Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849.[Spaltenumbruch]
durch eine zum Theil magyarisch-aristokratische, zum Theil rein absoluti- Großbritannien. London, 9 April. Das Urtheil des M. Chronicle über die [Spaltenumbruch]
durch eine zum Theil magyariſch-ariſtokratiſche, zum Theil rein abſoluti- Großbritannien. London, 9 April. Das Urtheil des M. Chronicle über die <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="1610"/><cb/> durch eine zum Theil magyariſch-ariſtokratiſche, zum Theil rein abſoluti-<lb/> tiſche Politik zu den ſicherſten Stützen der Monarchie hätte erheben können,<lb/> und welches durch die unſelige und faſt ausſchließliche Begünſtigung des<lb/> Magyarismus ſeit 1834 und in neueſter Zeit durch die unehrliche Politik<lb/> des unglücklichen Latour in jene antideutſche, traurige Stellung <hi rendition="#g">geſtoßen</hi><lb/> wurde, zu welcher Peſth-Ofen, Preßburg, die Zips und insbeſondere<lb/> die unglückſeligen Städte Weißkirchen und Werſchetz in ihrem ſpartani-<lb/> ſchen Kampfe wider die Serben, wider die Slaven überhaupt und das<lb/><hi rendition="#g">deutſche</hi> Oeſterreich Belege geliefert haben. Während die Siebenbür-<lb/> ger Deutſchen, dieß immerdar von der öſterreichiſchen Regierung ſtief-<lb/> mütterlich behandelte Sachſenland, welches in dieſem Augenblicke noch<lb/> den zerfleiſchenden Angriffen der verathmenden Kriegsfurie preisgegeben<lb/> iſt, ſchon bei den erſten Schritten der Magyaren in der Unionsſache Un-<lb/> garns, und Siebenbürgens begriffen daß von einer nationalen Lebensäu-<lb/> ßerung der Deutſchen in Ungarn und Siebenbürgen keine Rede ſeyn<lb/> könne ſobald die Länder dieſſeits der Leitha nicht mehr von Wien aus<lb/> regiert würden, und demnach alles aufboten die hochmüthige und rechts-<lb/> verletzende Suprematie der Magyaren wenigſtens von Siebenbürgen fern<lb/> zu halten: ergaben ſich die Deutſchen Ungarns, von der Regierung ver-<lb/> laſſen und ohne jenen compacten ſtaatlichen Organismus der Sachſen,<lb/> dem herriſchen Befehl der Magyaren, weihten das ihnen innewohnende<lb/> Gefühl der Treue dem ungariſchen Vaterlande und beſiegelten dieſe Treue<lb/> mit dem Blute ihrer beſten Söhne, die doch wahrlich nicht berufen waren<lb/> für die Nachfolger Tököly’s und Rakotzy’s zu ſterben. Das deutſche Volk<lb/> in Ungarn, wozu wir auch jene meiſt deutſchen Officiere zu rechnen ha-<lb/> ben die zum Theil aus der k. k. Armee in die Reihen der Inſurgenten<lb/> übertraten, hat in dieſem Augenblick eine ſchwere und tragiſche Stellung.<lb/> Wir waren Rebellen, wir <hi rendition="#g">mußten</hi> es ſeyn aus Achtung vor den unga-<lb/> riſchen Märzgeſetzen, die man bis zum 3 Oct. v. J. (dem Tage des von<lb/> Recſey contraſignirten kaiſerl. Manifeſtes gegen Ungarn) in Wien doch<lb/> anzuerkennen <hi rendition="#g">ſchien</hi>. Graf Latour zog eine heimliche, zweideutige Po-<lb/> litik vor, ſtatt offen die von ihrem Beginn an zur Geſammt-Monarchie<lb/> ſchiefgeſtellte ungariſche Regierung zu verwerfen, und der Palatin Ste-<lb/> phan, ein Mitglied des Kaiſerhauſes, verweilte noch in unſerer Mitte<lb/> als das ungariſche Miniſterium