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Allgemeine Zeitung, Nr. 103, 13. April 1849.

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Fürst Löwenstein, bisheriger Secretär der preußischen Gesandtschaft
in London, ist, wie der M. Herald meldet, nach Berlin abgereist, um
auf einen höheren diplomatischen Posten befördert zu werden.


In keinem Lande der gebildeten Welt betheiligt sich das weibliche Ge-
schlecht so lebhaft an der Litteratur wie in England, und zwar nicht bloß
auf dem Felde der Poesie und Romanschriftstellerei. Von der bekannten
Miß Harriet Martineau, der Nationalökonomin, erscheint jetzt die
Fortsetzung eines von Charles Knight begonnenen Werks unter dem Titel:
"Die Geschichte Englands während des dreißigjährigen Friedens. (The
History of England during the Thirty years' Peace.
)" Nach den
im Athenäum mitgetheilten Proben zu urtheilen, ist das Buch in ernst
männlichem Geist gehalten; auffallend ist unter anderm das herbe Urheil
der Dame über Daniel O'Connell. Hiernach stritten sich recht eigentlich
zwei Seelen in der Brust des irischen Agitators: "er war enthusiastisch,
warm, offenherzig, patriotisch und fromm, und hinwieder war er schlau
und hinterlistig, berechnend, unwahr, selbstisch, habsüchtig, gleißnerisch;
zugleich verschwenderisch und schmutzig, leichtsinnig und vorschnell, und
wieder unergründlich politisch."


Die Kunde von der Niederlage der Dänen
vor Eckernförde war bereits am 9 Morgens, über Hamburg und Hull, nach
London gelangt. Bei der bekannten Stimmung der englischen Presse in
der dänisch-deutschen Streitfrage hat diese Hiobspost der Schmähsucht
gegen Deutschland neue Nahrung zugeführt, wobei nur der Umstand daß
der Bruder des Prinzen Albert mit im Spiel ist, einigermaßen als Däm-
pfer wirkt. Sonderbarerweise sieht der liberale Sun in dem Kampfe
Deutschlands mit Dänemark einen Kampf der Reaction mit dem demokra-
tischen Fortschritt! Im vorigen Jahr hießen die Deutschen Revolutionäre,
und die Dänen Conservative! -- Am 6 April starb in Drogheda der hoch-
würdige Dr. Crolly, der römisch-katholische Primas von Irland. Er
war ein duldsamer und aufgeklärter Prälat, der namentlich das System
der "Nationalerziehung" und die neuen von Peel gegründeten irischen Uni-
versitäten gegen den ultramontanen Zelotismus unterstützte.

Frankreich.

Eine Correspondenz des J. des Debats gibt über die Stellung
der europäischen Diplomatie zu der jetzigen Lage von Piemont folgende
Mittheilung aus Turin, 3 April: "Die englisch-französische Politik be-
kämpft das Project der österreichisch-russischen Allianz, welche Piemont
einen kleinen Platz bei sich einräumen und es an sich ziehen will, unter
der Bedingung daß es die Intervention in Mittelitalien übernimmt. Die
nordische Allianz, die sich wegen der schleswigischen Angelegenheit, der
feindlichen Kundthuungen der Frankfurter Versammlung, des Widerstands
Ungarns und der Verwicklungen im Orient größern Schwierigkeiten ge-
genübersteht als sie geglaubt hatte, möchte die italienische Frage gerne
durch italienische Hände schlichten, und dazu scheint ihr Piemont sehr
geeignet. Hr. Abercromby und Hr. Bois-le-Comte haben dieser Combi-
nation eine ernste Aufmerksamkeit geschenkt. Hatte der englische Diplo-
mat Verhaltungsbefehle um jeder Eventualität zu begegnen? Soviel ist
gewiß, England, welches den Piemontesen für den Krieg keinen Centime
geliehen hätte, will heute die Millionen vorstrecken die sie brauchen um
ihre Finanzen herzustellen. Auf diese Art würde England als Gläubiger
dem Einfluß der nordischen Allianz ein Gegengewicht bieten. Die von
Hrn. Abercromby vorgeschlagene Combination ist diese: Oesterreich ist
England starke Summen schuldig. (?) Die von Radetzky als Kriegskosten
geforderten Millionen sollen nun nicht von Piemont bezahlt, sondern an der
österreichischen Schuld abgerechnet werden und England wird dann Piemonts
Gläubiger, unter Vorbehalt einer weitern Vereinbarung mit diesem Kö-
nigreich. Auf diese Art wäre die Besetzung der festen Plätze durch die
Oesterreicher bis zu vollständiger Bezahlung nicht mehr motivirt, und sie
gingen über den Tessin zurück. England wird nichts bei diesem Geschäft
verlieren, denn Piemont ist ein besserer Schuldner als Oesterreich." Der
National meint England werde vielleicht noch weitere Plane verfolgen
und etwa Genua als Pfand nehmen.


