Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 11. Januar 1872.
Deutsches Reich. * München, 9 Jan. Die mehrerwähnte bei der Kammer eingereichte "... Inzwischen wuchs ein zügelloser Geist in Mering sich immer mehr aus. Ein Erst auf wiederholte Vorstellungen an das Cultusministerium sei am 26 März "1) Ein excommunicirter und deponirter Pfarrer einer Pfründe, auf welche noch Auf Grund dieser Zustände, hervorgerufen durch die Haltung des Cultus- "1) bezüglich der Versagung des nachgesuchten verfassungsmäßigen Schutzes, Der Bischof bittet deßhalb: "Hohe Kammer wolle die Beschwerde ihrer Würdigung unterziehen und, falls Das Referat über diese Beschwerde ist bekanntlich dem Abg. Bezirksamt- Für die nächste Kammersitzung am Donnerstag hat der Abg. Pfarrer Ruß- # Aus Baden, 9 Jan. Schon seit längerer Zeit war vom Ministerium * Berlin, 8 Jan. Heute Nachmittags hat der feierliche Empfang des Der "Reichsanzeiger" veröffentlicht folgenden allerhöchsten Erlaß vom "In Verfolg Meiner Erlasse Berlin, 1 Jan.Wilhelm. Fürst v. Bis- marck." " minister Delbrück den Vorsitz führte, wurden mehrere Vorlagen den betreffenden Ausschüssen überwiesen, und hierauf Ausschußberichte erstattet über die Zusatz-Con- vention vom 11 December 1871 zu dem Friedensvertrage mit Frankreich und über einen Antrag Württembergs, betreffend die Approbation der Thierärzte etc. -- Eine Mittheilung der "N. A. Ztg." läßt es dahingestellt ob der evangelische Ober- kirchenrath sich wirklich darüber beschwert habe daß er zu den Vorberathungen über das Schulaussichtsgesetz nicht zugezogen worden, hält dieß aber für unwahrschein- lich. Der evangelische Oberkirchenrath vertrete nur einen Theil der Evangelischer- im preußischen Staate; könnte je davon die Rede sein ihn in der urgirten Weise zu Rathe zu ziehen, so würde der römisch-katholische Episkopat den gleichen An- spruch erheben -- von den zahlreichen durch den evangelischen Oberkirchenrath nicht vertretenen Protestanten Preußens zu geschweigen. -- Der Cultusminister hat, so meldet der "Rh. Kur.," auf die Beschwerdevorstellung der Altkatholiken zu Wies- baden verfügt: daß davon Abstand genommen werde die Steuerrückstände zur katho- lischen Kirchencasse aus den Jahren 1869 und 1870 von den Beschwerdeführern (es sind dieß zusammen 135) im Verwaltungswege, soweit dieß nicht bereits ge- schehen ist, beizutreiben, dem Kirchenvorstande vielmehr zu überlassen die behaup-
Deutſches Reich. * München, 9 Jan. Die mehrerwähnte bei der Kammer eingereichte „... Inzwiſchen wuchs ein zügelloſer Geiſt in Mering ſich immer mehr aus. Ein Erſt auf wiederholte Vorſtellungen an das Cultusminiſterium ſei am 26 März „1) Ein excommunicirter und deponirter Pfarrer einer Pfründe, auf welche noch Auf Grund dieſer Zuſtände, hervorgerufen durch die Haltung des Cultus- „1) bezüglich der Verſagung des nachgeſuchten verfaſſungsmäßigen Schutzes, Der Biſchof bittet deßhalb: „Hohe Kammer wolle die Beſchwerde ihrer Würdigung unterziehen und, falls Das Referat über dieſe Beſchwerde iſt bekanntlich dem Abg. Bezirksamt- Für die nächſte Kammerſitzung am Donnerſtag hat der Abg. Pfarrer Ruß- # Aus Baden, 9 Jan. Schon ſeit längerer Zeit war vom Miniſterium * Berlin, 8 Jan. Heute Nachmittags hat der feierliche Empfang des Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht folgenden allerhöchſten Erlaß vom „In Verfolg Meiner Erlaſſe Berlin, 1 Jan.Wilhelm. Fürſt v. Bis- marck.“ “ miniſter Delbrück den Vorſitz führte, wurden mehrere Vorlagen den betreffenden Ausſchüſſen überwieſen, und hierauf Ausſchußberichte erſtattet über die Zuſatz-Con- vention vom 11 December 1871 zu dem Friedensvertrage mit Frankreich und über einen Antrag Württembergs, betreffend die Approbation der Thierärzte ꝛc. — Eine Mittheilung der „N. A. Ztg.“ läßt es dahingeſtellt ob der evangeliſche Ober- kirchenrath ſich wirklich darüber beſchwert habe daß er zu den Vorberathungen über das Schulauſſichtsgeſetz nicht zugezogen worden, hält dieß aber für unwahrſchein- lich. Der evangeliſche Oberkirchenrath vertrete nur einen Theil der Evangeliſcher- im preußiſchen Staate; könnte je davon die Rede ſein ihn in der urgirten Weiſe zu Rathe zu ziehen, ſo würde der römiſch-katholiſche Epiſkopat den gleichen An- ſpruch erheben — von den zahlreichen durch den evangeliſchen Oberkirchenrath nicht vertretenen Proteſtanten Preußens zu geſchweigen. — Der Cultusminiſter hat, ſo meldet der „Rh. Kur.,“ auf die Beſchwerdevorſtellung der Altkatholiken zu Wies- baden verfügt: daß davon Abſtand genommen werde die Steuerrückſtände zur katho- liſchen Kirchencaſſe aus den Jahren 1869 und 1870 von den Beſchwerdeführern (es ſind dieß zuſammen 135) im Verwaltungswege, ſoweit dieß nicht bereits ge- ſchehen iſt, beizutreiben, dem Kirchenvorſtande vielmehr zu überlaſſen die behaup- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0004" n="148"/> <p> <cit> <quote>Bonjean, endlich Deguerry, Clerc und Ducondray. Die Föderirten umgaben ihre<lb/> Opfer; den Schluß machte der Wärter Jeanart, mehr todt als lebendig. Der Ange-<lb/> klagte Fortin übergab, wie der Seminariſt Gard aus ſeiner Zelle ſehen konnte, einem<lb/> Officier ſeinen Säbel und einen Degen mit goldenem Griff, um Feuer zu commandiren.