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Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] doch einmal die Eigennamen zu nennen, und bringt an das Ta-
geslicht der Justiz ein durch unsre Gesezbücher vorausgesehenes
und durch unsre Gesezgebung bestraftes Vergehen!" Aber nein,
man erröthet beinahe über diese an die Lüge und die Verläum-
dung erlassenen Aufforderungen. Man schämt sich, mit Leuten zu
raisonniren, die nicht raisonniren, mit Leuten zu erörtern, die
nicht erörtern. Lassen wir daher dis Pariser Comite directeur;
als eine erbärmliche Fiktion einer Partei, die nicht sieht, oder
sich stellt nicht zu sehen, daß das Comite directeur Frankreich ist
in den Organen der Meynung; Frankreich in den Wahlkollegien;
Frankreich auf der Nationaltribüne! Und nun verlange man ein-
mal von ihr eine Bezeichnung der Mitglieder desselben! Jezt aber
wird ein andres Batailleupferd von unsern Liguisten in die Gabel
gespannt. Es gilt, andere Besorgnisse einzuflößen; andere Herzen
zu erschüttern. Für die englische Aristokratie, für den anglikani-
schen Klerus wachen Besorgnisse auf; und auch hier kommt die
Fiktion des Comite directeur zum Beistande. Wir wollen nicht
wieder auf die ausnehmende Unschiklichkeit zurükkommen, auf diese
Art vornehme Fremde, die außerhalb der öffentlichen Angelegen-
heiten gestellt sind, und Reisende, die einige Wochen in den Mauern
unsrer Hauptstadt zubringen, dem Verdachte ihrer Mitbürger
bloszustellen. Offenbar hat hier die Verläumdung einen höhern
Zwek. Dis ist ein vollständiges System der Delation von Regie-
rung zu Regierung. Denn wie soll man annehmen, daß das
amtliche Journal des Ministeriums eines Landes sich offen so
schwere Anschuldigungen gegen einen Mann erlaube, der noch vor
Kurzem von dem Vertrauen seines Souverains und von der Ach-
tung aller Parteien umgeben war; gegen einen Mann, der im
Unterhause bekannt ist, wo er eines der durch die Mäßigung sei-
ner politischen Ansichten und durch eine seltene Geschäftskenntniß
bekanntesten Mitglieder ist; wie, sage ich, sollen wir bei unsern Mi-
nistern den kühnen Gedanken vermuthen, auf das Haupt des edlen
Lords alle Blize der revolutionairen Rache zu laden, und zu Lon-
don solche gerechte Anlässe zu Klagen zu schaffen, wenn nicht zum
Voraus ein Wink dazu von dem englischen Ministerium gegeben
worden wäre, wenn es nicht gewissermaaßen ein angelegter Han-
del wäre? Will man sich etwa hinter die Anonymität flüchten?
Will man sagen, Lord Palmerston sey in dem betreffenden Artikel
nicht hinreichend bezeichnet? Diese Antwort würde alle Schranken
des Lächerlichen überschreiten. Wenn man hier in einigen Wochen
sagen wird: "Der Expräsident des lezten Ministeriums", braucht
man da wohl hinzuzusezen: "Hr. v. Polignac", damit jeder den
seiner Macht entledigten römischen Fürsten erkenne? Aber man
hat entweder überall eine sehr irrige Ansicht von England, oder
dieses ist nicht mehr das Land, das eifersüchtig auf seine Rechte, auf
seine Freiheiten und auf die Ehre des geringsten seiner Bürger ist!
Seit acht Tagen wird dasselbe England als vorausschreitend gegen die
Preßfreiheit angerufen! Und heute von Paris zu London, von Ka-
binet zu Kabinet, insultirt, denunziirt, proscribirt man amtlich
die ausgezeichnetsten Männer ihrer Kammern und ihrer Konseils.
Großer Gott! Wie sehr ist es doch Zeit, daß das englische Par-
lament England wieder Alles das zurükgebe, was ihm die Innig-
keit der Allianz Wellington-Polignac schon in der Ge-
sinnung der Völker entzogen hat!"

Die französische Akademie hat in einer ihrer lezten Privat-
sizungen Hrn. Arnaud zum Direktor und Hrn. Etienne zum Kanz-
ler einstimmig ernannt.