durch ſeine Entlaſſungsnahme das äußerſte<lb/> Stadium der Revolution, fortan Rebellion einleitete. Als endlich jenes<lb/> kaiſerl. Manifeſt die Sachlage wie mit einem Schlag umgeſtaltete, da<lb/> war es größtentheils ſchon zu ſpät an den Rückzug zu denken, und die<lb/> Schwindeleien Koſſuths, ſowie der blutgierige Terrorismus ſeiner An-<lb/> hänger riſſen das Volk auf der gefährlichen Bahn fort, die erſt vor den<lb/> Kanonen des Fürſten Windiſch-Grätz abbrach. Wenn aber die magya-<lb/> riſche Race in der lockenden Ausſicht auf nationale Größe und Unabhän-<lb/> gigkeit ein Aequivalent für die gebrachten Opfer ſehen konnte, ſo blieb<lb/> dagegen dem Deutſchen nicht einmal die tröſtende Hoffnung auf eine freie<lb/> Zukunft, denn ſo anarchiſche Zuſtände mußten endlich dem erſtbeſten De-<lb/> ſpoten weichen, und Koſſuth ſelbſt war auf dem Sprunge vom Volksmann<lb/> zum Dictator, vom parlamentariſchen zum Landestyrannen. — Ueber<lb/> Werſchetz’ und Weißkirchens Wällen haben hundert und hundert deutſche<lb/> Herzen aufgehört zu ſchlagen, und von deutſchen Lippen iſt tauſendfach<lb/> der fremde Ruf: Eljen Koſſuth! erklungen, während der Tod zwiſchen<lb/> Müttern, Kindern und Greiſen wüthete und die deutſche Männerkraft für<lb/> die <hi rendition="#g">magyariſche</hi> Unabhängigkeit hinſank: — und dieſe alle ſind Opfer<lb/> der Politik von 1848, treue, todesmuthige Menſchen, die dem Worte<lb/> ihres Königs glaubten und ſich wenig auf Enträthſelung der Plane La-<lb/> tours verſtanden, Menſchen deren Sinn und Herz von Deutſchland und<lb/> Oeſterreich gewaltſam abgewendet wurde, denen die conſequente Gerech-<lb/> tigkeit nun Kartätſchen entgegenſendet, denn „ſie haben es mit dem Koſ-<lb/> ſuth gehalten!“ Und jene Krieger welche durch zahlloſe kaiſerliche Hand-<lb/> billette, durch die Anweſenheit des Palatins in Ofen, durch die Ermah-<lb/> nungen und Befehle der Generale Moga und Hrabowsky, endlich durch<lb/> das fortdauernde Verbleiben des ehrlichen, öſterreichiſch geſinnten Huſa-<lb/> ren Meßaros auf ſeinem Miniſterpoſten beirrt und an die Sache der Ma-<lb/> gyaren gekettet wurden (wovon bei der Standrechtsmanie mancher Ge-<lb/> nerale und kgl. Commiſſäre ein Loskommen ſo leicht nicht möglich) — jene<lb/> Krieger haben meiſt nur die Wahl zwiſchen fortgeſetzter verzweifelter Re-<lb/> bellion oder Strafen, welche mit ehrloſem Verluſt ihres Ranges in der<lb/> Armee verbunden ſind. Es iſt genug des Leides geworden. Das verheerte<lb/> Banat, das zerfleiſchte Sachſenland, der ruinirte Wohlſtand der ge-<lb/> werb- und handelsthätigen deutſchen Städte werden ſchwer verlöſchliche An-<lb/> denken jener falſchen antideutſchen Politik Oeſterreichs bleiben. Das Wort<lb/> der <hi rendition="#g">Gnade</hi> möge endlich tönen von dem Throne, welcher doch in unſrer<lb/><hi rendition="#g">Liebe</hi> wurzeln will und ſoll — und dem Gnadenworte folge die Entwir-<lb/> rung der deutſch-ungariſchen Angelegenheiten. Daß der deutſche Stamm<lb/> in den ungariſchen Ländern eine eiſerne Stütze für Oeſterreich und den<lb/> deutſchen Einfluß inmitten dieſes Völkergemiſches werden könne, davon<lb/><cb/> haben die