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Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849.

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Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Humboldts Kosmos in England.

In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutschen
übersetzt, und zwar mit besserer Auswahl als früher. Gmelins Handbuch
der Chemie, Schillers Briefwechsel mit Körner, eine Auslese aus Fried-
rich Schlegels Werken find in letzter Zeit in englischem Gewand erschienen.
Von Al. Humboldts "Kosmos" gibt es nicht weniger als drei englische
Uebertragungen: von Hrn. Bailliere, Mistreß Sabine (unter Leitung ih-
res Gatten, des Obersten Sabine), und einer Miß Otte. Also zwei Da-
men als Uebersetzerinnen eines Werks dessen tieferes Verständniß dem größe-
ren Theile der Männerwelt verschlossen ist! Unter den bezüglichen Londo-
ner Buchhandlungen, Longman u. Comp., John Murray und Bohn, hat
sich nun ein Krieg über den Werth dieser verschiedenen Uebersetzungen ent-
sponnen, und damit zugleich die Frage erhoben: ob und inwiefern
eine Uebersetzung "copyright", d. h. rechtliche Sicherheit gegen den Nach-
druck ansprechen könne. Aus einer probeweisen Gegeneinanderstellung der
drei Uebertragungen in der Literary Gazette ergibt sich nämlich daß
wenigstens die eine derselben, die von der Miß Otte (bei Bohn), nicht
hätte gemacht werden können, wenn die zwei andern nicht vorausgegangen
wären. Bohn läugnet das seiner Uebersetzung vorgeworfene Plagiat,
und beruft sich auf mehrfache briefliche Berathungen mit dem berühmten
Autor selbst. Die beste der drei Uebertragungen ist augenscheinlich die
von Mrs. Sabine in Murray's solidem Verlag, welche auch bereits vier
Auflagen erlebt hat; die wohlfeilste aber ist die Bohn'sche. Die Lite-
rary Gazette
räth nun auch Bernhard Cotta's "Briefe über Humboldts
Kosmos" zu übertragen, als einen zum Verständniß des Buchs nöthi-
gen Commentar; "denn", sagt sie, "in England, wie in Deutschland, ist
es Mode (fashionable) geworden vom Kosmos zu reden -- wer ihn nicht
gelesen hat, gilt für ungebildet (not to have read it is to be a boor);
aber das Werk setzt Kenntnisse voraus die eben gar mancher seiner Leser
nicht mitbringt. Diesem Mangel suchen jene populären Briefe zu begegnen."
Die Erfahrung nun daß auch in England das Uebersetzungswesen mehr
und mehr in ein Fabrikgeschäft ausartet, daß ein Uebersetzer rücksichtslos
die Uebersetzungen anderer benützt, und daß daher diejenigen Buchhändler
welche Uebertragungen von tüchtigen Männern abfassen ließen und ange-
messen bezahlten, dabei schlecht fahren, hat jetzt, wie das Athenäum mel-
det, mehrere der angesehensten Buchhandlungen zu der Erklärung veran-
laßt daß sie gar keine Uebersetzungen mehr verlegen wollen. Dagegen wird
nun vorgeschlagen: fremden Autoren ein fünfjähriges Verlagsrecht in
England einzuräumen, wodurch sie in den Stand gesetzt würden mit eng-
lischen Verlegern zu unterhandeln. So würden Verfasser, Uebersetzer und
Herausgeber auf eine Entschädigung, wenigstens auf einen angemessenen
Markt rechnen können.



Die Lage Oesterreichs gegenüber der Reichsverfassung.

