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Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849.

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[Spaltenumbruch] wirken, ohne sich entweder zu Feinden ihres engern Vaterlands, oder zu
Sklaven des österreichischen Ministeriums zu machen, wenn dieses aus der
bundesgesetzmäßigen Bahn aus irgendeinem Grunde heraustreten sollte.

Was die Unitarier zu diesem allen sagen und sagen werden, soll in
dem nächsten Artikel sine ira et studio besprochen werden.

K. A. v. Wangenheim.



Tirol.

Mit dem italienischen Krieg ist's
zum Abschluß gekommen, ehe wir ernstlich daran gehen konnten Ihnen von
seinem Verlaufe sicheres zu berichten. Je näher wir dem Kriegstheater
sitzen, desto unzuverlässiger werden die Mittheilungen unterm Publicum.
So liefen auch dießmal ein paar fabelhaft lautende Gerüchte voraus, dann
kamen voreilige Briefe, und ehe man sie prüfen konnte, Bulletins die uns dieser
Mühe überhoben. Man hat das Drama um vier Acte gekürzt, weil der Sluß
des ersten bei Novara mit solcher Sturmesgewalt improvisirt wurde. Vom
Nachspiel im Brescianischen erwartet man eine gleich rasche Entwicklung.
Von allen Seiten rücken Truppen an. Bis jetzt, so hören wir aus den
Judicarien, lodert zwar noch der Aufstand bis an die Gebirge her -- er
gilt aber als ungefährliches Strohfeuer. Vorgestern hieß es Trient und
Roveredo seyen in Belagerungszustand erklärt, noch fehlt die Bestäti-
gung. Hier ist die Freude über die tapfere Abfertigung der Wälschen groß.
Hat man auch von vornherein das ganze Beginnen für ein Wind-Ei genom-
men, so wäre doch aus einer Verzögerung des Endes für uns viel drücken-
des und unersprießliches erwachsen. Vor allem ist man froh das Aufge-
bot der Schützen nun beseitigt zu wissen, da es sicher nur ungenügend und
mit äußerster Mühsal ermöglicht worden wäre. Hier an der obern Etsch
durfte man keinen Bauern fragen ob er ausrücken werde, ohne auf eine
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von Berlichingen für den Herold in -- Gedankenstrichen angegeben ist.
Mußte man ja, um das verlangte Reservebataillon der Kaiserjäger aufzu-
bringen welches durch Werbung gestellt werden sollte, weil eine Losung
der Pflichtigen nicht räthlich schien, bereits zu dem Mittel greifen durch
Beiträge der Gemeinden das Handgeld bedeutend zu erhöhen, und selbst
hiedurch ist der Erfolg nicht gesichert zu halten. Ueberhaupt wüßten wir
es schwer mit den Thatsachen zu vereinbaren, wenn wir die Stimmung
im Volke unserer Nachbarschaft eine gehobene, zu irgendeinem sogenannt
"patriotischen" Anlauf geeignete nennen wollten. Diese Leute mit ihrer
Vorliebe für das Handgreifliche und Augenfällige erklären immer ent-
schiedener sie fänden nichts das besser geworden wäre seit man ihnen neue
goldene Zeiten versprochen habe. In den höhern Schichten findet sich hier
kaum jene politische Atmosphäre die ein leichteres Athemholen zuließe,
als dieß überhaupt jetzt in deutschen Landen möglich ist. Von dem ersten
Eindruck den die neue Constitution in den zähen Boden unseres gemein-
wesenlichen Bewußtseins gemacht hat, erzählte ich Ihnen bereits; es
ist seitdem nicht anders geworden. Die Nothwendigkeit Ordnung zu
schaffen wurde nirgends mehr anerkannt als hier zu Land; die Wenig-
sten dachten sich jedoch diese neuen Rechtsgestaltungen in dieser Form.
Bei uns ist das Eigenthümliche, das Sonderheitliche von je in sol-
cher Berechtigung gewesen daß eine Unterordnung unter centralistre de
Normen beinahe einer Vernichtung gleichgehalten wird. Diese Ansicht hat
unsere Deputirten zu Wien auf die Rechte neben die Tschechen gebracht;
sie wird ihnen am nächsten Reichstag, den sich jedoch noch niemand
als einen sobald und überhaupt "möglichen" denkt, die Plätze anweisen.
Die provisorischen Ergänzungen der Verfassung werden in gleicher Weise
aufgenommen. Man ist einverstanden mit allen Palliativen gegen den
Mißbrauch der unabläugbaren Rechte; als solche nimmt man nun das
Preß- und Associationsgesetz für den einstweiligen Bedarf hin, ohne von
ihnen befriedigt oder gar erfreut zu seyn und ihre Dauer zu begehren.
Was an politischen Vereinen hier bestand, löst sich auch, wie wir hören,
auf das neue Gesetz hin selbst auf; welche unserer Journale deßhalb ver-
athmen, wissen wir noch nicht. Ueber die deutsche Sache und unsern An-
theil daran demnächst mehreres -- die Spannung wächst mit jeder
Stunde die uns der entscheidenden zudrängt. So viel für heute: trotz
aller Entscheide will und wird man hier nicht von Deutschland lassen.