ſiebenbürger Deutſchen eine Probe geliefert. So ſehe man zu daß<lb/> die Liebe des deutſchen Stammes für die Regierung wieder erwache, man<lb/> geſtatte dem Deutſch-Ungarn die Erhebung zum deutſchen Manne, damit<lb/> er nicht von neuem magyariſcher oder ſlaviſcher Suprematie zum Opfer<lb/> falle. Ein großer Theil ſelbſt der Deutſchen in Ungarn ſah bisher in dem<lb/> wider das abſolute Oeſterreich opponirenden Magyarenthum die wahre<lb/> Freiheit, während doch jene Oppoſition in ungleich größerem Grade <hi rendition="#g">wi-<lb/> der</hi> die Fremdherrſchaft als <hi rendition="#g">für</hi> eine allgemeine demokratiſche Freiheit<lb/> geführt wurde. Beweis deſſen der übermüthige Nationalſtolz des Ma-<lb/> gyars, ein Ariſtokratismus der Race und des Voll-Blutes. Die Stände-<lb/> Privilegien, vom Sturm der Zeit vernichtet, wurden in gewiſſem Sinne<lb/> der Sprache übertragen, der Patriotismus nach dem mehr oder minder<lb/> richtigen Verſtändniß der Grammatik abgewogen. Und das iſt keine Ueber-<lb/> treibung, das war volle, entſchiedene Volksanſicht. Hat Graf Stadion<lb/> die Ruthenen „<hi rendition="#g">erfunden</hi>“, ſo braucht es doch weit geringerer Hebel um<lb/> die Deutſchen Ungarns zu einer des großen Mutterlandes würdigeren<lb/> Stellung zu erheben, in ihnen dem einigen Oeſterreich neue, lebenskräf-<lb/> tige Stützen zu bauen, und die gerechten Anſprüche der Deutſchen ſelbſt<lb/> zu befriedigen. Der Deutſch-Ungar wird in dieſem Falle als <hi rendition="#g">Deutſcher</hi><lb/> im Bunde der öſterreichiſchen Völker ſitzen, und das Gewicht jener Stim-<lb/> men vermehren welche, den Einfluß Prags und Agrams mäßigend, nach<lb/><hi rendition="#g">Frankfurt</hi> gravitiren.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 9 April.</dateline><lb/> <p>Das Urtheil des M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> über die<lb/> Antwort des Königs von Preußen an die Frankfurter Deputation ſtimmt<lb/> mit dem der Times (ſtehe Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung.) im we-<lb/> ſentlichen zuſammen; nur traut das Peel’ſche Blatt Friedrich Wilhelmen<lb/> mehr verſteckten Ehrgeiz zu als jenes Journal. Auf ähnliche Weiſe, be-<lb/> merkt es, habe, wenn man Englands großem Dramatiker glauben dürfe,<lb/> eine bedeutendere hiſtoriſche Perſon als der jetzige Inhaber des preußi-<lb/> ſchen Throns, Julius Cäſar, eine ähnliche Gabe, die ihm an den Luperca-<lb/> lien angeboten worden, beiſeite geſchoben. „Ich ſah den Mark Anton ihm<lb/> eine Krone anbieten — doch eigentlich war’s keine rechte Krone, es war<lb/> ſo’ne Art von Stirnband — und wie ich euch ſagte, er ſchob ſie einmal<lb/> beiſeite; aber bei alle dem hätte er ſie nach meinem Bedünken gern gehabt.<lb/> Dann bot er ſie ihm nochmals an, und dann ſchob er ſie nochmals zurück;<lb/> aber nach meinem Bedünken kam es ihm hart an die Finger wieder davon<lb/> zu thun.“ (Shakſpeare’s Julius Cäſar <hi rendition="#aq">I.,</hi> 2. heißt weiter: „Und<lb/> dann bot er ſie ihm zum drittenmale an; er ſchob ſie zum drittenmale zu-<lb/> rück; und jedesmal daß er ſie ausſchlug, kreiſchte das Geſindel und klatſchte<lb/> in die rauhen Fäuſte, und warf die ſchweißigen Nachtmützen in die Höhe,<lb/> und gab eine ſolche Laſt ſtinkenden Athems von ſich, weil Cäſar die Krone<lb/> ausſchlug, daß Cäſar faſt daran erſtickt wäre.