Wir stellen an die Spitze unserer Betrachtung zwei
Thatsachen, die unläugbar sind. Erstens: Oesterreich kann Deutschlands,
Deutschland kann Oesterreichs nicht entbehren; und zweitens: Oesterreich
hat ein Recht für seine Bundesprovinzen an jeder Umgestaltung der deut-
schen Verfassung theilzunehmen, und seine Zustimmung zu versagen wenn
diese Umgestaltung für seine Verhältnisse rein unausführbar ist. Oester-
reich kann Deutschlands nicht entbehren, weil es von jeher in Bildung,
Sprache, Gesetzen und Interessen vorherrschend deutsch war, weil
der ganze Fortschritt der Cultur im Osten auf dem deutschen Element be-
ruht, weil dieses allein die verschiedenen Nationen Oesterreichs politisch
zusammenhielt und ihm seine Aufgabe vorzeichnete. Man darf nur an die
Gefahr erinnern welche gerade bei der ersten Kaiserwahl eines Habsbur-
gers den deutschen Provinzen Oesterreichs und ganz Deutschland von dem
mächtig aufstrebenden böhmisch-slavischen Elemente drohte, an die Bedeu-
tung der Schlacht auf dem Marchfelde, an den Zerfall des deutschen Rei-
ches unter den böhmischen Luxemburgern, und man wird jetzt, wo der
Streit der Nationalitäten eine viel intensivere Kraft erlangt hat, um so
mehr einsehen daß es das deutsche Interesse und die deutsche Kraft ist welche
Deutsch-Oesterreich allein retten und Deutschland vor einem gewaltigen
Feinde im Osten bewahren kann. Oesterreich wird nach einer Tren-
nung
von Deutschland vorwiegend slavisch magyarisch; an eine wenn auch
nur geistige Ueberwältigung der Donauländer und des Erbtheils der hin-
sinkenden Türkei durch Deutschlands Einfluß ist dann nicht mehr zu den-
ken; Oesterreich muß dann Hand in Hand mit Rußland gehen und wird
es thun, weil nur durch ein solches Bündniß ihm vergönnt wäre Theil an
[Spaltenumbruch] den dortigen Errungenschaften des Ostens zu nehmen, die in nächster Aus-
sicht liegen. Nur wenn die Kraft des übrigen Deutschlands ihm zur Seite
steht und den Rücken deckt, ist Oesterreich genöthigt und liegt es im Interesse
Oesterreichs das deutsche Element als das herrschende aufrechtzuerhalten.
Unter Staaten gibt es nur dreierlei Verhältnisse: Bündniß, Gleichgültig-
keit gegen einander oder Feindschaft. Der Umstand daß kein Bündniß
zum Schutz und Trutz zwischen dem deutschen Bunde und den nichtdeut-
schen Ländern Oesterreichs bestand, hat jetzt die Russen nach Siebenbür-
gen gebracht. Der deutsche Bund hat Oesterreich in seinen doppelten Krie-
gen in Italien und Ungarn nicht unterstützt, weil er dazu nicht verpflichtet
war; die Folge ist daß Oesterreich, wenn auch widerstrebend, sich an Ruß-
land anlehnen mußte. Höchst traurig ist dieß Resultat für die deutschen
Aussichten in den Donauländern; wie wird es aber erst werden wenn
Oesterreich von Deutschland getrennt ist? Denkt man denn gar nicht an
die Wahrscheinlichkeit daß Oesterreich dann Rußland zum großen Theil
den Südosten überlassen muß, daß es dann im Bündniß mit ihm sich seine
Rechte auf Deutschland, die es niemals aufgeben kann, wieder erobern
wird? Man sagt: ein Zerfall Oesterreichs ist unausbleiblich; aber der Zer-
fall Oesterreichs besteht darin daß es sich wunderbar in kurzer Zeit gegen
äußere und innere Feinde consolidirt hat. Wenn Oesterreich den Osten
Rußland überlassen und aus dem neuen deutschen Reich ausscheiden muß,
wer ist dann sein nächster Feind? Deutschland. Ueberall, in Schlesien,
Sachsen, Bayern, Württemberg hat Oesterreich Angriffspunkte, Bayern
namentlich ist fast auf allen Seiten von Oesterreich flankirt. Wenn Oester-
reich aber seine Rechte auf Deutschland wieder erobern will, wer kann es
daran hindern? Etwa Frankreich? Dieses ist lüstern nach der Rheingränze,
es wird sich eher noch mit Oesterreich verständigen und die Pfalz und die
jenseitigen Rheinländer für sich nehmen. Etwa Kleindeutschland? Aber
Kleindeutschland hat genug mit Frankreich oder Rußland zu thun um
seine Existenz zu wahren. Man kann im Interesse Deutschlands nicht ge-
nug das Augenmerk auf den Umstand richten daß Oesterreichs sämmt-
liche deutsche Bundesländer an keiner Stelle an auswärtige,
fremde Länder stoßen
. Oesterreich ist im Verein mit Deutschland nie-
mals den nächsten Angriffen Frankreichs oder Rußlands in seinen deut-
schen Bundesländern ausgesetzt, es kann sie an keine dieser Mächte
verlieren,
aber es ist in einem solchen Verein verpflichtet mit deren
ganzer Kraft zur Vertheidigung und Deckung anderer deut-
scher Länder beizutragen
. Nicht einmal Oesterreichs italienische Kriege
haben Frankreich bewogen in Italien zu interveniren; glaubt man daß Frank-
reich so thöricht seyn werde Kleindeutschland zu schützen ohne den Preis
der Rheingränze zu erlangen, wenn Oesterreich seine Rechte oder An-
sprüche in Deutschland mit Gewalt geltend machen wird? Glaubt man
Oesterreich werde sich gutmüthig aus Deutschland hinausweisen lassen, aus
dem Deutschland das Oesterreichs Kräfte gar nicht entbehren kann?