Die Operationen der piemontesischen Armee unter Chrza-
nowskt gegen die Oesterreicher.

Wie die politische Stellung Oesterreichs in Italien es mehr als
wünschenswerth erscheinen ließ den neu ausgebrochenen Kampf so rasch
wie möglich zur Entscheidung zu bringen und zu beenden, was naturge-
mäß den offensiven Charakter der Kriegführung in sich schließt, ebenso
[Spaltenumbruch] bestimmt und klar waren die Piemontesen auf die Defensive verwiesen,
vom militärischen wie noch mehr vom politischen Gesichtspunkt aus be-
trachtet. Die Ueberlegenheit des Gegners im freien Felde war einmal
nicht wegzuläugnen. In taktischer wie in moralischer Hinsicht kann keine
italienische Truppe sich den Oesterreichern an die Seite stellen; in ähn-
lichem Verhältniß stehen die gegenseitigen Führer zu einander. Oder
sollte Chrzanowski sich einem Radetzky überlegen gedünkt haben? Von
solchem Wahn wird er jetzt wohl geheilt seyn. Die politische Rücksicht
gebot den Piemontesen weiter jedem Hauptschlag auszuweichen, Radetzky
so lange wie nur immer möglich hinzuhalten, um den Lombarden Zeit zu
verschaffen bedeutende Aufstände ins Leben zu rufen, worauf sie doch auch
nicht wenig gerechnet hatten. Nur 14 Tage die Sefia- und Po-Linie ge-
halten, was mit ihrer anerkannt guten Artillerie keine zu schwere Auf-
gabe gewesen wäre, und Radetzky hätte sich wohl zu Entsendungen ver-
anlaßt gesehen die seine kühnen Angriffsdispositionen gewaltig verändert
haben würden. Dann erst kam der Zeitpunkt für die Piemontesen mit
mehr Aussicht auf Erfolg die Defensive mit der Offensive zu
vertauschen.

Welche Resultate eine kräftige Defensive, selbst mit sehr mittelmäßig
organisirten Truppen, die übrigens Muth besitzen müssen, liefern kann,
zeigen uns seit mehreren Wochen die Theiß-Niederungen in Ungarn.
Wir sind überzeugt daß das polnische Element im piemontesischen Ober-
general und andern polnischen Officieren des Heeres den Oesterreichern
auch an dem Po und der Sefia warm gemacht hätte.

Nächst diesem trostlosen Bürgerkriege konnte Sardinien seine im
Jahr 1848 gemachten Erfahrungen auch noch zu Rathe sitzen lassen. Hatte
es die Operationen vom 23 Julius bis 6 August verflossenen Jahres so
ganz und gar vergessen? Als Sieger hatten sich seine Streiter wie die
Maulwürfe am Mincio eingegraben; sie verläpperten damals die schönste
Zeit, bis Radetzky erstarkt war und sie dann sammt allen Schanzen und
Positionsgeschützen mit einem Schlage bis Mailand vor sich hertrieb.
Und nun, im jüngsten Monate, fällt es ihnen bei rein offensiv zu ver-
fahren, wo ihnen richtig angelegte verschanzte Positionen als kräftige
Stützpunkte so nothgethan hätten!

Natürlich verstehen wir unter kräftiger Defensive kein so saumseliges
unthätiges Verhalten wie es sich bei den Piemontesen in den Mincio-Ver-
schanzungen zeigte, sondern eine richtig verbundene Wechselwirkung von
Angriff und Vertheidigung, um einen bestimmten Terrain-Abschnitt fest-
zuhalten.

