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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 11. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] dahin, daß seine Absicht, wenn er einen Theil des Budgets zu
bewilligen anrathe, keineswegs sey, zurükzutreten, indem er wohl
wisse, daß auch eine partielle Verweigerung zu dem Zwek der Ent-
lassung der Minister oder wenigstens zur Auflösung der Kammer
führen müsse. -- Die Drohungen der Ministerialblätter gegen
Wahlgeseze, Preßfreiheit und Charte überhaupt sind bisher von
Zeit zu Zeit wieder zurükgenommen worden. Allein jezt scheint
man auf dem Plane zu beharren, mehrere Ordonnanzen zur Er-
leichterung der Steuerpflichtigen zu erlassen, und dann das Recht
der konstituirenden Gewalt, einzelne Verfügungen der Charte ab-
ändern zu können, für den jezigen König anzurufen. -- Hr.
v. Maubreuil, der vor einigen Tagen seine Meubles vor die Thüre
des Polizeipräfekten tragen ließ, um ihre Pfändung zu vermei-
den, tritt nun plözlich mit einer Civilklage in erster Instanz auf,
und fordert seine Kosten und Schaden wegen des berüchtigten
Auftrags gegen die Diamanten und Effekten der Königin von
Westphalen. In der Vorladung sind als Beklagte die HH. v. Tal-
leyrand, v. Vitrolles und Laborie aufgeführt, und die schon be-
kannten Thatsachen und Behauptungen abermals einzeln wieder-
holt. Die Akte steht heute im Journal du Commerce. -- In
dem jezt erst bekannt gemachten Ernennungsdekrete des Hrn. Sy-
rieys de Mayrinhac ist er nicht nur als Personaldirektor im In-
nern, sondern auch als Generalpolizeidirektor bezeichnet. -- End-
lich haben wir heute einige Aussicht auf Eisgang; schon waren die
Kälte und die Anhäufung des Schnees für die Wassermühlen, für
den Transport des Getreides und Mehls, und für alle andern
Kommunikationen Gefahr drohend geworden.

Zwei selt einem Monate von dem Appel-
lationsgerichtshofe der Seine erlassene Urtheilsprüche, die sich mit
der früher eingeführten Rechtswissenschaft im Widerspruch finden,
haben den Muth der Liberalen wieder gehoben; sie dienen ihnen
als Vorwand um die fremden Nationen noch einmal in Irrthum
zu versezen, und die höchst falsche Ansicht zu verbreiten, daß die
französischen Gerichtshöfe ihre Unternehmungen begünstigten und
der erste Präsident Seguier sich zum Beschüzer ihrer Sache erklärt
habe. Ist es nicht schon genug für die Liberalen, daß sie sich be-
mühten, die Mitglieder der Regierung Frankreichs in den Augen
des Auslandes herabzusezen, müssen sie denn auch dessen Magi-
stratur in falschen Ruf versezen? Dieser Versuch dürfte eben so
wenig, wie so mancher andere, mit Erfolg gekrönt werden, weil
man überall weiß, daß die Unparteilichkeit der französischen Ge-
richtshöfe eben so groß ist wie ihre Unabhängigkeit, und daß die
Millionen des Liberalism eben so wenig im Stande sind, die ge-
ringste Gefälligkeit von ihnen zu erhalten, wie die mächtigsten
Empfehlungen. Die Familie Seguier ist eine der ältesten und
angesehensten der französischen Magistratur. Der gegenwärtige