<lb/> So gelangte man zum zweiten äußeren Rundweg, der durch ein Gitter abgeſchloſſen<lb/> war, deſſen Oeffnen abgewartet werden mußte. Der Erzbiſchof verſuchte hier noch<lb/> einmal zu ſprechen, aber die Föderirten antworteten ihm mit neuen Beleidigungen.<lb/> Jeanart konnte hier den Opfern verſtohlen die Hand drücken; ſie ſegneten ihn, und er<lb/> wurde ſo ergriffen daß er ſich einen Moment niederſetzen mußte. Er ließ die Föderirten<lb/> weiter gehen, und ergriff dann die Flucht. Ramain begleitete das Peloton bis zur<lb/> Hälfte des Rundweges, und kam dann nach der Regiſtratur zurück. Ueber die weiteren<lb/> Vorgänge weiß der Anklage-Act nichts mehr zu berichten, da der Unterſuchung die Aus-<lb/> ſagen von Augenzeugen nicht mehr zur Verfügung ſtanden.“</quote> </cit> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">München,</hi> 9 Jan.</dateline> <p>Die mehrerwähnte bei der Kammer eingereichte<lb/> Beſchwerde des Biſchofs von Augsburg wegen Verfaſſungsverletzung gründet ſich<lb/> auf die durch Erlaß des Cultusminiſters vom 27 Februar 1871 (zuerſt veröffent-<lb/> licht in der Auß. Beil. z. Allg. Ztg. vom 25 März 1871) gegebene Entſcheidung in<lb/> der Meringer Angelegenheit. Aus der Schilderung der Meringer Zuſtände in der<lb/> biſchöflichen Beſchwerde entnehmen wir folgende Stelle:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>„... Inzwiſchen wuchs ein zügelloſer Geiſt in Mering ſich immer mehr aus. Ein<lb/> gleichfalls excommunicirter Prieſter der Diöceſe Speyer, Kühn, betrat als Gaſt die<lb/> Kanzel der Pfarrkirche, um auch ſeinerſeits die Gemeinde gegen Lehre und Autorität der<lb/> Kirche zu haranguiren, der von mir (Biſchof) beſtellte Vicar mußte ſich öffentlich be-<lb/> ſchimpfen laſſen, ſelbſt ſeine perſönliche Sicherheit erachtete er bedroht, ſo daß ich ihm<lb/> außerhalb des Pfarrorts zu wohnen geſtattete. Die Ortseinwohner bis herab auf die<lb/> Schuljugend in zwei Parteien geſpalten, die treuen Katholiken Beſchimpfungen ſeitens<lb/> Anhänger Renftle’s preisgegeben und ſogar für die Sicherheit ihres Eigenthums fürch-<lb/> tend, ſelbſt die Schuljugend gegen die „ſchwarzen“ Schulgenoſſen Inſulte ausübend.<lb/> Dieß das Bild der traurigen Zuſtände in Mering.“</p> </div> </body> </floatingText><lb/> <p>Erſt auf wiederholte Vorſtellungen an das Cultusminiſterium ſei am 26 März<lb/> die oben erwähnte Entſcheidung vom 27 Febr. an den Hrn. Biſchof von Augsburg<lb/> gelangt. Der letztere ergriff darauf hin unterm 15 April 1871 Recurs zum<lb/> Staatsrath, auf welchen in 7 Monaten keine Antwort erfolgt ſei. In Folge deſſen<lb/> bringt nun der Biſchof ſeine Beſchwerde vor die Kammer:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>„1) Ein excommunicirter und deponirter Pfarrer einer Pfründe, auf welche noch<lb/> dazu der Biſchof das Recht der freien Collation hat, wird von der Regierung im Beſitze<lb/> ſeiner Pfründe geſchützt und einem rechtmäßigen Pfarrer gleich geachtet; 2) dadurch<lb/> wird es dem Biſchof unmöglich gemacht in den zur Diöceſanleitung gehörigen Angelegen-<lb/> heiten die zuſtändigen Befugniſſe und Verpflichtungen innerhalb des Pfarrbezirks Mering<lb/> nach kirchlichen und ſtaatlichen Geſetzen auszuüben; 3) vor einem ſolchen Prieſter, der<lb/> nicht mehr <hi rendition="#aq">parochus proprius</hi> im kanoniſchen Sinn iſt, werden Ehen geſchloſſen, und<lb/> zwar überdieß ſo daß in vorkommenden Fällen die über Ehehinderniſſe und deren Be-<lb/> ſeitigung geltenden Kirchengeſetze nicht zur Anwendung kommen. Zwar ſind die treuen<lb/> Katholiken der Pfarrei nicht gehindert die Ehe vor dem biſchöflichen Vicar zu ſchließen,<lb/> durch welchen auch allfällige Dispenſen erholt werden, allein auch unter dieſer Vor-<lb/> ausſetzung bleibt die Contrahirung der Ehe von Anhängern Renftle’s vor dieſem eine<lb/> verfaſſungsmäßig unzuläſſige; 4) die glaubenstreuen Katholiken von Mering ſind ge-<lb/> zwungen, um nicht an den Sacrilegien eines excommunicirten Prieſters participiren zu<lb/> müſſen, das ihnen rechtmäßig zugehörende Gotteshaus ihrer Pfarrkirche zu meiden, und<lb/> namentlich müſſen die treuen Katholiken des Pfarrorts zum Gottesdienſte u. ſ. w.