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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Samstag, den 12. Januar 1924.
[Spaltenumbruch]
Münchener Stadtzeitung.
[Spaltenumbruch]
Niemand soll hungern!

In wenigen Wochen hat die Sammlung "Not
und Brot
" ein Hilfswerk organisiert und dank
der freudigen Zusammenarbeit aller daran be-
teiligten Kräfte, dank vor allem aber der nim-
mermüden Spendefreudigkeit des Münchener
Publikums praktische Erfolge damit gezeitigt, die
nur ein Ansporn sein können, auf dem beschrit-
tenen Wege fortzufahren.

Man gewinnt einen Einblick in den Umfang
der Tätigkeit, wenn man sich vor Augen hält,
daß schon anfangs Januar außer der Haupt-
geschäftsstelle an der Theatinerstraße und dem
Stadtlager an der Heßstraße eine eigene Stelle
an der Weinstraße zur Prüfung des damals be-
reits mehr als 9000 Eingangsnummern um-
fassenden Gesuchmaterial&sr; in Tätigkeit
war, wobei zu berücksichtigen ist, daß es sich bei
der genannten Zahl nur um bereits vorgeprüfte
und als dringlich bezeichnete Fälle des Wohl-
fahrtsamtes und der karitativen Verbände han-
delt. Diese Riesenarbeit, der sich hauptsächlich
ehrenamtlich tätige Kräfte unterziehen, muß ge-
leistet werden, weil sich immer noch gewisse
Kreise von Bittstellern gleichzeitig an alle
möglichen Stellen wenden.

In der Hauptgeschäftsstelle nimmt der Par-
teienverkehr von Tag zu Tag zu, dabei hat es
den Anschein, als ob eine Verschiebung im Stand
und Herkommen der Petenten eingetreten sei;
überwiegen doch in jüngster Zeit bei weitem die
Angehörigen der Arbeiterkreise, die durch
die Erwerbslosigkeit und angesichts der unzu-
länglichen Erwerbskostenfürsorge in große Not
kammen, während die Bedürftigen des Mittel-
standes anscheinend jetzt bei anderen Hilfsquel-
len auch besser bedacht werden.

Man versteht es, daß ledige Personen
mit Erwerbslosenunterstützung gegenüber denen,
die eine Familie zu versorgen haben, zu-
rückstehen
müssen. Es erscheint auch selbst-
verständlich, daß Geldzuweisungen nur
in Ausnahmefällen,
wenn unbedingt
rasche Hilfe -- etwa für Miet- und Gebühren-
schulden notwendig ist -- gewährt werden. Die
Abgabe kleiner Lebensmittelpaketchen
(enthaltend Fett, Kakao, Reis, Mehl usw.) hat
sich besonders bewährt und befriedigt meist die
Hilfesuchenden für die erste Zeit vollständig. Das
in reichem Maße einlaufende Spendenmaterial
ermöglicht es auch, in dringenden Fällen den
Ansuchen um Schuhe, Wäsche usw. alsbald
gerecht zu werden. Ungemein umfangreich ist
dank des Entgegenkommens der großen Brenn-
materialienhandlungen das auf dem Gebiet der
Brennmaterialversorgung Geleistete,
wurden doch über 500 Familien mit je 2 Ztr.
Brennstoff und einer entsprechenden Holzmenge
versehen. In diesen Tagen werden Gutscheine
zur Abholung von weiteren 280 Ztr. abgegeben.

Die wöchentliche Versorgung der Sup-
penküchen
, die teilweise gegen Entgelt arbei-
ten und daher in der Lage sind, selbst Anschaf-
fungen zu machen, die aber vielfach auch das
Essen gratis geben, war nur durch die großen
Lebensmittelspenden der einschlägigen Firmen
möglich.

Das Ergebnis der Geldsammlungen
blieb hinter den berechtigten Erwartungen etwas
zurück, immerhin müssen die Spenden bekannter
Großfirmen, besonders aber die Ergebnisse der
Gaststättensammlungen, dankbar anerkannt wer-
den. In diesem Zusammenhang muß ein Miß-
stand
erwähnt werden, der darin besteht, daß
immer noch vielfach von unbefugten Stellen ge-
sammelt und die Weisung des Generalstaatskom-
missariats mißachtet wird, derzufolge Samm-
lungen nur mit ausdrücklicher be-
hördlicher Genehmigung
und im Be-
nehmen mit "Not und Brot" zulässig sind.

Um eine gesteigerte Werbetätigkeit ent-
falten zu können, wird in nächster Zeit ein Wer-
beblatt der gesamten Münchener Tagespresse bei-
gelegt werden, dessen Papier, Druck, Stereotypie
und Beilage völlig kostenlos erstellt werden
konnte.

[Spaltenumbruch]

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß im
Einvernehmen mit der Kreisregierung über den
Bezirk München-Land hinaus nach und nach ganz
Oberbayern in die Aktion "Not und Brot"
einbezogen werden wird. Wichtig ist auch hier
eine kräftige Unterstützung seitens der Behörden,
damit eine straffe Organisation erreicht und das
Endziel näher gerückt werden kann: nieman-
den im Vaterland trotz aller Nöte
der Zeit verhungern oder erfrieren
zu lassen
.

Vom Wohnungsamt.

Wie unerträglich groß die Wohnungsnot ist,
ersieht man aus der von der Städtischen Nach-
richtenstelle veröffentlichten Zahlen vom No-
vember 1923. In der jetzt herrschenden Frostzeit,
in der die Bautätigkeit vollkommen ruht, dürfte
eine Besserung nicht eingetreten sein.

Ende November betrug die Zahl der für eine
Familienwohnung mit Küche beim städtischen
Wohnungsnachweis vorgemerkten Wohnungs-
suchenden 24 032 (Ende Oktober 23 884); darunter
befanden sich 12 335 (12 314) vordringliche und
11 697 (11 570) dringliche Vormerkungen.

Außer diesen Vormerkungen lagen noch 3593
(3523) Gesuche um Zuweisung von Wohnungen
ohne Kochgelegenheit vor. Insgesamt ergibt sich
somit Ende November die Zahl von 27 625
(27 407) Wohnungsuchenden. Im November sind
684 (712) neue Vormerkungsanträge beim
städtischen Wohnungsnachweis eingelaufen, von
denen 56 (82) auf Wohnungstausch verwiesen
wurden und 45 (55) mangels triftiger Gründe
für einen Wohnungswechsel abgelehnt werden
mußten.

Beim städtischen Wohnungsnachweis gelangten
478 (420) Wohnungen zur Anmeldung; ver-
mietet wurden 331 (310) Wohnungen.

Im Wohnungstauschverkehr wurden 207 (196)
Anträge eingereicht; von diesen wurden 188
(180) genehmigt.

Von der Abt. Wohnungsbeschaffung
des städt. Wohnungsamtes sind im November
174 (193) Wohngelegenheiten, unter diesen 24
(22) selbständige Wohnungen auf Grund der
gesetzlichen Verordnungen beschlagnahmt bzw.
dem Wohnungsmarkt neu zugeführt worden.
Von der Möglichkeit der Ablösung der Zivil-
einquartierung wurde in 20 (32) Fällen Ge-
brauch gemacht, und zwar wurden im Wege der
Kapitalablösung in 15 (26) Fällen ein Betrag
von 2 077 122 241 Millionen Papiermark und
1935 Goldmark, im Wege der Ratenablösung in
fünf Fällen ein Betrag von 54 142 860 Millionen
Papiermark und 360 Goldmark, somit zusammen
2 131 265 101 Millionen Papiermark und 2295
Goldmark zugunsten des gemeindlichen Woh-
nungsbauprogramms 1923 vereinnahmt.

Durch die Rechts- und Räumungsabteilung
des Wohnungsamtes wurden 36 (36) wider-
rechtlich bezogene Wohnungen zwangsweise
geräumt
. In 46 (40) Fällen, in denen sich
der Vermieter weigerte, mit dem vom Woh-
nungsamt zugewiesenen Wohnungsuchenden
einen Mietvertrag abzuschließen, mußte durch
die Rechtsabteilung Antrag auf Abschluß eines
Zwangsmietvertrages beim Mieteinigungsamt
gestellt werden. Von den durch Beschlüsse des
Mieteinigungsamtes erledigten Anträgen, die
sich zum Teil auch auf Anträge aus früheren
Monaten beziehen, wurden 7 (12) durch Fest-
setzung eines Zwangsmietvertrages verbeschie-
den, in 5 (2) Fällen wurde der Antrag nach-
träglich zurückgezogen, während in 8 (8) Fällen
anderweitige Regelung (z. B. gütliche Einigung
der beteiligten Parteien) erzielt wurde.

Dachgeschsßausbau im Heilig-Geist-Spital,

Da die Altersheime der Stadt München seit
Jahren vollauf belegt sind, ist das Dachgeschoß
des Hl. Geistspitales zur Gewinnung neuer
Räume unter Zuhilfenahme von Mitteln
der Wohnungsfürsorge
ausgebaut wor-
den. Die Bauarbeiten sind nun soweit fertig-
gestellt, daß die Räume alsbald bezugsfertig sind.
[Spaltenumbruch] Zur Aufnahme in diese neuen Pfründner-
zimmer können jedoch nur solche Bewerber be-
rücksichtigt werden, die eine einwandfreie
Wohnung von wenigstens 2 Zimmer
mit Küche
frei von Untermietern dem städt.
Wohnungsnachweis zur Verfügung stellen
können. Neben dieser Bestimmung haben die
für Aufnahme in das Hl. Geistspital bestehenden
Bestimmungen Gültigkeit, d. i. Besitz des Mün-
chener Bürger- und Heimatrechtes, ein Alter
von mindestens 60 Jahren, Würdigkeit und Be-
dürftigkeit. Außerdem ist das Einbringen von
Möbeln in die Anstalt unbedingt nötig, da die
Zimmer von den Neueintretenden teilweise
selbst eingerichtet werden müssen.