Da die Cholera nicht mehr zu verheimlichen ist, so geben die Zeitun-
gen jetzt Bulletins über den Stand der Seuche, die alle mehr oder weni-
ger berechnet sind das Publicum zu beruhigen, aber auf strenge Genauig-
keit wohl keinen Anspruch machen. Nach der Union medicale waren
bis zum 7 April erkrankt 1150, gestorben 667. Neue Fälle in den bei-
den letzten Tagen 113, 10 weniger als in den beiden vorhergegangenen
Tagen. Die Seuche ist jetzt auch in den Departements Eure, la Manche,
Eure et Loire, Indre et Loire ausgebrochen, doch in sehr milder Form.
In den früher angesteckten Departements soll sie am Erlöschen seyn. Auf-
fallend ist daß, während die Cholera ihre Opfer in den obersten Kreisen
der Gesellschaft sucht, und schon mehrere Mitglieder der Nationalversamm-
[Spaltenumbruch] lung weggerafft hat, das J. des Debats behauptet fast alle Unglück-
lichen die von ihr ergriffen worden sind, hätten sich in Umständen besun-
den welche stets Krankheiten zu erzeugen pflegen, nämlich in materieller
Noth oder moralischer Zerrüttung. Im Jahr 1831 und 1832 hatten die
Kammern 3 Mill. Fr. bewilligt, um Vorkehrungen gegen die Cholera zu
treffen, dießmal glaubt man mit 1/2 Mill. auszureichen.


Die englischen Gäste der Pariser Nationalgarde scheinen mehrere
Tage bleiben zu wollen. Der Constitutionnel enthält die Einladung
zu einem Festessen, für das man sich bis Dienstag, 10 April, unterzeich-
nen kann. Man speist zu 25 Fr.


In Folge einer Uebereinkunft mit der sardinischen Regierung werden
die französischen Mittelmeer-Dampfboote künftig in Genua anhalten.
Früher war ihnen diese Vergünstigung versagt.


Die Nationalversammlung scheint vor allem mit ihrer cursorischen
Behandlung des Budgets rasch fertig werden zu wollen. Hente wurde
die Berathung über das Departement des Unterrichts, unter Erhöhung des
Ansinnens für Schullehrersgehalte um 1 Million, für Schulhäuser um
200,000 Fr. und für Kinderbewahranstalten um 100,000 Fr., zu Ende
gebracht, und dann sogleich das Departement der auswärtigen Angelegen-
heiten vorgenommen. Eine eigentliche Debatte fand hier nicht statt, außer
daß der Ex-Minister Hr. Bastide sich gegen die Unterstellung verwahren
zu müssen glaubte als habe die vorpräsidentschaftliche Regierung die Gül-
tigkeit der Verträge von 1815 anerkannt, worauf die verschiedenen Budget-
sätze, mit den vorgeschlagenen Ersparnissen im Betrag von 545,000 Fr.,
nach einander genehmigt wurden. Ehe man zum Cultministerium über-
ging, war ein Gesetzentwurf über die Besoldung des Vicepräsidenten der
Republik auf die Tagesordnung gesetzt. Die Regierung hatte für ihn an-
sehnliche Einrichtungs- und Repräsentationsgelder gefordert, so daß diese
Sinecure nahezu auf 100,000 Fr. gekommen wäre. Hieran hatte nun
schon der Finanzausschuß beträchtliche Abzüge gemacht, in der Versamm-
lung selbst rief man ungeduldig zur Abstimmung, und die jährlichen
40,000 Fr. für Repräsentation, welche vorgeschlagen waren, wurden mit
393 gegen 198 Stimmen verworfen, dagegen der Gehalt, vom Tag der
Ernennung an gerechnet, mit 45,600 Fr. bewilligt. Bei Abgang der Post
war bereits auch ein großer Theil des Budgets der Culte mit nicht uner-
heblichen Abzügen (z. B. 35,000 Fr. an der Exigenz für das Capitel von
St. Denis welches als ein königliches Institut bestimmt ist einzugehen)
erledigt.


Auf der Pariser Börse war das Gerücht verbreitet die Regierung
habe auf telegraphischem Weg die Anzeige erhalten daß Genua vom Ge-
neral de la Marmora am 6 April Abends 6 Uhr nach einem Straßen-
kampf eingenommen worden. Diese Neuigkeit war von günstiger Wirkung
auf die Fonds.

