Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849.[Spaltenumbruch]
im Frühling 1849 war der demokratische Schimmer welcher die deutsche Berlin, 10 April. Die Kreuzzeitung freut sich über die Berlin, 10 April. Die lithograhirten Nachrichten wol- Schleswig-Holstein. Schleswig, 9 April. Die bisher [Spaltenumbruch]
im Frühling 1849 war der demokratiſche Schimmer welcher die deutſche ∸ Berlin, 10 April. Die Kreuzzeitung freut ſich über die Berlin, 10 April. Die lithograhirten Nachrichten wol- Schleswig-Holſtein. ✸ Schleswig, 9 April. Die bisher <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="1607"/><cb/> im Frühling 1849 war der demokratiſche Schimmer welcher die deutſche<lb/> Kaiſerkrone umgab, ſchon nicht mehr ſo gefährlich, und hätte von dem<lb/> dynaſtiſchen Selbſtbewußtſeyn eher überſehen als mit der Lupe aufgeſucht<lb/> werden können. Nachdem der deutſche Einheitsbegriff ein Begriff der<lb/> Demokratie geweſen und als ſolcher ſchon in den innern Wirbeln und<lb/> Wechſelfluthen der Nationalverſammlung Schiffbruch erlitten hatte, con-<lb/> ſolidirte er ſich plötzlich auf eine merkwürdige Weiſe zu einem Bourgeois-<lb/> begriff, auf welchem Stadium ihn die Frankfurter Deputation namentlich<lb/> in Berlin antraf. Der Berliner Bourgeoiſie war lange nichts gleichgül-<lb/> tiger oder auch, um in der Berliner Terminologie zu ſprechen, „ekeliger“<lb/> geweſen, als die deutſche Einheit oder gar das deutſche Kaiſerthum. Als<lb/> dieſe Sache aber mehr und mehr eine preußiſche und vielleicht auch ber-<lb/> liniſche Bedeutung zu nehmen anfing, begann eine ſchmunzelnde Stellung<lb/> der Berliner Bourgeoiſte zu dieſer Frage. Die Erklärung des Königs<lb/> am 3 April zeigte aber zugleich ſeinen Bürgern: daß er noch andere Ga-<lb/> rantien gegen die demokratiſche Bezüglichkeit des neuen Kaiſerthrons ver-<lb/> lange, als in den Sympathien unſeres conſervativen Bürgerthums liegen<lb/> können. Nach keiner Seite hin hat vielleicht die königliche Erklärung ſo<lb/> ſchneidend abgeſtoßen als bei dem Berliner Bürgerthum, das ſich auf<lb/> den Kaiſer in ſeiner Mitte von Herzen gefreut hatte. So rückte der<lb/> deutſche Einheitsbegriff auf ſein letztes Stadium, wo er ſeine Garantien<lb/> bei der alten Cabinetspolitik ſucht! Die extremen Parteien aller Nüancen<lb/> frohlocken über dieſen Anfang des Endes, worin ſie eine gerechte Vergel-<lb/> tung zum Troſt ihrer eigenen Principienverzweiflung erblicken! — Von<lb/> mehreren Mitgliedern der Frankfurter Deputation hörte man die offene und<lb/> zugängliche Stellung hervorheben welche der Prinz von Preußen in die-<lb/> ſen Tagen in der deutſchen Frage an den Tag gelegt. Die Aufmerkſam-<lb/> keit hat ſich jetzt in der That mehr als je auf dieſen Prinzen in dieſer<lb/> Beziehung gerichtet. Es wird zwar nicht geläugnet daß der Prinz von<lb/> Preußen ſtets nach Charakter und Geſinnung ein Hauptträger des ſoge-<lb/> nannten ſpecifiſchen Preußenthums geweſen. Man traut ihm aber eine<lb/> entſchloſſene und nach allen Seiten hin conſequente Durchführung einer<lb/> Stellung zu, ſobald er ſich einmal derſelben hingegeben haben würde.