erste Präsident vereinigt Alles, was Unabhängigkeit gewähren kan:
einen schönen Namen, ein großes Vermögen, die höchsten Wür-
den, einen festen Geist und einen aufgeklärten Charakter. Er ist
daher über jede Art von äußerem Einfluß erhaben; er ist die
Stüze der Justiz und nicht der Liberalen. Seine Ansichten und
die aller Mitglieder seines Gerichtshofs sind nothwendig mit dem
Geiste der Geseze, die sie anzuwenden haben, im Einklange, und
diese Geseze sind monarchisch und religieus. Die Beweggründe
zur Erlassung der beiden Urtheilssprüche, welche die Liberalen als
einen Triumph darstellen, den sie über den Altar und über den
Thron errungen hätten, müssen aus Nebenursachen entsprungen
[Spaltenumbruch] seyn; es wäre daher die höchste Ungerechtigkeit, daraus, wie
man leicht in Deutschland geneigt seyn könnte, zu schließen,
daß die öffentlichen Angelegenheiten in Frankreich ihre ganze Ge-
stalt ändern würden, weil es den Liberalen gelungen sey, sich des
Appellationsgerichts der Seine zu versichern, und daß sie nun mit
Hülfe desselben der Regierung gebieten könnten. Zu demselben Ge-
richtshofe gehört der Rath Cottu, den man sicher nicht beschuldi-
gen wird, daß er mit den Liberalen komplotire! Dieses Beispiel
beweist hinreichend, daß die royalistische Meynung nicht von dem-
selben ausgeschlossen ist, und wenn man dabei bemerkt, daß der
das Journal des Debats betreffende Spruch erst nach dreistündi-
ger Berathschlagung mit der Mehrheit von einer einzigen Stimme
erlassen ward, so läßt sich ermessen, daß er sehr lebhaft debattirt
worden seyn muß, was die von den Liberalen verbreitete völlig ir-
rige Ansicht, daß dieser Spruch von dem Präsidenten diktirt wor-
den sey, gänzlich ausschließt. Es wäre auch eben so unvernünftig
zu glauben, daß die langen Abschweifungen des Advokaten Dupin
die geringste Herrschaft über die Stimmung der Richter gehabt
hätten; aber man kan mit Grund annehmen, daß das frühere
Leben des Angeklagten zu dessen Gunsten gesprochen hat, und daß
sich in den Gesezen einige für seine Sache günstige Ausnahmen
vorgefunden haben, welche die Gerichtspersonen das Recht hatten,
zu seinem Vortheile anzuwenden. Der frühere Royalism des
Hrn. Bertin de Vaux, aber nicht der Einfluß der Liberalen,
mochte seine Freisprechung herbeigeführt haben, und dieser Um-
stand beweist auch, daß der Gerichtshof von monarchischen Gesin-
nungen beseelt ist. Der Einfluß, den die französischen Advokaten
auf die Gerichtshöfe, vor denen sie sprechen, ausüben, ist ganz
relativ: der Advokatenstand von Paris besizt eine bedeutende
Zahl von Männern, die im höchsten Grade die öffentliche Achtung
genießen. Diese werden von den Richtern mit vieler Aufmerksam-
keit angehört, und wenn der Fall vorkommt, daß ihre Einsichten
ihrer Rechtlichkeit nicht nachstehen, so hat ihre geäußerte Ansicht
einen wahren Einfluß auf die Gerichtspersonen. Wird aber eine Sache
von einem jener Advokaten verhandelt, die zu der schwazhaften Race
gehören, die eine so geringe Achtung vor dem Gerichtshofe hegt, daß