Italien.

* Aus Rom 5 April wird uns berichtet, in Bologna habe man das
päpstliche Wappen wieder aufgerichtet und eine Deputation nach Gaeta
gesendet.


Ich sende Ihnen dieses Schreiben
durch den französischen Dampfer, der in einer Stunde wieder nach Triest
abgeht, von wo er heute Morgens kam. Auf der Rhede von Ancona steht
das österreichische Dampfboot Trieste (Capitän Littrow), das heute Mor-
gens zwei piemontesische Commissäre, den Oberst Stralla und den Marquis
Spinola, brachte, die beide sich bei ihrer Ankunft an Bord der Admirals-
fregatte S. Michele zum Vice-Admiral Albini begaben um diesen, den Be-
fehlen seines Monarchen gemäß, zur Abfahrt aus Ancona zu bestimmen.
In der Stadt verursachte diese Nachricht eine drohende Gährung, man be-
absichtigte auf das österreichische Schiff, trotz der Parlamentärflagge die
es führt, von dem Fort aus zu feuern. Albini ließ hievon den Comman-
danten in Kenntniß setzen, damit er außer des Schußbereiches ankere. Der
Vice-Admiral hatte, wie es scheint, einen schwierigen Stand, eine Depu-
tation nach der andern begab sich an Bord seines Schiffes um gegen die
Abfahrt zu protestiren. Drohungen und Schmähreden aller Art wurden
versucht um ihn einzuschüchtern, man nannte ihn einen Verräther an der
italienischen Sache, erinnerte ihn an das Schicksal das seine in Genua
wohnende Familie zu erleiden haben werde, wenn Italiens tapfere Söhne
diesen Verrath am Vaterland erführen; endlich erklärte man ihm daß im
Falle er die Anker lichten wollte, man aus den Forts der Stadt auf die
Flotte feuern würde. Albini benahm sich mit lobenswürdiger Ruhe, er
berief sich immer auf die beiden Commissäre seiner Regierung, auf die Be-
fehle seines Königs. Der Delegat von Ancona, einer der thätigsten Wäch-
ter, belächelte jedesmal den Ausdruck mio sovrano, den der Admiral wie-
derholt gebrauchte. Endlich wurde von der Admiralsfregatte der Befehl
an alle Schiffe gegeben die Anker zu lichten, die Dampfer heizten und
nahmen die größeren Schiffe ins Schlepptau um sie schneller auf die Rhede

[Spaltenumbruch]

Fürſt Löwenſtein, bisheriger Secretär der preußiſchen Geſandtſchaft
in London, iſt, wie der M. Herald meldet, nach Berlin abgereist, um
auf einen höheren diplomatiſchen Poſten befördert zu werden.


In keinem Lande der gebildeten Welt betheiligt ſich das weibliche Ge-
ſchlecht ſo lebhaft an der Litteratur wie in England, und zwar nicht bloß
auf dem Felde der Poeſie und Romanſchriftſtellerei. Von der bekannten
Miß Harriet Martineau, der Nationalökonomin, erſcheint jetzt die
Fortſetzung eines von Charles Knight begonnenen Werks unter dem Titel:
„Die Geſchichte Englands während des dreißigjährigen Friedens. (The
History of England during the Thirty years’ Peace.
)“ Nach den
im Athenäum mitgetheilten Proben zu urtheilen, iſt das Buch in ernſt
männlichem Geiſt gehalten; auffallend iſt unter anderm das herbe Urheil
der Dame über Daniel O’Connell. Hiernach ſtritten ſich recht eigentlich
zwei Seelen in der Bruſt des iriſchen Agitators: „er war enthuſiaſtiſch,
warm, offenherzig, patriotiſch und fromm, und hinwieder war er ſchlau
und hinterliſtig, berechnend, unwahr, ſelbſtiſch, habſüchtig, gleißneriſch;
zugleich verſchwenderiſch und ſchmutzig, leichtſinnig und vorſchnell, und
wieder unergründlich politiſch.“