Anmeldungen nimmt das städt. Wohlfahrts-
amt, Rathaus Zimmer Nr. 113/I entgegen.

Also doch Milchpreiserhöhung.

Um die durch die
Notierung der Kemptener Butter-
börse
für das oberbayerische und Allgäuer Milch-
lieferungsgebiet vorgenommene Erhöhung des Stall-
preises um 1 Pfennig auszugleichen und den Ver-
braucherpreis für die Milch zunächst noch in der bis-
herigen Höhe zu halten, hat sich der Münchener
Milchhandel der Preisprüfungsstelle gegenüber be-
kanntermaßen bereit erklärt, von seiner amtlich fest-
gesetzten Nutzenspannung von zusammen 61/2 Pfennig
pro Liter 8 Tage lang auf I Pfennig zu verzichten.
Nachdem nun die Frist abgelaufen und es inzwischen
nicht gelungen ist, den Milchpreis auf andere Weise
zu senken, der Milchhandel aber nicht mit Unrecht die
ihm amtlich zuerkannte Handelsspanne verlangt, blieb
keine andere Lösung übrig, als den Milchpreis um die
eingangs erwähnte Erhöhung des Stallpreises hin-
aufzusetzen.

Der Milchpreis beträgt daher ab 13. Januar 1924
pro Liter 30 Pfennig, Liter 221/2 Pfennig,
1/2 Liter 15 Pfennig, 1/4 Liter 71/4 Pfennig und
ein Achtel Liter 4 Pfennig. Lieferpreis des Groß-
handels an den Kleinhandel 27 Pfennig pro Liter.

Kleinverkauf für Magermlich 18 Pfennig pro Liter.

Die Anfrage des Städtebunde&sr; beim
Generalstaatskommissariat auf Wiedereinführung der
Grenzsperre für Milch und Milchpro-
dukte
, ferner auf Anordnung einer Verbilligungs-
abgabe und anderes konnten bisher vom Generalstaats-
kommissariat wegen schwebenden Verhandlungen nicht
verbeschieden werden.

Daß die Butter- ud Käsepreise, aus denen bekannt-
lich in Kempten der Milchpreis errechnet wird, nicht
in Ordnung sein können, ergibt sich aus folgendem
wirtschaftlichen Mißverhältnis: So kostet z. B.
Käse im Kleinhandel heute ungefähr doppelt so
viel
wie im Frieden. Butterschmalz dagegen ist
billiger wie Butter. Hart- und Weichkäse wiederum
teuerer wie Wurst und Fleisch.

Da staunt der Laie ...

Aber er ist schon seit
Wochen aus dem Kopfschütteln nimmer heraus-
gekommen: Warum nämlich gerade die Mün-
chener Trambahn
Inflations-Rekordpreise
aufrechterhalten mußte. Und nun hat sich der
Werksenat unseres verehrten Stadtrates doch
entschlossen, ein wenig abzubauen. Ab Montag,
den 14. Januar, gelten folgende Tarife: Tages-
betrieb an Werktagen: 1 Teilstrecke --.10, 2 Teil-
strecken --.15, mehr als 2 Teilstrecken --.20; an
Sonn- und gesetzlichen Feiertagen 1 Teilstrecke
--.10, mehr als 1 Teilstrecke --.15; Nachtbetrieb
(12 Uhr 15 nachts bis 3 Uhr morgens) --.30;
Personalfrühwagen --.15; Gepäcktarif --.10;
Dienstfahrscheinhefte ab 14. Januar (10 Fahrten)
1.50. Dienstfahrscheinhefte mit dem Preisaufdruck
Mk. 1.90 haben auch weiterhin Gültigkeit.

Der Zeitkartentarif auf dem Stadtnetz erfährt
ebenfalls die entsprechende Ermäßigung. Wochen-
kartenpreise ab 14. Januar Mk. 1.10 bezw.
Mk. 2.20 und Mk. 1.50 bezw. Mk. 3.--. P-Kar-
ten mit zwei roten Schrägstrichen ab 14. Januar
Mk. 1.60. Die P-Karten mit violettem Viereck
können umgetauscht oder weiter verwendet wer-
den.

Auf die Plakate in den Stationsgebäuden und
in der Zeitkartenverkaufsstelle, Sparkassenstraße
3, 1. Stock, wird verwiesen.

Auf Außen- und Garantiestrecken bleiben die
Preise unverändert.

Zuckerhandelserlaubnis.

Wer den Handel mit
Zucker betreiben will, bedarf nach der Verord-
[Spaltenumbruch] nung über den Handel mit Zucker vom 9. Okto-
ber 1923 einer Erlaubni&sr;. Befreit von
dieser Zulassungspflicht sind alle Kleinhändler
(mit Ausnahme der Wandergewerbertreibenden),
die Zuckerfabriken und Handelsbetriebe, die
schon vor 1. Oktober 1923 auf Grund einer Han-
delserlaubnis den Zuckerhandel betrieben haben.
Hierzu gehören namentlich die Betriebe, welche
vor dem 1. Oktober 1923 zum Handel mit
Kolonial- und Spezereiwaren zugelassen wurden
sind. Später ausgestellte Handelserlaubnis-
scheine berechtigen nur dann zum Handel mit
Zucker, wenn die Ware "Zucker" ausdrücklich im
Scheine aufgeführt ist.

Anträge auf Erteilung der Zuckerhandels-
erlaubnis sind im städt. Gewerbeamt
(Neuhauserstraße Nr. 53) zu stellen. Neu-
zulassungen werden aber mangels volkswirt-
schaftlichen Bedürfnisses voraussichtlich in
nächster Zeit nicht erfolgen.

Arbeitszeit im Bankgewerbe.

Wie uns von den
Bankangestellten-Verbänden mitgeteilt wird, hat
der Schlichtungsausschuß München-Stadt, der
wegen der Maßnahmen der Bankleitungen von
den Betriebsvertretungen angerufen wurde, heute
eine einstimmige Entscheidung gefällt, nach
welcher den Banken aufgegeben wurde, gemäß
§ 78 Ziff. 2 des Betriebsrätegesetzes mit den ge-
setzlichen Arbeitnehmervertretungen über eine
Neuregelung der Arbeitszeit zu verhandeln und
im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die
strittige Frage nicht durch einseitige Verfügung,
sondern auf Grund des Spruche&sr; der in
Betracht kommenden Behörden zu regeln. -- Eine
dem Bankenverband nicht angehörende Aktien-
bank hat heute bereits wieder die alte Arbeits-
zeit eingeführt. -- Bemerkeaswert ist, daß die
Bankleitungen den ordentlichen Schlichtungsaus-
schuß als nicht zuständig betrachteten und vor
Eintritt in die eigentlichen Schlichtungsverhand-
lungen den Saal verließen Der Schlichtungs-
ausschuß beschloß jedoch die Verhandlungen auch
in Abwesenheit der Arbeitgebervertreter zu be-
endigen.


Die Zahl der unterstützungsberechtigten Erwerbs-
losen ist in der Woche vom 2. Januar 1924 bis 5.
Januar 1924 von 27 327 auf 26 361 gesunken. Die
Zahl der unterstützungsberechtigten Kurzarbeiter war
am 5. Januar 1924 32 400.

Die Zahl der unterstützungsberechtigten Erwerbs-
losen in München-Land ist in der Woche vom
2. Januar bis 5. Jauar 1924 von 1394 auf 1516 ge-
stiegen.

Kleine Zeitung.
Verlobt:

Betty Cisar mit Dr. med. Walter
Morath; Ella Wolfstein mit Emil Ru-
ber
; Friedl Camnitzer mit Max Bloch.

Gestorben:

Dr. Walter Malachowski;
Kanzleidirektor Max Ißlinger; Simon
Mittermeier; Wachtmeister a. D. Matthias
Fetz; Kurt Hochstetter; Rentner Jakob
Putscher; Archivars-Witwe Marg. Schweit-
zer
, geb. Poellein; Buchhalterin Sophie Wink-
ler
; Lehrerswitwe Franziska Schwind, geb.
Englert.

Ehrungen.

Dem Regierungsbaumeister Gö-
bel
, Wehrkreiskommando VII, wurde für seine
Verdienste um den Bau der katholischen Garni-
sonskirche St. Barbara der päpstliche Silvester-
Orden verliehen.

Konsul Max Weinmann, der den seit
Gründung innegehabten Vorsitz des Zentralver-
bandes des Deutschen Großhandels, Gruppe
Bayern, niedergelegt hat, wurde auf Grund Be-
schlusses des Vorstands und Gesamtausschusses
zum Ehrenvorsitzenden gewählt.



Berichtigung.
Im Leitaufsatz der gestrigen Ausgabe ist
durch ein bedauerliches Versehen ein sinnstören-
der Druckfehler stehen geblieben, weshalb wir
den letzten Satz des Artikels nochmals wieder-
holen. Der zitierte Ausspruch König Ludwigs I.
lautet:
"Teutsch soll er sein und ein guter
Bayer, teutsch vor züglich, nie Bayer
zum Nachteil des Teutschen
!"
[Spaltenumbruch]
Der Meister des jüngsten Tages.

11
Roman

Es mußte geregnet haben, oder war es der
nächtliche Tau? Die Blätter und Zweige der
Holunderbüsche schlugen mir feucht ins Gesicht,
ein Wassertropfen glitt mir die Hand hinunter.
Nicht weit von mir mußten Fichten oder Tannen
stehen, ich sah sie nicht in der Dunkelheit, aber
ihr Geruch kam bis zu mir.

