkt hat. Die Austrägalgerichte waren da-
mals einem ſtändigen Bundesgerichte ebenſo gewiß, als künftig unter ver-
änderten Verhältniſſen umgekehrt ein Reichsgericht jenen Austrägalgerich-
ten vorzuziehen wie es der Verfaſſungsausſchuß vorgeſchlagen, und an dem
hoffentlich nicht viel gemäkelt werden wird. Durchgebildeter waren indeſſen
jene. Ferner gehört hierher die angeordnete Herſtellung gemeinſchaftlicher
Oberappellationsgerichte für die kleineren Staaten welche keine eigenen
hatten. Ferner die Garantie der Verfaſſungen der einzelnen Bundesſtaaten
und die vortreffliche Beſtimmung des 56ſten Artikels der Wiener Schluß-
acte von 1820: „Die in anerkannter Wirkſamkeit beſtehenden landſtändi-
ſchen Verfaſſungen können nur auf verfaſſungsmäßigen Wegen wieder ab-
geändert werden.“ Ferner eine Executionsordnung welche der Verfaſſungs-
ausſchuß faſt ganz aufgenommen hat, ohne die Quelle anzugeben. Endlich
die wichtige und leicht ſehr fruchtbar zu machende Beſtimmung des 64ſten
Artikels der Wiener Schlußacte von 1820, der mit dem 53ſten Artikel der-
ſelben in Verbindung zu ſetzen iſt: „Wenn Vorſchläge zu gemeinnützigen
Anordnungen, deren Zweck nur durch die zuſammenwirkende Theilnahme
aller Bundesſtaaten vollſtändig erreicht werden kann, von einzelnen Bun-
desgliedern an die Bundesverſammlung gebracht werden und dieſe ſich von
der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit ſolcher Vorſchläge im allgemeinen
überzeugt, ſo liegt ihr ob die Mittel zur Vollführung derſelben in ſorg-
fältige Erwägung zu ziehen, und ihr anhaltendes Beſtreben dahin zu rich-
ten die zu dem Ende erforderliche freiwillige Vereinbarung unter ſämmt-
lichen Bundesgliedern zu bewirken“ (hier ſteht der Zuſatz: oder nach den
von der Bundesverfaſſung aufgeſtellten und von den Regierungen aner-
kannten Grundſätzen feſtzuſtellen), und endlich die Beſtimmung in dem
65ſten Artikel: „Die in den beſondern Beſtimmungen der Bundesacte
Art. 16, 18 und 19 zur Berathung der Bundesverſammlung geſtellten
Gegenſtände bleiben derſelben, um durch gemeinſchaftliche Uebereinkunft
zu möglich gleichförmigen Verfügungen zu gelangen, zur fernern Bearbei-
tung vorbehalten.“ Hierher gehören Religionsausübung, Preßfreiheit,
Büchernachdruck, Handel und Schifffahrt. Dann als Rechte der Staats-
bürger und Unterthanen im Bunde, welche ſich nur auf den Bundesverein
beziehen: Recht Grundeigenthum außerhalb des Staats den ſie bewoh-
nen, zu erwerben und zu beſitzen, ohne deßhalb in dem fremden Staate
mehreren Abgaben und Laſten unterworfen zu ſeyn als deſſen eigene Un-
terthanen; Recht des freien Wegziehens aus einem Bundesſtaat in den
andern; Recht in Civil- und Militärdienſte eines jeden Bundesſtaats zu
treten; Freiheit von aller Nachſteuer, und eine ſpätere Berathung wegen
wechſelſeitiger Uebernahme der Vaganten. Dieß alles vom Papier aus ins
Leben einzuführen und dafür die Mittel beziehungsweiſe zu beſchließen und
anzuwenden wäre eine kürzere und fruchtbarere Arbeit für den Verfaſſungs-
ausſchuß und die Nationalverſammlung geweſen, als faſt ein Jahr lang
damit zuzubringen abermals vieles aufs Papier zu bringen was ſchon da
war, und manches weſentliche auszulaſſen das nicht entbehrt werden kann.
Es iſt weder für den Verfaſſungsausſchuß der Nationalverſammlung,
an deren Auflöſung wohl kein Beſonnener denkt, zu ſpät im rein deutſchen
Intereſſe zu wirken, noch für die öſterreichiſchen Abgeordneten welche aus
dem Parlamente auszutreiben nur blinde Leidenſchaft fordern kann, in
demſelben deutſchen Intereſſe, welches zugleich ein öſterreichiſches iſt, zu
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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