Glaubt man Oesterreich werde sich gutmüthig die Lasten des deutschen
Bundes auflegen lassen ohne an den Rechten und dem Einfluß theilzuneh-
men welche die neue Verfassung ihm gewähren muß? Glaubt man
Oesterreich werde dabei stehen bleiben zu protestiren; es werde nicht die
deutsche Frage auf das Gebiet europäischer Verhandlungen und Coalitio-
nen hinübertragen? Und wenn dieß nun geschähe, wozu allein schon die
preußische Kaiserfrage den Anlaß gäbe, wie wäre die Sachlage? Die deut-
sche Bundesacte, die Wiener Congreßacte bestimmen daß keine Abänderung
der durch sie begründeten deutschen Verfassung anders geschehen könne als
mit Zustimmung aller deutschen Staaten. Wird nicht bei so bewandten
Umständen das Ausland die Gelegenheit gierig ergreifen Deutschland zu
seinen alten kläglichen Zuständen zurückzuführen? Man betrachte die
Lage der mittleren deutschen Staaten. Bayern namentlich hat von einer
Verfassung, die nicht das ganze Deutschland vereint, fast nichts zu erwar-
ten als Opfer (?) und die Feindschaft Oesterreichs; es verliert alle Vor-
theile eines Verbandes des gesammten Deutschlands, es verliert die Deckung
der österreichischen Kräfte, es verliert die Aussichten auf einen freien Ver-
kehr mit den südlichen und östlichen österreichischen Ländern; es steht in
Zukunft mit Württemberg und Baden isolirt da in der Vertheidigung
der südlichen Rheingränze; es verliert außerdem jeden Antheil, jeden Ein-
fluß auf die auswärtige Politik Deutschlands; und was gewinnt es? Eine
Repräsentation in Frankfurt bei der Gesetzgebung Deutschlands, in welcher
seine Stimmen stets eine nichtssagende Minorität bleiben müssen. Ich
höre hier den Vorwurf unserer Ideologen, das sey die Sprache des Par-
ticularismus! Ja wohl desjenigen Particularismus der durch Natur
und Geschichte uns allen eingepflanzt ist; desjenigen Particularismus, der
in der Vereinigung aller einzelnen bestehenden Interessen die Rettung der

Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Humboldts Koſmos in England.

In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutſchen
überſetzt, und zwar mit beſſerer Auswahl als früher. Gmelins Handbuch
der Chemie, Schillers Briefwechſel mit Körner, eine Ausleſe aus Fried-
rich Schlegels Werken find in letzter Zeit in engliſchem Gewand erſchienen.