[Spaltenumbruch]

Der Neujahrstag und der Tag der
Eröfnung der Kammern sind die beiden einzigen Tage des Jahrs,
wo der König von Frankreich sich mit eigenen Worten ausspricht;
die Neujahrsreden wiederhallen daher im ganzen Lande, die Thron-
rede auch in der ganzen übrigen Welt. Es wußte der mächtigen
Partei, die sich jezt einer so entschiedenen Ueberlegenheit rühmt,
viel daran liegen daß die bisherige Meynung, als ob sie ihrer
Sache nicht ganz gewiß wäre, als ungegründet dargestellt würde,
und sie versprach sich einen um so glänzenderen Sieg, wenn
sich der Monarch an einem der beiden großen Tage zu ihren
Gunsten erklärte. Bekanntlich wird die Thronrede zuvor einer
förmlichen, reifen Ueberlegung im geheimen Rathe unterworfen,
damit sie nur die bestimmtesten Gesinnungen und den anerkann-
ten Geist der Regierung darlege, wovon dann gewöhnlich die
Folge ist, daß wenn diese selbst kein ganz festes, beständiges Sy-
stem hat, auch die Thronrede mehrere, bisweilen sehr zahlreiche
Redaktionen zu überstehen hat, ehe sie dem Könige zur wirklichen
Ablesung vom Throne übergeben wird. Dagegen entbehrt das
Kabinet für den Neujahrstag eines solchen Vortheils, weil es
nicht genau unterrichtet seyn kan, was die Sprecher der Neu-
jahrswünsche sagen werden. Deshalb werden die Antworten,
welche der Monarch jedem Einzelnen zu geben hat, nur in allge-
meinen Ausdrüken vorbereitet, jedoch mit der Vorsicht, daß dabei
auf die Person und auf den Geist der Behörde, von welcher der
Neujahrswunsch ausgeht, Rüksicht genommen, und gleichsam ar-
gumcnta ad hominem
darin angebracht werden. Bei der vor-
gestrigen Vorstellung zum Neujahrswunsch war, wie man im
Publikum behauptet, der Entwurf dahin gegangen, eine schla-
gende Mißbilligung der im vorigen Monate von dem Pariser Appel-
lationsgerichtshofe ausgegangenen Urtheile, in der zu Gunsten des
Courrier francais entschiedenen Sache der religieusen Freiheit und
in der Frage des Journal des Debats über Identität des Ministe-
riums mit den Rechten des Königs, unmittelbar vom Throne aus
bekannt werden zu lassen. Wie es scheint, ist dieser Plan gelungen.
Man sagt der Großsiegelbewahrer habe mit leichter Mühe von
dem Präsidenten Seguier zuvor die Mittheilung dessen erhalten,
was sein Neujahrswunsch enthalten werde; dieser redliche Diener
und reine Royalist hatte darin nur gesagt, welch' eine Ehre, welch'
ein Glük für den Appellationsgerichtshof der selten vorkommende
Tag sey, welcher ihm zugleich den Lohn für die Arbeiten des ver-
gangenen und des bevorstehenden Jahrs durch die persönliche Er-
scheinung vor dem Monarchen bringe. Als Hr. v. Seguier diese
Rede vor dem König geendigt hatte, erwiederte dieser nach An-
gabe des Moniteurs: der Wunsch des Appellationshofs, daß die
herzlichen Wünsche seiner Mitglieder für den König auch den Weg
zu seinem Herzen finden möchten, sey ganz gegründet; alle Fran-
zosen müßten denselben Wunsch hegen, da er selbst sie so sehr liebe.
Dabei solle "der Appellationshof seine Pflichten nicht
vergessen, und sich des Zutrauens würdig machen,
das der König in ihn gesezt habe."