Die piemontesische Grundstellung und deren Schwächen haben wir
in einem frühern Aufsatz schon beurtheilt, es bleibt uns deßhalb nur
noch zu zeigen übrig wie Chrzanowski aus dieser Stellung operirte, und
wie er hätte operiren können um die begangenen Mißgriffe etwas auszu-
gleichen. Daß Pavia mit der günstigen Position am Gravellone so ganz
unbeachtet gelassen wurde, ist ein so unbegreiflicher wie unverzeihlicher
Fehler. Bedenkt man daß es schon Pflicht eines jeden Subalternofficiers
auf Vorposten ist sich alle Fälle zu vergegenwärtigen in welche seine Feld-
wache bei feindlichem Angriff gerathen könne, um sein Verhalten mög-
lichst darnach vorherzubestimmen; um wie viel mehr mußte man er-
staunt seyn einen Offensiv-Feldzug mit einem so groben Fehler eröffnet
zu sehen.

Nach den Berichten überschritt Chrzanoweki am 20 März mit 20,000
Mann den Ticino bei Buffalora und ging bis Magenta vor. Eine Re-
cognoscirung bis Sedriano ergab als Resultat daß diese Straße ganz frei
vom Feinde sey, woraus sich die richtige Folgerung ergab daß Radetzky
keine Wichtigkeit auf den Besitz von Mailand im Augenblick lege, und
sich demnach eine andere Operationslinie gewählt habe. Nun erst er-
kannte man den großen Werth von Pavia. Man hatte den Gedanken
dahin zu gehen. Es blieb aber beim Gedanken, für dessen Ausführung
war es wirklich nicht allein zu spät, sondern diese Demonstration im
Rücken der Oesterreicher bot auch wenig Aussicht auf Erfolg, da man
richtig ahnte daß Radetzky, nachdem Mailand selbst nicht gedeckt war,
mit vereinter Macht operiren werde, und somit es ihm und seinen Trup-
pen noch leichter geworden wäre die so getheilten piemontesischen Streit-
kräfte zu schlagen und zu vernichten. Nun ging Chrzanowski mit seinem
Corps wieder auf Novara zurück. Abermals ein Fehler! Was that er
mit diesen Streitmitteln zu Novara, während es ihm klar seyn mußte
daß Radetzky zu Pavia den Ticino überschritten hatte? Er mußte auf
kürzester Linie von Magenta aus über Abbiate Grasso nach Vigevano sich
wenden, die beiden Corps vereinigen und mit Uebermacht -- da ihm we-
nigstens 30,000 Mann auf diesem Punkte zur Verfügung stunden -- auf
die Verbindung der Oesterreicher über Gambolo nach Trumello losgehen.
Hätte er auch da die Oesterreicher nicht gefunden, so war mit diesem
Marsche nichts verloren, sondern nur gewonnen, da es einmal Thatsache
war daß Radetzky nicht auf Novara sondern im Süden manöorire, und

[Spaltenumbruch] wirken, ohne ſich entweder zu Feinden ihres engern Vaterlands, oder zu
Sklaven des öſterreichiſchen Miniſteriums zu machen, wenn dieſes aus der
bundesgeſetzmäßigen Bahn aus irgendeinem Grunde heraustreten ſollte.

Was die Unitarier zu dieſem allen ſagen und ſagen werden, ſoll in
dem nächſten Artikel sine ira et studio beſprochen werden.

K. A. v. Wangenheim.



Tirol.