Von Al. Humboldts „Koſmos“ gibt es nicht weniger als drei engliſche
Uebertragungen: von Hrn. Baillière, Miſtreß Sabine (unter Leitung ih-
res Gatten, des Oberſten Sabine), und einer Miß Otté. Alſo zwei Da-
men als Ueberſetzerinnen eines Werks deſſen tieferes Verſtändniß dem größe-
ren Theile der Männerwelt verſchloſſen iſt! Unter den bezüglichen Londo-
ner Buchhandlungen, Longman u. Comp., John Murray und Bohn, hat
ſich nun ein Krieg über den Werth dieſer verſchiedenen Ueberſetzungen ent-
ſponnen, und damit zugleich die Frage erhoben: ob und inwiefern
eine Ueberſetzung „copyright“, d. h. rechtliche Sicherheit gegen den Nach-
druck anſprechen könne. Aus einer probeweiſen Gegeneinanderſtellung der
drei Uebertragungen in der Literary Gazette ergibt ſich nämlich daß
wenigſtens die eine derſelben, die von der Miß Otté (bei Bohn), nicht
hätte gemacht werden können, wenn die zwei andern nicht vorausgegangen
wären. Bohn läugnet das ſeiner Ueberſetzung vorgeworfene Plagiat,
und beruft ſich auf mehrfache briefliche Berathungen mit dem berühmten
Autor ſelbſt. Die beſte der drei Uebertragungen iſt augenſcheinlich die
von Mrs. Sabine in Murray’s ſolidem Verlag, welche auch bereits vier
Auflagen erlebt hat; die wohlfeilſte aber iſt die Bohn’ſche. Die Lite-
rary Gazette
räth nun auch Bernhard Cotta’s „Briefe über Humboldts
Koſmos“ zu übertragen, als einen zum Verſtändniß des Buchs nöthi-
gen Commentar; „denn“, ſagt ſie, „in England, wie in Deutſchland, iſt
es Mode (fashionable) geworden vom Koſmos zu reden — wer ihn nicht
geleſen hat, gilt für ungebildet (not to have read it is to be a boor);
aber das Werk ſetzt Kenntniſſe voraus die eben gar mancher ſeiner Leſer
nicht mitbringt. Dieſem Mangel ſuchen jene populären Briefe zu begegnen.“
Die Erfahrung nun daß auch in England das Ueberſetzungsweſen mehr
und mehr in ein Fabrikgeſchäft ausartet, daß ein Ueberſetzer rückſichtslos
die Ueberſetzungen anderer benützt, und daß daher diejenigen Buchhändler
welche Uebertragungen von tüchtigen Männern abfaſſen ließen und ange-
meſſen bezahlten, dabei ſchlecht fahren, hat jetzt, wie das Athenäum mel-
det, mehrere der angeſehenſten Buchhandlungen zu der Erklärung veran-
laßt daß ſie gar keine Ueberſetzungen mehr verlegen wollen. Dagegen wird
nun vorgeſchlagen: fremden Autoren ein fünfjähriges Verlagsrecht in
England einzuräumen, wodurch ſie in den Stand geſetzt würden mit eng-
liſchen Verlegern zu unterhandeln. So würden Verfaſſer, Ueberſetzer und
Herausgeber auf eine Entſchädigung, wenigſtens auf einen angemeſſenen
Markt rechnen können.



Die Lage Oeſterreichs gegenüber der Reichsverfaſſung.

Wir ſtellen an die Spitze unſerer Betrachtung zwei
Thatſachen, die unläugbar ſind. Erſtens: Oeſterreich kann Deutſchlands,
Deutſchland kann Oeſterreichs nicht entbehren; und zweitens: Oeſterreich
hat ein Recht für ſeine Bundesprovinzen an jeder Umgeſtaltung der deut-
ſchen Verfaſſung theilzunehmen, und ſeine Zuſtimmung zu verſagen wenn
dieſe Umgeſtaltung für ſeine Verhältniſſe rein unausführbar iſt. Oeſter-
reich kann Deutſchlands nicht entbehren, weil es von jeher in Bildung,
Sprache, Geſetzen und Intereſſen vorherrſchend deutſch war, weil
der ganze Fortſchritt der Cultur im Oſten auf dem deutſchen Element be-
ruht, weil dieſes allein die verſchiedenen Nationen Oeſterreichs politiſch
zuſammenhielt und ihm ſeine Aufgabe vorzeichnete. Man darf nur an die
Gefahr erinnern welche gerade bei der erſten Kaiſerwahl eines Habsbur-
gers den deutſchen Provinzen Oeſterreichs und ganz Deutſchland von dem
mächtig aufſtrebenden böhmiſch-ſlaviſchen Elemente drohte, an die Bedeu-
tung der Schlacht auf dem Marchfelde, an den Zerfall des deutſchen Rei-
ches unter den böhmiſchen Luxemburgern, und man wird jetzt, wo der
Streit der Nationalitäten eine viel intenſivere Kraft erlangt hat, um ſo
mehr einſehen daß es das deutſche Intereſſe und die deutſche Kraft iſt welche
Deutſch-Oeſterreich allein retten und Deutſchland vor einem gewaltigen
Feinde im Oſten bewahren kann. Oeſterreich wird nach einer Tren-
nung
von Deutſchland vorwiegend ſlaviſch magyariſch; an eine wenn auch
nur geiſtige Ueberwältigung der Donauländer und des Erbtheils der hin-
ſinkenden Türkei durch Deutſchlands Einfluß iſt dann nicht mehr zu den-
ken; Oeſterreich muß dann Hand in Hand mit Rußland gehen und wird
es thun, weil nur durch ein ſolches Bündniß ihm vergönnt wäre Theil an
[Spaltenumbruch] den dortigen Errungenſchaften des Oſtens zu nehmen, die in nächſter Aus-
ſicht liegen. Nur wenn die Kraft des übrigen Deutſchlands ihm zur Seite
ſteht und den Rücken deckt, iſt Oeſterreich genöthigt und liegt es im Intereſſe
Oeſterreichs das deutſche Element als das herrſchende aufrechtzuerhalten.