<lb/> nach der eine halbe Stunde entfernten kleinen Filialkirche Meringerzell gehen, wo<lb/> der Vicar wohnt. Ebenſo müſſen die Eltern Merings ihre ſchul- und chriſtlehr-<lb/> pflichtigen Kinder allwöchentlich zum Religionsuntericht an den Aufenthaltsort des<lb/> Vicars ſenden, ſeitdem dieß den getreuen Katholiken Merings durch Regie-<lb/> rungserlaß geſtattet iſt. 5) Renftle übt wie zuvor für den ganzen Pfarrbezirk die<lb/> Functionen der Localſchulinſpection, die Vorſtandſchaft der Kirchenverwaltung und der<lb/> Localarmenpflege aus, und führt die Matrikel als Civilſtandsregiſter. Die Erträgniſſe<lb/> der Pfründe, ſelbſt diejenigen welche in der Faſſion auf Haltung eines Caplans aus-<lb/> geſetzt ſind, werden von ihm percipirt. Eine Beſchwerde der Filialiſten, die — 1200 —<lb/> ſämmtlich ſeine Gegner ſind, iſt von der Regierung dahin beſchieden worden daß, da<lb/> Renftle Pfarrer von Mering ſei, nach wie vor ſämmtliche Leiſtungen der Pfarrangehö-<lb/> rigen für Ausübung der Seelſorge nur an ihn zu entrichten ſeien. Auf ſolche Weiſe<lb/> muß der Vicar, obgleich dieſer neben Paſtorirung der treuen Katboliken des Pfarrortes<lb/> alle Obliegenheiten des für Meringerzell beſtimmten Caplans erfüllt, vollſtändig aus der<lb/> biſchöflichen Caſſe erhalten werden.“</p> </div> </body> </floatingText><lb/> <p>Auf Grund dieſer Zuſtände, hervorgerufen durch die Haltung des Cultus-<lb/> miniſters, erachtet ſich der Hr. Biſchof von Augsburg beſchwert:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>„1) bezüglich der Verſagung des nachgeſuchten verfaſſungsmäßigen Schutzes,<lb/> 2) bezüglich mehrfacher Schädigung an verfaſſungsmäßigen Rechten und Befugniſſen<lb/> durch Verletzung ausdrücklicher Verfaſſungsbeſtimmungen. Dieſe Verletzung wird nachge-<lb/> wieſen <hi rendition="#aq">a</hi>) in der Richtung auf die den aufgenommenen Religions- und Kirchengeſell-<lb/> ſchaften, beziehungsweiſe deren Obern, gewährleiſteten Rechte und Befugniſſe, <hi rendition="#aq">in specie</hi><lb/> auf Verwaltung des geiſtlichen Amtes im allgemeinen und Eheſchließung insbeſondere,<lb/> deßgleichen in Richtung auf Ausübung des geiſtlichen Correctionsrechts. (§§. 39 und 40<lb/> der <hi rendition="#aq">II.</hi> Verfaſſungsbeilage, Art. <hi rendition="#aq">XII lit. e</hi> des Concordats.) <hi rendition="#aq">b</hi>) In der Richtung auf<lb/> die religiöſe Gewiſſensfreiheit der meiner geiſtlichen Jurisdiction unterſtellten Gläubi-<lb/> gen. (§§. 1 und 2 der <hi rendition="#aq">II.</hi> Verfaſſungsbeilage.) <hi rendition="#aq">c</hi>) In Richtung auf den garantirten<lb/> Rechtsſchutz kirchlichen Eigenthums. (Tit. <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 9 Abſ. <hi rendition="#aq">IV</hi> der Verfaſſungsurkunde).“</p> </div> </body> </floatingText><lb/> <p>Der Biſchof bittet deßhalb:</p><lb/> <cit> <quote>„Hohe Kammer wolle die Beſchwerde ihrer Würdigung unterziehen und, falls<lb/> ſie begründet befunden wird, zur Wiederherſtellung des Rechtes der Kirche in der Pfarrei<lb/> Mering die geeignete Mitwirkung angedeihen laſſen.“</quote> </cit><lb/> <p>Das Referat über dieſe Beſchwerde iſt bekanntlich dem Abg. Bezirksamt-<lb/> mann Hauck übertragen worden. Derſelbe kommt zu dem Schluſſe: das Miniſte-<lb/> rium habe ſich auf Seite des Biſchofs von Augsburg zu ſtellen und den Pfarrer<lb/> Renftle von ſeiner Pfarrei zu entfernen. Die „rechtgläubigen“ Mitglieder der<lb/> Gemeinde Mering hätten zwar kein Recht auf Einſetzung oder Entfernung des<lb/> Pfarrers, wohl aber darauf, nur einen rechtgläubigen, kanoniſch inveſtirten und<lb/> fortdauernd anerkannten Pfarrer zu haben. Deßhalb ſeien auch deren verfaſſungs-<lb/> mäßige Rechte verletzt. Was aber Renftle und deſſen Anhänger betreffe, ſo habe<lb/> erſterer, ſolange er excommunicirt ſei, kein Recht mehr an die Kirche und ihr Ver-<lb/> mögen, letztere hiengen ihm entweder bewußt an, dann verfielen ſie ſeinem Looſe,<lb/> oder ſie ſeien noch Mitglieder der Kirche, dann hätten ſie ſich dem Biſchofe zu<lb/> unterwerfen. Referent beantragt ſchließlich: die Beſchwerde für begründet zu er-<lb/> achten und Se. Majeſtät um Abhülfe zu erſuchen.</p><lb/> <p>Für die nächſte Kammerſitzung am Donnerſtag hat der Abg. Pfarrer Ruß-<lb/> wurm eine Interpellation angekündigt in Betreff des altkatholiſchen Begräbniſſes<lb/> in Amberg, reſp. der darauf bezüglichen Entſchließung der Regierung der Oberpfalz.