Es ist nicht wohl
glaublich, daß der König in diese Worte einen bittern Ton gelegt
habe, denn seine Art ist das nicht, und auch in den höchsten Ernst
weiß er immer noch einige Milde zu legen. Aber der Sinn der
Antwort war zu wichtig, als daß er nicht den Appellationsräthen
aufgefallen seyn sollte, und was man nun seit gestern über diesen
ganzen Vorgang erzählt, wird im Publikum um so mehr geglaubt,
als man sich jezt bei dem immer näher herbeitretendem Augen-

[Spaltenumbruch] doch einmal die Eigennamen zu nennen, und bringt an das Ta-
geslicht der Juſtiz ein durch unſre Geſezbücher vorausgeſehenes
und durch unſre Geſezgebung beſtraftes Vergehen!“ Aber nein,
man erröthet beinahe über dieſe an die Lüge und die Verläum-
dung erlaſſenen Aufforderungen. Man ſchämt ſich, mit Leuten zu
raiſonniren, die nicht raiſonniren, mit Leuten zu erörtern, die
nicht erörtern. Laſſen wir daher dis Pariſer Comité directeur;
als eine erbärmliche Fiktion einer Partei, die nicht ſieht, oder
ſich ſtellt nicht zu ſehen, daß das Comité directeur Frankreich iſt
in den Organen der Meynung; Frankreich in den Wahlkollegien;
Frankreich auf der Nationaltribüne! Und nun verlange man ein-
mal von ihr eine Bezeichnung der Mitglieder deſſelben! Jezt aber
wird ein andres Batailleupferd von unſern Liguiſten in die Gabel
geſpannt. Es gilt, andere Beſorgniſſe einzuflößen; andere Herzen
zu erſchüttern. Für die engliſche Ariſtokratie, für den anglikani-
ſchen Klerus wachen Beſorgniſſe auf; und auch hier kommt die
Fiktion des Comité directeur zum Beiſtande. Wir wollen nicht
wieder auf die ausnehmende Unſchiklichkeit zurükkommen, auf dieſe
Art vornehme Fremde, die außerhalb der öffentlichen Angelegen-
heiten geſtellt ſind, und Reiſende, die einige Wochen in den Mauern
unſrer Hauptſtadt zubringen, dem Verdachte ihrer Mitbürger
bloszuſtellen. Offenbar hat hier die Verläumdung einen höhern
Zwek. Dis iſt ein vollſtändiges Syſtem der Delation von Regie-
rung zu Regierung. Denn wie ſoll man annehmen, daß das
amtliche Journal des Miniſteriums eines Landes ſich offen ſo
ſchwere Anſchuldigungen gegen einen Mann erlaube, der noch vor
Kurzem von dem Vertrauen ſeines Souverains und von der Ach-
tung aller Parteien umgeben war; gegen einen Mann, der im
Unterhauſe bekannt iſt, wo er eines der durch die Mäßigung ſei-
ner politiſchen Anſichten und durch eine ſeltene Geſchäftskenntniß
bekannteſten Mitglieder iſt; wie, ſage ich, ſollen wir bei unſern Mi-
niſtern den kühnen Gedanken vermuthen, auf das Haupt des edlen
Lords alle Blize der revolutionairen Rache zu laden, und zu Lon-
don ſolche gerechte Anläſſe zu Klagen zu ſchaffen, wenn nicht zum
Voraus ein Wink dazu von dem engliſchen Miniſterium gegeben
worden wäre, wenn es nicht gewiſſermaaßen ein angelegter Han-
del wäre? Will man ſich etwa hinter die Anonymität flüchten?
Will man ſagen, Lord Palmerſton ſey in dem betreffenden Artikel
nicht hinreichend bezeichnet? Dieſe Antwort würde alle Schranken
des Lächerlichen überſchreiten. Wenn man hier in einigen Wochen
ſagen wird: „Der Expräſident des lezten Miniſteriums“, braucht
man da wohl hinzuzuſezen: „Hr. v. Polignac“, damit jeder den
ſeiner Macht entledigten römiſchen Fürſten erkenne? Aber man
hat entweder überall eine ſehr irrige Anſicht von England, oder
dieſes iſt nicht mehr das Land, das eiferſüchtig auf ſeine Rechte, auf
ſeine Freiheiten und auf die Ehre des geringſten ſeiner Bürger iſt!
Seit acht Tagen wird daſſelbe England als vorausſchreitend gegen die
Preßfreiheit angerufen! Und heute von Paris zu London, von Ka-
binet zu Kabinet, inſultirt, denunziirt, proſcribirt man amtlich
die ausgezeichnetſten Männer ihrer Kammern und ihrer Konſeils.
Großer Gott! Wie ſehr iſt es doch Zeit, daß das engliſche Par-
lament England wieder Alles das zurükgebe, was ihm die Innig-
keit der Allianz Wellington-Polignac ſchon in der Ge-
ſinnung der Völker entzogen hat!“

Die franzöſiſche Akademie hat in einer ihrer lezten Privat-
ſizungen Hrn. Arnaud zum Direktor und Hrn. Etienne zum Kanz-
ler einſtimmig ernannt.