sie Lügen vor demselben zu behaupten wagt, und die mehr Freun-
de des Aufsehens und des Geldes als der Gerechtigkeit sind, Ad-
vokaten, von denen man weiß, daß sie auf schlechte Prozesse spe-
kuliren, so schenkt der Gerichtshof ihrer Verhandlung keine Auf-
merksamkeit. Er läßt sich die Akten vorlegen und prüft sie, wäh-
rend der Advokat spricht; man sieht dann, wie die Richter sich
gegenseitig die Akten zubieten, Bemerkungen mittheilen und ihr
Urtheil aus Urkunden bilden, die sie nicht irre führen können, wäh-
rend der Vertheidiger seine Beredsamkeit erschöpft, um sie zu täu-
schen. Zuweilen fragen sie auch die Parteien, und wenn sie alle
gewünschte Aufklärung erhalten haben, wenn ihre Ansicht vollkom-
men im Reinen ist, so sieht man sie unter einander sprechen, oder
ausruhen, während die Wortmühle fortfährt, die Versammlung
einzuschläfern. Das Publikum selbst gibt auf des Advokaten Ge-
schwäz so wenig Acht, daß sich auf allen Seiten Privatunterhal-
tungen entspinnen. Dis geschah auch bei Vertheidigung der Sache
des Journal des Debats durch Hrn. Dupin, da Hr. Seguier mit
seinem etwas satyrischen Geiste die sehr pikante Aeußerung machte,
die alle Journale wiederholten: "Advokat, hören Sie auf zu spre-
chen, damit das Publikum stillschweige." Die französischen Ge-
richtshöfe können in der That die Monarchie weder retten, noch

[Spaltenumbruch] dahin, daß ſeine Abſicht, wenn er einen Theil des Budgets zu
bewilligen anrathe, keineswegs ſey, zurükzutreten, indem er wohl
wiſſe, daß auch eine partielle Verweigerung zu dem Zwek der Ent-
laſſung der Miniſter oder wenigſtens zur Auflöſung der Kammer
führen müſſe. — Die Drohungen der Miniſterialblätter gegen
Wahlgeſeze, Preßfreiheit und Charte überhaupt ſind bisher von
Zeit zu Zeit wieder zurükgenommen worden. Allein jezt ſcheint
man auf dem Plane zu beharren, mehrere Ordonnanzen zur Er-
leichterung der Steuerpflichtigen zu erlaſſen, und dann das Recht
der konſtituirenden Gewalt, einzelne Verfügungen der Charte ab-
ändern zu können, für den jezigen König anzurufen. — Hr.
v. Maubreuil, der vor einigen Tagen ſeine Meubles vor die Thüre
des Polizeipräfekten tragen ließ, um ihre Pfändung zu vermei-
den, tritt nun plözlich mit einer Civilklage in erſter Inſtanz auf,
und fordert ſeine Koſten und Schaden wegen des berüchtigten
Auftrags gegen die Diamanten und Effekten der Königin von
Weſtphalen. In der Vorladung ſind als Beklagte die HH. v. Tal-
leyrand, v. Vitrolles und Laborie aufgeführt, und die ſchon be-
kannten Thatſachen und Behauptungen abermals einzeln wieder-
holt. Die Akte ſteht heute im Journal du Commerce. — In
dem jezt erſt bekannt gemachten Ernennungsdekrete des Hrn. Sy-
rieys de Mayrinhac iſt er nicht nur als Perſonaldirektor im In-
nern, ſondern auch als Generalpolizeidirektor bezeichnet. — End-
lich haben wir heute einige Ausſicht auf Eisgang; ſchon waren die
Kälte und die Anhäufung des Schnees für die Waſſermühlen, für
den Transport des Getreides und Mehls, und für alle andern
Kommunikationen Gefahr drohend geworden.

