Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849.Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849. [Spaltenumbruch] Humboldts Kosmos in England. In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutschen Die Lage Oesterreichs gegenüber der Reichsverfassung. d Vom Main.Wir stellen an die Spitze unserer Betrachtung zwei Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849. [Spaltenumbruch] Humboldts Koſmos in England. In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutſchen Die Lage Oeſterreichs gegenüber der Reichsverfaſſung. d Vom Main.Wir ſtellen an die Spitze unſerer Betrachtung zwei <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <body> <div type="jFeuilleton" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Humboldts Koſmos in England.</hi> </head><lb/> <p>In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutſchen<lb/> überſetzt, und zwar mit beſſerer Auswahl als früher. Gmelins Handbuch<lb/> der Chemie, Schillers Briefwechſel mit Körner, eine Ausleſe aus Fried-<lb/> rich Schlegels Werken find in letzter Zeit in engliſchem Gewand erſchienen.<lb/> Von Al. 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Oeſter-<lb/> reich kann Deutſchlands nicht entbehren, weil es von jeher in Bildung,<lb/> Sprache, Geſetzen und Intereſſen vorherrſchend deutſch war, weil<lb/> der ganze Fortſchritt der Cultur im Oſten auf dem deutſchen Element be-<lb/> ruht, weil dieſes allein die verſchiedenen Nationen Oeſterreichs politiſch<lb/> zuſammenhielt und ihm ſeine Aufgabe vorzeichnete. Man darf nur an die<lb/> Gefahr erinnern welche gerade bei der erſten Kaiſerwahl eines Habsbur-<lb/> gers den deutſchen Provinzen Oeſterreichs und ganz Deutſchland von dem<lb/> mächtig aufſtrebenden böhmiſch-ſlaviſchen Elemente drohte, an die Bedeu-<lb/> tung der Schlacht auf dem Marchfelde, an den Zerfall des deutſchen Rei-<lb/> ches unter den böhmiſchen Luxemburgern, und man wird jetzt, wo der<lb/> Streit der Nationalitäten eine viel intenſivere Kraft erlangt hat, um ſo<lb/> mehr einſehen daß es das deutſche Intereſſe und die deutſche Kraft iſt welche<lb/> Deutſch-Oeſterreich allein retten und Deutſchland vor einem gewaltigen<lb/> Feinde im Oſten bewahren kann. Oeſterreich wird <hi rendition="#g">nach einer Tren-<lb/> nung</hi> von Deutſchland vorwiegend ſlaviſch magyariſch; an eine wenn auch<lb/> nur geiſtige Ueberwältigung der Donauländer und des Erbtheils der hin-<lb/> ſinkenden Türkei durch Deutſchlands Einfluß iſt dann nicht mehr zu den-<lb/> ken; Oeſterreich <hi rendition="#g">muß</hi> dann Hand in Hand mit Rußland gehen und wird<lb/> es thun, weil nur durch ein ſolches Bündniß ihm vergönnt wäre Theil an<lb/><cb/> den dortigen Errungenſchaften des Oſtens zu nehmen, die in nächſter Aus-<lb/> ſicht liegen. Nur wenn die Kraft des übrigen Deutſchlands ihm zur Seite<lb/> ſteht und den Rücken deckt, iſt Oeſterreich genöthigt und liegt es im Intereſſe<lb/> Oeſterreichs das deutſche Element als das herrſchende aufrechtzuerhalten.<lb/> Unter Staaten gibt es nur dreierlei Verhältniſſe: Bündniß, Gleichgültig-<lb/> keit gegen einander oder Feindſchaft. Der Umſtand daß kein Bündniß<lb/> zum Schutz und Trutz zwiſchen dem deutſchen Bunde und den nichtdeut-<lb/> ſchen Ländern Oeſterreichs beſtand, hat jetzt die Ruſſen nach Siebenbür-<lb/> gen gebracht. Der deutſche Bund hat Oeſterreich in ſeinen doppelten Krie-<lb/> gen in Italien und Ungarn nicht unterſtützt, weil er dazu nicht verpflichtet<lb/> war; die Folge iſt daß Oeſterreich, wenn auch widerſtrebend, ſich an Ruß-<lb/> land anlehnen mußte. Höchſt traurig iſt dieß Reſultat für die deutſchen<lb/> Ausſichten in den Donauländern; wie wird es aber erſt werden wenn<lb/> Oeſterreich von Deutſchland getrennt