[Spaltenumbruch]

Der Neujahrstag und der Tag der
Eröfnung der Kammern ſind die beiden einzigen Tage des Jahrs,
wo der König von Frankreich ſich mit eigenen Worten ausſpricht;
die Neujahrsreden wiederhallen daher im ganzen Lande, die Thron-
rede auch in der ganzen übrigen Welt. Es wußte der mächtigen
Partei, die ſich jezt einer ſo entſchiedenen Ueberlegenheit rühmt,
viel daran liegen daß die bisherige Meynung, als ob ſie ihrer
Sache nicht ganz gewiß wäre, als ungegründet dargeſtellt würde,
und ſie verſprach ſich einen um ſo glänzenderen Sieg, wenn
ſich der Monarch an einem der beiden großen Tage zu ihren
Gunſten erklärte. Bekanntlich wird die Thronrede zuvor einer
förmlichen, reifen Ueberlegung im geheimen Rathe unterworfen,
damit ſie nur die beſtimmteſten Geſinnungen und den anerkann-
ten Geiſt der Regierung darlege, wovon dann gewöhnlich die
Folge iſt, daß wenn dieſe ſelbſt kein ganz feſtes, beſtändiges Sy-
ſtem hat, auch die Thronrede mehrere, bisweilen ſehr zahlreiche
Redaktionen zu überſtehen hat, ehe ſie dem Könige zur wirklichen
Ableſung vom Throne übergeben wird. Dagegen entbehrt das
Kabinet für den Neujahrstag eines ſolchen Vortheils, weil es
nicht genau unterrichtet ſeyn kan, was die Sprecher der Neu-
jahrswünſche ſagen werden. Deshalb werden die Antworten,
welche der Monarch jedem Einzelnen zu geben hat, nur in allge-
meinen Ausdrüken vorbereitet, jedoch mit der Vorſicht, daß dabei
auf die Perſon und auf den Geiſt der Behörde, von welcher der
Neujahrswunſch ausgeht, Rükſicht genommen, und gleichſam ar-
gumcnta ad hominem
darin angebracht werden. Bei der vor-
geſtrigen Vorſtellung zum Neujahrswunſch war, wie man im
Publikum behauptet, der Entwurf dahin gegangen, eine ſchla-
gende Mißbilligung der im vorigen Monate von dem Pariſer Appel-
lationsgerichtshofe ausgegangenen Urtheile, in der zu Gunſten des
Courrier français entſchiedenen Sache der religieuſen Freiheit und
in der Frage des Journal des Debats über Identität des Miniſte-
riums mit den Rechten des Königs, unmittelbar vom Throne aus
bekannt werden zu laſſen. Wie es ſcheint, iſt dieſer Plan gelungen.
Man ſagt der Großſiegelbewahrer habe mit leichter Mühe von
dem Präſidenten Seguier zuvor die Mittheilung deſſen erhalten,
was ſein Neujahrswunſch enthalten werde; dieſer redliche Diener
und reine Royaliſt hatte darin nur geſagt, welch’ eine Ehre, welch’
ein Glük für den Appellationsgerichtshof der ſelten vorkommende
Tag ſey, welcher ihm zugleich den Lohn für die Arbeiten des ver-
gangenen und des bevorſtehenden Jahrs durch die perſönliche Er-
ſcheinung vor dem Monarchen bringe. Als Hr. v. Seguier dieſe
Rede vor dem König geendigt hatte, erwiederte dieſer nach An-
gabe des Moniteurs: der Wunſch des Appellationshofs, daß die
herzlichen Wünſche ſeiner Mitglieder für den König auch den Weg
zu ſeinem Herzen finden möchten, ſey ganz gegründet; alle Fran-
zoſen müßten denſelben Wunſch hegen, da er ſelbſt ſie ſo ſehr liebe.