Die Kunde von der Niederlage der Dänen
vor Eckernförde war bereits am 9 Morgens, über Hamburg und Hull, nach
London gelangt. Bei der bekannten Stimmung der engliſchen Preſſe in
der däniſch-deutſchen Streitfrage hat dieſe Hiobspoſt der Schmähſucht
gegen Deutſchland neue Nahrung zugeführt, wobei nur der Umſtand daß
der Bruder des Prinzen Albert mit im Spiel iſt, einigermaßen als Däm-
pfer wirkt. Sonderbarerweiſe ſieht der liberale Sun in dem Kampfe
Deutſchlands mit Dänemark einen Kampf der Reaction mit dem demokra-
tiſchen Fortſchritt! Im vorigen Jahr hießen die Deutſchen Revolutionäre,
und die Dänen Conſervative! — Am 6 April ſtarb in Drogheda der hoch-
würdige Dr. Crolly, der römiſch-katholiſche Primas von Irland. Er
war ein duldſamer und aufgeklärter Prälat, der namentlich das Syſtem
der „Nationalerziehung“ und die neuen von Peel gegründeten iriſchen Uni-
verſitäten gegen den ultramontanen Zelotismus unterſtützte.

Frankreich.

Eine Correſpondenz des J. des Débats gibt über die Stellung
der europäiſchen Diplomatie zu der jetzigen Lage von Piemont folgende
Mittheilung aus Turin, 3 April: „Die engliſch-franzöſiſche Politik be-
kämpft das Project der öſterreichiſch-ruſſiſchen Allianz, welche Piemont
einen kleinen Platz bei ſich einräumen und es an ſich ziehen will, unter
der Bedingung daß es die Intervention in Mittelitalien übernimmt. Die
nordiſche Allianz, die ſich wegen der ſchleswigiſchen Angelegenheit, der
feindlichen Kundthuungen der Frankfurter Verſammlung, des Widerſtands
Ungarns und der Verwicklungen im Orient größern Schwierigkeiten ge-
genüberſteht als ſie geglaubt hatte, möchte die italieniſche Frage gerne
durch italieniſche Hände ſchlichten, und dazu ſcheint ihr Piemont ſehr
geeignet. Hr. Abercromby und Hr. Bois-le-Comte haben dieſer Combi-
nation eine ernſte Aufmerkſamkeit geſchenkt. Hatte der engliſche Diplo-
mat Verhaltungsbefehle um jeder Eventualität zu begegnen? Soviel iſt
gewiß, England, welches den Piemonteſen für den Krieg keinen Centime
geliehen hätte, will heute die Millionen vorſtrecken die ſie brauchen um
ihre Finanzen herzuſtellen. Auf dieſe Art würde England als Gläubiger
dem Einfluß der nordiſchen Allianz ein Gegengewicht bieten. Die von
Hrn. Abercromby vorgeſchlagene Combination iſt dieſe: Oeſterreich iſt
England ſtarke Summen ſchuldig. (?) Die von Radetzky als Kriegskoſten
geforderten Millionen ſollen nun nicht von Piemont bezahlt, ſondern an der
öſterreichiſchen Schuld abgerechnet werden und England wird dann Piemonts
Gläubiger, unter Vorbehalt einer weitern Vereinbarung mit dieſem Kö-
nigreich. Auf dieſe Art wäre die Beſetzung der feſten Plätze durch die
Oeſterreicher bis zu vollſtändiger Bezahlung nicht mehr motivirt, und ſie
gingen über den Teſſin zurück. England wird nichts bei dieſem Geſchäft
verlieren, denn Piemont iſt ein beſſerer Schuldner als Oeſterreich.“ Der
National meint England werde vielleicht noch weitere Plane verfolgen
und etwa Genua als Pfand nehmen.


Da die Cholera nicht mehr zu verheimlichen iſt, ſo geben die Zeitun-
gen jetzt Bulletins über den Stand der Seuche, die alle mehr oder weni-
ger berechnet ſind das Publicum zu beruhigen, aber auf ſtrenge Genauig-
keit wohl keinen Anſpruch machen. Nach der Union médicale waren
bis zum 7 April erkrankt 1150, geſtorben 667. Neue Fälle in den bei-
den letzten Tagen 113, 10 weniger als in den beiden vorhergegangenen
Tagen. Die Seuche iſt jetzt auch in den Departements Eure, la Manche,
Eure et Loire, Indre et Loire ausgebrochen, doch in ſehr milder Form.
In den früher angeſteckten Departements ſoll ſie am Erlöſchen ſeyn. Auf-
fallend iſt daß, während die Cholera ihre Opfer in den oberſten Kreiſen
der Geſellſchaft ſucht, und ſchon mehrere Mitglieder der Nationalverſamm-
[Spaltenumbruch] lung weggerafft hat, das J. des Débats behauptet faſt alle Unglück-
lichen die von ihr ergriffen worden ſind, hätten ſich in Umſtänden beſun-
den welche ſtets Krankheiten zu erzeugen pflegen, nämlich in materieller
Noth oder moraliſcher Zerrüttung. Im Jahr 1831 und 1832 hatten die
Kammern 3 Mill. Fr. bewilligt, um Vorkehrungen gegen die Cholera zu
treffen, dießmal glaubt man mit ½ Mill. auszureichen.