Mit dem italieniſchen Krieg iſt’s
zum Abſchluß gekommen, ehe wir ernſtlich daran gehen konnten Ihnen von
ſeinem Verlaufe ſicheres zu berichten. Je näher wir dem Kriegstheater
ſitzen, deſto unzuverläſſiger werden die Mittheilungen unterm Publicum.
So liefen auch dießmal ein paar fabelhaft lautende Gerüchte voraus, dann
kamen voreilige Briefe, und ehe man ſie prüfen konnte, Bulletins die uns dieſer
Mühe überhoben. Man hat das Drama um vier Acte gekürzt, weil der Sluß
des erſten bei Novara mit ſolcher Sturmesgewalt improviſirt wurde. Vom
Nachſpiel im Brescianiſchen erwartet man eine gleich raſche Entwicklung.
Von allen Seiten rücken Truppen an. Bis jetzt, ſo hören wir aus den
Judicarien, lodert zwar noch der Aufſtand bis an die Gebirge her — er
gilt aber als ungefährliches Strohfeuer. Vorgeſtern hieß es Trient und
Roveredo ſeyen in Belagerungszuſtand erklärt, noch fehlt die Beſtäti-
gung. Hier iſt die Freude über die tapfere Abfertigung der Wälſchen groß.
Hat man auch von vornherein das ganze Beginnen für ein Wind-Ei genom-
men, ſo wäre doch aus einer Verzögerung des Endes für uns viel drücken-
des und unerſprießliches erwachſen. Vor allem iſt man froh das Aufge-
bot der Schützen nun beſeitigt zu wiſſen, da es ſicher nur ungenügend und
mit äußerſter Mühſal ermöglicht worden wäre. Hier an der obern Etſch
durfte man keinen Bauern fragen ob er ausrücken werde, ohne auf eine
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von Berlichingen für den Herold in — Gedankenſtrichen angegeben iſt.
Mußte man ja, um das verlangte Reſervebataillon der Kaiſerjäger aufzu-
bringen welches durch Werbung geſtellt werden ſollte, weil eine Loſung
der Pflichtigen nicht räthlich ſchien, bereits zu dem Mittel greifen durch
Beiträge der Gemeinden das Handgeld bedeutend zu erhöhen, und ſelbſt
hiedurch iſt der Erfolg nicht geſichert zu halten. Ueberhaupt wüßten wir
es ſchwer mit den Thatſachen zu vereinbaren, wenn wir die Stimmung
im Volke unſerer Nachbarſchaft eine gehobene, zu irgendeinem ſogenannt
„patriotiſchen“ Anlauf geeignete nennen wollten. Dieſe Leute mit ihrer
Vorliebe für das Handgreifliche und Augenfällige erklären immer ent-
ſchiedener ſie fänden nichts das beſſer geworden wäre ſeit man ihnen neue
goldene Zeiten verſprochen habe. In den höhern Schichten findet ſich hier
kaum jene politiſche Atmoſphäre die ein leichteres Athemholen zuließe,
als dieß überhaupt jetzt in deutſchen Landen möglich iſt. Von dem erſten
Eindruck den die neue Conſtitution in den zähen Boden unſeres gemein-
weſenlichen Bewußtſeins gemacht hat, erzählte ich Ihnen bereits; es
iſt ſeitdem nicht anders geworden. Die Nothwendigkeit Ordnung zu
ſchaffen wurde nirgends mehr anerkannt als hier zu Land; die Wenig-
ſten dachten ſich jedoch dieſe neuen Rechtsgeſtaltungen in dieſer Form.
Bei uns iſt das Eigenthümliche, das Sonderheitliche von je in ſol-
cher Berechtigung geweſen daß eine Unterordnung unter centraliſtre de
Normen beinahe einer Vernichtung gleichgehalten wird. Dieſe Anſicht hat
unſere Deputirten zu Wien auf die Rechte neben die Tſchechen gebracht;
ſie wird ihnen am nächſten Reichstag, den ſich jedoch noch niemand
als einen ſobald und überhaupt „möglichen“ denkt, die Plätze anweiſen.
Die proviſoriſchen Ergänzungen der Verfaſſung werden in gleicher Weiſe
aufgenommen. Man iſt einverſtanden mit allen Palliativen gegen den
Mißbrauch der unabläugbaren Rechte; als ſolche nimmt man nun das
Preß- und Aſſociationsgeſetz für den einſtweiligen Bedarf hin, ohne von
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Was an politiſchen Vereinen hier beſtand, löst ſich auch, wie wir hören,
auf das neue Geſetz hin ſelbſt auf; welche unſerer Journale deßhalb ver-
athmen, wiſſen wir noch nicht. Ueber die deutſche Sache und unſern An-
theil daran demnächſt mehreres — die Spannung wächst mit jeder
Stunde die uns der entſcheidenden zudrängt. So viel für heute: trotz
aller Entſcheide will und wird man hier nicht von Deutſchland laſſen.



Die Operationen der piemonteſiſchen Armee unter Chrza-
nowskt gegen die Oeſterreicher.