Zwei ſelt einem Monate von dem Appel-
lationsgerichtshofe der Seine erlaſſene Urtheilſprüche, die ſich mit
der früher eingeführten Rechtswiſſenſchaft im Widerſpruch finden,
haben den Muth der Liberalen wieder gehoben; ſie dienen ihnen
als Vorwand um die fremden Nationen noch einmal in Irrthum
zu verſezen, und die höchſt falſche Anſicht zu verbreiten, daß die
franzöſiſchen Gerichtshöfe ihre Unternehmungen begünſtigten und
der erſte Präſident Seguier ſich zum Beſchüzer ihrer Sache erklärt
habe. Iſt es nicht ſchon genug für die Liberalen, daß ſie ſich be-
mühten, die Mitglieder der Regierung Frankreichs in den Augen
des Auslandes herabzuſezen, müſſen ſie denn auch deſſen Magi-
ſtratur in falſchen Ruf verſezen? Dieſer Verſuch dürfte eben ſo
wenig, wie ſo mancher andere, mit Erfolg gekrönt werden, weil
man überall weiß, daß die Unparteilichkeit der franzöſiſchen Ge-
richtshöfe eben ſo groß iſt wie ihre Unabhängigkeit, und daß die
Millionen des Liberalism eben ſo wenig im Stande ſind, die ge-
ringſte Gefälligkeit von ihnen zu erhalten, wie die mächtigſten
Empfehlungen. Die Familie Seguier iſt eine der älteſten und
angeſehenſten der franzöſiſchen Magiſtratur. Der gegenwärtige
erſte Präſident vereinigt Alles, was Unabhängigkeit gewähren kan:
einen ſchönen Namen, ein großes Vermögen, die höchſten Wür-
den, einen feſten Geiſt und einen aufgeklärten Charakter. Er iſt
daher über jede Art von äußerem Einfluß erhaben; er iſt die
Stüze der Juſtiz und nicht der Liberalen. Seine Anſichten und
die aller Mitglieder ſeines Gerichtshofs ſind nothwendig mit dem
Geiſte der Geſeze, die ſie anzuwenden haben, im Einklange, und
dieſe Geſeze ſind monarchiſch und religieus. Die Beweggründe
zur Erlaſſung der beiden Urtheilsſprüche, welche die Liberalen als
einen Triumph darſtellen, den ſie über den Altar und über den
Thron errungen hätten, müſſen aus Nebenurſachen entſprungen
[Spaltenumbruch] ſeyn; es wäre daher die höchſte Ungerechtigkeit, daraus, wie
man leicht in Deutſchland geneigt ſeyn könnte, zu ſchließen,
daß die öffentlichen Angelegenheiten in Frankreich ihre ganze Ge-
ſtalt ändern würden, weil es den Liberalen gelungen ſey, ſich des
Appellationsgerichts der Seine zu verſichern, und daß ſie nun mit
Hülfe deſſelben der Regierung gebieten könnten. Zu demſelben Ge-
richtshofe gehört der Rath Cottu, den man ſicher nicht beſchuldi-
gen wird, daß er mit den Liberalen komplotire! Dieſes Beiſpiel
beweist hinreichend, daß die royaliſtiſche Meynung nicht von dem-
ſelben ausgeſchloſſen iſt, und wenn man dabei bemerkt, daß der
das Journal des Debats betreffende Spruch erſt nach dreiſtündi-
ger Berathſchlagung mit der Mehrheit von einer einzigen Stimme
erlaſſen ward, ſo läßt ſich ermeſſen, daß er ſehr lebhaft debattirt
worden ſeyn muß, was die von den Liberalen verbreitete völlig ir-
rige Anſicht, daß dieſer Spruch von dem Präſidenten diktirt wor-
den ſey, gänzlich ausſchließt. Es wäre auch eben ſo unvernünftig
zu glauben, daß die langen Abſchweifungen des Advokaten Dupin
die geringſte Herrſchaft über die Stimmung der Richter gehabt
hätten; aber man kan mit Grund annehmen, daß das frühere
Leben des Angeklagten zu deſſen Gunſten geſprochen hat, und daß
ſich in den Geſezen einige für ſeine Sache günſtige Ausnahmen