<lb/> Den König dagegen hindert die ſtärkere Fluctuation ſeines Naturells jetzt<lb/> mehr als je an einer einheitlichen Poſition in den poltiſchen Dingen.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>∸ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 10 April.</dateline><lb/> <p>Die Kreuzzeitung freut ſich über die<lb/> Stille welche während der Oſterfeiertage in Berlin geherrſcht. Sie er-<lb/> blickt darin eine unwillkürliche Anerkennung des religiöſen Princips wel-<lb/> ches ſo muthwillig die Revolution im germaniſchen Staatenleben zu ver-<lb/> nichten beſtrebt geweſen. <hi rendition="#aq">De jure,</hi> d. h. auf dem Papier, ſey es nun auch<lb/> wirklich vernichtet; der chriſtliche Staat, von Nord bis Süd, von Oſt bis<lb/> Weſt, alle Mächte, Nationen hätten ſich von dem Irrwahn fortreißen laſ-<lb/> ſen, und voran der älteſte Sohn der Kirche, „von dem man eine ſolche<lb/> Nachgiebigkeit am wenigſten“ erwarten ſollen; aber was geſetzlich aufge-<lb/> hoben, beſtehe doch noch in der Sitte fort; der beſſere Sinn der Völker könne<lb/> ſich noch inſtinctartig von der Verbreitung und Tradition nicht trennen,<lb/> durch welche in den germaniſchen Ländern die wahre Freiheit und Cultur<lb/> begründet worden, und der ſtille Reſpect vor dem ſchönſten Feſte der Chri-<lb/> ſtenheit habe ſelbſt in dem revolutionirten atheiſtiſchen Berlin ſeine Herr-<lb/> ſchaft behauptet — die Berliner hätten auf den feierlichen Schall der Oſter-<lb/> glocken gehorcht und — von der Wühlerei abgeſtanden! Wir möchten die<lb/> Kreuzzeitung in ihrer ſchönen mythiſchen Illuſion nicht ſtören, um ſo we-<lb/> niger als auch uns die feierliche Stille dieſer Tage erfreut hat, und wir<lb/> gerne zugeben daß die Oſterglocken noch auf weit mehr Gemüther ihren<lb/> wunderbaren Einfluß üben als man gewöhnlich annimmt; aber während<lb/> ſie in ihren obern Spalten es ſagt, bemerkt ſie in den untern daß Herr<lb/> Waldeck die Oſtertage benützt habe ſeine Oppoſitionsmänner zu neuen<lb/> Angriffen zu organiſtren! Wir beſorgen daß hinter der feierlichen Stille<lb/> auch andere als Waldeck operirt haben, daß ſie nur ein trügeriſches Außen-<lb/> ſchild war, hinter dem tiefe innere Unruhe, Beſorgniß, Verbiſſenheit und<lb/> verzweiflungsvolle Plane ſich verborgen haben. Nicht daß wir an den<lb/> Ausbruch einer neuen Revolution denken; dazu iſt der Augenblick nicht<lb/> angethan. Wenn die Geiſter zornig ſind, ſind doch die Nerven abge-<lb/> ſpannt. Die Revolution hat ihren Credit verloren, ſeit der beſitzende und<lb/> gebildete Mittelſtand ſich von ihr abgewandt. Auch revolutionirt man<lb/> nicht wenn wohlgeordnete Heerſchaaren vieler hunderttauſend Soldaten in<lb/> den großen Städten lagern und auf den Landſtraßen von Ort zu Ort<lb/> ziehen, nicht wo ſo viele Krawalle und verunglückte Putſche hinter uns<lb/> liegen, in deren Folge die Gefängniſſe voll ſind von Abzuurtheilenden<lb/> und Abgeurtheilten, nicht wo man ſo müde iſt wie wir, noch wenn<lb/> ſolche Gewitter noch am Himmel ſtehen. Da hat’s zum Oſterfeſte in No-<lb/> vara gedonnert, die Stadt Brescia iſt bombardirt, unter Flammen in<lb/> Schutt geſunken, und an der Oſtſeeküſte das ſtolzeſte Linienſchiff in