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline># <hi rendition="#b">Aus Baden,</hi> 9 Jan.</dateline> <p>Schon ſeit längerer Zeit war vom Miniſterium<lb/> angekündigt worden daß eine Vereinfachung unſerer innern Verwaltung und der<lb/> Gerichte bevorſtehe, und es ſind bereits die Miniſterien des Aeußern und des Kriegs<lb/> und die Central-Mittelſtellen für das Medicinal- und Kataſterweſen aufgehoben<lb/> worden. Nun endlich erfolgten noch viel weiter gehende Aenderungen an der Bil-<lb/> dung der Aemter und Gerichte, die mit dem 1 Mai eintreten ſollen. Ich weiß<lb/> gerade nicht das wievieltemal ſchon in dieſen Dingen ſeit Bildung des Großherzog-<lb/> thums geändert worden iſt, wodurch man uns mit Recht den Vorwurf des beſtän-<lb/> digen Experimentirens machte. Aber war die letzte Organiſation der Aemter und<lb/> Gerichte eine Verſchlechterung, und nur gemacht um recht viele Städtchen für die<lb/> damalige Regierung günſtig zu ſtimmen, ſo iſt die heutige Veränderung eine wirk-<lb/> liche Verbeſſerung, welche dem Lande jährlich wenigſtens 100,000 fl. erſpart. Es<lb/> wird freilich viel Geſchrei darüber erhoben werden daß dieſes oder jenes Städtchen<lb/> eine Stelle wieder verlieren ſoll, aber die bisherige Organiſation war eben doch<lb/> eine verfehlte und die Aenderung nöthig. Mehrere Kreisgerichte hatten zu wenig<lb/> zu thun, und das Perſonal konnte doch nicht beſchränkt werden; ähnlich gieng es<lb/> bei den Amtsgerichten und Aemtern: man fand nicht genug Leute um die Stellen<lb/> richtig auszufüllen, um die kleinen Kreisgerichte konnte ſich ein bedeutender An-<lb/> waltsſtand nicht ſammeln, und in Folge der vielen Eiſenbahnverbindungen fiel<lb/> auch der frühere Grund der weiten Entfernung von dem Sitze der Stelle hinweg.<lb/> Außerdem bedingt auch die Einführung einer gemeinſamen deutſchen Civil- und<lb/> Strafproceßordnung größere Bezirke mit einer entſprechenderen Anzahl von Rich-<lb/> tern. Es iſt daher durch die neue Verordnung die Zahl der Bezirksämter von 59<lb/> auf 52, jene der Amtsgerichte von 66 auf 53 und die der Kreisgerichte von 11 auf 7<lb/> herabgemindert worden. Aufgehoben wurden die Kreisgerichte Villingen, Lörrach,<lb/> Baden und Heidelberg, und die denſelben zugehörigen Amtsgerichte an die übrigen ver-<lb/> theilt. Der Kreis Lörrach wird mit Freiburg, der Kreis Heidelberg mit Mannheim,<lb/> vom Kreiſe Villingen der Bezirk Triberg mit Offenburg, der Reſt mit Conſtanz,<lb/> vom Kreiſe Baden die Bezirke Achern und Buhl mit Offenburg, Baden und Raſtatt<lb/> (Gernsbach) mit Karlsruhe vereinigt. Von den Amtsgerichten wurden verſchmolzen:<lb/> Meersburg mit Ueberlingen, Radolfszell mit Conſtanz, Jeſtetten mit Waldshut,<lb/> Haslach mit Wolfach, Gengenbach mit Offenburg, Gernsbach mit Raſtatt, Kenzin-<lb/> gen mit Emmendingen und Ettenheim, Philippsburg mit Bruchſal, Ladenburg mit<lb/> Mannheim, Neckargemünd mit Heidelberg, Neckarbiſchofsheim mit Sinsheim, Ger-<lb/> lachsheim mit Tauberbiſchofsheim und Walldürn mit Wertheim, Buchen und<lb/> Tauberbiſchofsheim. In ganz gleicher Weiſe wie die Amtsgerichte wurden auch<lb/> die aufzuhebenden Bezirksämter Radolfszell, Jeſtetten, Kenzingen, Gengenbach,<lb/> Gernsbach, Boxberg und Walldürn vertheilt. Durch dieſe neue Organiſation wird<lb/> das Amtsgericht immer ſeinen Sitz an dem Orte des Bezirksamts haben, mit Aus-<lb/> nahme deſſen von Boxberg, das vorläufig noch beſtehen bleibt, aber unſtreitig auch<lb/> nicht auf ſehr lange Zeit; denn es wird für jene Gegend noch zu andern Aenderun-<lb/> gen kommen müſſen, in Folge deren die dortigen verſchiedenen Stellen in Oſter-<lb/> burken, dem Centralpunkt der Odenwald-Eiſenbahnen, zu vereinigen ſein werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 8 Jan.</dateline> <p>Heute Nachmittags hat der feierliche Empfang des<lb/> franzöſiſchen Botſchafters, Vicomte v. Gontaut-Biron, ſtattgefunden. Derſelbe<lb/> wurde um 3 Uhr Nachmittags mit dem Botſchafts-Perſonal vom Ceremonienmeiſter<lb/> Frhrn. v. Roſenberg aus dem H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel Royal in Hof-Galawagen zur Audienz abgeholt<lb/> und vom Vice-Oberceremonienmeiſter v. Roeder dem Kaiſer zugeführt, welcher,<lb/> umgeben vom Miniſterpräſidenten Fürſten Bismarck, dem Oberceremonienmeiſter<lb/> Grafen Stillfried, den General-Adjutanten, den Flügel-Adjutanten ꝛc., das Be-<lb/> glaubigungsſchreiben entgegennahm. Gleich nachher hatte der Botſchafter ſeine<lb/> Antritts-Audienz bei der Kaiſerin. Außerdem hatte auch