iſt? Denkt man denn gar nicht an<lb/> die Wahrſcheinlichkeit daß Oeſterreich dann Rußland zum großen Theil<lb/> den Südoſten überlaſſen muß, daß es dann im Bündniß mit ihm ſich ſeine<lb/> Rechte auf Deutſchland, die es niemals aufgeben kann, wieder erobern<lb/> wird? Man ſagt: ein Zerfall Oeſterreichs iſt unausbleiblich; aber der Zer-<lb/> fall Oeſterreichs beſteht darin daß es ſich wunderbar in kurzer Zeit gegen<lb/> äußere und innere Feinde conſolidirt hat. Wenn Oeſterreich den Oſten<lb/> Rußland überlaſſen und aus dem neuen deutſchen Reich ausſcheiden muß,<lb/> wer iſt dann ſein nächſter Feind? Deutſchland. Ueberall, in Schleſien,<lb/> Sachſen, Bayern, Württemberg hat Oeſterreich Angriffspunkte, Bayern<lb/> namentlich iſt faſt auf allen Seiten von Oeſterreich flankirt. Wenn Oeſter-<lb/> reich aber ſeine Rechte auf Deutſchland wieder erobern will, wer kann es<lb/> daran hindern? Etwa Frankreich? Dieſes iſt lüſtern nach der Rheingränze,<lb/> es wird ſich eher noch mit Oeſterreich verſtändigen und die Pfalz und die<lb/> jenſeitigen Rheinländer für ſich nehmen. Etwa Kleindeutſchland? Aber<lb/> Kleindeutſchland hat genug mit Frankreich oder Rußland zu thun um<lb/> ſeine Exiſtenz zu wahren. Man kann im Intereſſe Deutſchlands nicht ge-<lb/> nug das Augenmerk auf den Umſtand richten daß <hi rendition="#g">Oeſterreichs ſämmt-<lb/> liche deutſche Bundesländer an keiner Stelle an auswärtige,<lb/> fremde Länder ſtoßen</hi>. Oeſterreich iſt im Verein mit Deutſchland nie-<lb/> mals den nächſten Angriffen Frankreichs oder Rußlands in ſeinen deut-<lb/> ſchen Bundesländern ausgeſetzt, <hi rendition="#g">es kann ſie an keine dieſer Mächte<lb/> verlieren,</hi> aber es iſt in einem ſolchen Verein verpflichtet <hi rendition="#g">mit deren<lb/> ganzer Kraft zur Vertheidigung und Deckung anderer deut-<lb/> ſcher Länder beizutragen</hi>. Nicht einmal Oeſterreichs italieniſche Kriege<lb/> haben Frankreich bewogen in Italien zu interveniren; glaubt man daß Frank-<lb/> reich ſo thöricht ſeyn werde Kleindeutſchland zu ſchützen ohne den Preis<lb/> der Rheingränze zu erlangen, wenn Oeſterreich ſeine Rechte oder An-<lb/> ſprüche in Deutſchland mit Gewalt geltend machen wird? 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Wird nicht bei ſo bewandten<lb/> Umſtänden das Ausland die Gelegenheit gierig ergreifen Deutſchland zu<lb/> ſeinen alten kläglichen Zuſtänden zurückzuführen? Man betrachte die<lb/> Lage der mittleren deutſchen Staaten. Bayern namentlich hat von einer<lb/> Verfaſſung, die nicht das ganze Deutſchland vereint, faſt nichts zu erwar-<lb/> ten als Opfer (?) und die Feindſchaft Oeſterreichs; es verliert alle Vor-<lb/> theile eines Verbandes des geſammten Deutſchlands, es verliert die Deckung<lb/> der öſterreichiſchen Kräfte, es verliert die Ausſichten auf einen freien Ver-<lb/> kehr mit den ſüdlichen und öſtlichen öſterreichiſchen Ländern; es ſteht in<lb/> Zukunft mit Württemberg und Baden iſolirt da in der Vertheidigung<lb/> der ſüdlichen Rheingränze; es verliert außerdem jeden Antheil, jeden Ein-<lb/> fluß auf die auswärtige Politik Deutſchlands; und was gewinnt es? Eine<lb/> Repräſentation in Frankfurt bei der Geſetzgebung Deutſchlands, in welcher<lb/> ſeine Stimmen ſtets eine nichtsſagende Minorität bleiben müſſen. Ich<lb/> höre hier den Vorwurf unſerer Ideologen, das ſey die Sprache des Par-<lb/> ticularismus! Ja wohl desjenigen Particularismus der durch Natur<lb/> und Geſchichte uns allen eingepflanzt iſt; desjenigen Particularismus, der<lb/> in der Vereinigung aller einzelnen beſtehenden Intereſſen die Rettung der<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Beilage zu Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung vom 12 April 1849.