die Luft<lb/> geflogen; vielleicht ſchlägt in dieſem Augenblick das Unwetter zwiſchen<lb/> Donau und Theiß ein. Betet auch nicht mehr jeder Deutſche wenn es ge<lb/><cb/> wittert, ſo hat er von ſeinen Vorvätern doch die natürliche Scheu ererbt<lb/> daß er unwillkürlich ſtill wird vor ſo großen Naturerſcheinungen. — Die<lb/> Revolution an deren Rande wir ſtehen, iſt intenſiver. Wir glauben,<lb/> wenn wir noch berechtigt ſind an ein deutſches Volk zu glauben, an einen<lb/> großen, bewußten, edlen Gemeinwillen, der mehr vermag als in Liedern<lb/> Reden, Ständchen und Ehrenbechern momentan aufzuflackern, an ein<lb/> Volk das fühlt was es geweſen, was es geworden, was es hätte werden<lb/> können und was es noch werden mag, wenn es einträchtig iſt; daß jetzt der<lb/> Augenblick gekommen iſt wo es dieſen leuchtenden Willen zeigen kann, und<lb/> dann ſiegen muß. In die Hand der Fürſten will man das letzte Zugeſtänd-<lb/> niß, den letzten Stempel legen; das iſt nur eine gerechte Wiedervergeltung<lb/> weil man damals als das Volk zur Verfaſſunggebung zuſammenberufen<lb/> ward, deren Exiſtenz, und daß auch ſie Theile dieſes Volkes ſeyen, vergeſ-<lb/> ſen. Darum muß Frankfurt jetzt dieſe Demüthigung hinnehmen. Aber<lb/> am Volk iſt es durch ſeinen laut und würdig erklärten Willen ſie auszu-<lb/> gleichen. Das Volk <hi rendition="#g">kann</hi> die Fürſten zwingen, und ohne Revolution<lb/> durch ſeine laute, helle volle Stimme, daß ſie die von ihm ſelbſt ſich gege-<lb/> bene Verfaſſung und damit ſein Recht dazu anerkennen. Das war ein<lb/> ernſtes Oſterfeſt, wo dieſe Gedanken in den Männern des deutſchen Volkes<lb/> umgingen. Darf ich den Zeichen trauen, ſo hat der Gedanke allüberall<lb/> gezündet, es wird mancher Parteienkampf ſchweigen, weil ſie zur Auf-<lb/> gabe ſich rüſten ihr wieder erworbenes Recht vor denen zu ſchützen welche<lb/> ſchon des Glaubens waren ſie hätten es übermüthig verſpielt, und an den<lb/> Fürſten ſey es das Fallengelaſſene zurückzugreifen. Einige dachten es<lb/> für ſich allein in die Hand zu nehmen, weil es da beſſer geborgen, während<lb/> andere großmüthige Regungen empfanden den Völkern einen Theil oder<lb/> gar das Ganze großmüthig zurückzugeben. Und in welchen Gedanken<lb/> verging den Fürſten dieſes Auferſtehungsfeſt? Viele kämpften vielleicht<lb/> ſchwere Kämpfe mit dem eigenen Stolze. Viele waren in der Selbſt-<lb/> überwindung dahin gelangt ihre Rechte einem Mächtigern hinzugeben, ſey<lb/> es aus Ueberzeugung für des Vaterlandes Wohl, oder aus der daß die Exi-<lb/> ſtenz nicht zu theuer erkauft iſt mit der Aufopferung des Schattens einer<lb/> geweſenen Macht. Man erzählt daß einem greiſen Fürſten, dem Könige<lb/> von Hannover, dieß Opfer zu groß gedünkt, und er den ſchwerſten Kampf<lb/> zwiſchen Herrſchluſt und Stolz gerungen. Er wollte lieber der Krone ent-<lb/> ſagen als ſie einem Mächtigern übergeben? Friedrich Wilhelm geht nächt-<lb/> lich im Schloßgarten umher, man ſagt von einer Unruhe getrieben die<lb/> groß, drückend ſey. Ob er die Antwort bereut? Das bezweifle ich. Wer<lb/> eine Miſſion zu haben glaubt, bereut nicht was er auf den Willen des<lb/> Herrn gethan