“ Dieſe Worte Caſca’s<lb/> paſſen ausgezeichnet auf den Jubel, womit eine gewiſſe Sorte der deut-<lb/> ſchen „Directorial-Preſſe“ die Kunde aus Berlin aufgenommen hat.)<lb/> Freilich, das Anerbieten eines kaiſerlichen Diadems könne, wie ein<lb/> Antrag von Herz und Hand, nicht mit einem einfachen „Ich dank Euch“<lb/> abgelehnt werden; darum habe Friedrich Wilhelm ſeinen Korb mit<lb/> ſehr höflichen Redensarten umwunden, indem er eine ſcheinbare Zuſage<lb/> gemacht, bedingt durch die Zuſtimmung dritter Perſonen, welche bereits<lb/> erklärt hatten daß ſie ihre Zuſtimmung ganz gewiß vorenthalten würden.<lb/> Indeſſen, bemerkt Chronicle weiter, der Ehrgeiz der Patrioten welche das<lb/> deutſche Kaiſerreich wieder aufrichten und deſſen Krone an Preußen über-<lb/> tragen wollten, ſey nicht geweſen Deutſchland glücklich und blühend, ſon-<lb/> dern es mächtig, groß und furchtbar zu machen. Stünde erſt eine ſo un-<lb/> natürliche Schöpfung wie ein deutſches Reich auf den Füßen, ſo ließe ſich<lb/> zehn gegen eins wetten daß der mißſchaffene Rieſe alsbald mit dem einen<lb/> oder dem andern ſeiner Nachbarn in Hader gerathen würde. (Die Gefah-<lb/> ren eines ſolchen Kampfs für den deutſchen Michel werden von dem eng-<lb/> liſchen Blatt ſo grell ausgemalt, daß ihm wirklich die Haut ſchaudern darf).<lb/> Solchen Gefahren zu trotzen ſey aber Friedrich Wilhelm nicht der Mann.<lb/> Bei alle dem ſey ſeine Antwort vielleicht nicht ſehr männlich, nicht ſehr<lb/> logiſch, nicht ſehr folgerichtig; eben nur darauf berechnet die Verantwor-<lb/> tung der Folgen von des Königs Schultern ab- und auf fremde Schultern<lb/> hinüber zu wälzen. Auf den Plan der deutſchen Einheit und den Fortbeſtand<lb/> des Frankfurter Parlaments — „der Vertretung des kaiſerloſen Kaiſerreichs“<lb/> — werde die Antwort und das was ſie in Ausſicht ſtelle jedenfalls wun-<lb/> derlich zurückwirken. — In Bezug auf den däniſch-deutſchen Krieg findet<lb/> der <hi rendition="#g">Standard</hi> zunächſt nur zu beklagen daß der engliſche Handel nach<lb/> der Oſtſee dadurch zu Verluſt komme; die Berichte aus den Fabrikbezir-<lb/> ken würden erfreulicher lauten ohne dieſe muthwillig herbeigeführte <hi rendition="#aq">que-<lb/> relle d’allemand.</hi> Unter den nach Kopenhagen aufgebrachten engliſchen<lb/> Schiffen ſeyen einige mit engliſchen Waaren an Bord, die aber natürlicher-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1610/0006]
durch eine zum Theil magyariſch-ariſtokratiſche, zum Theil rein abſoluti-
tiſche Politik zu den ſicherſten Stützen der Monarchie hätte erheben können,
und welches durch die unſelige und faſt ausſchließliche Begünſtigung des
Magyarismus ſeit 1834 und in neueſter Zeit durch die unehrliche Politik
des unglücklichen Latour in jene antideutſche, traurige Stellung geſtoßen
wurde, zu welcher Peſth-Ofen, Preßburg, die Zips und insbeſondere
die unglückſeligen Städte Weißkirchen und Werſchetz in ihrem ſpartani-