Es tat mir wohl, hier zu sitzen, ich sog die
kühle, feuchte Luft des Gartens ein, ich ließ den
Wind über mein Gesicht streichen, ich horchte auf
die Atemzüge der Nacht. In mir war ein leise
bohrendes Gefühl der Angst, ich fürchtete, daß
ich vermißt und gesucht und am Ende hier ge-
funden werden könnte. Nein! Ich mußte allein
bleiben, mit niemandem konnte ich jetzt sprechen,
Dina und ihr Bruder, -- ich hatte Angst, ihnen
zu begegnen, was hätte ich ihnen denn sagen
können! Nur hohle Worte eines jämmerlichen
Trostes, vor dessen Nichtigkeit mir graute.

Ich war mir klar darüber, daß mein Ver-
schwinden als das gedeutet werden mußte, was
es im tiefsten Grunde auch war: Als eine Flucht
vor dem Gewicht der Stunde. Aber das galt
mir gleich. Und mir fiel ein, daß ich oftmals
als Kind dasselbe getan hatte: Wenn ich an
meiner Mutter Namenstag sorgsam eingelernte
Wünsche und Verse hatte sagen sollen, dann war
ich von einer ähnlichen Augst befallen gewesen.
Ich hatte mich geflüchtet und versteckt gehalten
und war nie zu finden gewesen und erst hervor-
gekommen, wenn alles längst vorüber war.

[Spaltenumbruch]

Aus dem geöffneten Küchenfenster eines Nach-
barhauses kamen jetzt die Töne einer Mund-
harmonika zu mir herüber. Ein paar Takte
eines leeren, dummen Walzers, den ich schon
tausendmal gehört hatte, Valse bleue oder Sau-
venir de Moscau
-- ich konnte mich an seinen
Namen nicht erinnern. Wie kam es nur, daß
diese Töne mich so tief beruhigten, daß alles
Schwere, das auf mir gelastet hatte, mit einem-
mal verflogen war? Valse bleue: die rechte
Trauermusik für den Tod eines Menschen.
Dort drüben im Pavillon lag einer auf der
Erde, der nicht mehr meinesgleichen, der von
einer anderen Welt war, ein unbegreiflich frem-
des Wesen. Aber wo blieb der Schauer des Er-
habenen, des Tragischen, des Unfaßbaren und
Unabänderlichen? Valse bleue! Eine banale
Walzermelodie, das ist der Rhythmus des Le-
bens und des Sterbens, so kommen wir und so
scheiden wir. Was uns erschüttert und zu Boden
wirft, wird zum ironischen Lächeln auf dem
Antlitz des Weltgeistes, dem Leid und Trauer
und der Tod der Kreatur nichts ist, als das vom
Urbeginn der Zeiten an allstündlich und ewig
sich Wiederholende. --

Plötzlich brach die Musik ab und einige Mi-
nuten hindurch war tiefe Stille, nur die Regen-
tropfen fielen unaufhörlich von den Zweigen
der Ahornbäume auf das gläserne Dach des
Gewächshauses. Dann begann die Mund-
harmonika von neuem, und diesmal war es ein
Marsch. -- Irgendwo in der Nähe schlug eine
Turmuhr.

-- Zehn Uhr! -- zählte ich. -- So spät ist es!
Und ich sitze hier und horche auf das Spiel
einer Mundharmonika. Und drüben -- Dina
[Spaltenumbruch] und ihr Bruder -- Vielleicht brauchen sie mich --
sicher sucht man mich, -- Dina kann nicht an
alles denken!

Und sogleich fielen mir eine Menge Dinge ein,
die angeordnet werden mußten. Die Behörde
hat in einem solchen Fall verständigt zu werden,
der städtische Arzt muß kommen, -- die Leichen-
bestattungsgesellschaft -- und ich sitze da und
horche auf die Musik aus einem Küchenfenster!
Die Blätter muß man benachrichtigen, die Zei-
tungen, -- Dina kann ja nicht an alles denken,
unmöglich. Wozu sind denn wir da? Kein
Wort von Selbstmord darf in die Blätter, einen
Wagen nehmen und bei den Redaktionen vor-
fahren! Ein plötzlicher Todesfall, unerwartetes
Hinscheiden des beliebten Künstlers. Auf der
Höhe seiner Schaffenskraft, unersetzlicher Ver-
lust für die deutsche Bühne -- vielen Tausenden
seiner Verehrer -- der schwerbetroffenen Fa-
milie --

Und die Theaterkanzlei! Mit einemmal fiel
es mir ein. Lieber Gott, daß daran niemand
gedacht hatte! Der Spielplan für die nächste
Woche muß geändert werden, das ist jetzt das
Allerwichtigste. Ob noch in der Kanzlei amtiert
wird, heute am Sonntag, um diese Stunde?!
Zehn Uhr, -- man muß sogleich anrufen, oder --
besser noch -- ich setze mich mit dem Intendanten
in Verbindung. Daß ich nicht früher daran ge-
dacht habe, -- ich als Freund des Hauses -- aber
jetzt -- keine Zeit verlieren --

Ich wollte aufspringen und fort, ein Trieb, zu
handeln, das Notwendige zu tun, die ganze
Sorge des Augenblicks auf mich zu nehmen,
hatte mich erfaßt. -- Man muß telephonieren,
[Spaltenumbruch] sagte ich mir nochmals, -- in fünf Minuten ist
es vielleicht schon zu spät -- niemand mehr in
der Kanzlei -- Dienstag, König Richard III. --
und dann blieb ich dennoch sitzen, schlaff und
matt und zum Sterben müde, und unfähig,
irgendeinen meiner Entschlüsse auszuführen.

Ich bin krank, flüsterte ich mir zu und machte
nochmals einen Versuch, aufzustehen. -- Natür-
lich. Fieber, ich dachte mir's. Ohne Mantel und
Hut im Freien sitzen in der kalten Nachtluft, und
die Nässe, die Nässe! Das kann der Tod sein. --
Und ich nahm die Zeitung aus der Tasche, -- ich
trug sie bei mir, weiß Gott, wozu ich sie zu mir
gesteckt hatte -- Sorgfältig breitete ich ihre
Blätter auf der Bank aus, damit ich nicht in der
Nässe sitzen mußte. Und plötzlich hatte ich die
Stimme meines alten Arztes im Ohr, so deut-
lich hörte ich sie, als ob er neben mir gestanden
wäre:

"Was muß ich hören, Baron, krank sind wir?
Ein bißchen stürmisch gelebt in der letzten Zeit,
wie? Ein bißchen müde geworden, nicht wahr?
Also ein paar Tage Bettruhe, zwei Tage, drei
Tage vielleicht, wir haben ja Zeit, wir ver-
säumen ja nichts. Gut zugedeckt, nicht wahr,
und heißen Tee, wird bestimmt nicht schaden, und
Ruhe, nur Ruhe und noch einmal Ruhe, keine
Briefe, keine Zeitungen, keine Besuche, das wird
uns gut tun, ach, wird uns das gut tun! Also
hübsch folgen dem alten Doktor, er meint es
gut, und gleich nach Hause gehen, hier haben
wir nichts mehr zu suchen. Wir sind recht krank.
Fieber, wie? Lassen Sie einmal den Puls
sehen --"
(Fortsetzung folgt.)

Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Samstag, den 12. Januar 1924.
[Spaltenumbruch]
Münchener Stadtzeitung.
[Spaltenumbruch]
Niemand ſoll hungern!

In wenigen Wochen hat die Sammlung „Not
und Brot
“ ein Hilfswerk organiſiert und dank
der freudigen Zuſammenarbeit aller daran be-
teiligten Kräfte, dank vor allem aber der nim-
mermüden Spendefreudigkeit des Münchener
Publikums praktiſche Erfolge damit gezeitigt, die
nur ein Anſporn ſein können, auf dem beſchrit-
tenen Wege fortzufahren.

Man gewinnt einen Einblick in den Umfang
der Tätigkeit, wenn man ſich vor Augen hält,
daß ſchon anfangs Januar außer der Haupt-
geſchäftsſtelle an der Theatinerſtraße und dem
Stadtlager an der Heßſtraße eine eigene Stelle
an der Weinſtraße zur Prüfung des damals be-
reits mehr als 9000 Eingangsnummern um-
faſſenden Geſuchmaterial&ſr; in Tätigkeit
war, wobei zu berückſichtigen iſt, daß es ſich bei
der genannten Zahl nur um bereits vorgeprüfte
und als dringlich bezeichnete Fälle des Wohl-
fahrtsamtes und der karitativen Verbände han-
delt. Dieſe Rieſenarbeit, der ſich hauptſächlich
ehrenamtlich tätige Kräfte unterziehen, muß ge-
leiſtet werden, weil ſich immer noch gewiſſe
Kreiſe von Bittſtellern gleichzeitig an alle
möglichen Stellen wenden.

In der Hauptgeſchäftsſtelle nimmt der Par-
teienverkehr von Tag zu Tag zu, dabei hat es
den Anſchein, als ob eine Verſchiebung im Stand
und Herkommen der Petenten eingetreten ſei;
überwiegen doch in jüngſter Zeit bei weitem die
Angehörigen der Arbeiterkreiſe, die durch
die Erwerbsloſigkeit und angeſichts der unzu-
länglichen Erwerbskoſtenfürſorge in große Not
kammen, während die Bedürftigen des Mittel-
ſtandes anſcheinend jetzt bei anderen Hilfsquel-
len auch beſſer bedacht werden.

Man verſteht es, daß ledige Perſonen
mit Erwerbsloſenunterſtützung gegenüber denen,
die eine Familie zu verſorgen haben, zu-
rückſtehen
müſſen. Es erſcheint auch ſelbſt-
verſtändlich, daß Geldzuweiſungen nur
in Ausnahmefällen,
wenn unbedingt
raſche Hilfe — etwa für Miet- und Gebühren-
ſchulden notwendig iſt — gewährt werden. Die
Abgabe kleiner Lebensmittelpaketchen
(enthaltend Fett, Kakao, Reis, Mehl uſw.) hat
ſich beſonders bewährt und befriedigt meiſt die
Hilfeſuchenden für die erſte Zeit vollſtändig. Das
in reichem Maße einlaufende Spendenmaterial
ermöglicht es auch, in dringenden Fällen den
Anſuchen um Schuhe, Wäſche uſw. alsbald
gerecht zu werden. Ungemein umfangreich iſt
dank des Entgegenkommens der großen Brenn-
materialienhandlungen das auf dem Gebiet der
Brennmaterialverſorgung Geleiſtete,
wurden doch über 500 Familien mit je 2 Ztr.
Brennſtoff und einer entſprechenden Holzmenge
verſehen. In dieſen Tagen werden Gutſcheine
zur Abholung von weiteren 280 Ztr. abgegeben.