Dabei ſolle „der Appellationshof ſeine Pflichten nicht
vergeſſen, und ſich des Zutrauens würdig machen,
das der König in ihn geſezt habe.“
Es iſt nicht wohl
glaublich, daß der König in dieſe Worte einen bittern Ton gelegt
habe, denn ſeine Art iſt das nicht, und auch in den höchſten Ernſt
weiß er immer noch einige Milde zu legen. Aber der Sinn der
Antwort war zu wichtig, als daß er nicht den Appellationsräthen
aufgefallen ſeyn ſollte, und was man nun ſeit geſtern über dieſen
ganzen Vorgang erzählt, wird im Publikum um ſo mehr geglaubt,
als man ſich jezt bei dem immer näher herbeitretendem Augen-

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[39/0003] doch einmal die Eigennamen zu nennen, und bringt an das Ta- geslicht der Juſtiz ein durch unſre Geſezbücher vorausgeſehenes und durch unſre Geſezgebung beſtraftes Vergehen!“ Aber nein, man erröthet beinahe über dieſe an die Lüge und die Verläum- dung erlaſſenen Aufforderungen. Man ſchämt ſich, mit Leuten zu raiſonniren, die nicht raiſonniren, mit Leuten zu erörtern, die nicht erörtern. Laſſen wir daher dis Pariſer Comité directeur; als eine erbärmliche Fiktion einer Partei, die nicht ſieht, oder ſich ſtellt nicht zu ſehen, daß das Comité directeur Frankreich iſt in den Organen der Meynung; Frankreich in den Wahlkollegien; Frankreich auf der Nationaltribüne! Und nun verlange man ein- mal von ihr eine Bezeichnung der Mitglieder deſſelben! Jezt aber wird ein andres Batailleupferd von unſern Liguiſten in die Gabel geſpannt. Es gilt, andere Beſorgniſſe einzuflößen; andere Herzen zu erſchüttern. Für die engliſche Ariſtokratie, für den anglikani- ſchen Klerus wachen Beſorgniſſe auf; und auch hier kommt die Fiktion des Comité directeur zum Beiſtande. Wir wollen nicht wieder auf die ausnehmende Unſchiklichkeit zurükkommen, auf dieſe Art vornehme Fremde, die außerhalb der öffentlichen Angelegen- heiten geſtellt ſind, und Reiſende, die einige Wochen in den Mauern unſrer Hauptſtadt zubringen, dem Verdachte ihrer Mitbürger bloszuſtellen. Offenbar hat hier die Verläumdung einen höhern Zwek. Dis iſt ein vollſtändiges Syſtem der Delation von Regie- rung zu Regierung. Denn wie ſoll man annehmen, daß das amtliche Journal des Miniſteriums eines Landes ſich offen ſo ſchwere Anſchuldigungen gegen einen Mann erlaube, der noch vor Kurzem von dem Vertrauen ſeines Souverains und von der Ach- tung aller Parteien umgeben war; gegen einen Mann, der im Unterhauſe bekannt iſt, wo er eines der durch die Mäßigung ſei- ner politiſchen Anſichten und durch eine ſeltene Geſchäftskenntniß bekannteſten Mitglieder iſt; wie, ſage ich, ſollen wir bei unſern Mi- niſtern den kühnen Gedanken vermuthen, auf das Haupt des edlen Lords alle Blize der revolutionairen Rache zu laden, und zu Lon- don ſolche gerechte Anläſſe zu Klagen zu ſchaffen, wenn nicht zum Voraus ein Wink dazu von dem engliſchen Miniſterium gegeben worden wäre, wenn es nicht gewiſſermaaßen ein angelegter Han- del wäre? Will man ſich etwa hinter die Anonymität flüchten? Will man ſagen, Lord Palmerſton ſey in dem betreffenden Artikel nicht hinreichend bezeichnet? Dieſe Antwort würde alle Schranken des Lächerlichen überſchreiten. Wenn man hier in einigen Wochen ſagen wird: „Der Expräſident des lezten Miniſteriums“, braucht man da wohl hinzuzuſezen: „Hr. v. Polignac“, damit jeder den ſeiner Macht entledigten römiſchen Fürſten erkenne? Aber man hat entweder überall eine ſehr irrige Anſicht von England, oder dieſes iſt nicht mehr das Land, das eiferſüchtig auf ſeine Rechte, auf ſeine Freiheiten und auf die Ehre des geringſten ſeiner Bürger iſt! Seit acht Tagen wird daſſelbe England als vorausſchreitend gegen die Preßfreiheit angerufen! Und heute von Paris zu London, von Ka- binet zu Kabinet, inſultirt, denunziirt, proſcribirt man amtlich die ausgezeichnetſten Männer ihrer Kammern und ihrer Konſeils. Großer Gott! Wie ſehr iſt es doch Zeit, daß das engliſche Par- lament England wieder Alles das zurükgebe, was ihm die Innig- keit der Allianz Wellington-Polignac ſchon in der Ge- ſinnung der Völker entzogen hat!