und geſprochen zu haben vermeint. Aber vielleicht beklagt<lb/> er daß Gott ihm dieſe Miſſion gegeben! eine Miſſion die ihn aufs neue<lb/> von ſeinem Volke ſcheidet, von Deutſchland entfernt, die auch ſeine Nächſt-<lb/> ſtehenden nicht begreifen. Und dem Könige kann das nicht verborgen ge-<lb/> blieben ſeyn. Es war keine innere Feſtruhe im Königsſchloſſe in dieſem<lb/> Oſterfeſt. Die Miniſter hatten nicht mehr geglaubt daß ſie es feiern wür-<lb/> den. Man täuſcht ſich, wenn man glaubt daß ſie in Sorgen darüber ge-<lb/> weſen. Im Gegentheil, <hi rendition="#g">ſie</hi> hatten ihre Miſſion erfüllt, die Verfaſſung<lb/> gegeben und deren Anerkennung errungen. Der Ehre und des Vortheils<lb/> wegen verſpürten ſie keine Neigung im Amte zu bleiben. Sie waren und<lb/> ſind jeden Moment bereit zu ſcheiden, und warteten nur — nicht auf des<lb/> Königs Willen, ſondern auf eine Niederlage. Sie wollten, nicht conſti-<lb/> tutionell ins Leben gerufen, doch conſtitutionell aus dem Amte ſcheiden.<lb/> Man ſagt daß ſie in Erwartung jener Niederlage bei der Frage über An-<lb/> erkennung der Verfaſſung bereits ihre Entlaſſungsgeſuche in der Taſche ge-<lb/> tragen. Es kam anders. Nun erwarteten ſie als gewiß nach der Ver-<lb/> handlung über die deutſche Frage conſtitutionell durch eine Majorität be-<lb/> ſtegt zu werden. Aber auch das blieb aus. Die Kammer kam zu keinem<lb/> Beſchluſſe, nicht einmal zu einer motivirten Tagesordnung. Der Erbit-<lb/> terung der Parteien, die ſich in einer Sache die beide Parteien wollten nur<lb/> wegen der Form nicht einigen konnten, verdanken die Miniſter ihre län-<lb/> gere Exiſtenz. Von allen Seiten ſchreit man gegen ſie, aber ſollen ſie<lb/> freiwillig, ohne in der Kammer unterlegen zu ſeyn, den Wünſchen ihrer<lb/> Feinde entgegenkommen? Daher ihr Lächeln, das viele ihnen bei einer<lb/> der letzten Sitzungen verargt. 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im Frühling 1849 war der demokratiſche Schimmer welcher die deutſche
Kaiſerkrone umgab, ſchon nicht mehr ſo gefährlich, und hätte von dem
dynaſtiſchen Selbſtbewußtſeyn eher überſehen als mit der Lupe aufgeſucht
werden können. Nachdem der deutſche Einheitsbegriff ein Begriff der
Demokratie geweſen und als ſolcher ſchon in den innern Wirbeln und
Wechſelfluthen der Nationalverſammlung Schiffbruch erlitten hatte, con-
ſolidirte er ſich plötzlich auf eine merkwürdige Weiſe zu einem Bourgeois-
begriff, auf welchem Stadium ihn die Frankfurter Deputation namentlich
in Berlin antraf. Der Berliner Bourgeoiſie war lange nichts gleichgül-
tiger oder auch, um in der Berliner Terminologie zu ſprechen, „ekeliger“
geweſen, als die deutſche Einheit oder gar das deutſche Kaiſerthum. Als
dieſe Sache aber mehr und mehr eine preußiſche und vielleicht auch ber-
liniſche Bedeutung zu nehmen anfing, begann eine ſchmunzelnde Stellung
der Berliner Bourgeoiſte zu dieſer Frage. Die Erklärung des Königs
am 3 April zeigte aber zugleich ſeinen Bürgern: daß er noch andere Ga-
rantien gegen die demokratiſche Bezüglichkeit des neuen Kaiſerthrons ver-
lange, als in den Sympathien unſeres conſervativen Bürgerthums liegen