Die engliſchen Gäſte der Pariſer Nationalgarde ſcheinen mehrere
Tage bleiben zu wollen. Der Conſtitutionnel enthält die Einladung
zu einem Feſteſſen, für das man ſich bis Dienstag, 10 April, unterzeich-
nen kann. Man ſpeist zu 25 Fr.


In Folge einer Uebereinkunft mit der ſardiniſchen Regierung werden
die franzöſiſchen Mittelmeer-Dampfboote künftig in Genua anhalten.
Früher war ihnen dieſe Vergünſtigung verſagt.


Die Nationalverſammlung ſcheint vor allem mit ihrer curſoriſchen
Behandlung des Budgets raſch fertig werden zu wollen. Hente wurde
die Berathung über das Departement des Unterrichts, unter Erhöhung des
Anſinnens für Schullehrersgehalte um 1 Million, für Schulhäuſer um
200,000 Fr. und für Kinderbewahranſtalten um 100,000 Fr., zu Ende
gebracht, und dann ſogleich das Departement der auswärtigen Angelegen-
heiten vorgenommen. Eine eigentliche Debatte fand hier nicht ſtatt, außer
daß der Ex-Miniſter Hr. Baſtide ſich gegen die Unterſtellung verwahren
zu müſſen glaubte als habe die vorpräſidentſchaftliche Regierung die Gül-
tigkeit der Verträge von 1815 anerkannt, worauf die verſchiedenen Budget-
ſätze, mit den vorgeſchlagenen Erſparniſſen im Betrag von 545,000 Fr.,
nach einander genehmigt wurden. Ehe man zum Cultminiſterium über-
ging, war ein Geſetzentwurf über die Beſoldung des Vicepräſidenten der
Republik auf die Tagesordnung geſetzt. Die Regierung hatte für ihn an-
ſehnliche Einrichtungs- und Repräſentationsgelder gefordert, ſo daß dieſe
Sinecure nahezu auf 100,000 Fr. gekommen wäre. Hieran hatte nun
ſchon der Finanzausſchuß beträchtliche Abzüge gemacht, in der Verſamm-
lung ſelbſt rief man ungeduldig zur Abſtimmung, und die jährlichen
40,000 Fr. für Repräſentation, welche vorgeſchlagen waren, wurden mit
393 gegen 198 Stimmen verworfen, dagegen der Gehalt, vom Tag der
Ernennung an gerechnet, mit 45,600 Fr. bewilligt. Bei Abgang der Poſt
war bereits auch ein großer Theil des Budgets der Culte mit nicht uner-
heblichen Abzügen (z. B. 35,000 Fr. an der Exigenz für das Capitel von
St. Denis welches als ein königliches Inſtitut beſtimmt iſt einzugehen)
erledigt.


Auf der Pariſer Börſe war das Gerücht verbreitet die Regierung
habe auf telegraphiſchem Weg die Anzeige erhalten daß Genua vom Ge-
neral de la Marmora am 6 April Abends 6 Uhr nach einem Straßen-
kampf eingenommen worden. Dieſe Neuigkeit war von günſtiger Wirkung
auf die Fonds.

Italien.

* Aus Rom 5 April wird uns berichtet, in Bologna habe man das
päpſtliche Wappen wieder aufgerichtet und eine Deputation nach Gaëta
geſendet.