Die wöchentliche Verſorgung der Sup-
penküchen
, die teilweiſe gegen Entgelt arbei-
ten und daher in der Lage ſind, ſelbſt Anſchaf-
fungen zu machen, die aber vielfach auch das
Eſſen gratis geben, war nur durch die großen
Lebensmittelſpenden der einſchlägigen Firmen
möglich.

Das Ergebnis der Geldſammlungen
blieb hinter den berechtigten Erwartungen etwas
zurück, immerhin müſſen die Spenden bekannter
Großfirmen, beſonders aber die Ergebniſſe der
Gaſtſtättenſammlungen, dankbar anerkannt wer-
den. In dieſem Zuſammenhang muß ein Miß-
ſtand
erwähnt werden, der darin beſteht, daß
immer noch vielfach von unbefugten Stellen ge-
ſammelt und die Weiſung des Generalſtaatskom-
miſſariats mißachtet wird, derzufolge Samm-
lungen nur mit ausdrücklicher be-
hördlicher Genehmigung
und im Be-
nehmen mit „Not und Brot“ zuläſſig ſind.

Um eine geſteigerte Werbetätigkeit ent-
falten zu können, wird in nächſter Zeit ein Wer-
beblatt der geſamten Münchener Tagespreſſe bei-
gelegt werden, deſſen Papier, Druck, Stereotypie
und Beilage völlig koſtenlos erſtellt werden
konnte.

[Spaltenumbruch]

Schließlich ſei noch darauf hingewieſen, daß im
Einvernehmen mit der Kreisregierung über den
Bezirk München-Land hinaus nach und nach ganz
Oberbayern in die Aktion „Not und Brot“
einbezogen werden wird. Wichtig iſt auch hier
eine kräftige Unterſtützung ſeitens der Behörden,
damit eine ſtraffe Organiſation erreicht und das
Endziel näher gerückt werden kann: nieman-
den im Vaterland trotz aller Nöte
der Zeit verhungern oder erfrieren
zu laſſen
.

Vom Wohnungsamt.

Wie unerträglich groß die Wohnungsnot iſt,
erſieht man aus der von der Städtiſchen Nach-
richtenſtelle veröffentlichten Zahlen vom No-
vember 1923. In der jetzt herrſchenden Froſtzeit,
in der die Bautätigkeit vollkommen ruht, dürfte
eine Beſſerung nicht eingetreten ſein.

Ende November betrug die Zahl der für eine
Familienwohnung mit Küche beim ſtädtiſchen
Wohnungsnachweis vorgemerkten Wohnungs-
ſuchenden 24 032 (Ende Oktober 23 884); darunter
befanden ſich 12 335 (12 314) vordringliche und
11 697 (11 570) dringliche Vormerkungen.

Außer dieſen Vormerkungen lagen noch 3593
(3523) Geſuche um Zuweiſung von Wohnungen
ohne Kochgelegenheit vor. Insgeſamt ergibt ſich
ſomit Ende November die Zahl von 27 625
(27 407) Wohnungſuchenden. Im November ſind
684 (712) neue Vormerkungsanträge beim
ſtädtiſchen Wohnungsnachweis eingelaufen, von
denen 56 (82) auf Wohnungstauſch verwieſen
wurden und 45 (55) mangels triftiger Gründe
für einen Wohnungswechſel abgelehnt werden
mußten.

Beim ſtädtiſchen Wohnungsnachweis gelangten
478 (420) Wohnungen zur Anmeldung; ver-
mietet wurden 331 (310) Wohnungen.

Im Wohnungstauſchverkehr wurden 207 (196)
Anträge eingereicht; von dieſen wurden 188
(180) genehmigt.

Von der Abt. Wohnungsbeſchaffung
des ſtädt. Wohnungsamtes ſind im November
174 (193) Wohngelegenheiten, unter dieſen 24
(22) ſelbſtändige Wohnungen auf Grund der
geſetzlichen Verordnungen beſchlagnahmt bzw.
dem Wohnungsmarkt neu zugeführt worden.
Von der Möglichkeit der Ablöſung der Zivil-
einquartierung wurde in 20 (32) Fällen Ge-
brauch gemacht, und zwar wurden im Wege der
Kapitalablöſung in 15 (26) Fällen ein Betrag
von 2 077 122 241 Millionen Papiermark und
1935 Goldmark, im Wege der Ratenablöſung in
fünf Fällen ein Betrag von 54 142 860 Millionen
Papiermark und 360 Goldmark, ſomit zuſammen
2 131 265 101 Millionen Papiermark und 2295
Goldmark zugunſten des gemeindlichen Woh-
nungsbauprogramms 1923 vereinnahmt.

Durch die Rechts- und Räumungsabteilung
des Wohnungsamtes wurden 36 (36) wider-
rechtlich bezogene Wohnungen zwangsweiſe
geräumt
. In 46 (40) Fällen, in denen ſich
der Vermieter weigerte, mit dem vom Woh-
nungsamt zugewieſenen Wohnungſuchenden
einen Mietvertrag abzuſchließen, mußte durch
die Rechtsabteilung Antrag auf Abſchluß eines
Zwangsmietvertrages beim Mieteinigungsamt
geſtellt werden. Von den durch Beſchlüſſe des
Mieteinigungsamtes erledigten Anträgen, die
ſich zum Teil auch auf Anträge aus früheren
Monaten beziehen, wurden 7 (12) durch Feſt-
ſetzung eines Zwangsmietvertrages verbeſchie-
den, in 5 (2) Fällen wurde der Antrag nach-
träglich zurückgezogen, während in 8 (8) Fällen
anderweitige Regelung (z. B. gütliche Einigung
der beteiligten Parteien) erzielt wurde.

Dachgeſchsßausbau im Heilig-Geiſt-Spital,

Da die Altersheime der Stadt München ſeit
Jahren vollauf belegt ſind, iſt das Dachgeſchoß
des Hl. Geiſtſpitales zur Gewinnung neuer
Räume unter Zuhilfenahme von Mitteln
der Wohnungsfürſorge
ausgebaut wor-
den. Die Bauarbeiten ſind nun ſoweit fertig-
geſtellt, daß die Räume alsbald bezugsfertig ſind.
[Spaltenumbruch] Zur Aufnahme in dieſe neuen Pfründner-
zimmer können jedoch nur ſolche Bewerber be-
rückſichtigt werden, die eine einwandfreie
Wohnung von wenigſtens 2 Zimmer
mit Küche
frei von Untermietern dem ſtädt.
Wohnungsnachweis zur Verfügung ſtellen
können. Neben dieſer Beſtimmung haben die
für Aufnahme in das Hl. Geiſtſpital beſtehenden
Beſtimmungen Gültigkeit, d. i. Beſitz des Mün-
chener Bürger- und Heimatrechtes, ein Alter
von mindeſtens 60 Jahren, Würdigkeit und Be-
dürftigkeit. Außerdem iſt das Einbringen von
Möbeln in die Anſtalt unbedingt nötig, da die
Zimmer von den Neueintretenden teilweiſe
ſelbſt eingerichtet werden müſſen.

Anmeldungen nimmt das ſtädt. Wohlfahrts-
amt, Rathaus Zimmer Nr. 113/I entgegen.

Alſo doch Milchpreiserhöhung.

Um die durch die
Notierung der Kemptener Butter-
börſe
für das oberbayeriſche und Allgäuer Milch-
lieferungsgebiet vorgenommene Erhöhung des Stall-
preiſes um 1 Pfennig auszugleichen und den Ver-
braucherpreis für die Milch zunächſt noch in der bis-
herigen Höhe zu halten, hat ſich der Münchener
Milchhandel der Preisprüfungsſtelle gegenüber be-
kanntermaßen bereit erklärt, von ſeiner amtlich feſt-
geſetzten Nutzenſpannung von zuſammen 6½ Pfennig
pro Liter 8 Tage lang auf I Pfennig zu verzichten.
Nachdem nun die Friſt abgelaufen und es inzwiſchen
nicht gelungen iſt, den Milchpreis auf andere Weiſe
zu ſenken, der Milchhandel aber nicht mit Unrecht die
ihm amtlich zuerkannte Handelsſpanne verlangt, blieb
keine andere Löſung übrig, als den Milchpreis um die
eingangs erwähnte Erhöhung des Stallpreiſes hin-
aufzuſetzen.

Der Milchpreis beträgt daher ab 13. Januar 1924
pro Liter 30 Pfennig, Liter 22½ Pfennig,
½ Liter 15 Pfennig, ¼ Liter 7¼ Pfennig und
ein Achtel Liter 4 Pfennig. Lieferpreis des Groß-
handels an den Kleinhandel 27 Pfennig pro Liter.

Kleinverkauf für Magermlich 18 Pfennig pro Liter.

Die Anfrage des Städtebunde&ſr; beim
Generalſtaatskommiſſariat auf Wiedereinführung der
Grenzſperre für Milch und Milchpro-
dukte
, ferner auf Anordnung einer Verbilligungs-
abgabe und anderes konnten bisher vom Generalſtaats-
kommiſſariat wegen ſchwebenden Verhandlungen nicht
verbeſchieden werden.