Humboldts Koſmos in England.
In England wird in neuerer Zeit bekanntlich viel aus dem Deutſchen
überſetzt, und zwar mit beſſerer Auswahl als früher. Gmelins Handbuch
der Chemie, Schillers Briefwechſel mit Körner, eine Ausleſe aus Fried-
rich Schlegels Werken find in letzter Zeit in engliſchem Gewand erſchienen.
Von Al. Humboldts „Koſmos“ gibt es nicht weniger als drei engliſche
Uebertragungen: von Hrn. Baillière, Miſtreß Sabine (unter Leitung ih-
res Gatten, des Oberſten Sabine), und einer Miß Otté. Alſo zwei Da-
men als Ueberſetzerinnen eines Werks deſſen tieferes Verſtändniß dem größe-
ren Theile der Männerwelt verſchloſſen iſt! Unter den bezüglichen Londo-
ner Buchhandlungen, Longman u. Comp., John Murray und Bohn, hat
ſich nun ein Krieg über den Werth dieſer verſchiedenen Ueberſetzungen ent-
ſponnen, und damit zugleich die Frage erhoben: ob und inwiefern
eine Ueberſetzung „copyright“, d. h. rechtliche Sicherheit gegen den Nach-
druck anſprechen könne. Aus einer probeweiſen Gegeneinanderſtellung der
drei Uebertragungen in der Literary Gazette ergibt ſich nämlich daß
wenigſtens die eine derſelben, die von der Miß Otté (bei Bohn), nicht
hätte gemacht werden können, wenn die zwei andern nicht vorausgegangen
wären. Bohn läugnet das ſeiner Ueberſetzung vorgeworfene Plagiat,
und beruft ſich auf mehrfache briefliche Berathungen mit dem berühmten
Autor ſelbſt. Die beſte der drei Uebertragungen iſt augenſcheinlich die
von Mrs. Sabine in Murray’s ſolidem Verlag, welche auch bereits vier
Auflagen erlebt hat; die wohlfeilſte aber iſt die Bohn’ſche. Die Lite-
rary Gazette räth nun auch Bernhard Cotta’s „Briefe über Humboldts
Koſmos“ zu übertragen, als einen zum Verſtändniß des Buchs nöthi-
gen Commentar; „denn“, ſagt ſie, „in England, wie in Deutſchland, iſt
es Mode (fashionable) geworden vom Koſmos zu reden — wer ihn nicht
geleſen hat, gilt für ungebildet (not to have read it is to be a boor);
aber das Werk ſetzt Kenntniſſe voraus die eben gar mancher ſeiner Leſer
nicht mitbringt. Dieſem Mangel ſuchen jene populären Briefe zu begegnen.“
Die Erfahrung nun daß auch in England das Ueberſetzungsweſen mehr
und mehr in ein Fabrikgeſchäft ausartet, daß ein Ueberſetzer rückſichtslos
die Ueberſetzungen anderer benützt, und daß daher diejenigen Buchhändler
welche Uebertragungen von tüchtigen Männern abfaſſen ließen und ange-
meſſen bezahlten, dabei ſchlecht fahren, hat jetzt, wie das Athenäum mel-
det, mehrere der angeſehenſten Buchhandlungen zu der Erklärung veran-
laßt daß ſie gar keine Ueberſetzungen mehr verlegen wollen. Dagegen wird
nun vorgeſchlagen: fremden Autoren ein fünfjähriges Verlagsrecht in
England einzuräumen, wodurch ſie in den Stand geſetzt würden mit eng-
liſchen Verlegern zu unterhandeln. So würden Verfaſſer, Ueberſetzer und
Herausgeber auf eine Entſchädigung, wenigſtens auf einen angemeſſenen
Markt rechnen können.
Die Lage Oeſterreichs gegenüber der Reichsverfaſſung.
d Vom Main.