vorgefunden haben, welche die Gerichtsperſonen das Recht hatten,
zu ſeinem Vortheile anzuwenden. Der frühere Royalism des
Hrn. Bertin de Vaux, aber nicht der Einfluß der Liberalen,
mochte ſeine Freiſprechung herbeigeführt haben, und dieſer Um-
ſtand beweist auch, daß der Gerichtshof von monarchiſchen Geſin-
nungen beſeelt iſt. Der Einfluß, den die franzöſiſchen Advokaten
auf die Gerichtshöfe, vor denen ſie ſprechen, ausüben, iſt ganz
relativ: der Advokatenſtand von Paris beſizt eine bedeutende
Zahl von Männern, die im höchſten Grade die öffentliche Achtung
genießen. Dieſe werden von den Richtern mit vieler Aufmerkſam-
keit angehört, und wenn der Fall vorkommt, daß ihre Einſichten
ihrer Rechtlichkeit nicht nachſtehen, ſo hat ihre geäußerte Anſicht
einen wahren Einfluß auf die Gerichtsperſonen. Wird aber eine Sache
von einem jener Advokaten verhandelt, die zu der ſchwazhaften Race
gehören, die eine ſo geringe Achtung vor dem Gerichtshofe hegt, daß
ſie Lügen vor demſelben zu behaupten wagt, und die mehr Freun-
de des Aufſehens und des Geldes als der Gerechtigkeit ſind, Ad-
vokaten, von denen man weiß, daß ſie auf ſchlechte Prozeſſe ſpe-
kuliren, ſo ſchenkt der Gerichtshof ihrer Verhandlung keine Auf-
merkſamkeit. Er läßt ſich die Akten vorlegen und prüft ſie, wäh-
rend der Advokat ſpricht; man ſieht dann, wie die Richter ſich
gegenſeitig die Akten zubieten, Bemerkungen mittheilen und ihr
Urtheil aus Urkunden bilden, die ſie nicht irre führen können, wäh-
rend der Vertheidiger ſeine Beredſamkeit erſchöpft, um ſie zu täu-
ſchen. Zuweilen fragen ſie auch die Parteien, und wenn ſie alle
gewünſchte Aufklärung erhalten haben, wenn ihre Anſicht vollkom-
men im Reinen iſt, ſo ſieht man ſie unter einander ſprechen, oder
ausruhen, während die Wortmühle fortfährt, die Verſammlung
einzuſchläfern. Das Publikum ſelbſt gibt auf des Advokaten Ge-
ſchwäz ſo wenig Acht, daß ſich auf allen Seiten Privatunterhal-
tungen entſpinnen. Dis geſchah auch bei Vertheidigung der Sache
des Journal des Debats durch Hrn. Dupin, da Hr. Seguier mit
ſeinem etwas ſatyriſchen Geiſte die ſehr pikante Aeußerung machte,
die alle Journale wiederholten: „Advokat, hören Sie auf zu ſpre-
chen, damit das Publikum ſtillſchweige.“ Die franzöſiſchen Ge-
richtshöfe können in der That die Monarchie weder retten, noch

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[43/0003] dahin, daß ſeine Abſicht, wenn er einen Theil des Budgets zu bewilligen anrathe, keineswegs ſey, zurükzutreten, indem er wohl wiſſe, daß auch eine partielle Verweigerung zu dem Zwek der Ent- laſſung der Miniſter oder wenigſtens zur Auflöſung der Kammer führen müſſe. — Die Drohungen der Miniſterialblätter gegen Wahlgeſeze, Preßfreiheit und Charte überhaupt ſind bisher von Zeit zu Zeit wieder zurükgenommen worden. Allein jezt ſcheint man auf dem Plane zu beharren, mehrere Ordonnanzen zur Er- leichterung der Steuerpflichtigen zu erlaſſen, und dann das Recht der konſtituirenden Gewalt, einzelne Verfügungen der Charte ab- ändern zu können, für den jezigen König anzurufen. — Hr. v. Maubreuil, der vor einigen Tagen ſeine Meubles vor die Thüre des Polizeipräfekten tragen ließ, um ihre Pfändung zu vermei- den, tritt nun plözlich mit einer Civilklage in erſter Inſtanz