Daß die Butter- ud Käſepreiſe, aus denen bekannt-
lich in Kempten der Milchpreis errechnet wird, nicht
in Ordnung ſein können, ergibt ſich aus folgendem
wirtſchaftlichen Mißverhältnis: So koſtet z. B.
Käſe im Kleinhandel heute ungefähr doppelt ſo
viel
wie im Frieden. Butterſchmalz dagegen iſt
billiger wie Butter. Hart- und Weichkäſe wiederum
teuerer wie Wurſt und Fleiſch.

Da ſtaunt der Laie ...

Aber er iſt ſchon ſeit
Wochen aus dem Kopfſchütteln nimmer heraus-
gekommen: Warum nämlich gerade die Mün-
chener Trambahn
Inflations-Rekordpreiſe
aufrechterhalten mußte. Und nun hat ſich der
Werkſenat unſeres verehrten Stadtrates doch
entſchloſſen, ein wenig abzubauen. Ab Montag,
den 14. Januar, gelten folgende Tarife: Tages-
betrieb an Werktagen: 1 Teilſtrecke —.10, 2 Teil-
ſtrecken —.15, mehr als 2 Teilſtrecken —.20; an
Sonn- und geſetzlichen Feiertagen 1 Teilſtrecke
—.10, mehr als 1 Teilſtrecke —.15; Nachtbetrieb
(12 Uhr 15 nachts bis 3 Uhr morgens) —.30;
Perſonalfrühwagen —.15; Gepäcktarif —.10;
Dienſtfahrſcheinhefte ab 14. Januar (10 Fahrten)
1.50. Dienſtfahrſcheinhefte mit dem Preisaufdruck
Mk. 1.90 haben auch weiterhin Gültigkeit.

Der Zeitkartentarif auf dem Stadtnetz erfährt
ebenfalls die entſprechende Ermäßigung. Wochen-
kartenpreiſe ab 14. Januar Mk. 1.10 bezw.
Mk. 2.20 und Mk. 1.50 bezw. Mk. 3.—. P-Kar-
ten mit zwei roten Schrägſtrichen ab 14. Januar
Mk. 1.60. Die P-Karten mit violettem Viereck
können umgetauſcht oder weiter verwendet wer-
den.

Auf die Plakate in den Stationsgebäuden und
in der Zeitkartenverkaufsſtelle, Sparkaſſenſtraße
3, 1. Stock, wird verwieſen.

Auf Außen- und Garantieſtrecken bleiben die
Preiſe unverändert.

Zuckerhandelserlaubnis.

Wer den Handel mit
Zucker betreiben will, bedarf nach der Verord-
[Spaltenumbruch] nung über den Handel mit Zucker vom 9. Okto-
ber 1923 einer Erlaubni&ſr;. Befreit von
dieſer Zulaſſungspflicht ſind alle Kleinhändler
(mit Ausnahme der Wandergewerbertreibenden),
die Zuckerfabriken und Handelsbetriebe, die
ſchon vor 1. Oktober 1923 auf Grund einer Han-
delserlaubnis den Zuckerhandel betrieben haben.
Hierzu gehören namentlich die Betriebe, welche
vor dem 1. Oktober 1923 zum Handel mit
Kolonial- und Spezereiwaren zugelaſſen wurden
ſind. Später ausgeſtellte Handelserlaubnis-
ſcheine berechtigen nur dann zum Handel mit
Zucker, wenn die Ware „Zucker“ ausdrücklich im
Scheine aufgeführt iſt.

Anträge auf Erteilung der Zuckerhandels-
erlaubnis ſind im ſtädt. Gewerbeamt
(Neuhauſerſtraße Nr. 53) zu ſtellen. Neu-
zulaſſungen werden aber mangels volkswirt-
ſchaftlichen Bedürfniſſes vorausſichtlich in
nächſter Zeit nicht erfolgen.

Arbeitszeit im Bankgewerbe.

Wie uns von den
Bankangeſtellten-Verbänden mitgeteilt wird, hat
der Schlichtungsausſchuß München-Stadt, der
wegen der Maßnahmen der Bankleitungen von
den Betriebsvertretungen angerufen wurde, heute
eine einſtimmige Entſcheidung gefällt, nach
welcher den Banken aufgegeben wurde, gemäß
§ 78 Ziff. 2 des Betriebsrätegeſetzes mit den ge-
ſetzlichen Arbeitnehmervertretungen über eine
Neuregelung der Arbeitszeit zu verhandeln und
im Falle des Scheiterns dieſer Verhandlungen die
ſtrittige Frage nicht durch einſeitige Verfügung,
ſondern auf Grund des Spruche&ſr; der in
Betracht kommenden Behörden zu regeln. — Eine
dem Bankenverband nicht angehörende Aktien-
bank hat heute bereits wieder die alte Arbeits-
zeit eingeführt. — Bemerkeaswert iſt, daß die
Bankleitungen den ordentlichen Schlichtungsaus-
ſchuß als nicht zuſtändig betrachteten und vor
Eintritt in die eigentlichen Schlichtungsverhand-
lungen den Saal verließen Der Schlichtungs-
ausſchuß beſchloß jedoch die Verhandlungen auch
in Abweſenheit der Arbeitgebervertreter zu be-
endigen.


Die Zahl der unterſtützungsberechtigten Erwerbs-
loſen iſt in der Woche vom 2. Januar 1924 bis 5.
Januar 1924 von 27 327 auf 26 361 geſunken. Die
Zahl der unterſtützungsberechtigten Kurzarbeiter war
am 5. Januar 1924 32 400.

Die Zahl der unterſtützungsberechtigten Erwerbs-
loſen in München-Land iſt in der Woche vom
2. Januar bis 5. Jauar 1924 von 1394 auf 1516 ge-
ſtiegen.

Kleine Zeitung.
Verlobt:

Betty Ciſar mit Dr. med. Walter
Morath; Ella Wolfſtein mit Emil Ru-
ber
; Friedl Camnitzer mit Max Bloch.

Geſtorben:

Dr. Walter Malachowski;
Kanzleidirektor Max Ißlinger; Simon
Mittermeier; Wachtmeiſter a. D. Matthias
Fetz; Kurt Hochſtetter; Rentner Jakob
Putſcher; Archivars-Witwe Marg. Schweit-
zer
, geb. Poellein; Buchhalterin Sophie Wink-
ler
; Lehrerswitwe Franziska Schwind, geb.
Englert.

Ehrungen.

Dem Regierungsbaumeiſter Gö-
bel
, Wehrkreiskommando VII, wurde für ſeine
Verdienſte um den Bau der katholiſchen Garni-
ſonskirche St. Barbara der päpſtliche Silveſter-
Orden verliehen.

Konſul Max Weinmann, der den ſeit
Gründung innegehabten Vorſitz des Zentralver-
bandes des Deutſchen Großhandels, Gruppe
Bayern, niedergelegt hat, wurde auf Grund Be-
ſchluſſes des Vorſtands und Geſamtausſchuſſes
zum Ehrenvorſitzenden gewählt.



Berichtigung.
Im Leitaufſatz der geſtrigen Ausgabe iſt
durch ein bedauerliches Verſehen ein ſinnſtören-
der Druckfehler ſtehen geblieben, weshalb wir
den letzten Satz des Artikels nochmals wieder-
holen. Der zitierte Ausſpruch König Ludwigs I.
lautet:
Teutſch ſoll er ſein und ein guter
Bayer, teutſch vor züglich, nie Bayer
zum Nachteil des Teutſchen
!“
[Spaltenumbruch]
Der Meiſter des jüngſten Tages.

11
Roman

Es mußte geregnet haben, oder war es der
nächtliche Tau? Die Blätter und Zweige der
Holunderbüſche ſchlugen mir feucht ins Geſicht,
ein Waſſertropfen glitt mir die Hand hinunter.
Nicht weit von mir mußten Fichten oder Tannen
ſtehen, ich ſah ſie nicht in der Dunkelheit, aber
ihr Geruch kam bis zu mir.

Es tat mir wohl, hier zu ſitzen, ich ſog die
kühle, feuchte Luft des Gartens ein, ich ließ den
Wind über mein Geſicht ſtreichen, ich horchte auf
die Atemzüge der Nacht. In mir war ein leiſe
bohrendes Gefühl der Angſt, ich fürchtete, daß
ich vermißt und geſucht und am Ende hier ge-
funden werden könnte. Nein! Ich mußte allein
bleiben, mit niemandem konnte ich jetzt ſprechen,
Dina und ihr Bruder, — ich hatte Angſt, ihnen
zu begegnen, was hätte ich ihnen denn ſagen
können! Nur hohle Worte eines jämmerlichen
Troſtes, vor deſſen Nichtigkeit mir graute.

Ich war mir klar darüber, daß mein Ver-
ſchwinden als das gedeutet werden mußte, was
es im tiefſten Grunde auch war: Als eine Flucht
vor dem Gewicht der Stunde. Aber das galt
mir gleich. Und mir fiel ein, daß ich oftmals
als Kind dasſelbe getan hatte: Wenn ich an
meiner Mutter Namenstag ſorgſam eingelernte
Wünſche und Verſe hatte ſagen ſollen, dann war
ich von einer ähnlichen Augſt befallen geweſen.
Ich hatte mich geflüchtet und verſteckt gehalten
und war nie zu finden geweſen und erſt hervor-
gekommen, wenn alles längſt vorüber war.