der heut aus Kopenhagen<lb/> hier eingetroffene deutſche Geſandte v. Heydebrand beim Kaiſer eine Audienz. Der<lb/> däniſche Miniſter Graf Frijs iſt geſtern Abends wieder abgereist. Ebenſo hat ſich der<lb/> württembergiſche Wirkl. Geh. Legationsrath Graf Uexküll, nach Erledigung ſeiner<lb/> Geſchäfte dahier im auswärtigen Amt- und im Bundeskanzleramte, verabſchiedet<lb/> und iſt am Sonntag Abend nach Stuttgart zurückgekehrt. — Der Geh. Regierungs-<lb/> rath und vortragende Rath im Handelsminiſterium Mebes iſt zum Geh. Ober-<lb/> regierungsrath und Generaldirector der Eiſenbahnen in Elſaß-Lothringen ernannt<lb/> worden. Der Generaltelegraphendirector Generalmajor v. Chauvin hat, wie die<lb/> „Kreuzztg.“ mittheilt, in Freiburg im Breisgau Haus und Grundbeſitz erworben,<lb/> um nach ſeinem nahe bevorſtehenden Rücktritte daſelbſt dauernd ſeinen Wohnſitz<lb/> zu nehmen. Zu ſeinem Amtsnachfolger iſt der Oberſt Meydam deſignirt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht folgenden allerhöchſten Erlaß vom<lb/> 1 Januar, betreffend die oberſte Marinebehörde: <floatingText><body><div n="1"><p>„In Verfolg Meiner Erlaſſe<lb/> vom 30 November und 31 December v. J. beſtimmte Ich daß das Marine-Mini-<lb/> ſterium, unter Fortdauer der durch das Regulativ vom 15 Juni v. J. (Reichsgeſetz-<lb/> blatt S. 272) geſchaffenen Einrichtung der oberen Marinebehörde, fortan den Na-<lb/> men „Kaiſerliche Admiralität“ führen und einen Chef zum Vorſtande erhalten ſoll,<lb/> welcher die Verwaltung unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und den<lb/> Oberbefehl nach Meinen Anordnungen zu führen hat. Dieſer Erlaß iſt durch das<lb/> Reichsgeſetzblatt zu veröffentlichen.</p><closer><dateline><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 1 Jan.</dateline><signed><hi rendition="#g">Wilhelm.</hi> Fürſt v. <hi rendition="#g">Bis-<lb/> marck.</hi>“ “</signed></closer></div></body></floatingText> — In der heutigen Plenarſitzung des Bundesraths, in welcher Staats-<lb/> miniſter Delbrück den Vorſitz führte, wurden mehrere Vorlagen den betreffenden<lb/> Ausſchüſſen überwieſen, und hierauf Ausſchußberichte erſtattet über die Zuſatz-Con-<lb/> vention vom 11 December 1871 zu dem Friedensvertrage mit Frankreich und über<lb/> einen Antrag Württembergs, betreffend die Approbation der Thierärzte ꝛc. —<lb/> Eine Mittheilung der „N. A. Ztg.“ läßt es dahingeſtellt ob der evangeliſche Ober-<lb/> kirchenrath ſich wirklich darüber beſchwert habe daß er zu den Vorberathungen über<lb/> das Schulauſſichtsgeſetz nicht zugezogen worden, hält dieß aber für unwahrſchein-<lb/> lich. Der evangeliſche Oberkirchenrath vertrete nur einen Theil der Evangeliſcher-<lb/> im preußiſchen Staate; könnte je davon die Rede ſein ihn in der urgirten Weiſe<lb/> zu Rathe zu ziehen, ſo würde der römiſch-katholiſche Epiſkopat den gleichen An-<lb/> ſpruch erheben — von den zahlreichen durch den evangeliſchen Oberkirchenrath nicht<lb/> vertretenen Proteſtanten Preußens zu geſchweigen. — Der Cultusminiſter hat, ſo<lb/> meldet der „Rh. Kur.,“ auf die Beſchwerdevorſtellung der Altkatholiken zu Wies-<lb/> baden verfügt: daß davon Abſtand genommen werde die Steuerrückſtände zur katho-<lb/> liſchen Kirchencaſſe aus den Jahren 1869 und 1870 von den Beſchwerdeführern<lb/> (es ſind dieß zuſammen 135) im Verwaltungswege, ſoweit dieß nicht bereits ge-<lb/> ſchehen iſt, beizutreiben, dem Kirchenvorſtande vielmehr zu überlaſſen die behaup-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0004]
Bonjean, endlich Deguerry, Clerc und Ducondray. Die Föderirten umgaben ihre
Opfer; den Schluß machte der Wärter Jeanart, mehr todt als lebendig. Der Ange-
klagte Fortin übergab, wie der Seminariſt Gard aus ſeiner Zelle ſehen konnte, einem
Officier ſeinen Säbel und einen Degen mit goldenem Griff, um Feuer zu commandiren.
So gelangte man zum zweiten äußeren Rundweg, der durch ein Gitter abgeſchloſſen
war, deſſen Oeffnen abgewartet werden mußte. Der Erzbiſchof verſuchte hier noch
einmal zu ſprechen, aber die Föderirten antworteten ihm mit neuen Beleidigungen.
Jeanart konnte hier den Opfern verſtohlen die Hand drücken; ſie ſegneten ihn, und er
wurde ſo ergriffen daß er ſich einen Moment niederſetzen mußte. Er ließ die Föderirten
weiter gehen, und ergriff dann die Flucht. Ramain begleitete das Peloton bis zur
Hälfte des Rundweges, und kam dann nach der Regiſtratur zurück. Ueber die weiteren
Vorgänge weiß der Anklage-Act nichts mehr zu berichten, da der Unterſuchung die Aus-
ſagen von Augenzeugen nicht mehr zur Verfügung ſtanden.“
Deutſches Reich.