⁑ Wie die politiſche Stellung Oeſterreichs in Italien es mehr als
wünſchenswerth erſcheinen ließ den neu ausgebrochenen Kampf ſo raſch
wie möglich zur Entſcheidung zu bringen und zu beenden, was naturge-
mäß den offenſiven Charakter der Kriegführung in ſich ſchließt, ebenſo
[Spaltenumbruch] beſtimmt und klar waren die Piemonteſen auf die Defenſive verwieſen,
vom militäriſchen wie noch mehr vom politiſchen Geſichtspunkt aus be-
trachtet. Die Ueberlegenheit des Gegners im freien Felde war einmal
nicht wegzuläugnen. In taktiſcher wie in moraliſcher Hinſicht kann keine
italieniſche Truppe ſich den Oeſterreichern an die Seite ſtellen; in ähn-
lichem Verhältniß ſtehen die gegenſeitigen Führer zu einander. Oder
ſollte Chrzanowski ſich einem Radetzky überlegen gedünkt haben? Von
ſolchem Wahn wird er jetzt wohl geheilt ſeyn. Die politiſche Rückſicht
gebot den Piemonteſen weiter jedem Hauptſchlag auszuweichen, Radetzky
ſo lange wie nur immer möglich hinzuhalten, um den Lombarden Zeit zu
verſchaffen bedeutende Aufſtände ins Leben zu rufen, worauf ſie doch auch
nicht wenig gerechnet hatten. Nur 14 Tage die Sefia- und Po-Linie ge-
halten, was mit ihrer anerkannt guten Artillerie keine zu ſchwere Auf-
gabe geweſen wäre, und Radetzky hätte ſich wohl zu Entſendungen ver-
anlaßt geſehen die ſeine kühnen Angriffsdispoſitionen gewaltig verändert
haben würden. Dann erſt kam der Zeitpunkt für die Piemonteſen mit
mehr Ausſicht auf Erfolg die Defenſive mit der Offenſive zu
vertauſchen.

Welche Reſultate eine kräftige Defenſive, ſelbſt mit ſehr mittelmäßig
organiſirten Truppen, die übrigens Muth beſitzen müſſen, liefern kann,
zeigen uns ſeit mehreren Wochen die Theiß-Niederungen in Ungarn.
Wir ſind überzeugt daß das polniſche Element im piemonteſiſchen Ober-
general und andern polniſchen Officieren des Heeres den Oeſterreichern
auch an dem Po und der Sefia warm gemacht hätte.

Nächſt dieſem troſtloſen Bürgerkriege konnte Sardinien ſeine im
Jahr 1848 gemachten Erfahrungen auch noch zu Rathe ſitzen laſſen. Hatte
es die Operationen vom 23 Julius bis 6 Auguſt verfloſſenen Jahres ſo
ganz und gar vergeſſen? Als Sieger hatten ſich ſeine Streiter wie die
Maulwürfe am Mincio eingegraben; ſie verläpperten damals die ſchönſte
Zeit, bis Radetzky erſtarkt war und ſie dann ſammt allen Schanzen und
Poſitionsgeſchützen mit einem Schlage bis Mailand vor ſich hertrieb.
Und nun, im jüngſten Monate, fällt es ihnen bei rein offenſiv zu ver-
fahren, wo ihnen richtig angelegte verſchanzte Poſitionen als kräftige
Stützpunkte ſo nothgethan hätten!

Natürlich verſtehen wir unter kräftiger Defenſive kein ſo ſaumſeliges
unthätiges Verhalten wie es ſich bei den Piemonteſen in den Mincio-Ver-
ſchanzungen zeigte, ſondern eine richtig verbundene Wechſelwirkung von
Angriff und Vertheidigung, um einen beſtimmten Terrain-Abſchnitt feſt-
zuhalten.

Die piemonteſiſche Grundſtellung und deren Schwächen haben wir
in einem frühern Aufſatz ſchon beurtheilt, es bleibt uns deßhalb nur
noch zu zeigen übrig wie Chrzanowski aus dieſer Stellung operirte, und
wie er hätte operiren können um die begangenen Mißgriffe etwas auszu-
gleichen. Daß Pavia mit der günſtigen Poſition am Gravellone ſo ganz
unbeachtet gelaſſen wurde, iſt ein ſo unbegreiflicher wie unverzeihlicher
Fehler. Bedenkt man daß es ſchon Pflicht eines jeden Subalternofficiers
auf Vorpoſten iſt ſich alle Fälle zu vergegenwärtigen in welche ſeine Feld-
wache bei feindlichem Angriff gerathen könne, um ſein Verhalten mög-
lichſt darnach vorherzubeſtimmen; um wie viel mehr mußte man er-
ſtaunt ſeyn einen Offenſiv-Feldzug mit einem ſo groben Fehler eröffnet
zu ſehen.