können. Nach keiner Seite hin hat vielleicht die königliche Erklärung ſo
ſchneidend abgeſtoßen als bei dem Berliner Bürgerthum, das ſich auf
den Kaiſer in ſeiner Mitte von Herzen gefreut hatte. So rückte der
deutſche Einheitsbegriff auf ſein letztes Stadium, wo er ſeine Garantien
bei der alten Cabinetspolitik ſucht! Die extremen Parteien aller Nüancen
frohlocken über dieſen Anfang des Endes, worin ſie eine gerechte Vergel-
tung zum Troſt ihrer eigenen Principienverzweiflung erblicken! — Von
mehreren Mitgliedern der Frankfurter Deputation hörte man die offene und
zugängliche Stellung hervorheben welche der Prinz von Preußen in die-
ſen Tagen in der deutſchen Frage an den Tag gelegt. Die Aufmerkſam-
keit hat ſich jetzt in der That mehr als je auf dieſen Prinzen in dieſer
Beziehung gerichtet. Es wird zwar nicht geläugnet daß der Prinz von
Preußen ſtets nach Charakter und Geſinnung ein Hauptträger des ſoge-
nannten ſpecifiſchen Preußenthums geweſen. Man traut ihm aber eine
entſchloſſene und nach allen Seiten hin conſequente Durchführung einer
Stellung zu, ſobald er ſich einmal derſelben hingegeben haben würde.
Den König dagegen hindert die ſtärkere Fluctuation ſeines Naturells jetzt
mehr als je an einer einheitlichen Poſition in den poltiſchen Dingen.
∸ Berlin, 10 April.
Die Kreuzzeitung freut ſich über die
Stille welche während der Oſterfeiertage in Berlin geherrſcht. Sie er-
blickt darin eine unwillkürliche Anerkennung des religiöſen Princips wel-
ches ſo muthwillig die Revolution im germaniſchen Staatenleben zu ver-
nichten beſtrebt geweſen. De jure, d. h. auf dem Papier, ſey es nun auch
wirklich vernichtet; der chriſtliche Staat, von Nord bis Süd, von Oſt bis
Weſt, alle Mächte, Nationen hätten ſich von dem Irrwahn fortreißen laſ-
ſen, und voran der älteſte Sohn der Kirche, „von dem man eine ſolche
Nachgiebigkeit am wenigſten“ erwarten ſollen; aber was geſetzlich aufge-
hoben, beſtehe doch noch in der Sitte fort; der beſſere Sinn der Völker könne
ſich noch inſtinctartig von der Verbreitung und Tradition nicht trennen,
durch welche in den germaniſchen Ländern die wahre Freiheit und Cultur
begründet worden, und der ſtille Reſpect vor dem ſchönſten Feſte der Chri-
ſtenheit habe ſelbſt in dem revolutionirten atheiſtiſchen Berlin ſeine Herr-
ſchaft behauptet — die Berliner hätten auf den feierlichen Schall der Oſter-
glocken gehorcht und — von der Wühlerei abgeſtanden! Wir möchten die
Kreuzzeitung in ihrer ſchönen mythiſchen Illuſion nicht ſtören, um ſo we-
niger als auch uns die feierliche Stille dieſer Tage erfreut hat, und wir
gerne zugeben daß die Oſterglocken noch auf weit mehr Gemüther ihren
wunderbaren Einfluß üben als man gewöhnlich annimmt; aber während
ſie in ihren obern Spalten es ſagt, bemerkt ſie in den untern daß Herr
Waldeck die Oſtertage benützt habe ſeine Oppoſitionsmänner zu neuen
Angriffen zu organiſtren! Wir beſorgen daß hinter der feierlichen Stille
auch andere als Waldeck operirt haben, daß ſie nur ein trügeriſches Außen-
ſchild war, hinter dem tiefe innere Unruhe, Beſorgniß, Verbiſſenheit und
verzweiflungsvolle Plane ſich verborgen haben. Nicht daß wir an den