Wir ſtellen an die Spitze unſerer Betrachtung zwei
Thatſachen, die unläugbar ſind. Erſtens: Oeſterreich kann Deutſchlands,
Deutſchland kann Oeſterreichs nicht entbehren; und zweitens: Oeſterreich
hat ein Recht für ſeine Bundesprovinzen an jeder Umgeſtaltung der deut-
ſchen Verfaſſung theilzunehmen, und ſeine Zuſtimmung zu verſagen wenn
dieſe Umgeſtaltung für ſeine Verhältniſſe rein unausführbar iſt. Oeſter-
reich kann Deutſchlands nicht entbehren, weil es von jeher in Bildung,
Sprache, Geſetzen und Intereſſen vorherrſchend deutſch war, weil
der ganze Fortſchritt der Cultur im Oſten auf dem deutſchen Element be-
ruht, weil dieſes allein die verſchiedenen Nationen Oeſterreichs politiſch
zuſammenhielt und ihm ſeine Aufgabe vorzeichnete. Man darf nur an die
Gefahr erinnern welche gerade bei der erſten Kaiſerwahl eines Habsbur-
gers den deutſchen Provinzen Oeſterreichs und ganz Deutſchland von dem
mächtig aufſtrebenden böhmiſch-ſlaviſchen Elemente drohte, an die Bedeu-
tung der Schlacht auf dem Marchfelde, an den Zerfall des deutſchen Rei-
ches unter den böhmiſchen Luxemburgern, und man wird jetzt, wo der
Streit der Nationalitäten eine viel intenſivere Kraft erlangt hat, um ſo
mehr einſehen daß es das deutſche Intereſſe und die deutſche Kraft iſt welche
Deutſch-Oeſterreich allein retten und Deutſchland vor einem gewaltigen
Feinde im Oſten bewahren kann. Oeſterreich wird nach einer Tren-
nung von Deutſchland vorwiegend ſlaviſch magyariſch; an eine wenn auch
nur geiſtige Ueberwältigung der Donauländer und des Erbtheils der hin-
ſinkenden Türkei durch Deutſchlands Einfluß iſt dann nicht mehr zu den-
ken; Oeſterreich muß dann Hand in Hand mit Rußland gehen und wird
es thun, weil nur durch ein ſolches Bündniß ihm vergönnt wäre Theil an
den dortigen Errungenſchaften des Oſtens zu nehmen, die in nächſter Aus-
ſicht liegen. Nur wenn die Kraft des übrigen Deutſchlands ihm zur Seite
ſteht und den Rücken deckt, iſt Oeſterreich genöthigt und liegt es im Intereſſe
Oeſterreichs das deutſche Element als das herrſchende aufrechtzuerhalten.
Unter Staaten gibt es nur dreierlei Verhältniſſe: Bündniß, Gleichgültig-
keit gegen einander oder Feindſchaft. Der Umſtand daß kein Bündniß
zum Schutz und Trutz zwiſchen dem deutſchen Bunde und den nichtdeut-
ſchen Ländern Oeſterreichs beſtand, hat jetzt die Ruſſen nach Siebenbür-
gen gebracht. Der deutſche Bund hat Oeſterreich in ſeinen doppelten Krie-
gen in Italien und Ungarn nicht unterſtützt, weil er dazu nicht verpflichtet
war; die Folge iſt daß Oeſterreich, wenn auch widerſtrebend, ſich an Ruß-
land anlehnen mußte. Höchſt traurig iſt dieß Reſultat für die deutſchen
Ausſichten in den Donauländern; wie wird es aber erſt werden wenn
Oeſterreich von Deutſchland getrennt iſt? Denkt man denn gar nicht an
die Wahrſcheinlichkeit daß Oeſterreich dann Rußland zum großen Theil
den Südoſten überlaſſen muß, daß es dann im Bündniß mit ihm ſich ſeine
Rechte auf Deutſchland, die es niemals aufgeben kann, wieder erobern
wird? Man ſagt: ein Zerfall Oeſterreichs iſt unausbleiblich; aber der Zer-
fall Oeſterreichs beſteht darin daß es ſich wunderbar in kurzer Zeit gegen
äußere und innere Feinde conſolidirt hat. Wenn Oeſterreich den Oſten
Rußland überlaſſen und aus dem neuen deutſchen Reich ausſcheiden muß,
wer iſt dann ſein nächſter Feind? Deutſchland. Ueberall, in Schleſien,
Sachſen, Bayern, Württemberg hat Oeſterreich Angriffspunkte, Bayern