Nach den Berichten überſchritt Chrzanoweki am 20 März mit 20,000
Mann den Ticino bei Buffalora und ging bis Magenta vor. Eine Re-
cognoscirung bis Sedriano ergab als Reſultat daß dieſe Straße ganz frei
vom Feinde ſey, woraus ſich die richtige Folgerung ergab daß Radetzky
keine Wichtigkeit auf den Beſitz von Mailand im Augenblick lege, und
ſich demnach eine andere Operationslinie gewählt habe. Nun erſt er-
kannte man den großen Werth von Pavia. Man hatte den Gedanken
dahin zu gehen. Es blieb aber beim Gedanken, für deſſen Ausführung
war es wirklich nicht allein zu ſpät, ſondern dieſe Demonſtration im
Rücken der Oeſterreicher bot auch wenig Ausſicht auf Erfolg, da man
richtig ahnte daß Radetzky, nachdem Mailand ſelbſt nicht gedeckt war,
mit vereinter Macht operiren werde, und ſomit es ihm und ſeinen Trup-
pen noch leichter geworden wäre die ſo getheilten piemonteſiſchen Streit-
kräfte zu ſchlagen und zu vernichten. Nun ging Chrzanowski mit ſeinem
Corps wieder auf Novara zurück. Abermals ein Fehler! Was that er
mit dieſen Streitmitteln zu Novara, während es ihm klar ſeyn mußte
daß Radetzky zu Pavia den Ticino überſchritten hatte? Er mußte auf
kürzeſter Linie von Magenta aus über Abbiate Graſſo nach Vigevano ſich
wenden, die beiden Corps vereinigen und mit Uebermacht — da ihm we-
nigſtens 30,000 Mann auf dieſem Punkte zur Verfügung ſtunden — auf
die Verbindung der Oeſterreicher über Gambolo nach Trumello losgehen.
Hätte er auch da die Oeſterreicher nicht gefunden, ſo war mit dieſem
Marſche nichts verloren, ſondern nur gewonnen, da es einmal Thatſache
war daß Radetzky nicht auf Novara ſondern im Süden manöorire, und