Ich ſende Ihnen dieſes Schreiben
durch den franzöſiſchen Dampfer, der in einer Stunde wieder nach Trieſt
abgeht, von wo er heute Morgens kam. Auf der Rhede von Ancona ſteht
das öſterreichiſche Dampfboot Trieſte (Capitän Littrow), das heute Mor-
gens zwei piemonteſiſche Commiſſäre, den Oberſt Stralla und den Marquis
Spinola, brachte, die beide ſich bei ihrer Ankunft an Bord der Admirals-
fregatte S. Michele zum Vice-Admiral Albini begaben um dieſen, den Be-
fehlen ſeines Monarchen gemäß, zur Abfahrt aus Ancona zu beſtimmen.
In der Stadt verurſachte dieſe Nachricht eine drohende Gährung, man be-
abſichtigte auf das öſterreichiſche Schiff, trotz der Parlamentärflagge die
es führt, von dem Fort aus zu feuern. Albini ließ hievon den Comman-
danten in Kenntniß ſetzen, damit er außer des Schußbereiches ankere. Der
Vice-Admiral hatte, wie es ſcheint, einen ſchwierigen Stand, eine Depu-
tation nach der andern begab ſich an Bord ſeines Schiffes um gegen die
Abfahrt zu proteſtiren. Drohungen und Schmähreden aller Art wurden
verſucht um ihn einzuſchüchtern, man nannte ihn einen Verräther an der
italieniſchen Sache, erinnerte ihn an das Schickſal das ſeine in Genua
wohnende Familie zu erleiden haben werde, wenn Italiens tapfere Söhne
dieſen Verrath am Vaterland erführen; endlich erklärte man ihm daß im
Falle er die Anker lichten wollte, man aus den Forts der Stadt auf die
Flotte feuern würde. Albini benahm ſich mit lobenswürdiger Ruhe, er
berief ſich immer auf die beiden Commiſſäre ſeiner Regierung, auf die Be-
fehle ſeines Königs. Der Delegat von Ancona, einer der thätigſten Wäch-
ter, belächelte jedesmal den Ausdruck mio sovrano, den der Admiral wie-
derholt gebrauchte. Endlich wurde von der Admiralsfregatte der Befehl
an alle Schiffe gegeben die Anker zu lichten, die Dampfer heizten und
nahmen die größeren Schiffe ins Schlepptau um ſie ſchneller auf die Rhede