auf, und fordert ſeine Koſten und Schaden wegen des berüchtigten Auftrags gegen die Diamanten und Effekten der Königin von Weſtphalen. In der Vorladung ſind als Beklagte die HH. v. Tal- leyrand, v. Vitrolles und Laborie aufgeführt, und die ſchon be- kannten Thatſachen und Behauptungen abermals einzeln wieder- holt. Die Akte ſteht heute im Journal du Commerce. — In dem jezt erſt bekannt gemachten Ernennungsdekrete des Hrn. Sy- rieys de Mayrinhac iſt er nicht nur als Perſonaldirektor im In- nern, ſondern auch als Generalpolizeidirektor bezeichnet. — End- lich haben wir heute einige Ausſicht auf Eisgang; ſchon waren die Kälte und die Anhäufung des Schnees für die Waſſermühlen, für den Transport des Getreides und Mehls, und für alle andern Kommunikationen Gefahr drohend geworden. *†Lyon, 3 Jan.Zwei ſelt einem Monate von dem Appel- lationsgerichtshofe der Seine erlaſſene Urtheilſprüche, die ſich mit der früher eingeführten Rechtswiſſenſchaft im Widerſpruch finden, haben den Muth der Liberalen wieder gehoben; ſie dienen ihnen als Vorwand um die fremden Nationen noch einmal in Irrthum zu verſezen, und die höchſt falſche Anſicht zu verbreiten, daß die franzöſiſchen Gerichtshöfe ihre Unternehmungen begünſtigten und der erſte Präſident Seguier ſich zum Beſchüzer ihrer Sache erklärt habe. Iſt es nicht ſchon genug für die Liberalen, daß ſie ſich be- mühten, die Mitglieder der Regierung Frankreichs in den Augen des Auslandes herabzuſezen, müſſen ſie denn auch deſſen Magi- ſtratur in falſchen Ruf verſezen? Dieſer Verſuch dürfte eben ſo wenig, wie ſo mancher andere, mit Erfolg gekrönt werden, weil man überall weiß, daß die Unparteilichkeit der franzöſiſchen Ge- richtshöfe eben ſo groß iſt wie ihre Unabhängigkeit, und daß die Millionen des Liberalism eben ſo wenig im Stande ſind, die ge- ringſte Gefälligkeit von ihnen zu erhalten, wie die mächtigſten Empfehlungen. Die Familie Seguier iſt eine der älteſten und angeſehenſten der franzöſiſchen Magiſtratur. Der gegenwärtige erſte Präſident vereinigt Alles, was Unabhängigkeit gewähren kan: einen ſchönen Namen, ein großes Vermögen, die höchſten Wür- den, einen feſten Geiſt und einen aufgeklärten Charakter. Er iſt daher über jede Art von äußerem Einfluß erhaben; er iſt die Stüze der Juſtiz und nicht der Liberalen. Seine Anſichten und die aller Mitglieder ſeines Gerichtshofs ſind nothwendig mit dem Geiſte der Geſeze, die ſie anzuwenden haben, im Einklange, und dieſe Geſeze ſind monarchiſch und religieus. Die Beweggründe zur Erlaſſung der beiden Urtheilsſprüche, welche die Liberalen als einen Triumph darſtellen, den ſie über den Altar und über den Thron errungen hätten, müſſen aus Nebenurſachen entſprungen ſeyn; es wäre daher die höchſte Ungerechtigkeit, daraus, wie man leicht in Deutſchland geneigt ſeyn könnte, zu ſchließen, daß die öffentlichen Angelegenheiten in Frankreich ihre ganze Ge- ſtalt ändern würden, weil es den Liberalen gelungen ſey, ſich des Appellationsgerichts der Seine zu verſichern, und daß ſie nun mit Hülfe deſſelben der Regierung gebieten könnten. Zu demſelben Ge- richtshofe gehört der Rath Cottu, den man ſicher nicht beſchuldi- gen wird, daß er mit den Liberalen komplotire! Dieſes Beiſpiel beweist hinreichend, daß die royaliſtiſche Meynung