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[1551/0011] wirken, ohne ſich entweder zu Feinden ihres engern Vaterlands, oder zu Sklaven des öſterreichiſchen Miniſteriums zu machen, wenn dieſes aus der bundesgeſetzmäßigen Bahn aus irgendeinem Grunde heraustreten ſollte. Was die Unitarier zu dieſem allen ſagen und ſagen werden, ſoll in dem nächſten Artikel sine ira et studio beſprochen werden. K. A. v. Wangenheim. Tirol. * Von der Etſch, 2 April. Mit dem italieniſchen Krieg iſt’s zum Abſchluß gekommen, ehe wir ernſtlich daran gehen konnten Ihnen von ſeinem Verlaufe ſicheres zu berichten. Je näher wir dem Kriegstheater ſitzen, deſto unzuverläſſiger werden die Mittheilungen unterm Publicum. So liefen auch dießmal ein paar fabelhaft lautende Gerüchte voraus, dann kamen voreilige Briefe, und ehe man ſie prüfen konnte, Bulletins die uns dieſer Mühe überhoben. Man hat das Drama um vier Acte gekürzt, weil der Sluß des erſten bei Novara mit ſolcher Sturmesgewalt improviſirt wurde. Vom Nachſpiel im Brescianiſchen erwartet man eine gleich raſche Entwicklung. Von allen Seiten rücken Truppen an. Bis jetzt, ſo hören wir aus den Judicarien, lodert zwar noch der Aufſtand bis an die Gebirge her — er gilt aber als ungefährliches Strohfeuer. Vorgeſtern hieß es Trient und Roveredo ſeyen in Belagerungszuſtand erklärt, noch fehlt die Beſtäti- gung. Hier iſt die Freude über die tapfere Abfertigung der Wälſchen groß. Hat man auch von vornherein das ganze Beginnen für ein Wind-Ei genom- men, ſo wäre doch aus einer Verzögerung des Endes für uns viel drücken- des und unerſprießliches erwachſen. Vor allem iſt man froh das Aufge- bot der Schützen nun beſeitigt zu wiſſen, da es ſicher nur ungenügend und mit äußerſter Mühſal ermöglicht worden wäre. Hier an der obern Etſch durfte man keinen Bauern fragen ob er ausrücken werde, ohne auf eine Antwort gefaßt zu ſeyn die mit jener viele Aehnlichkeit hat welche im Götz von Berlichingen für den Herold in — Gedankenſtrichen angegeben iſt. Mußte man ja, um das verlangte Reſervebataillon der Kaiſerjäger aufzu- bringen welches durch Werbung geſtellt werden ſollte, weil eine Loſung der Pflichtigen nicht räthlich ſchien, bereits zu dem Mittel greifen durch Beiträge der Gemeinden das Handgeld bedeutend zu erhöhen, und ſelbſt hiedurch iſt der Erfolg nicht geſichert zu halten. Ueberhaupt wüßten wir es ſchwer mit den Thatſachen zu vereinbaren, wenn wir die Stimmung im Volke unſerer Nachbarſchaft eine gehobene, zu irgendeinem ſogenannt „patriotiſchen“ Anlauf geeignete nennen wollten. Dieſe Leute mit ihrer Vorliebe für das Handgreifliche und Augenfällige erklären immer ent- ſchiedener ſie fänden nichts das beſſer geworden wäre ſeit man ihnen neue goldene Zeiten verſprochen habe. In den höhern Schichten findet ſich hier kaum jene politiſche Atmoſphäre die ein leichteres Athemholen zuließe, als dieß überhaupt jetzt in deutſchen Landen möglich iſt. Von dem erſten Eindruck den die neue Conſtitution in den zähen Boden unſeres gemein- weſenlichen Bewußtſeins gemacht hat, erzählte ich Ihnen bereits; es iſt ſeitdem nicht anders geworden. Die Nothwendigkeit Ordnung zu ſchaffen wurde nirgends mehr anerkannt als hier zu Land; die Wenig- ſten dachten ſich jedoch dieſe neuen Rechtsgeſtaltungen in dieſer Form. Bei uns iſt das Eigenthümliche, das Sonderheitliche von je in ſol- cher Berechtigung geweſen daß eine Unterordnung unter centraliſtre de Normen beinahe einer Vernichtung gleichgehalten wird. Dieſe Anſicht hat unſere Deputirten zu Wien auf die Rechte neben die Tſchechen gebracht; ſie wird ihnen am nächſten Reichstag, den ſich jedoch noch niemand als einen ſobald und überhaupt „möglichen“ denkt, die Plätze anweiſen. Die proviſoriſchen Ergänzungen der Verfaſſung werden in gleicher Weiſe aufgenommen. Man iſt einverſtanden mit allen Palliativen gegen den Mißbrauch der unabläugbaren Rechte; als ſolche nimmt man nun das Preß- und Aſſociationsgeſetz für den einſtweiligen Bedarf hin, ohne von ihnen befriedigt oder gar erfreut zu ſeyn und ihre Dauer zu begehren. Was an politiſchen Vereinen hier beſtand, löst ſich auch, wie wir hören, auf das neue Geſetz hin ſelbſt auf; welche unſerer Journale deßhalb ver- athmen, wiſſen wir noch nicht. Ueber die deutſche Sache und unſern An- theil daran demnächſt mehreres — die Spannung wächst mit jeder Stunde die uns der entſcheidenden zudrängt. So viel für heute: trotz aller Entſcheide will und wird man hier nicht von Deutſchland laſſen. Die Operationen der piemonteſiſchen Armee unter Chrza- nowskt gegen die Oeſterreicher. Von einem bayeriſchen Officier. ⁑ Wie die politiſche Stellung Oeſterreichs in Italien es mehr als wünſchenswerth erſcheinen ließ den neu ausgebrochenen Kampf ſo raſch wie möglich zur Entſcheidung zu bringen und zu beenden, was naturge- mäß den offenſiven Charakter der Kriegführung in ſich ſchließt, ebenſo beſtimmt und klar waren die Piemonteſen auf die Defenſive