* München, 9 Jan. Die mehrerwähnte bei der Kammer eingereichte
Beſchwerde des Biſchofs von Augsburg wegen Verfaſſungsverletzung gründet ſich
auf die durch Erlaß des Cultusminiſters vom 27 Februar 1871 (zuerſt veröffent-
licht in der Auß. Beil. z. Allg. Ztg. vom 25 März 1871) gegebene Entſcheidung in
der Meringer Angelegenheit. Aus der Schilderung der Meringer Zuſtände in der
biſchöflichen Beſchwerde entnehmen wir folgende Stelle:
„... Inzwiſchen wuchs ein zügelloſer Geiſt in Mering ſich immer mehr aus. Ein
gleichfalls excommunicirter Prieſter der Diöceſe Speyer, Kühn, betrat als Gaſt die
Kanzel der Pfarrkirche, um auch ſeinerſeits die Gemeinde gegen Lehre und Autorität der
Kirche zu haranguiren, der von mir (Biſchof) beſtellte Vicar mußte ſich öffentlich be-
ſchimpfen laſſen, ſelbſt ſeine perſönliche Sicherheit erachtete er bedroht, ſo daß ich ihm
außerhalb des Pfarrorts zu wohnen geſtattete. Die Ortseinwohner bis herab auf die
Schuljugend in zwei Parteien geſpalten, die treuen Katholiken Beſchimpfungen ſeitens
Anhänger Renftle’s preisgegeben und ſogar für die Sicherheit ihres Eigenthums fürch-
tend, ſelbſt die Schuljugend gegen die „ſchwarzen“ Schulgenoſſen Inſulte ausübend.
Dieß das Bild der traurigen Zuſtände in Mering.“
Erſt auf wiederholte Vorſtellungen an das Cultusminiſterium ſei am 26 März
die oben erwähnte Entſcheidung vom 27 Febr. an den Hrn. Biſchof von Augsburg
gelangt. Der letztere ergriff darauf hin unterm 15 April 1871 Recurs zum
Staatsrath, auf welchen in 7 Monaten keine Antwort erfolgt ſei. In Folge deſſen
bringt nun der Biſchof ſeine Beſchwerde vor die Kammer:
„1) Ein excommunicirter und deponirter Pfarrer einer Pfründe, auf welche noch
dazu der Biſchof das Recht der freien Collation hat, wird von der Regierung im Beſitze
ſeiner Pfründe geſchützt und einem rechtmäßigen Pfarrer gleich geachtet; 2) dadurch
wird es dem Biſchof unmöglich gemacht in den zur Diöceſanleitung gehörigen Angelegen-
heiten die zuſtändigen Befugniſſe und Verpflichtungen innerhalb des Pfarrbezirks Mering
nach kirchlichen und ſtaatlichen Geſetzen auszuüben; 3) vor einem ſolchen Prieſter, der
nicht mehr parochus proprius im kanoniſchen Sinn iſt, werden Ehen geſchloſſen, und
zwar überdieß ſo daß in vorkommenden Fällen die über Ehehinderniſſe und deren Be-
ſeitigung geltenden Kirchengeſetze nicht zur Anwendung kommen. Zwar ſind die treuen
Katholiken der Pfarrei nicht gehindert die Ehe vor dem biſchöflichen Vicar zu ſchließen,
durch welchen auch allfällige Dispenſen erholt werden, allein auch unter dieſer Vor-
ausſetzung bleibt die Contrahirung der Ehe von Anhängern Renftle’s vor dieſem eine
verfaſſungsmäßig unzuläſſige; 4) die glaubenstreuen Katholiken von Mering ſind ge-
zwungen, um nicht an den Sacrilegien eines excommunicirten Prieſters participiren zu
müſſen, das ihnen rechtmäßig zugehörende Gotteshaus ihrer Pfarrkirche zu meiden, und
namentlich müſſen die treuen Katholiken des Pfarrorts zum Gottesdienſte u. ſ. w.
nach der eine halbe Stunde entfernten kleinen Filialkirche Meringerzell gehen, wo
der Vicar wohnt. Ebenſo müſſen die Eltern Merings ihre ſchul- und chriſtlehr-
pflichtigen Kinder allwöchentlich zum Religionsuntericht an den Aufenthaltsort des
Vicars ſenden, ſeitdem dieß den getreuen Katholiken Merings durch Regie-
rungserlaß geſtattet iſt. 5) Renftle übt wie zuvor für den ganzen Pfarrbezirk die
Functionen der Localſchulinſpection, die Vorſtandſchaft der Kirchenverwaltung und der
Localarmenpflege aus, und führt die Matrikel als Civilſtandsregiſter. Die Erträgniſſe
der Pfründe, ſelbſt diejenigen welche in der Faſſion auf Haltung eines Caplans aus-
geſetzt ſind, werden von ihm percipirt. Eine Beſchwerde der Filialiſten, die — 1200 —
ſämmtlich ſeine Gegner ſind, iſt von der Regierung dahin beſchieden worden daß, da
Renftle Pfarrer von Mering ſei, nach wie vor ſämmtliche Leiſtungen der Pfarrangehö-
rigen für Ausübung der Seelſorge nur an ihn zu entrichten ſeien. Auf ſolche Weiſe
muß der Vicar, obgleich dieſer neben Paſtorirung der treuen Katboliken des Pfarrortes
alle Obliegenheiten des für Meringerzell beſtimmten Caplans erfüllt, vollſtändig aus der
biſchöflichen Caſſe erhalten werden.“
Auf Grund dieſer Zuſtände, hervorgerufen durch die Haltung des Cultus-
miniſters, erachtet ſich der Hr. Biſchof von Augsburg beſchwert:
„1) bezüglich der Verſagung des nachgeſuchten verfaſſungsmäßigen Schutzes,
2) bezüglich mehrfacher Schädigung an verfaſſungsmäßigen Rechten und Befugniſſen
durch Verletzung ausdrücklicher Verfaſſungsbeſtimmungen. Dieſe Verletzung wird nachge-
wieſen a) in der Richtung auf die den aufgenommenen Religions- und Kirchengeſell-
ſchaften, beziehungsweiſe deren Obern, gewährleiſteten Rechte und Befugniſſe, in specie
auf Verwaltung des geiſtlichen Amtes im allgemeinen und Eheſchließung insbeſondere,
deßgleichen in Richtung auf Ausübung des geiſtlichen Correctionsrechts. (§§. 39 und 40
der II. Verfaſſungsbeilage, Art. XII lit. e des Concordats.) b) In der Richtung auf
die religiöſe Gewiſſensfreiheit der meiner geiſtlichen Jurisdiction unterſtellten Gläubi-