namentlich iſt faſt auf allen Seiten von Oeſterreich flankirt. Wenn Oeſter-
reich aber ſeine Rechte auf Deutſchland wieder erobern will, wer kann es
daran hindern? Etwa Frankreich? Dieſes iſt lüſtern nach der Rheingränze,
es wird ſich eher noch mit Oeſterreich verſtändigen und die Pfalz und die
jenſeitigen Rheinländer für ſich nehmen. Etwa Kleindeutſchland? Aber
Kleindeutſchland hat genug mit Frankreich oder Rußland zu thun um
ſeine Exiſtenz zu wahren. Man kann im Intereſſe Deutſchlands nicht ge-
nug das Augenmerk auf den Umſtand richten daß Oeſterreichs ſämmt-
liche deutſche Bundesländer an keiner Stelle an auswärtige,
fremde Länder ſtoßen. Oeſterreich iſt im Verein mit Deutſchland nie-
mals den nächſten Angriffen Frankreichs oder Rußlands in ſeinen deut-
ſchen Bundesländern ausgeſetzt, es kann ſie an keine dieſer Mächte
verlieren, aber es iſt in einem ſolchen Verein verpflichtet mit deren
ganzer Kraft zur Vertheidigung und Deckung anderer deut-
ſcher Länder beizutragen. Nicht einmal Oeſterreichs italieniſche Kriege
haben Frankreich bewogen in Italien zu interveniren; glaubt man daß Frank-
reich ſo thöricht ſeyn werde Kleindeutſchland zu ſchützen ohne den Preis
der Rheingränze zu erlangen, wenn Oeſterreich ſeine Rechte oder An-
ſprüche in Deutſchland mit Gewalt geltend machen wird? Glaubt man
Oeſterreich werde ſich gutmüthig aus Deutſchland hinausweiſen laſſen, aus
dem Deutſchland das Oeſterreichs Kräfte gar nicht entbehren kann?
Glaubt man Oeſterreich werde ſich gutmüthig die Laſten des deutſchen
Bundes auflegen laſſen ohne an den Rechten und dem Einfluß theilzuneh-
men welche die neue Verfaſſung ihm gewähren muß? Glaubt man
Oeſterreich werde dabei ſtehen bleiben zu proteſtiren; es werde nicht die
deutſche Frage auf das Gebiet europäiſcher Verhandlungen und Coalitio-
nen hinübertragen? Und wenn dieß nun geſchähe, wozu allein ſchon die
preußiſche Kaiſerfrage den Anlaß gäbe, wie wäre die Sachlage? Die deut-
ſche Bundesacte, die Wiener Congreßacte beſtimmen daß keine Abänderung
der durch ſie begründeten deutſchen Verfaſſung anders geſchehen könne als
mit Zuſtimmung aller deutſchen Staaten. Wird nicht bei ſo bewandten
Umſtänden das Ausland die Gelegenheit gierig ergreifen Deutſchland zu
ſeinen alten kläglichen Zuſtänden zurückzuführen? Man betrachte die
Lage der mittleren deutſchen Staaten. Bayern namentlich hat von einer
Verfaſſung, die nicht das ganze Deutſchland vereint, faſt nichts zu erwar-
ten als Opfer (?) und die Feindſchaft Oeſterreichs; es verliert alle Vor-
theile eines Verbandes des geſammten Deutſchlands, es verliert die Deckung
der öſterreichiſchen Kräfte, es verliert die Ausſichten auf einen freien Ver-
kehr mit den ſüdlichen und öſtlichen öſterreichiſchen Ländern; es ſteht in
Zukunft mit Württemberg und Baden iſolirt da in der Vertheidigung
der ſüdlichen Rheingränze; es verliert außerdem jeden Antheil, jeden Ein-
fluß auf die auswärtige Politik Deutſchlands; und was gewinnt es? Eine
Repräſentation in Frankfurt bei der Geſetzgebung Deutſchlands, in welcher
ſeine Stimmen ſtets eine nichtsſagende Minorität bleiben müſſen. Ich
höre hier den Vorwurf unſerer Ideologen, das ſey die Sprache des Par-
ticularismus! Ja wohl desjenigen Particularismus der durch Natur
und Geſchichte uns allen eingepflanzt iſt; desjenigen Particularismus, der
in der Vereinigung aller einzelnen beſtehenden Intereſſen die Rettung der
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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