Ausbruch einer neuen Revolution denken; dazu iſt der Augenblick nicht
angethan. Wenn die Geiſter zornig ſind, ſind doch die Nerven abge-
ſpannt. Die Revolution hat ihren Credit verloren, ſeit der beſitzende und
gebildete Mittelſtand ſich von ihr abgewandt. Auch revolutionirt man
nicht wenn wohlgeordnete Heerſchaaren vieler hunderttauſend Soldaten in
den großen Städten lagern und auf den Landſtraßen von Ort zu Ort
ziehen, nicht wo ſo viele Krawalle und verunglückte Putſche hinter uns
liegen, in deren Folge die Gefängniſſe voll ſind von Abzuurtheilenden
und Abgeurtheilten, nicht wo man ſo müde iſt wie wir, noch wenn
ſolche Gewitter noch am Himmel ſtehen. Da hat’s zum Oſterfeſte in No-
vara gedonnert, die Stadt Brescia iſt bombardirt, unter Flammen in
Schutt geſunken, und an der Oſtſeeküſte das ſtolzeſte Linienſchiff in die Luft
geflogen; vielleicht ſchlägt in dieſem Augenblick das Unwetter zwiſchen
Donau und Theiß ein. Betet auch nicht mehr jeder Deutſche wenn es ge
wittert, ſo hat er von ſeinen Vorvätern doch die natürliche Scheu ererbt
daß er unwillkürlich ſtill wird vor ſo großen Naturerſcheinungen. — Die
Revolution an deren Rande wir ſtehen, iſt intenſiver. Wir glauben,
wenn wir noch berechtigt ſind an ein deutſches Volk zu glauben, an einen
großen, bewußten, edlen Gemeinwillen, der mehr vermag als in Liedern
Reden, Ständchen und Ehrenbechern momentan aufzuflackern, an ein
Volk das fühlt was es geweſen, was es geworden, was es hätte werden
können und was es noch werden mag, wenn es einträchtig iſt; daß jetzt der
Augenblick gekommen iſt wo es dieſen leuchtenden Willen zeigen kann, und
dann ſiegen muß. In die Hand der Fürſten will man das letzte Zugeſtänd-
niß, den letzten Stempel legen; das iſt nur eine gerechte Wiedervergeltung
weil man damals als das Volk zur Verfaſſunggebung zuſammenberufen
ward, deren Exiſtenz, und daß auch ſie Theile dieſes Volkes ſeyen, vergeſ-
ſen. Darum muß Frankfurt jetzt dieſe Demüthigung hinnehmen. Aber
am Volk iſt es durch ſeinen laut und würdig erklärten Willen ſie auszu-
gleichen. Das Volk kann die Fürſten zwingen, und ohne Revolution
durch ſeine laute, helle volle Stimme, daß ſie die von ihm ſelbſt ſich gege-
bene Verfaſſung und damit ſein Recht dazu anerkennen. Das war ein
ernſtes Oſterfeſt, wo dieſe Gedanken in den Männern des deutſchen Volkes
umgingen. Darf ich den Zeichen trauen, ſo hat der Gedanke allüberall
gezündet, es wird mancher Parteienkampf ſchweigen, weil ſie zur Auf-
gabe ſich rüſten ihr wieder erworbenes Recht vor denen zu ſchützen welche
ſchon des Glaubens waren ſie hätten es übermüthig verſpielt, und an den
Fürſten ſey es das Fallengelaſſene zurückzugreifen. Einige dachten es
für ſich allein in die Hand zu nehmen, weil es da beſſer geborgen, während
andere großmüthige Regungen empfanden den Völkern einen Theil oder
gar das Ganze großmüthig zurückzugeben. Und in welchen Gedanken
verging den Fürſten dieſes Auferſtehungsfeſt? Viele kämpften vielleicht
ſchwere Kämpfe mit dem eigenen Stolze. Viele waren in der Selbſt-
überwindung dahin gelangt ihre Rechte einem Mächtigern hinzugeben, ſey
es aus Ueberzeugung für des Vaterlandes Wohl, oder aus der daß die Exi-