gen. (§§. 1 und 2 der II. Verfaſſungsbeilage.) c) In Richtung auf den garantirten
Rechtsſchutz kirchlichen Eigenthums. (Tit. II. §. 9 Abſ. IV der Verfaſſungsurkunde).“
Der Biſchof bittet deßhalb:
„Hohe Kammer wolle die Beſchwerde ihrer Würdigung unterziehen und, falls
ſie begründet befunden wird, zur Wiederherſtellung des Rechtes der Kirche in der Pfarrei
Mering die geeignete Mitwirkung angedeihen laſſen.“
Das Referat über dieſe Beſchwerde iſt bekanntlich dem Abg. Bezirksamt-
mann Hauck übertragen worden. Derſelbe kommt zu dem Schluſſe: das Miniſte-
rium habe ſich auf Seite des Biſchofs von Augsburg zu ſtellen und den Pfarrer
Renftle von ſeiner Pfarrei zu entfernen. Die „rechtgläubigen“ Mitglieder der
Gemeinde Mering hätten zwar kein Recht auf Einſetzung oder Entfernung des
Pfarrers, wohl aber darauf, nur einen rechtgläubigen, kanoniſch inveſtirten und
fortdauernd anerkannten Pfarrer zu haben. Deßhalb ſeien auch deren verfaſſungs-
mäßige Rechte verletzt. Was aber Renftle und deſſen Anhänger betreffe, ſo habe
erſterer, ſolange er excommunicirt ſei, kein Recht mehr an die Kirche und ihr Ver-
mögen, letztere hiengen ihm entweder bewußt an, dann verfielen ſie ſeinem Looſe,
oder ſie ſeien noch Mitglieder der Kirche, dann hätten ſie ſich dem Biſchofe zu
unterwerfen. Referent beantragt ſchließlich: die Beſchwerde für begründet zu er-
achten und Se. Majeſtät um Abhülfe zu erſuchen.
Für die nächſte Kammerſitzung am Donnerſtag hat der Abg. Pfarrer Ruß-
wurm eine Interpellation angekündigt in Betreff des altkatholiſchen Begräbniſſes
in Amberg, reſp. der darauf bezüglichen Entſchließung der Regierung der Oberpfalz.
# Aus Baden, 9 Jan. Schon ſeit längerer Zeit war vom Miniſterium
angekündigt worden daß eine Vereinfachung unſerer innern Verwaltung und der
Gerichte bevorſtehe, und es ſind bereits die Miniſterien des Aeußern und des Kriegs
und die Central-Mittelſtellen für das Medicinal- und Kataſterweſen aufgehoben
worden. Nun endlich erfolgten noch viel weiter gehende Aenderungen an der Bil-
dung der Aemter und Gerichte, die mit dem 1 Mai eintreten ſollen. Ich weiß
gerade nicht das wievieltemal ſchon in dieſen Dingen ſeit Bildung des Großherzog-
thums geändert worden iſt, wodurch man uns mit Recht den Vorwurf des beſtän-
digen Experimentirens machte. Aber war die letzte Organiſation der Aemter und
Gerichte eine Verſchlechterung, und nur gemacht um recht viele Städtchen für die
damalige Regierung günſtig zu ſtimmen, ſo iſt die heutige Veränderung eine wirk-
liche Verbeſſerung, welche dem Lande jährlich wenigſtens 100,000 fl. erſpart. Es
wird freilich viel Geſchrei darüber erhoben werden daß dieſes oder jenes Städtchen
eine Stelle wieder verlieren ſoll, aber die bisherige Organiſation war eben doch
eine verfehlte und die Aenderung nöthig. Mehrere Kreisgerichte hatten zu wenig
zu thun, und das Perſonal konnte doch nicht beſchränkt werden; ähnlich gieng es
bei den Amtsgerichten und Aemtern: man fand nicht genug Leute um die Stellen
richtig auszufüllen, um die kleinen Kreisgerichte konnte ſich ein bedeutender An-
waltsſtand nicht ſammeln, und in Folge der vielen Eiſenbahnverbindungen fiel
auch der frühere Grund der weiten Entfernung von dem Sitze der Stelle hinweg.
Außerdem bedingt auch die Einführung einer gemeinſamen deutſchen Civil- und
Strafproceßordnung größere Bezirke mit einer entſprechenderen Anzahl von Rich-
tern. Es iſt daher durch die neue Verordnung die Zahl der Bezirksämter von 59
auf 52, jene der Amtsgerichte von 66 auf 53 und die der Kreisgerichte von 11 auf 7
herabgemindert worden. Aufgehoben wurden die Kreisgerichte Villingen, Lörrach,
Baden und Heidelberg, und die denſelben zugehörigen Amtsgerichte an die übrigen ver-
theilt. Der Kreis Lörrach wird mit Freiburg, der Kreis Heidelberg mit Mannheim,
vom Kreiſe Villingen der Bezirk Triberg mit Offenburg, der Reſt mit Conſtanz,
vom Kreiſe Baden die Bezirke Achern und Buhl mit Offenburg, Baden und Raſtatt
(Gernsbach) mit Karlsruhe vereinigt. Von den Amtsgerichten wurden verſchmolzen:
Meersburg mit Ueberlingen, Radolfszell mit Conſtanz, Jeſtetten mit Waldshut,
Haslach mit Wolfach, Gengenbach mit Offenburg, Gernsbach mit Raſtatt, Kenzin-
gen mit Emmendingen und Ettenheim, Philippsburg mit Bruchſal, Ladenburg mit
Mannheim, Neckargemünd mit Heidelberg, Neckarbiſchofsheim mit Sinsheim, Ger-
lachsheim mit Tauberbiſchofsheim und Walldürn mit Wertheim, Buchen und
Tauberbiſchofsheim. In ganz gleicher Weiſe wie die Amtsgerichte wurden auch
die aufzuhebenden Bezirksämter Radolfszell, Jeſtetten, Kenzingen, Gengenbach,
Gernsbach, Boxberg und Walldürn vertheilt. Durch dieſe neue Organiſation wird
das Amtsgericht immer ſeinen Sitz an dem Orte des Bezirksamts haben, mit Aus-
nahme deſſen von Boxberg, das vorläufig noch beſtehen bleibt, aber unſtreitig auch
nicht auf ſehr lange Zeit; denn es wird für jene Gegend noch zu andern Aenderun-
gen kommen müſſen, in Folge deren die dortigen verſchiedenen Stellen in Oſter-
burken, dem Centralpunkt der Odenwald-Eiſenbahnen, zu vereinigen ſein werden.