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[1578/0006] Fürſt Löwenſtein, bisheriger Secretär der preußiſchen Geſandtſchaft in London, iſt, wie der M. Herald meldet, nach Berlin abgereist, um auf einen höheren diplomatiſchen Poſten befördert zu werden. In keinem Lande der gebildeten Welt betheiligt ſich das weibliche Ge- ſchlecht ſo lebhaft an der Litteratur wie in England, und zwar nicht bloß auf dem Felde der Poeſie und Romanſchriftſtellerei. Von der bekannten Miß Harriet Martineau, der Nationalökonomin, erſcheint jetzt die Fortſetzung eines von Charles Knight begonnenen Werks unter dem Titel: „Die Geſchichte Englands während des dreißigjährigen Friedens. (The History of England during the Thirty years’ Peace.)“ Nach den im Athenäum mitgetheilten Proben zu urtheilen, iſt das Buch in ernſt männlichem Geiſt gehalten; auffallend iſt unter anderm das herbe Urheil der Dame über Daniel O’Connell. Hiernach ſtritten ſich recht eigentlich zwei Seelen in der Bruſt des iriſchen Agitators: „er war enthuſiaſtiſch, warm, offenherzig, patriotiſch und fromm, und hinwieder war er ſchlau und hinterliſtig, berechnend, unwahr, ſelbſtiſch, habſüchtig, gleißneriſch; zugleich verſchwenderiſch und ſchmutzig, leichtſinnig und vorſchnell, und wieder unergründlich politiſch.“ ** London, 9 April. Die Kunde von der Niederlage der Dänen vor Eckernförde war bereits am 9 Morgens, über Hamburg und Hull, nach London gelangt. Bei der bekannten Stimmung der engliſchen Preſſe in der däniſch-deutſchen Streitfrage hat dieſe Hiobspoſt der Schmähſucht gegen Deutſchland neue Nahrung zugeführt, wobei nur der Umſtand daß der Bruder des Prinzen Albert mit im Spiel iſt, einigermaßen als Däm- pfer wirkt. Sonderbarerweiſe ſieht der liberale Sun in dem Kampfe Deutſchlands mit Dänemark einen Kampf der Reaction mit dem demokra- tiſchen Fortſchritt! Im vorigen Jahr hießen die Deutſchen Revolutionäre, und die Dänen Conſervative! — Am 6 April ſtarb in Drogheda der hoch- würdige Dr. Crolly, der römiſch-katholiſche Primas von Irland. Er war ein duldſamer und aufgeklärter Prälat, der namentlich das Syſtem der „Nationalerziehung“ und die neuen von Peel gegründeten iriſchen Uni- verſitäten gegen den ultramontanen Zelotismus unterſtützte. Frankreich. Paris, 9 April. Eine Correſpondenz des J. des Débats gibt über die Stellung der europäiſchen Diplomatie zu der jetzigen Lage von Piemont folgende Mittheilung aus Turin, 3 April: „Die engliſch-franzöſiſche Politik be- kämpft das Project der öſterreichiſch-ruſſiſchen Allianz, welche Piemont einen kleinen Platz bei ſich einräumen und es an ſich ziehen will, unter der Bedingung daß es die Intervention in Mittelitalien übernimmt. Die nordiſche Allianz, die ſich wegen der ſchleswigiſchen Angelegenheit, der feindlichen Kundthuungen der Frankfurter Verſammlung, des Widerſtands Ungarns und der Verwicklungen im Orient größern Schwierigkeiten ge- genüberſteht als ſie geglaubt hatte, möchte die italieniſche Frage gerne durch italieniſche Hände ſchlichten, und dazu ſcheint ihr Piemont ſehr geeignet. Hr. Abercromby und Hr. Bois-le-Comte haben dieſer Combi- nation eine ernſte Aufmerkſamkeit geſchenkt. Hatte der engliſche Diplo- mat Verhaltungsbefehle um jeder Eventualität zu begegnen? Soviel iſt gewiß, England, welches den Piemonteſen für den Krieg keinen Centime geliehen hätte, will heute die Millionen vorſtrecken die ſie brauchen um ihre Finanzen herzuſtellen. Auf dieſe Art würde England als Gläubiger dem Einfluß der nordiſchen Allianz ein Gegengewicht bieten. Die von Hrn. Abercromby vorgeſchlagene Combination iſt dieſe: Oeſterreich iſt England ſtarke Summen ſchuldig. (?) Die von Radetzky als Kriegskoſten geforderten Millionen ſollen nun nicht von Piemont bezahlt, ſondern an der öſterreichiſchen Schuld abgerechnet werden und England wird dann Piemonts Gläubiger, unter Vorbehalt einer weitern Vereinbarung mit dieſem Kö- nigreich. Auf dieſe Art wäre die Beſetzung der feſten Plätze durch die Oeſterreicher bis zu vollſtändiger Bezahlung nicht mehr motivirt, und ſie gingen über den Teſſin zurück. England wird nichts bei dieſem Geſchäft verlieren, denn Piemont iſt ein beſſerer Schuldner als Oeſterreich.“ Der National meint England werde vielleicht noch weitere Plane verfolgen und etwa Genua als Pfand nehmen. Da die Cholera nicht mehr zu verheimlichen iſt, ſo geben die Zeitun- gen jetzt Bulletins über den Stand der Seuche, die alle mehr oder weni- ger berechnet ſind das Publicum zu beruhigen, aber auf ſtrenge Genauig- keit wohl keinen Anſpruch machen. Nach der Union médicale waren bis zum 7 April erkrankt 1150, geſtorben 667. Neue Fälle in den bei- den letzten Tagen 113, 10 weniger als in den beiden vorhergegangenen Tagen. Die Seuche iſt jetzt auch in den Departements Eure, la Manche, Eure et Loire, Indre et Loire ausgebrochen, doch in ſehr milder Form. In den früher angeſteckten Departements ſoll ſie am Erlöſchen ſeyn. Auf- fallend iſt daß, während die Cholera ihre Opfer in den oberſten Kreiſen der Geſellſchaft ſucht, und ſchon mehrere Mitglieder der Nationalverſamm- lung weggerafft