Unter Staaten gibt es nur dreierlei Verhältniſſe: Bündniß, Gleichgültig-
keit gegen einander oder Feindſchaft. Der Umſtand daß kein Bündniß
zum Schutz und Trutz zwiſchen dem deutſchen Bunde und den nichtdeut-
ſchen Ländern Oeſterreichs beſtand, hat jetzt die Ruſſen nach Siebenbür-
gen gebracht. Der deutſche Bund hat Oeſterreich in ſeinen doppelten Krie-
gen in Italien und Ungarn nicht unterſtützt, weil er dazu nicht verpflichtet
war; die Folge iſt daß Oeſterreich, wenn auch widerſtrebend, ſich an Ruß-
land anlehnen mußte. Höchſt traurig iſt dieß Reſultat für die deutſchen
Ausſichten in den Donauländern; wie wird es aber erſt werden wenn
Oeſterreich von Deutſchland getrennt iſt? Denkt man denn gar nicht an
die Wahrſcheinlichkeit daß Oeſterreich dann Rußland zum großen Theil
den Südoſten überlaſſen muß, daß es dann im Bündniß mit ihm ſich ſeine
Rechte auf Deutſchland, die es niemals aufgeben kann, wieder erobern
wird? Man ſagt: ein Zerfall Oeſterreichs iſt unausbleiblich; aber der Zer-
fall Oeſterreichs beſteht darin daß es ſich wunderbar in kurzer Zeit gegen
äußere und innere Feinde conſolidirt hat. Wenn Oeſterreich den Oſten
Rußland überlaſſen und aus dem neuen deutſchen Reich ausſcheiden muß,
wer iſt dann ſein nächſter Feind? Deutſchland. Ueberall, in Schleſien,
Sachſen, Bayern, Württemberg hat Oeſterreich Angriffspunkte, Bayern
namentlich iſt faſt auf allen Seiten von Oeſterreich flankirt. Wenn Oeſter-
reich aber ſeine Rechte auf Deutſchland wieder erobern will, wer kann es
daran hindern? Etwa Frankreich? Dieſes iſt lüſtern nach der Rheingränze,
es wird ſich eher noch mit Oeſterreich verſtändigen und die Pfalz und die
jenſeitigen Rheinländer für ſich nehmen. Etwa Kleindeutſchland? Aber
Kleindeutſchland hat genug mit Frankreich oder Rußland zu thun um
ſeine Exiſtenz zu wahren. Man kann im Intereſſe Deutſchlands nicht ge-
nug das Augenmerk auf den Umſtand richten daß Oeſterreichs ſämmt-
liche deutſche Bundesländer an keiner Stelle an auswärtige,
fremde Länder ſtoßen
. Oeſterreich iſt im Verein mit Deutſchland nie-
mals den nächſten Angriffen Frankreichs oder Rußlands in ſeinen deut-
ſchen Bundesländern ausgeſetzt, es kann ſie an keine dieſer Mächte
verlieren,
aber es iſt in einem ſolchen Verein verpflichtet mit deren
ganzer Kraft zur Vertheidigung und Deckung anderer deut-
ſcher Länder beizutragen
. Nicht einmal Oeſterreichs italieniſche Kriege
haben Frankreich bewogen in Italien zu interveniren; glaubt man daß Frank-
reich ſo thöricht ſeyn werde Kleindeutſchland zu ſchützen ohne den Preis
der Rheingränze zu erlangen, wenn Oeſterreich ſeine Rechte oder An-
ſprüche in Deutſchland mit Gewalt geltend machen wird? Glaubt man
Oeſterreich werde ſich gutmüthig aus Deutſchland hinausweiſen laſſen, aus
dem Deutſchland das Oeſterreichs Kräfte gar nicht entbehren kann?