[Spaltenumbruch]

Aus dem geöffneten Küchenfenſter eines Nach-
barhauſes kamen jetzt die Töne einer Mund-
harmonika zu mir herüber. Ein paar Takte
eines leeren, dummen Walzers, den ich ſchon
tauſendmal gehört hatte, Valse bleue oder Sau-
venir de Moscau
— ich konnte mich an ſeinen
Namen nicht erinnern. Wie kam es nur, daß
dieſe Töne mich ſo tief beruhigten, daß alles
Schwere, das auf mir gelaſtet hatte, mit einem-
mal verflogen war? Valse bleue: die rechte
Trauermuſik für den Tod eines Menſchen.
Dort drüben im Pavillon lag einer auf der
Erde, der nicht mehr meinesgleichen, der von
einer anderen Welt war, ein unbegreiflich frem-
des Weſen. Aber wo blieb der Schauer des Er-
habenen, des Tragiſchen, des Unfaßbaren und
Unabänderlichen? Valse bleue! Eine banale
Walzermelodie, das iſt der Rhythmus des Le-
bens und des Sterbens, ſo kommen wir und ſo
ſcheiden wir. Was uns erſchüttert und zu Boden
wirft, wird zum ironiſchen Lächeln auf dem
Antlitz des Weltgeiſtes, dem Leid und Trauer
und der Tod der Kreatur nichts iſt, als das vom
Urbeginn der Zeiten an allſtündlich und ewig
ſich Wiederholende. —

Plötzlich brach die Muſik ab und einige Mi-
nuten hindurch war tiefe Stille, nur die Regen-
tropfen fielen unaufhörlich von den Zweigen
der Ahornbäume auf das gläſerne Dach des
Gewächshauſes. Dann begann die Mund-
harmonika von neuem, und diesmal war es ein
Marſch. — Irgendwo in der Nähe ſchlug eine
Turmuhr.

— Zehn Uhr! — zählte ich. — So ſpät iſt es!
Und ich ſitze hier und horche auf das Spiel
einer Mundharmonika. Und drüben — Dina
[Spaltenumbruch] und ihr Bruder — Vielleicht brauchen ſie mich —
ſicher ſucht man mich, — Dina kann nicht an
alles denken!

Und ſogleich fielen mir eine Menge Dinge ein,
die angeordnet werden mußten. Die Behörde
hat in einem ſolchen Fall verſtändigt zu werden,
der ſtädtiſche Arzt muß kommen, — die Leichen-
beſtattungsgeſellſchaft — und ich ſitze da und
horche auf die Muſik aus einem Küchenfenſter!
Die Blätter muß man benachrichtigen, die Zei-
tungen, — Dina kann ja nicht an alles denken,
unmöglich. Wozu ſind denn wir da? Kein
Wort von Selbſtmord darf in die Blätter, einen
Wagen nehmen und bei den Redaktionen vor-
fahren! Ein plötzlicher Todesfall, unerwartetes
Hinſcheiden des beliebten Künſtlers. Auf der
Höhe ſeiner Schaffenskraft, unerſetzlicher Ver-
luſt für die deutſche Bühne — vielen Tauſenden
ſeiner Verehrer — der ſchwerbetroffenen Fa-
milie —

Und die Theaterkanzlei! Mit einemmal fiel
es mir ein. Lieber Gott, daß daran niemand
gedacht hatte! Der Spielplan für die nächſte
Woche muß geändert werden, das iſt jetzt das
Allerwichtigſte. Ob noch in der Kanzlei amtiert
wird, heute am Sonntag, um dieſe Stunde?!
Zehn Uhr, — man muß ſogleich anrufen, oder —
beſſer noch — ich ſetze mich mit dem Intendanten
in Verbindung. Daß ich nicht früher daran ge-
dacht habe, — ich als Freund des Hauſes — aber
jetzt — keine Zeit verlieren —

Ich wollte aufſpringen und fort, ein Trieb, zu
handeln, das Notwendige zu tun, die ganze
Sorge des Augenblicks auf mich zu nehmen,
hatte mich erfaßt. — Man muß telephonieren,
[Spaltenumbruch] ſagte ich mir nochmals, — in fünf Minuten iſt
es vielleicht ſchon zu ſpät — niemand mehr in
der Kanzlei — Dienstag, König Richard III.
und dann blieb ich dennoch ſitzen, ſchlaff und
matt und zum Sterben müde, und unfähig,
irgendeinen meiner Entſchlüſſe auszuführen.

Ich bin krank, flüſterte ich mir zu und machte
nochmals einen Verſuch, aufzuſtehen. — Natür-
lich. Fieber, ich dachte mir’s. Ohne Mantel und
Hut im Freien ſitzen in der kalten Nachtluft, und
die Näſſe, die Näſſe! Das kann der Tod ſein. —
Und ich nahm die Zeitung aus der Taſche, — ich
trug ſie bei mir, weiß Gott, wozu ich ſie zu mir
geſteckt hatte — Sorgfältig breitete ich ihre
Blätter auf der Bank aus, damit ich nicht in der
Näſſe ſitzen mußte. Und plötzlich hatte ich die
Stimme meines alten Arztes im Ohr, ſo deut-
lich hörte ich ſie, als ob er neben mir geſtanden
wäre:

„Was muß ich hören, Baron, krank ſind wir?
Ein bißchen ſtürmiſch gelebt in der letzten Zeit,
wie? Ein bißchen müde geworden, nicht wahr?
Alſo ein paar Tage Bettruhe, zwei Tage, drei
Tage vielleicht, wir haben ja Zeit, wir ver-
ſäumen ja nichts. Gut zugedeckt, nicht wahr,
und heißen Tee, wird beſtimmt nicht ſchaden, und
Ruhe, nur Ruhe und noch einmal Ruhe, keine
Briefe, keine Zeitungen, keine Beſuche, das wird
uns gut tun, ach, wird uns das gut tun! Alſo
hübſch folgen dem alten Doktor, er meint es
gut, und gleich nach Hauſe gehen, hier haben
wir nichts mehr zu ſuchen. Wir ſind recht krank.
Fieber, wie? Laſſen Sie einmal den Puls
ſehen —“
(Fortſetzung folgt.)