ſchen Kampfe wider die Serben, wider die Slaven überhaupt und das
deutſche Oeſterreich Belege geliefert haben. Während die Siebenbür-
ger Deutſchen, dieß immerdar von der öſterreichiſchen Regierung ſtief-
mütterlich behandelte Sachſenland, welches in dieſem Augenblicke noch
den zerfleiſchenden Angriffen der verathmenden Kriegsfurie preisgegeben
iſt, ſchon bei den erſten Schritten der Magyaren in der Unionsſache Un-
garns, und Siebenbürgens begriffen daß von einer nationalen Lebensäu-
ßerung der Deutſchen in Ungarn und Siebenbürgen keine Rede ſeyn
könne ſobald die Länder dieſſeits der Leitha nicht mehr von Wien aus
regiert würden, und demnach alles aufboten die hochmüthige und rechts-
verletzende Suprematie der Magyaren wenigſtens von Siebenbürgen fern
zu halten: ergaben ſich die Deutſchen Ungarns, von der Regierung ver-
laſſen und ohne jenen compacten ſtaatlichen Organismus der Sachſen,
dem herriſchen Befehl der Magyaren, weihten das ihnen innewohnende
Gefühl der Treue dem ungariſchen Vaterlande und beſiegelten dieſe Treue
mit dem Blute ihrer beſten Söhne, die doch wahrlich nicht berufen waren
für die Nachfolger Tököly’s und Rakotzy’s zu ſterben. Das deutſche Volk
in Ungarn, wozu wir auch jene meiſt deutſchen Officiere zu rechnen ha-
ben die zum Theil aus der k. k. Armee in die Reihen der Inſurgenten
übertraten, hat in dieſem Augenblick eine ſchwere und tragiſche Stellung.
Wir waren Rebellen, wir mußten es ſeyn aus Achtung vor den unga-
riſchen Märzgeſetzen, die man bis zum 3 Oct. v. J. (dem Tage des von
Recſey contraſignirten kaiſerl. Manifeſtes gegen Ungarn) in Wien doch
anzuerkennen ſchien. Graf Latour zog eine heimliche, zweideutige Po-
litik vor, ſtatt offen die von ihrem Beginn an zur Geſammt-Monarchie
ſchiefgeſtellte ungariſche Regierung zu verwerfen, und der Palatin Ste-
phan, ein Mitglied des Kaiſerhauſes, verweilte noch in unſerer Mitte
als das ungariſche Miniſterium durch ſeine Entlaſſungsnahme das äußerſte
Stadium der Revolution, fortan Rebellion einleitete. Als endlich jenes
kaiſerl. Manifeſt die Sachlage wie mit einem Schlag umgeſtaltete, da
war es größtentheils ſchon zu ſpät an den Rückzug zu denken, und die
Schwindeleien Koſſuths, ſowie der blutgierige Terrorismus ſeiner An-
hänger riſſen das Volk auf der gefährlichen Bahn fort, die erſt vor den
Kanonen des Fürſten Windiſch-Grätz abbrach. Wenn aber die magya-
riſche Race in der lockenden Ausſicht auf nationale Größe und Unabhän-
gigkeit ein Aequivalent für die gebrachten Opfer ſehen konnte, ſo blieb
dagegen dem Deutſchen nicht einmal die tröſtende Hoffnung auf eine freie
Zukunft, denn ſo anarchiſche Zuſtände mußten endlich dem erſtbeſten De-
ſpoten weichen, und Koſſuth ſelbſt war auf dem Sprunge vom Volksmann
zum Dictator, vom parlamentariſchen zum Landestyrannen. — Ueber
Werſchetz’ und Weißkirchens Wällen haben hundert und hundert deutſche
Herzen aufgehört zu ſchlagen, und von deutſchen Lippen iſt tauſendfach
der fremde Ruf: Eljen Koſſuth! erklungen, während der Tod zwiſchen
Müttern, Kindern und Greiſen wüthete und die deutſche Männerkraft für
die magyariſche Unabhängigkeit hinſank: — und dieſe alle ſind Opfer