Glaubt man Oeſterreich werde ſich gutmüthig die Laſten des deutſchen
Bundes auflegen laſſen ohne an den Rechten und dem Einfluß theilzuneh-
men welche die neue Verfaſſung ihm gewähren muß? Glaubt man
Oeſterreich werde dabei ſtehen bleiben zu proteſtiren; es werde nicht die
deutſche Frage auf das Gebiet europäiſcher Verhandlungen und Coalitio-
nen hinübertragen? Und wenn dieß nun geſchähe, wozu allein ſchon die
preußiſche Kaiſerfrage den Anlaß gäbe, wie wäre die Sachlage? Die deut-
ſche Bundesacte, die Wiener Congreßacte beſtimmen daß keine Abänderung
der durch ſie begründeten deutſchen Verfaſſung anders geſchehen könne als
mit Zuſtimmung aller deutſchen Staaten. Wird nicht bei ſo bewandten
Umſtänden das Ausland die Gelegenheit gierig ergreifen Deutſchland zu
ſeinen alten kläglichen Zuſtänden zurückzuführen? Man betrachte die
Lage der mittleren deutſchen Staaten. Bayern namentlich hat von einer
Verfaſſung, die nicht das ganze Deutſchland vereint, faſt nichts zu erwar-
ten als Opfer (?) und die Feindſchaft Oeſterreichs; es verliert alle Vor-
theile eines Verbandes des geſammten Deutſchlands, es verliert die Deckung
der öſterreichiſchen Kräfte, es verliert die Ausſichten auf einen freien Ver-
kehr mit den ſüdlichen und öſtlichen öſterreichiſchen Ländern; es ſteht in
Zukunft mit Württemberg und Baden iſolirt da in der Vertheidigung
der ſüdlichen Rheingränze; es verliert außerdem jeden Antheil, jeden Ein-
fluß auf die auswärtige Politik Deutſchlands; und was gewinnt es? Eine
Repräſentation in Frankfurt bei der Geſetzgebung Deutſchlands, in welcher
ſeine Stimmen ſtets eine nichtsſagende Minorität bleiben müſſen. Ich
höre hier den Vorwurf unſerer Ideologen, das ſey die Sprache des Par-
ticularismus! Ja wohl desjenigen Particularismus der durch Natur
und Geſchichte uns allen eingepflanzt iſt; desjenigen Particularismus, der
in der Vereinigung aller einzelnen beſtehenden Intereſſen die Rettung der

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[0009] Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849. Humboldts Koſmos in England. In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutſchen überſetzt, und zwar mit beſſerer Auswahl als früher. Gmelins Handbuch der Chemie, Schillers Briefwechſel mit Körner, eine Ausleſe aus Fried- rich Schlegels Werken find in letzter Zeit in engliſchem Gewand erſchienen. Von Al. Humboldts „Koſmos“ gibt es nicht weniger als drei engliſche Uebertragungen: von Hrn. Baillière, Miſtreß Sabine (unter Leitung ih- res Gatten, des Oberſten Sabine), und einer Miß Otté. Alſo zwei Da- men als Ueberſetzerinnen eines Werks deſſen tieferes Verſtändniß dem größe- ren Theile der Männerwelt verſchloſſen iſt! Unter den bezüglichen Londo- ner Buchhandlungen, Longman u. Comp., John Murray und Bohn, hat ſich nun ein Krieg über den Werth dieſer verſchiedenen Ueberſetzungen ent- ſponnen, und damit zugleich die Frage erhoben: ob und inwiefern eine Ueberſetzung „copyright“, d. h. rechtliche Sicherheit gegen den Nach- druck anſprechen könne. Aus einer probeweiſen Gegeneinanderſtellung der drei Uebertragungen in der Literary Gazette ergibt ſich nämlich daß wenigſtens die eine derſelben, die von der Miß Otté (bei Bohn), nicht hätte gemacht werden können, wenn die zwei andern nicht vorausgegangen wären. Bohn läugnet das ſeiner Ueberſetzung vorgeworfene Plagiat, und beruft ſich auf mehrfache briefliche Berathungen mit dem berühmten Autor ſelbſt. Die beſte der drei Uebertragungen iſt augenſcheinlich die von Mrs. Sabine in Murray’s ſolidem Verlag, welche auch bereits vier Auflagen erlebt hat; die wohlfeilſte aber iſt die Bohn’ſche. Die Lite- rary Gazette räth nun auch Bernhard Cotta’s „Briefe über Humboldts Koſmos“ zu übertragen, als einen zum Verſtändniß des Buchs nöthi- gen Commentar; „denn“, ſagt ſie, „in England, wie in Deutſchland, iſt es Mode (fashionable) geworden vom Koſmos zu reden — wer ihn nicht geleſen hat, gilt für ungebildet (not to have read it is to be a boor); aber das Werk ſetzt Kenntniſſe voraus die eben gar mancher ſeiner Leſer nicht mitbringt. Dieſem Mangel ſuchen jene populären Briefe zu begegnen.