<TEI>
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[4/0004] Allgemeine Zeitung. Nr. 11 Samstag, den 12. Januar 1924. Münchener Stadtzeitung. Niemand ſoll hungern! In wenigen Wochen hat die Sammlung „Not und Brot“ ein Hilfswerk organiſiert und dank der freudigen Zuſammenarbeit aller daran be- teiligten Kräfte, dank vor allem aber der nim- mermüden Spendefreudigkeit des Münchener Publikums praktiſche Erfolge damit gezeitigt, die nur ein Anſporn ſein können, auf dem beſchrit- tenen Wege fortzufahren. Man gewinnt einen Einblick in den Umfang der Tätigkeit, wenn man ſich vor Augen hält, daß ſchon anfangs Januar außer der Haupt- geſchäftsſtelle an der Theatinerſtraße und dem Stadtlager an der Heßſtraße eine eigene Stelle an der Weinſtraße zur Prüfung des damals be- reits mehr als 9000 Eingangsnummern um- faſſenden Geſuchmaterial&ſr; in Tätigkeit war, wobei zu berückſichtigen iſt, daß es ſich bei der genannten Zahl nur um bereits vorgeprüfte und als dringlich bezeichnete Fälle des Wohl- fahrtsamtes und der karitativen Verbände han- delt. Dieſe Rieſenarbeit, der ſich hauptſächlich ehrenamtlich tätige Kräfte unterziehen, muß ge- leiſtet werden, weil ſich immer noch gewiſſe Kreiſe von Bittſtellern gleichzeitig an alle möglichen Stellen wenden. In der Hauptgeſchäftsſtelle nimmt der Par- teienverkehr von Tag zu Tag zu, dabei hat es den Anſchein, als ob eine Verſchiebung im Stand und Herkommen der Petenten eingetreten ſei; überwiegen doch in jüngſter Zeit bei weitem die Angehörigen der Arbeiterkreiſe, die durch die Erwerbsloſigkeit und angeſichts der unzu- länglichen Erwerbskoſtenfürſorge in große Not kammen, während die Bedürftigen des Mittel- ſtandes anſcheinend jetzt bei anderen Hilfsquel- len auch beſſer bedacht werden. Man verſteht es, daß ledige Perſonen mit Erwerbsloſenunterſtützung gegenüber denen, die eine Familie zu verſorgen haben, zu- rückſtehen müſſen. Es erſcheint auch ſelbſt- verſtändlich, daß Geldzuweiſungen nur in Ausnahmefällen, wenn unbedingt raſche Hilfe — etwa für Miet- und Gebühren- ſchulden notwendig iſt — gewährt werden. Die Abgabe kleiner Lebensmittelpaketchen (enthaltend Fett, Kakao, Reis, Mehl uſw.) hat ſich beſonders bewährt und befriedigt meiſt die Hilfeſuchenden für die erſte Zeit vollſtändig. Das in reichem Maße einlaufende Spendenmaterial ermöglicht es auch, in dringenden Fällen den Anſuchen um Schuhe, Wäſche uſw. alsbald gerecht zu werden. Ungemein umfangreich iſt dank des Entgegenkommens der großen Brenn- materialienhandlungen das auf dem Gebiet der Brennmaterialverſorgung Geleiſtete, wurden doch über 500 Familien mit je 2 Ztr. Brennſtoff und einer entſprechenden Holzmenge verſehen. In dieſen Tagen werden Gutſcheine zur Abholung von weiteren 280 Ztr. abgegeben. Die wöchentliche Verſorgung der Sup- penküchen, die teilweiſe gegen Entgelt arbei- ten und daher in der Lage ſind, ſelbſt Anſchaf- fungen zu machen, die aber vielfach auch das Eſſen gratis geben, war nur durch die großen Lebensmittelſpenden der einſchlägigen Firmen möglich. Das Ergebnis der Geldſammlungen blieb hinter den berechtigten Erwartungen etwas zurück, immerhin müſſen die Spenden bekannter Großfirmen, beſonders aber die Ergebniſſe der Gaſtſtättenſammlungen, dankbar anerkannt wer- den. In dieſem Zuſammenhang muß ein Miß- ſtand erwähnt werden, der darin beſteht, daß immer noch vielfach von unbefugten Stellen ge- ſammelt und die Weiſung des Generalſtaatskom- miſſariats mißachtet wird, derzufolge Samm- lungen nur mit ausdrücklicher be- hördlicher Genehmigung und im Be- nehmen mit „Not und Brot“ zuläſſig ſind. Um eine geſteigerte Werbetätigkeit ent- falten zu können, wird in nächſter Zeit ein Wer- beblatt der geſamten Münchener Tagespreſſe bei- gelegt werden, deſſen Papier, Druck, Stereotypie und Beilage völlig koſtenlos erſtellt werden konnte. Schließlich ſei noch darauf hingewieſen, daß im Einvernehmen mit der Kreisregierung über den Bezirk München-Land hinaus nach und nach ganz Oberbayern in die Aktion „Not und Brot“ einbezogen werden wird. Wichtig iſt auch hier eine kräftige Unterſtützung ſeitens der Behörden, damit eine ſtraffe Organiſation erreicht und das Endziel näher gerückt werden kann: nieman- den im Vaterland trotz aller Nöte der Zeit verhungern oder erfrieren zu laſſen. Vom Wohnungsamt. Wie unerträglich groß die Wohnungsnot iſt, erſieht man aus der von der Städtiſchen Nach- richtenſtelle veröffentlichten Zahlen vom No- vember 1923. In der jetzt herrſchenden Froſtzeit, in der die Bautätigkeit vollkommen ruht, dürfte eine Beſſerung nicht eingetreten ſein. Ende November betrug die Zahl der für eine Familienwohnung mit Küche beim ſtädtiſchen Wohnungsnachweis vorgemerkten Wohnungs- ſuchenden 24 032 (Ende Oktober 23 884); darunter befanden ſich 12 335 (12 314) vordringliche und 11 697 (11 570) dringliche Vormerkungen. Außer dieſen Vormerkungen lagen noch 3593 (3523) Geſuche um Zuweiſung von Wohnungen ohne Kochgelegenheit vor. Insgeſamt ergibt ſich ſomit Ende November die Zahl von 27 625 (27 407) Wohnungſuchenden. Im November ſind 684 (712) neue Vormerkungsanträge beim ſtädtiſchen Wohnungsnachweis eingelaufen, von denen 56 (82) auf Wohnungstauſch verwieſen wurden und 45 (55) mangels triftiger Gründe für einen Wohnungswechſel abgelehnt werden mußten. Beim ſtädtiſchen Wohnungsnachweis gelangten 478 (420) Wohnungen zur Anmeldung; ver- mietet wurden 331 (310) Wohnungen. Im Wohnungstauſchverkehr wurden 207 (196) Anträge eingereicht; von dieſen wurden 188 (180) genehmigt. Von der Abt. Wohnungsbeſchaffung des ſtädt. Wohnungsamtes ſind im November 174 (193) Wohngelegenheiten, unter dieſen 24 (22) ſelbſtändige Wohnungen auf Grund der geſetzlichen Verordnungen beſchlagnahmt bzw. dem Wohnungsmarkt neu zugeführt worden. Von der Möglichkeit der Ablöſung der Zivil- einquartierung wurde in 20 (32) Fällen Ge- brauch gemacht, und zwar wurden im Wege der Kapitalablöſung in 15 (26) Fällen ein Betrag von 2 077 122 241 Millionen Papiermark und 1935 Goldmark, im Wege der Ratenablöſung in fünf Fällen ein Betrag von 54 142 860 Millionen Papiermark und 360 Goldmark, ſomit zuſammen 2 131 265 101 Millionen Papiermark und 2295 Goldmark zugunſten des gemeindlichen Woh- nungsbauprogramms 1923 vereinnahmt. Durch die Rechts- und Räumungsabteilung des Wohnungsamtes wurden 36 (36) wider- rechtlich bezogene Wohnungen zwangsweiſe geräumt. In 46 (40) Fällen, in denen ſich der Vermieter weigerte, mit dem vom Woh- nungsamt zugewieſenen Wohnungſuchenden einen Mietvertrag abzuſchließen, mußte durch die Rechtsabteilung Antrag auf Abſchluß eines Zwangsmietvertrages beim Mieteinigungsamt geſtellt werden. Von den durch Beſchlüſſe des Mieteinigungsamtes erledigten Anträgen, die ſich zum Teil auch auf Anträge aus früheren Monaten beziehen, wurden 7 (12) durch Feſt- ſetzung eines Zwangsmietvertrages verbeſchie- den, in 5 (2) Fällen wurde der Antrag nach- träglich zurückgezogen, während in 8 (8) Fällen anderweitige Regelung (z. B. gütliche Einigung der beteiligten Parteien) erzielt wurde. Dachgeſchsßausbau im Heilig-Geiſt-Spital, Da die Altersheime der Stadt München ſeit Jahren vollauf belegt ſind, iſt das Dachgeſchoß des Hl. Geiſtſpitales zur Gewinnung neuer Räume unter Zuhilfenahme von Mitteln der Wohnungsfürſorge ausgebaut wor- den. Die Bauarbeiten ſind nun ſoweit fertig- geſtellt, daß die Räume alsbald bezugsfertig ſind. Zur Aufnahme in dieſe neuen Pfründner- zimmer können jedoch nur ſolche Bewerber be- rückſichtigt werden, die eine einwandfreie Wohnung von wenigſtens 2 Zimmer mit Küche frei von Untermietern dem ſtädt. Wohnungsnachweis zur Verfügung ſtellen können. Neben dieſer Beſtimmung haben die für Aufnahme in das Hl. Geiſtſpital beſtehenden Beſtimmungen Gültigkeit, d. i. Beſitz des Mün- chener Bürger- und Heimatrechtes, ein Alter von mindeſtens 60 Jahren, Würdigkeit und Be- dürftigkeit. Außerdem iſt das Einbringen von Möbeln in die Anſtalt unbedingt nötig, da die Zimmer von den Neueintretenden teilweiſe ſelbſt eingerichtet werden müſſen. Anmeldungen nimmt das ſtädt. Wohlfahrts- amt, Rathaus Zimmer Nr. 113/I entgegen. Alſo doch Milchpreiserhöhung. Um die durch die Notierung der Kemptener Butter- börſe für das oberbayeriſche und Allgäuer Milch- lieferungsgebiet vorgenommene Erhöhung des Stall- preiſes um 1 Pfennig auszugleichen und den Ver- braucherpreis für die Milch zunächſt noch in der bis- herigen Höhe zu halten, hat ſich der Münchener Milchhandel der Preisprüfungsſtelle gegenüber be- kanntermaßen bereit erklärt, von ſeiner amtlich feſt- geſetzten Nutzenſpannung von zuſammen 6½ Pfennig pro Liter 8 Tage lang auf I Pfennig zu verzichten. Nachdem nun die Friſt abgelaufen und es inzwiſchen nicht gelungen iſt, den Milchpreis auf andere Weiſe zu ſenken, der Milchhandel aber nicht mit Unrecht die ihm amtlich zuerkannte Handelsſpanne verlangt, blieb keine andere Löſung übrig, als den Milchpreis um die eingangs erwähnte Erhöhung des Stallpreiſes hin- aufzuſetzen. Der Milchpreis beträgt daher ab 13. Januar 1924 pro Liter 30 Pfennig, [FORMEL] Liter 22½ Pfennig, ½ Liter 15 Pfennig, ¼ Liter 7¼ Pfennig und ein Achtel Liter 4 Pfennig. Lieferpreis des Groß- handels an den Kleinhandel 27 Pfennig pro Liter. Kleinverkauf für Magermlich 18 Pfennig pro Liter. Die Anfrage des Städtebunde&ſr; beim Generalſtaatskommiſſariat auf Wiedereinführung der Grenzſperre für Milch und Milchpro- dukte, ferner auf Anordnung