der Politik von 1848, treue, todesmuthige Menſchen, die dem Worte
ihres Königs glaubten und ſich wenig auf Enträthſelung der Plane La-
tours verſtanden, Menſchen deren Sinn und Herz von Deutſchland und
Oeſterreich gewaltſam abgewendet wurde, denen die conſequente Gerech-
tigkeit nun Kartätſchen entgegenſendet, denn „ſie haben es mit dem Koſ-
ſuth gehalten!“ Und jene Krieger welche durch zahlloſe kaiſerliche Hand-
billette, durch die Anweſenheit des Palatins in Ofen, durch die Ermah-
nungen und Befehle der Generale Moga und Hrabowsky, endlich durch
das fortdauernde Verbleiben des ehrlichen, öſterreichiſch geſinnten Huſa-
ren Meßaros auf ſeinem Miniſterpoſten beirrt und an die Sache der Ma-
gyaren gekettet wurden (wovon bei der Standrechtsmanie mancher Ge-
nerale und kgl. Commiſſäre ein Loskommen ſo leicht nicht möglich) — jene
Krieger haben meiſt nur die Wahl zwiſchen fortgeſetzter verzweifelter Re-
bellion oder Strafen, welche mit ehrloſem Verluſt ihres Ranges in der
Armee verbunden ſind. Es iſt genug des Leides geworden. Das verheerte
Banat, das zerfleiſchte Sachſenland, der ruinirte Wohlſtand der ge-
werb- und handelsthätigen deutſchen Städte werden ſchwer verlöſchliche An-
denken jener falſchen antideutſchen Politik Oeſterreichs bleiben. Das Wort
der Gnade möge endlich tönen von dem Throne, welcher doch in unſrer
Liebe wurzeln will und ſoll — und dem Gnadenworte folge die Entwir-
rung der deutſch-ungariſchen Angelegenheiten. Daß der deutſche Stamm
in den ungariſchen Ländern eine eiſerne Stütze für Oeſterreich und den
deutſchen Einfluß inmitten dieſes Völkergemiſches werden könne, davon
haben die ſiebenbürger Deutſchen eine Probe geliefert. So ſehe man zu daß
die Liebe des deutſchen Stammes für die Regierung wieder erwache, man
geſtatte dem Deutſch-Ungarn die Erhebung zum deutſchen Manne, damit
er nicht von neuem magyariſcher oder ſlaviſcher Suprematie zum Opfer
falle. Ein großer Theil ſelbſt der Deutſchen in Ungarn ſah bisher in dem
wider das abſolute Oeſterreich opponirenden Magyarenthum die wahre
Freiheit, während doch jene Oppoſition in ungleich größerem Grade wi-
der die Fremdherrſchaft als für eine allgemeine demokratiſche Freiheit
geführt wurde. Beweis deſſen der übermüthige Nationalſtolz des Ma-
gyars, ein Ariſtokratismus der Race und des Voll-Blutes. Die Stände-
Privilegien, vom Sturm der Zeit vernichtet, wurden in gewiſſem Sinne
der Sprache übertragen, der Patriotismus nach dem mehr oder minder
richtigen Verſtändniß der Grammatik abgewogen. Und das iſt keine Ueber-
treibung, das war volle, entſchiedene Volksanſicht. Hat Graf Stadion
die Ruthenen „erfunden“, ſo braucht es doch weit geringerer Hebel um
die Deutſchen Ungarns zu einer des großen Mutterlandes würdigeren
Stellung zu erheben, in ihnen dem einigen Oeſterreich neue, lebenskräf-
tige Stützen zu bauen, und die gerechten Anſprüche der Deutſchen ſelbſt
zu befriedigen. Der Deutſch-Ungar wird in dieſem Falle als Deutſcher
im Bunde der öſterreichiſchen Völker ſitzen, und das Gewicht jener Stim-
men vermehren welche, den Einfluß Prags und Agrams mäßigend, nach
Frankfurt gravitiren.
Großbritannien.
London, 9 April.