* Berlin, 8 Jan. Heute Nachmittags hat der feierliche Empfang des
franzöſiſchen Botſchafters, Vicomte v. Gontaut-Biron, ſtattgefunden. Derſelbe
wurde um 3 Uhr Nachmittags mit dem Botſchafts-Perſonal vom Ceremonienmeiſter
Frhrn. v. Roſenberg aus dem Hôtel Royal in Hof-Galawagen zur Audienz abgeholt
und vom Vice-Oberceremonienmeiſter v. Roeder dem Kaiſer zugeführt, welcher,
umgeben vom Miniſterpräſidenten Fürſten Bismarck, dem Oberceremonienmeiſter
Grafen Stillfried, den General-Adjutanten, den Flügel-Adjutanten ꝛc., das Be-
glaubigungsſchreiben entgegennahm. Gleich nachher hatte der Botſchafter ſeine
Antritts-Audienz bei der Kaiſerin. Außerdem hatte auch der heut aus Kopenhagen
hier eingetroffene deutſche Geſandte v. Heydebrand beim Kaiſer eine Audienz. Der
däniſche Miniſter Graf Frijs iſt geſtern Abends wieder abgereist. Ebenſo hat ſich der
württembergiſche Wirkl. Geh. Legationsrath Graf Uexküll, nach Erledigung ſeiner
Geſchäfte dahier im auswärtigen Amt- und im Bundeskanzleramte, verabſchiedet
und iſt am Sonntag Abend nach Stuttgart zurückgekehrt. — Der Geh. Regierungs-
rath und vortragende Rath im Handelsminiſterium Mebes iſt zum Geh. Ober-
regierungsrath und Generaldirector der Eiſenbahnen in Elſaß-Lothringen ernannt
worden. Der Generaltelegraphendirector Generalmajor v. Chauvin hat, wie die
„Kreuzztg.“ mittheilt, in Freiburg im Breisgau Haus und Grundbeſitz erworben,
um nach ſeinem nahe bevorſtehenden Rücktritte daſelbſt dauernd ſeinen Wohnſitz
zu nehmen. Zu ſeinem Amtsnachfolger iſt der Oberſt Meydam deſignirt.
Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht folgenden allerhöchſten Erlaß vom
1 Januar, betreffend die oberſte Marinebehörde: „In Verfolg Meiner Erlaſſe
vom 30 November und 31 December v. J. beſtimmte Ich daß das Marine-Mini-
ſterium, unter Fortdauer der durch das Regulativ vom 15 Juni v. J. (Reichsgeſetz-
blatt S. 272) geſchaffenen Einrichtung der oberen Marinebehörde, fortan den Na-
men „Kaiſerliche Admiralität“ führen und einen Chef zum Vorſtande erhalten ſoll,
welcher die Verwaltung unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und den
Oberbefehl nach Meinen Anordnungen zu führen hat. Dieſer Erlaß iſt durch das
Reichsgeſetzblatt zu veröffentlichen.
Berlin, 1 Jan.Wilhelm. Fürſt v. Bis-
marck.“ “ — In der heutigen Plenarſitzung des Bundesraths, in welcher Staats-
miniſter Delbrück den Vorſitz führte, wurden mehrere Vorlagen den betreffenden
Ausſchüſſen überwieſen, und hierauf Ausſchußberichte erſtattet über die Zuſatz-Con-
vention vom 11 December 1871 zu dem Friedensvertrage mit Frankreich und über
einen Antrag Württembergs, betreffend die Approbation der Thierärzte ꝛc. —
Eine Mittheilung der „N. A. Ztg.“ läßt es dahingeſtellt ob der evangeliſche Ober-
kirchenrath ſich wirklich darüber beſchwert habe daß er zu den Vorberathungen über
das Schulauſſichtsgeſetz nicht zugezogen worden, hält dieß aber für unwahrſchein-
lich. Der evangeliſche Oberkirchenrath vertrete nur einen Theil der Evangeliſcher-
im preußiſchen Staate; könnte je davon die Rede ſein ihn in der urgirten Weiſe
zu Rathe zu ziehen, ſo würde der römiſch-katholiſche Epiſkopat den gleichen An-
ſpruch erheben — von den zahlreichen durch den evangeliſchen Oberkirchenrath nicht
vertretenen Proteſtanten Preußens zu geſchweigen. — Der Cultusminiſter hat, ſo
meldet der „Rh. Kur.,“ auf die Beſchwerdevorſtellung der Altkatholiken zu Wies-
baden verfügt: daß davon Abſtand genommen werde die Steuerrückſtände zur katho-
liſchen Kirchencaſſe aus den Jahren 1869 und 1870 von den Beſchwerdeführern
(es ſind dieß zuſammen 135) im Verwaltungswege, ſoweit dieß nicht bereits ge-
ſchehen iſt, beizutreiben, dem Kirchenvorſtande vielmehr zu überlaſſen die behaup-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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