“ Die Erfahrung nun daß auch in England das Ueberſetzungsweſen mehr und mehr in ein Fabrikgeſchäft ausartet, daß ein Ueberſetzer rückſichtslos die Ueberſetzungen anderer benützt, und daß daher diejenigen Buchhändler welche Uebertragungen von tüchtigen Männern abfaſſen ließen und ange- meſſen bezahlten, dabei ſchlecht fahren, hat jetzt, wie das Athenäum mel- det, mehrere der angeſehenſten Buchhandlungen zu der Erklärung veran- laßt daß ſie gar keine Ueberſetzungen mehr verlegen wollen. Dagegen wird nun vorgeſchlagen: fremden Autoren ein fünfjähriges Verlagsrecht in England einzuräumen, wodurch ſie in den Stand geſetzt würden mit eng- liſchen Verlegern zu unterhandeln. So würden Verfaſſer, Ueberſetzer und Herausgeber auf eine Entſchädigung, wenigſtens auf einen angemeſſenen Markt rechnen können. Die Lage Oeſterreichs gegenüber der Reichsverfaſſung. d Vom Main. Wir ſtellen an die Spitze unſerer Betrachtung zwei Thatſachen, die unläugbar ſind. Erſtens: Oeſterreich kann Deutſchlands, Deutſchland kann Oeſterreichs nicht entbehren; und zweitens: Oeſterreich hat ein Recht für ſeine Bundesprovinzen an jeder Umgeſtaltung der deut- ſchen Verfaſſung theilzunehmen, und ſeine Zuſtimmung zu verſagen wenn dieſe Umgeſtaltung für ſeine Verhältniſſe rein unausführbar iſt. Oeſter- reich kann Deutſchlands nicht entbehren, weil es von jeher in Bildung, Sprache, Geſetzen und Intereſſen vorherrſchend deutſch war, weil der ganze Fortſchritt der Cultur im Oſten auf dem deutſchen Element be- ruht, weil dieſes allein die verſchiedenen Nationen Oeſterreichs politiſch zuſammenhielt und ihm ſeine Aufgabe vorzeichnete. Man darf nur an die Gefahr erinnern welche gerade bei der erſten Kaiſerwahl eines Habsbur- gers den deutſchen Provinzen Oeſterreichs und ganz Deutſchland von dem mächtig aufſtrebenden böhmiſch-ſlaviſchen Elemente drohte, an die Bedeu- tung der Schlacht auf dem Marchfelde, an den Zerfall des deutſchen Rei- ches unter den böhmiſchen Luxemburgern, und man wird jetzt, wo der Streit der Nationalitäten eine viel intenſivere Kraft erlangt hat, um ſo mehr einſehen daß es das deutſche Intereſſe und die deutſche Kraft iſt welche Deutſch-Oeſterreich allein retten und Deutſchland vor einem gewaltigen Feinde im Oſten bewahren kann. Oeſterreich wird nach einer Tren- nung von Deutſchland vorwiegend ſlaviſch magyariſch; an eine wenn auch nur geiſtige Ueberwältigung der Donauländer und des Erbtheils der hin- ſinkenden Türkei durch Deutſchlands Einfluß iſt dann nicht mehr zu den- ken; Oeſterreich muß dann Hand in Hand mit Rußland gehen und wird es thun, weil nur durch ein ſolches Bündniß ihm vergönnt wäre Theil an den dortigen Errungenſchaften des Oſtens zu nehmen, die in nächſter Aus- ſicht liegen. Nur wenn die Kraft des übrigen Deutſchlands ihm zur Seite ſteht und den Rücken deckt, iſt Oeſterreich genöthigt und liegt es im Intereſſe Oeſterreichs das deutſche Element als das herrſchende aufrechtzuerhalten. Unter Staaten gibt es nur dreierlei Verhältniſſe: Bündniß, Gleichgültig- keit gegen einander oder Feindſchaft. Der Umſtand daß kein Bündniß zum Schutz und Trutz zwiſchen dem deutſchen Bunde und den nichtdeut- ſchen Ländern Oeſterreichs beſtand, hat jetzt die Ruſſen nach Siebenbür- gen