nicht von dem- ſelben ausgeſchloſſen iſt, und wenn man dabei bemerkt, daß der das Journal des Debats betreffende Spruch erſt nach dreiſtündi- ger Berathſchlagung mit der Mehrheit von einer einzigen Stimme erlaſſen ward, ſo läßt ſich ermeſſen, daß er ſehr lebhaft debattirt worden ſeyn muß, was die von den Liberalen verbreitete völlig ir- rige Anſicht, daß dieſer Spruch von dem Präſidenten diktirt wor- den ſey, gänzlich ausſchließt. Es wäre auch eben ſo unvernünftig zu glauben, daß die langen Abſchweifungen des Advokaten Dupin die geringſte Herrſchaft über die Stimmung der Richter gehabt hätten; aber man kan mit Grund annehmen, daß das frühere Leben des Angeklagten zu deſſen Gunſten geſprochen hat, und daß ſich in den Geſezen einige für ſeine Sache günſtige Ausnahmen vorgefunden haben, welche die Gerichtsperſonen das Recht hatten, zu ſeinem Vortheile anzuwenden. Der frühere Royalism des Hrn. Bertin de Vaux, aber nicht der Einfluß der Liberalen, mochte ſeine Freiſprechung herbeigeführt haben, und dieſer Um- ſtand beweist auch, daß der Gerichtshof von monarchiſchen Geſin- nungen beſeelt iſt. Der Einfluß, den die franzöſiſchen Advokaten auf die Gerichtshöfe, vor denen ſie ſprechen, ausüben, iſt ganz relativ: der Advokatenſtand von Paris beſizt eine bedeutende Zahl von Männern, die im höchſten Grade die öffentliche Achtung genießen. Dieſe werden von den Richtern mit vieler Aufmerkſam- keit angehört, und wenn der Fall vorkommt, daß ihre Einſichten ihrer Rechtlichkeit nicht nachſtehen, ſo hat ihre geäußerte Anſicht einen wahren Einfluß auf die Gerichtsperſonen. Wird aber eine Sache von einem jener Advokaten verhandelt, die zu der ſchwazhaften Race gehören, die eine ſo geringe Achtung vor dem Gerichtshofe hegt, daß ſie Lügen vor demſelben zu behaupten wagt, und die mehr Freun- de des Aufſehens und des Geldes als der Gerechtigkeit ſind, Ad- vokaten, von denen man weiß, daß ſie auf ſchlechte Prozeſſe ſpe- kuliren, ſo ſchenkt der Gerichtshof ihrer Verhandlung keine Auf- merkſamkeit. Er läßt ſich die Akten vorlegen und prüft ſie, wäh- rend der Advokat ſpricht; man ſieht dann, wie die Richter ſich gegenſeitig die Akten zubieten, Bemerkungen mittheilen und ihr Urtheil aus Urkunden bilden, die ſie nicht irre führen können, wäh- rend der Vertheidiger ſeine Beredſamkeit erſchöpft, um ſie zu täu- ſchen. Zuweilen fragen ſie auch die Parteien, und wenn ſie alle gewünſchte Aufklärung erhalten haben, wenn ihre Anſicht vollkom- men im Reinen iſt, ſo ſieht man ſie unter einander ſprechen, oder ausruhen, während die Wortmühle fortfährt, die Verſammlung einzuſchläfern. Das Publikum ſelbſt gibt auf des Advokaten Ge- ſchwäz ſo wenig Acht, daß ſich auf allen Seiten Privatunterhal- tungen entſpinnen. Dis geſchah auch bei Vertheidigung der Sache des Journal des Debats durch Hrn. Dupin, da Hr. Seguier mit ſeinem etwas ſatyriſchen Geiſte die ſehr pikante Aeußerung machte, die alle Journale wiederholten: „Advokat, hören Sie auf zu ſpre- chen, damit das Publikum ſtillſchweige.“ Die franzöſiſchen Ge- richtshöfe können in der That die Monarchie weder retten, noch

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 11. Januar 1830, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1830/3>, abgerufen am 21.11.2024.