hat, das J. des Débats behauptet faſt alle Unglück- lichen die von ihr ergriffen worden ſind, hätten ſich in Umſtänden beſun- den welche ſtets Krankheiten zu erzeugen pflegen, nämlich in materieller Noth oder moraliſcher Zerrüttung. Im Jahr 1831 und 1832 hatten die Kammern 3 Mill. Fr. bewilligt, um Vorkehrungen gegen die Cholera zu treffen, dießmal glaubt man mit ½ Mill. auszureichen. Die engliſchen Gäſte der Pariſer Nationalgarde ſcheinen mehrere Tage bleiben zu wollen. Der Conſtitutionnel enthält die Einladung zu einem Feſteſſen, für das man ſich bis Dienstag, 10 April, unterzeich- nen kann. Man ſpeist zu 25 Fr. In Folge einer Uebereinkunft mit der ſardiniſchen Regierung werden die franzöſiſchen Mittelmeer-Dampfboote künftig in Genua anhalten. Früher war ihnen dieſe Vergünſtigung verſagt. Die Nationalverſammlung ſcheint vor allem mit ihrer curſoriſchen Behandlung des Budgets raſch fertig werden zu wollen. Hente wurde die Berathung über das Departement des Unterrichts, unter Erhöhung des Anſinnens für Schullehrersgehalte um 1 Million, für Schulhäuſer um 200,000 Fr. und für Kinderbewahranſtalten um 100,000 Fr., zu Ende gebracht, und dann ſogleich das Departement der auswärtigen Angelegen- heiten vorgenommen. Eine eigentliche Debatte fand hier nicht ſtatt, außer daß der Ex-Miniſter Hr. Baſtide ſich gegen die Unterſtellung verwahren zu müſſen glaubte als habe die vorpräſidentſchaftliche Regierung die Gül- tigkeit der Verträge von 1815 anerkannt, worauf die verſchiedenen Budget- ſätze, mit den vorgeſchlagenen Erſparniſſen im Betrag von 545,000 Fr., nach einander genehmigt wurden. Ehe man zum Cultminiſterium über- ging, war ein Geſetzentwurf über die Beſoldung des Vicepräſidenten der Republik auf die Tagesordnung geſetzt. Die Regierung hatte für ihn an- ſehnliche Einrichtungs- und Repräſentationsgelder gefordert, ſo daß dieſe Sinecure nahezu auf 100,000 Fr. gekommen wäre. Hieran hatte nun ſchon der Finanzausſchuß beträchtliche Abzüge gemacht, in der Verſamm- lung ſelbſt rief man ungeduldig zur Abſtimmung, und die jährlichen 40,000 Fr. für Repräſentation, welche vorgeſchlagen waren, wurden mit 393 gegen 198 Stimmen verworfen, dagegen der Gehalt, vom Tag der Ernennung an gerechnet, mit 45,600 Fr. bewilligt. Bei Abgang der Poſt war bereits auch ein großer Theil des Budgets der Culte mit nicht uner- heblichen Abzügen (z. B. 35,000 Fr. an der Exigenz für das Capitel von St. Denis welches als ein königliches Inſtitut beſtimmt iſt einzugehen) erledigt. Auf der Pariſer Börſe war das Gerücht verbreitet die Regierung habe auf telegraphiſchem Weg die Anzeige erhalten daß Genua vom Ge- neral de la Marmora am 6 April Abends 6 Uhr nach einem Straßen- kampf eingenommen worden. Dieſe Neuigkeit war von günſtiger Wirkung auf die Fonds. Italien. * Aus Rom 5 April wird uns berichtet, in Bologna habe man das päpſtliche Wappen wieder aufgerichtet und eine Deputation nach Gaëta geſendet. ⊙ Aucona, 7 April Abends. Ich ſende Ihnen dieſes Schreiben durch den franzöſiſchen Dampfer, der in einer Stunde wieder nach Trieſt abgeht, von wo er heute Morgens kam. Auf der Rhede von Ancona ſteht das öſterreichiſche Dampfboot Trieſte (Capitän Littrow), das heute Mor- gens zwei piemonteſiſche Commiſſäre, den Oberſt Stralla und den Marquis Spinola, brachte, die beide ſich bei ihrer Ankunft an Bord der Admirals- fregatte S. Michele zum Vice-Admiral Albini begaben um dieſen, den Be- fehlen ſeines Monarchen gemäß, zur Abfahrt aus Ancona zu beſtimmen. In der Stadt verurſachte dieſe Nachricht eine drohende Gährung, man be- abſichtigte auf das öſterreichiſche Schiff, trotz der Parlamentärflagge die es führt, von dem Fort aus zu feuern. Albini ließ hievon den Comman- danten in Kenntniß ſetzen, damit er außer des Schußbereiches ankere. Der Vice-Admiral hatte, wie es ſcheint, einen ſchwierigen Stand, eine Depu- tation nach der andern begab ſich an Bord ſeines Schiffes um gegen die Abfahrt zu proteſtiren. Drohungen und Schmähreden aller Art wurden verſucht um ihn einzuſchüchtern, man nannte ihn einen Verräther an der italieniſchen Sache, erinnerte ihn an das Schickſal das ſeine in Genua wohnende Familie zu erleiden haben werde, wenn Italiens tapfere Söhne dieſen Verrath am Vaterland erführen; endlich erklärte man ihm daß im Falle er die Anker lichten wollte, man aus den Forts der Stadt auf die Flotte feuern würde. Albini benahm ſich mit lobenswürdiger Ruhe, er berief ſich immer auf die beiden Commiſſäre ſeiner Regierung, auf die Be- fehle ſeines Königs. Der Delegat von Ancona, einer der thätigſten Wäch- ter, belächelte jedesmal den Ausdruck mio sovrano, den der Admiral wie- derholt gebrauchte. Endlich wurde von der Admiralsfregatte der Befehl an alle Schiffe gegeben die Anker zu lichten, die Dampfer heizten und nahmen die größeren Schiffe ins Schlepptau um ſie ſchneller auf die Rhede

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-09-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 103, 13. April 1849, S. 1578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine103_1849/6>, abgerufen am 03.12.2024.