verwieſen, vom militäriſchen wie noch mehr vom politiſchen Geſichtspunkt aus be- trachtet. Die Ueberlegenheit des Gegners im freien Felde war einmal nicht wegzuläugnen. In taktiſcher wie in moraliſcher Hinſicht kann keine italieniſche Truppe ſich den Oeſterreichern an die Seite ſtellen; in ähn- lichem Verhältniß ſtehen die gegenſeitigen Führer zu einander. Oder ſollte Chrzanowski ſich einem Radetzky überlegen gedünkt haben? Von ſolchem Wahn wird er jetzt wohl geheilt ſeyn. Die politiſche Rückſicht gebot den Piemonteſen weiter jedem Hauptſchlag auszuweichen, Radetzky ſo lange wie nur immer möglich hinzuhalten, um den Lombarden Zeit zu verſchaffen bedeutende Aufſtände ins Leben zu rufen, worauf ſie doch auch nicht wenig gerechnet hatten. Nur 14 Tage die Sefia- und Po-Linie ge- halten, was mit ihrer anerkannt guten Artillerie keine zu ſchwere Auf- gabe geweſen wäre, und Radetzky hätte ſich wohl zu Entſendungen ver- anlaßt geſehen die ſeine kühnen Angriffsdispoſitionen gewaltig verändert haben würden. Dann erſt kam der Zeitpunkt für die Piemonteſen mit mehr Ausſicht auf Erfolg die Defenſive mit der Offenſive zu vertauſchen. Welche Reſultate eine kräftige Defenſive, ſelbſt mit ſehr mittelmäßig organiſirten Truppen, die übrigens Muth beſitzen müſſen, liefern kann, zeigen uns ſeit mehreren Wochen die Theiß-Niederungen in Ungarn. Wir ſind überzeugt daß das polniſche Element im piemonteſiſchen Ober- general und andern polniſchen Officieren des Heeres den Oeſterreichern auch an dem Po und der Sefia warm gemacht hätte. Nächſt dieſem troſtloſen Bürgerkriege konnte Sardinien ſeine im Jahr 1848 gemachten Erfahrungen auch noch zu Rathe ſitzen laſſen. Hatte es die Operationen vom 23 Julius bis 6 Auguſt verfloſſenen Jahres ſo ganz und gar vergeſſen? Als Sieger hatten ſich ſeine Streiter wie die Maulwürfe am Mincio eingegraben; ſie verläpperten damals die ſchönſte Zeit, bis Radetzky erſtarkt war und ſie dann ſammt allen Schanzen und Poſitionsgeſchützen mit einem Schlage bis Mailand vor ſich hertrieb. Und nun, im jüngſten Monate, fällt es ihnen bei rein offenſiv zu ver- fahren, wo ihnen richtig angelegte verſchanzte Poſitionen als kräftige Stützpunkte ſo nothgethan hätten! Natürlich verſtehen wir unter kräftiger Defenſive kein ſo ſaumſeliges unthätiges Verhalten wie es ſich bei den Piemonteſen in den Mincio-Ver- ſchanzungen zeigte, ſondern eine richtig verbundene Wechſelwirkung von Angriff und Vertheidigung, um einen beſtimmten Terrain-Abſchnitt feſt- zuhalten. Die piemonteſiſche Grundſtellung und deren Schwächen haben wir in einem frühern Aufſatz ſchon beurtheilt, es bleibt uns deßhalb nur noch zu zeigen übrig wie Chrzanowski aus dieſer Stellung operirte, und wie er hätte operiren können um die begangenen Mißgriffe etwas auszu- gleichen. Daß Pavia mit der günſtigen Poſition am Gravellone ſo ganz unbeachtet gelaſſen wurde, iſt ein ſo unbegreiflicher wie unverzeihlicher Fehler. Bedenkt man daß es ſchon Pflicht eines jeden Subalternofficiers auf Vorpoſten iſt ſich alle Fälle zu vergegenwärtigen in welche ſeine Feld- wache bei feindlichem Angriff gerathen könne, um ſein Verhalten mög- lichſt darnach vorherzubeſtimmen; um wie viel mehr mußte man er- ſtaunt ſeyn einen Offenſiv-Feldzug mit einem ſo groben Fehler eröffnet zu ſehen. Nach den Berichten überſchritt Chrzanoweki am 20 März mit 20,000 Mann den Ticino bei Buffalora und ging bis Magenta vor. Eine Re- cognoscirung bis Sedriano ergab als Reſultat daß dieſe Straße ganz frei vom Feinde ſey, woraus ſich die richtige Folgerung ergab daß Radetzky keine Wichtigkeit auf den Beſitz von Mailand im Augenblick lege, und ſich demnach eine andere Operationslinie gewählt habe. Nun erſt er- kannte man den großen Werth von Pavia. Man hatte den Gedanken dahin zu gehen. Es blieb aber beim Gedanken, für deſſen Ausführung war es wirklich nicht allein zu ſpät, ſondern dieſe Demonſtration im Rücken der Oeſterreicher bot auch wenig Ausſicht auf Erfolg, da man richtig ahnte daß Radetzky, nachdem Mailand ſelbſt nicht gedeckt war, mit vereinter Macht operiren werde, und ſomit es ihm und ſeinen Trup- pen noch leichter geworden wäre die ſo getheilten piemonteſiſchen Streit- kräfte zu ſchlagen und zu vernichten. Nun ging Chrzanowski mit ſeinem Corps wieder auf Novara zurück. Abermals ein Fehler! Was that er mit dieſen Streitmitteln zu Novara, während es ihm klar ſeyn mußte daß Radetzky zu Pavia den Ticino überſchritten hatte? Er mußte auf kürzeſter Linie von Magenta aus über Abbiate Graſſo nach Vigevano ſich wenden, die beiden Corps vereinigen und mit Uebermacht — da ihm we- nigſtens 30,000 Mann auf dieſem Punkte zur Verfügung ſtunden — auf die Verbindung der Oeſterreicher über Gambolo nach Trumello losgehen. 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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849, S. 1551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine101_1849/11>, abgerufen am 21.11.2024.