“ Die franzöſiſche Akademie hat in einer ihrer lezten Privat- ſizungen Hrn. Arnaud zum Direktor und Hrn. Etienne zum Kanz- ler einſtimmig ernannt. **Paris, 2 Jan.Der Neujahrstag und der Tag der Eröfnung der Kammern ſind die beiden einzigen Tage des Jahrs, wo der König von Frankreich ſich mit eigenen Worten ausſpricht; die Neujahrsreden wiederhallen daher im ganzen Lande, die Thron- rede auch in der ganzen übrigen Welt. Es wußte der mächtigen Partei, die ſich jezt einer ſo entſchiedenen Ueberlegenheit rühmt, viel daran liegen daß die bisherige Meynung, als ob ſie ihrer Sache nicht ganz gewiß wäre, als ungegründet dargeſtellt würde, und ſie verſprach ſich einen um ſo glänzenderen Sieg, wenn ſich der Monarch an einem der beiden großen Tage zu ihren Gunſten erklärte. Bekanntlich wird die Thronrede zuvor einer förmlichen, reifen Ueberlegung im geheimen Rathe unterworfen, damit ſie nur die beſtimmteſten Geſinnungen und den anerkann- ten Geiſt der Regierung darlege, wovon dann gewöhnlich die Folge iſt, daß wenn dieſe ſelbſt kein ganz feſtes, beſtändiges Sy- ſtem hat, auch die Thronrede mehrere, bisweilen ſehr zahlreiche Redaktionen zu überſtehen hat, ehe ſie dem Könige zur wirklichen Ableſung vom Throne übergeben wird. Dagegen entbehrt das Kabinet für den Neujahrstag eines ſolchen Vortheils, weil es nicht genau unterrichtet ſeyn kan, was die Sprecher der Neu- jahrswünſche ſagen werden. Deshalb werden die Antworten, welche der Monarch jedem Einzelnen zu geben hat, nur in allge- meinen Ausdrüken vorbereitet, jedoch mit der Vorſicht, daß dabei auf die Perſon und auf den Geiſt der Behörde, von welcher der Neujahrswunſch ausgeht, Rükſicht genommen, und gleichſam ar- gumcnta ad hominem darin angebracht werden. Bei der vor- geſtrigen Vorſtellung zum Neujahrswunſch war, wie man im Publikum behauptet, der Entwurf dahin gegangen, eine ſchla- gende Mißbilligung der im vorigen Monate von dem Pariſer Appel- lationsgerichtshofe ausgegangenen Urtheile, in der zu Gunſten des Courrier français entſchiedenen Sache der religieuſen Freiheit und in der Frage des Journal des Debats über Identität des Miniſte- riums mit den Rechten des Königs, unmittelbar vom Throne aus bekannt werden zu laſſen. Wie es ſcheint, iſt dieſer Plan gelungen. Man ſagt der Großſiegelbewahrer habe mit leichter Mühe von dem Präſidenten Seguier zuvor die Mittheilung deſſen erhalten, was ſein Neujahrswunſch enthalten werde; dieſer redliche Diener und reine Royaliſt hatte darin nur geſagt, welch’ eine Ehre, welch’ ein Glük für den Appellationsgerichtshof der ſelten vorkommende Tag ſey, welcher ihm zugleich den Lohn für die Arbeiten des ver- gangenen und des bevorſtehenden Jahrs durch die perſönliche Er- ſcheinung vor dem Monarchen bringe. Als Hr. v. Seguier dieſe Rede vor dem König geendigt hatte, erwiederte dieſer nach An- gabe des Moniteurs: der Wunſch des Appellationshofs, daß die herzlichen Wünſche ſeiner Mitglieder für den König auch den Weg zu ſeinem Herzen finden möchten, ſey ganz gegründet; alle Fran- zoſen müßten denſelben Wunſch hegen, da er ſelbſt ſie ſo ſehr liebe. Dabei ſolle „der Appellationshof ſeine Pflichten nicht vergeſſen, und ſich des Zutrauens würdig machen, das der König in ihn geſezt habe.“ Es iſt nicht wohl glaublich, daß der König in dieſe Worte einen bittern Ton gelegt habe, denn ſeine Art iſt das nicht, und auch in den höchſten Ernſt weiß er immer noch einige Milde zu legen. Aber der Sinn der Antwort war zu wichtig, als daß er nicht den Appellationsräthen aufgefallen ſeyn ſollte, und was man nun ſeit geſtern über dieſen ganzen Vorgang erzählt, wird im Publikum um ſo mehr geglaubt, als man ſich jezt bei dem immer näher herbeitretendem Augen-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1830, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine10_1830/3>, abgerufen am 09.11.2024.