ſtenz nicht zu theuer erkauft iſt mit der Aufopferung des Schattens einer
geweſenen Macht. Man erzählt daß einem greiſen Fürſten, dem Könige
von Hannover, dieß Opfer zu groß gedünkt, und er den ſchwerſten Kampf
zwiſchen Herrſchluſt und Stolz gerungen. Er wollte lieber der Krone ent-
ſagen als ſie einem Mächtigern übergeben? Friedrich Wilhelm geht nächt-
lich im Schloßgarten umher, man ſagt von einer Unruhe getrieben die
groß, drückend ſey. Ob er die Antwort bereut? Das bezweifle ich. Wer
eine Miſſion zu haben glaubt, bereut nicht was er auf den Willen des
Herrn gethan und geſprochen zu haben vermeint. Aber vielleicht beklagt
er daß Gott ihm dieſe Miſſion gegeben! eine Miſſion die ihn aufs neue
von ſeinem Volke ſcheidet, von Deutſchland entfernt, die auch ſeine Nächſt-
ſtehenden nicht begreifen. Und dem Könige kann das nicht verborgen ge-
blieben ſeyn. Es war keine innere Feſtruhe im Königsſchloſſe in dieſem
Oſterfeſt. Die Miniſter hatten nicht mehr geglaubt daß ſie es feiern wür-
den. Man täuſcht ſich, wenn man glaubt daß ſie in Sorgen darüber ge-
weſen. Im Gegentheil, ſie hatten ihre Miſſion erfüllt, die Verfaſſung
gegeben und deren Anerkennung errungen. Der Ehre und des Vortheils
wegen verſpürten ſie keine Neigung im Amte zu bleiben. Sie waren und
ſind jeden Moment bereit zu ſcheiden, und warteten nur — nicht auf des
Königs Willen, ſondern auf eine Niederlage. Sie wollten, nicht conſti-
tutionell ins Leben gerufen, doch conſtitutionell aus dem Amte ſcheiden.
Man ſagt daß ſie in Erwartung jener Niederlage bei der Frage über An-
erkennung der Verfaſſung bereits ihre Entlaſſungsgeſuche in der Taſche ge-
tragen. Es kam anders. Nun erwarteten ſie als gewiß nach der Ver-
handlung über die deutſche Frage conſtitutionell durch eine Majorität be-
ſtegt zu werden. Aber auch das blieb aus. Die Kammer kam zu keinem
Beſchluſſe, nicht einmal zu einer motivirten Tagesordnung. Der Erbit-
terung der Parteien, die ſich in einer Sache die beide Parteien wollten nur
wegen der Form nicht einigen konnten, verdanken die Miniſter ihre län-
gere Exiſtenz. Von allen Seiten ſchreit man gegen ſie, aber ſollen ſie
freiwillig, ohne in der Kammer unterlegen zu ſeyn, den Wünſchen ihrer
Feinde entgegenkommen? Daher ihr Lächeln, das viele ihnen bei einer
der letzten Sitzungen verargt. Es war kein Lächeln eines innern Oſter-
friedens, keine Ueberzeugung daß ſie nach ihrem Opfertode wieder aufer-
ſtehen würden, es war nur die eigene Verwunderung daß ſie, ſo oft todt
geſagt, noch immer lebten.
Berlin, 10 April.
Die lithograhirten Nachrichten wol-
len wiſſen es ſeyen hier bis geſtern, unmittelbar in Folge des bekann-
ten Frankfurter Beſchluſſes, von 26 deutſchen Regierungen Zuſtimmun-
gen zu dieſem Beſchluſſe eingegangen.
Schleswig-Holſtein.
✸ Schleswig, 9 April.
Die bisher
von der Armee im Norden eingegangenen Berichte erzählen nur von Hin-
und Hermärſchen und einzelnen Vorpoſtengefechten. Von Jütland gin-
gen die Dänen am 3 d. über die Gränze und drängten die Vorpoſten der
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(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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