gebracht. Der deutſche Bund hat Oeſterreich in ſeinen doppelten Krie- gen in Italien und Ungarn nicht unterſtützt, weil er dazu nicht verpflichtet war; die Folge iſt daß Oeſterreich, wenn auch widerſtrebend, ſich an Ruß- land anlehnen mußte. Höchſt traurig iſt dieß Reſultat für die deutſchen Ausſichten in den Donauländern; wie wird es aber erſt werden wenn Oeſterreich von Deutſchland getrennt iſt? Denkt man denn gar nicht an die Wahrſcheinlichkeit daß Oeſterreich dann Rußland zum großen Theil den Südoſten überlaſſen muß, daß es dann im Bündniß mit ihm ſich ſeine Rechte auf Deutſchland, die es niemals aufgeben kann, wieder erobern wird? Man ſagt: ein Zerfall Oeſterreichs iſt unausbleiblich; aber der Zer- fall Oeſterreichs beſteht darin daß es ſich wunderbar in kurzer Zeit gegen äußere und innere Feinde conſolidirt hat. Wenn Oeſterreich den Oſten Rußland überlaſſen und aus dem neuen deutſchen Reich ausſcheiden muß, wer iſt dann ſein nächſter Feind? Deutſchland. Ueberall, in Schleſien, Sachſen, Bayern, Württemberg hat Oeſterreich Angriffspunkte, Bayern namentlich iſt faſt auf allen Seiten von Oeſterreich flankirt. Wenn Oeſter- reich aber ſeine Rechte auf Deutſchland wieder erobern will, wer kann es daran hindern? Etwa Frankreich? Dieſes iſt lüſtern nach der Rheingränze, es wird ſich eher noch mit Oeſterreich verſtändigen und die Pfalz und die jenſeitigen Rheinländer für ſich nehmen. Etwa Kleindeutſchland? Aber Kleindeutſchland hat genug mit Frankreich oder Rußland zu thun um ſeine Exiſtenz zu wahren. Man kann im Intereſſe Deutſchlands nicht ge- nug das Augenmerk auf den Umſtand richten daß Oeſterreichs ſämmt- liche deutſche Bundesländer an keiner Stelle an auswärtige, fremde Länder ſtoßen. 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Glaubt man Oeſterreich werde dabei ſtehen bleiben zu proteſtiren; es werde nicht die deutſche Frage auf das Gebiet europäiſcher Verhandlungen und Coalitio- nen hinübertragen? Und wenn dieß nun geſchähe, wozu allein ſchon die preußiſche Kaiſerfrage den Anlaß gäbe, wie wäre die Sachlage? Die deut- ſche Bundesacte, die Wiener Congreßacte beſtimmen daß keine Abänderung der durch ſie begründeten deutſchen Verfaſſung anders geſchehen könne als mit Zuſtimmung aller deutſchen Staaten. Wird nicht bei ſo bewandten Umſtänden das Ausland die Gelegenheit gierig ergreifen Deutſchland zu ſeinen alten kläglichen Zuſtänden zurückzuführen? Man betrachte die Lage der mittleren deutſchen Staaten. Bayern namentlich hat von einer Verfaſſung, die nicht das ganze Deutſchland vereint, faſt nichts zu erwar- ten als Opfer (?) und die Feindſchaft Oeſterreichs; es verliert alle Vor- theile eines Verbandes des geſammten Deutſchlands, es verliert die Deckung der öſterreichiſchen Kräfte, es verliert die Ausſichten auf einen freien Ver- kehr mit den ſüdlichen und öſtlichen öſterreichiſchen Ländern; es ſteht in Zukunft mit Württemberg und Baden iſolirt da in der Vertheidigung der ſüdlichen Rheingränze; es verliert außerdem jeden Antheil, jeden Ein- fluß auf die auswärtige Politik Deutſchlands; und was gewinnt es? Eine Repräſentation in Frankfurt bei der Geſetzgebung Deutſchlands, in welcher ſeine Stimmen ſtets eine nichtsſagende Minorität bleiben müſſen. Ich höre hier den Vorwurf unſerer Ideologen, das ſey die Sprache des Par- ticularismus! Ja wohl desjenigen Particularismus der durch Natur und Geſchichte uns allen eingepflanzt iſt; desjenigen Particularismus, der in der Vereinigung aller einzelnen beſtehenden Intereſſen die Rettung der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-09-09T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine102_1849/9>, abgerufen am 21.11.2024.