Das Urtheil des M. Chronicle über die
Antwort des Königs von Preußen an die Frankfurter Deputation ſtimmt
mit dem der Times (ſtehe Nr. 102 der Allgemeinen Zeitung.) im we-
ſentlichen zuſammen; nur traut das Peel’ſche Blatt Friedrich Wilhelmen
mehr verſteckten Ehrgeiz zu als jenes Journal. Auf ähnliche Weiſe, be-
merkt es, habe, wenn man Englands großem Dramatiker glauben dürfe,
eine bedeutendere hiſtoriſche Perſon als der jetzige Inhaber des preußi-
ſchen Throns, Julius Cäſar, eine ähnliche Gabe, die ihm an den Luperca-
lien angeboten worden, beiſeite geſchoben. „Ich ſah den Mark Anton ihm
eine Krone anbieten — doch eigentlich war’s keine rechte Krone, es war
ſo’ne Art von Stirnband — und wie ich euch ſagte, er ſchob ſie einmal
beiſeite; aber bei alle dem hätte er ſie nach meinem Bedünken gern gehabt.
Dann bot er ſie ihm nochmals an, und dann ſchob er ſie nochmals zurück;
aber nach meinem Bedünken kam es ihm hart an die Finger wieder davon
zu thun.“ (Shakſpeare’s Julius Cäſar I., 2. heißt weiter: „Und
dann bot er ſie ihm zum drittenmale an; er ſchob ſie zum drittenmale zu-
rück; und jedesmal daß er ſie ausſchlug, kreiſchte das Geſindel und klatſchte
in die rauhen Fäuſte, und warf die ſchweißigen Nachtmützen in die Höhe,
und gab eine ſolche Laſt ſtinkenden Athems von ſich, weil Cäſar die Krone
ausſchlug, daß Cäſar faſt daran erſtickt wäre.“ Dieſe Worte Caſca’s
paſſen ausgezeichnet auf den Jubel, womit eine gewiſſe Sorte der deut-
ſchen „Directorial-Preſſe“ die Kunde aus Berlin aufgenommen hat.)
Freilich, das Anerbieten eines kaiſerlichen Diadems könne, wie ein
Antrag von Herz und Hand, nicht mit einem einfachen „Ich dank Euch“
abgelehnt werden; darum habe Friedrich Wilhelm ſeinen Korb mit
ſehr höflichen Redensarten umwunden, indem er eine ſcheinbare Zuſage
gemacht, bedingt durch die Zuſtimmung dritter Perſonen, welche bereits
erklärt hatten daß ſie ihre Zuſtimmung ganz gewiß vorenthalten würden.
Indeſſen, bemerkt Chronicle weiter, der Ehrgeiz der Patrioten welche das
deutſche Kaiſerreich wieder aufrichten und deſſen Krone an Preußen über-
tragen wollten, ſey nicht geweſen Deutſchland glücklich und blühend, ſon-
dern es mächtig, groß und furchtbar zu machen. Stünde erſt eine ſo un-
natürliche Schöpfung wie ein deutſches Reich auf den Füßen, ſo ließe ſich
zehn gegen eins wetten daß der mißſchaffene Rieſe alsbald mit dem einen
oder dem andern ſeiner Nachbarn in Hader gerathen würde. (Die Gefah-
ren eines ſolchen Kampfs für den deutſchen Michel werden von dem eng-
liſchen Blatt ſo grell ausgemalt, daß ihm wirklich die Haut ſchaudern darf).
Solchen Gefahren zu trotzen ſey aber Friedrich Wilhelm nicht der Mann.
Bei alle dem ſey ſeine Antwort vielleicht nicht ſehr männlich, nicht ſehr
logiſch, nicht ſehr folgerichtig; eben nur darauf berechnet die Verantwor-
tung der Folgen von des Königs Schultern ab- und auf fremde Schultern
hinüber zu wälzen. Auf den Plan der deutſchen Einheit und den Fortbeſtand
des Frankfurter Parlaments — „der Vertretung des kaiſerloſen Kaiſerreichs“
— werde die Antwort und das was ſie in Ausſicht ſtelle jedenfalls wun-
derlich zurückwirken. — In Bezug auf den däniſch-deutſchen Krieg findet
der Standard zunächſt nur zu beklagen daß der engliſche Handel nach
der Oſtſee dadurch zu Verluſt komme; die Berichte aus den Fabrikbezir-
ken würden erfreulicher lauten ohne dieſe muthwillig herbeigeführte que-
relle d’allemand. Unter den nach Kopenhagen aufgebrachten engliſchen
Schiffen ſeyen einige mit engliſchen Waaren an Bord, die aber natürlicher-
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(2022-09-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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