einer Verbilligungs- abgabe und anderes konnten bisher vom Generalſtaats- kommiſſariat wegen ſchwebenden Verhandlungen nicht verbeſchieden werden. Daß die Butter- ud Käſepreiſe, aus denen bekannt- lich in Kempten der Milchpreis errechnet wird, nicht in Ordnung ſein können, ergibt ſich aus folgendem wirtſchaftlichen Mißverhältnis: So koſtet z. B. Käſe im Kleinhandel heute ungefähr doppelt ſo viel wie im Frieden. Butterſchmalz dagegen iſt billiger wie Butter. Hart- und Weichkäſe wiederum teuerer wie Wurſt und Fleiſch. Da ſtaunt der Laie ... Aber er iſt ſchon ſeit Wochen aus dem Kopfſchütteln nimmer heraus- gekommen: Warum nämlich gerade die Mün- chener Trambahn Inflations-Rekordpreiſe aufrechterhalten mußte. Und nun hat ſich der Werkſenat unſeres verehrten Stadtrates doch entſchloſſen, ein wenig abzubauen. Ab Montag, den 14. Januar, gelten folgende Tarife: Tages- betrieb an Werktagen: 1 Teilſtrecke —.10, 2 Teil- ſtrecken —.15, mehr als 2 Teilſtrecken —.20; an Sonn- und geſetzlichen Feiertagen 1 Teilſtrecke —.10, mehr als 1 Teilſtrecke —.15; Nachtbetrieb (12 Uhr 15 nachts bis 3 Uhr morgens) —.30; Perſonalfrühwagen —.15; Gepäcktarif —.10; Dienſtfahrſcheinhefte ab 14. Januar (10 Fahrten) 1.50. Dienſtfahrſcheinhefte mit dem Preisaufdruck Mk. 1.90 haben auch weiterhin Gültigkeit. Der Zeitkartentarif auf dem Stadtnetz erfährt ebenfalls die entſprechende Ermäßigung. Wochen- kartenpreiſe ab 14. Januar Mk. 1.10 bezw. Mk. 2.20 und Mk. 1.50 bezw. Mk. 3.—. P-Kar- ten mit zwei roten Schrägſtrichen ab 14. Januar Mk. 1.60. Die P-Karten mit violettem Viereck können umgetauſcht oder weiter verwendet wer- den. Auf die Plakate in den Stationsgebäuden und in der Zeitkartenverkaufsſtelle, Sparkaſſenſtraße 3, 1. Stock, wird verwieſen. Auf Außen- und Garantieſtrecken bleiben die Preiſe unverändert. Zuckerhandelserlaubnis. Wer den Handel mit Zucker betreiben will, bedarf nach der Verord- nung über den Handel mit Zucker vom 9. Okto- ber 1923 einer Erlaubni&ſr;. Befreit von dieſer Zulaſſungspflicht ſind alle Kleinhändler (mit Ausnahme der Wandergewerbertreibenden), die Zuckerfabriken und Handelsbetriebe, die ſchon vor 1. Oktober 1923 auf Grund einer Han- delserlaubnis den Zuckerhandel betrieben haben. Hierzu gehören namentlich die Betriebe, welche vor dem 1. Oktober 1923 zum Handel mit Kolonial- und Spezereiwaren zugelaſſen wurden ſind. Später ausgeſtellte Handelserlaubnis- ſcheine berechtigen nur dann zum Handel mit Zucker, wenn die Ware „Zucker“ ausdrücklich im Scheine aufgeführt iſt. Anträge auf Erteilung der Zuckerhandels- erlaubnis ſind im ſtädt. Gewerbeamt (Neuhauſerſtraße Nr. 53) zu ſtellen. Neu- zulaſſungen werden aber mangels volkswirt- ſchaftlichen Bedürfniſſes vorausſichtlich in nächſter Zeit nicht erfolgen. Arbeitszeit im Bankgewerbe. Wie uns von den Bankangeſtellten-Verbänden mitgeteilt wird, hat der Schlichtungsausſchuß München-Stadt, der wegen der Maßnahmen der Bankleitungen von den Betriebsvertretungen angerufen wurde, heute eine einſtimmige Entſcheidung gefällt, nach welcher den Banken aufgegeben wurde, gemäß § 78 Ziff. 2 des Betriebsrätegeſetzes mit den ge- ſetzlichen Arbeitnehmervertretungen über eine Neuregelung der Arbeitszeit zu verhandeln und im Falle des Scheiterns dieſer Verhandlungen die ſtrittige Frage nicht durch einſeitige Verfügung, ſondern auf Grund des Spruche&ſr; der in Betracht kommenden Behörden zu regeln. — Eine dem Bankenverband nicht angehörende Aktien- bank hat heute bereits wieder die alte Arbeits- zeit eingeführt. — Bemerkeaswert iſt, daß die Bankleitungen den ordentlichen Schlichtungsaus- ſchuß als nicht zuſtändig betrachteten und vor Eintritt in die eigentlichen Schlichtungsverhand- lungen den Saal verließen Der Schlichtungs- ausſchuß beſchloß jedoch die Verhandlungen auch in Abweſenheit der Arbeitgebervertreter zu be- endigen. Die Zahl der unterſtützungsberechtigten Erwerbs- loſen iſt in der Woche vom 2. Januar 1924 bis 5. Januar 1924 von 27 327 auf 26 361 geſunken. Die Zahl der unterſtützungsberechtigten Kurzarbeiter war am 5. Januar 1924 32 400. Die Zahl der unterſtützungsberechtigten Erwerbs- loſen in München-Land iſt in der Woche vom 2. Januar bis 5. Jauar 1924 von 1394 auf 1516 ge- ſtiegen. Kleine Zeitung. Verlobt: Betty Ciſar mit Dr. med. Walter Morath; Ella Wolfſtein mit Emil Ru- ber; Friedl Camnitzer mit Max Bloch. Geſtorben: Dr. Walter Malachowski; Kanzleidirektor Max Ißlinger; Simon Mittermeier; Wachtmeiſter a. D. Matthias Fetz; Kurt Hochſtetter; Rentner Jakob Putſcher; Archivars-Witwe Marg. Schweit- zer, geb. Poellein; Buchhalterin Sophie Wink- ler; Lehrerswitwe Franziska Schwind, geb. Englert. Ehrungen. Dem Regierungsbaumeiſter Gö- bel, Wehrkreiskommando VII, wurde für ſeine Verdienſte um den Bau der katholiſchen Garni- ſonskirche St. Barbara der päpſtliche Silveſter- Orden verliehen. Konſul Max Weinmann, der den ſeit Gründung innegehabten Vorſitz des Zentralver- bandes des Deutſchen Großhandels, Gruppe Bayern, niedergelegt hat, wurde auf Grund Be- ſchluſſes des Vorſtands und Geſamtausſchuſſes zum Ehrenvorſitzenden gewählt. Berichtigung. Im Leitaufſatz der geſtrigen Ausgabe iſt durch ein bedauerliches Verſehen ein ſinnſtören- der Druckfehler ſtehen geblieben, weshalb wir den letzten Satz des Artikels nochmals wieder- holen. Der zitierte Ausſpruch König Ludwigs I. lautet: „Teutſch ſoll er ſein und ein guter Bayer, teutſch vor züglich, nie Bayer zum Nachteil des Teutſchen!“ Der Meiſter des jüngſten Tages. 11 Roman von Leo Perutz. Es mußte geregnet haben, oder war es der nächtliche Tau? Die Blätter und Zweige der Holunderbüſche ſchlugen mir feucht ins Geſicht, ein Waſſertropfen glitt mir die Hand hinunter. Nicht weit von mir mußten Fichten oder Tannen ſtehen, ich ſah ſie nicht in der Dunkelheit, aber ihr Geruch kam bis zu mir. Es tat mir wohl, hier zu ſitzen, ich ſog die kühle, feuchte Luft des Gartens ein, ich ließ den Wind über mein Geſicht ſtreichen, ich horchte auf die Atemzüge der Nacht. In mir war ein leiſe bohrendes Gefühl der Angſt, ich fürchtete, daß ich vermißt und geſucht und am Ende hier ge- funden werden könnte. Nein! Ich mußte allein bleiben, mit niemandem konnte ich jetzt ſprechen, Dina und ihr Bruder, — ich hatte Angſt, ihnen zu begegnen, was hätte ich ihnen denn ſagen können! Nur hohle Worte eines jämmerlichen Troſtes, vor deſſen Nichtigkeit mir graute. Ich war mir klar darüber, daß mein Ver- ſchwinden als das gedeutet werden mußte, was es im tiefſten Grunde auch war: Als eine Flucht vor dem Gewicht der Stunde. Aber das galt mir gleich. Und mir fiel ein, daß ich oftmals als Kind dasſelbe getan hatte: Wenn ich an meiner Mutter Namenstag ſorgſam eingelernte Wünſche und Verſe hatte ſagen ſollen, dann war ich von einer ähnlichen Augſt befallen geweſen. Ich hatte mich geflüchtet und verſteckt gehalten und war nie zu finden geweſen und erſt hervor- gekommen, wenn alles längſt vorüber war. Aus dem geöffneten Küchenfenſter eines Nach- barhauſes kamen jetzt die Töne einer Mund- harmonika zu mir herüber. Ein paar Takte eines leeren, dummen Walzers, den ich ſchon tauſendmal gehört hatte, Valse bleue oder Sau- venir de Moscau — ich konnte mich an ſeinen Namen nicht erinnern. Wie kam es nur, daß dieſe Töne mich ſo tief beruhigten, daß alles Schwere, das auf mir gelaſtet hatte, mit einem- mal verflogen war? Valse bleue: die rechte Trauermuſik für den Tod eines Menſchen. Dort drüben im Pavillon lag einer auf der Erde, der nicht mehr meinesgleichen, der von einer anderen Welt war, ein unbegreiflich frem- des Weſen. Aber wo blieb der Schauer des Er- habenen, des Tragiſchen, des Unfaßbaren und Unabänderlichen? Valse bleue! Eine banale Walzermelodie, das iſt der Rhythmus des Le- bens und des Sterbens, ſo kommen wir und ſo ſcheiden wir. Was uns erſchüttert und zu Boden wirft, wird zum ironiſchen Lächeln auf dem Antlitz des Weltgeiſtes, dem Leid und Trauer und der Tod der Kreatur nichts iſt, als das vom Urbeginn der Zeiten an allſtündlich und ewig ſich Wiederholende. — Plötzlich brach die Muſik ab und einige Mi- nuten hindurch war tiefe Stille, nur die Regen- tropfen fielen unaufhörlich von den Zweigen der Ahornbäume auf das gläſerne Dach des Gewächshauſes. Dann begann die Mund- harmonika von neuem, und diesmal war es ein Marſch. — Irgendwo in der Nähe ſchlug eine Turmuhr. — Zehn Uhr! — zählte ich. — So ſpät iſt es! Und ich ſitze hier und horche auf das Spiel einer Mundharmonika. Und drüben — Dina und ihr Bruder — Vielleicht brauchen ſie mich — ſicher ſucht man mich, — Dina kann nicht an alles denken! Und ſogleich fielen mir eine Menge Dinge ein, die angeordnet werden mußten. Die Behörde hat in einem ſolchen Fall verſtändigt zu werden, der ſtädtiſche Arzt muß kommen, — die Leichen- beſtattungsgeſellſchaft — und ich ſitze da und horche auf die Muſik aus einem Küchenfenſter! Die Blätter muß man benachrichtigen, die Zei- tungen, — Dina kann ja nicht an alles denken, unmöglich. Wozu ſind denn wir da? Kein Wort von Selbſtmord darf in die Blätter, einen Wagen nehmen und bei den Redaktionen vor- fahren! Ein plötzlicher Todesfall, unerwartetes Hinſcheiden des beliebten Künſtlers. Auf der Höhe ſeiner Schaffenskraft, unerſetzlicher Ver- luſt für die deutſche Bühne — vielen Tauſenden ſeiner Verehrer — der ſchwerbetroffenen Fa- milie — Und die Theaterkanzlei! Mit einemmal fiel es mir ein. Lieber Gott, daß daran niemand gedacht hatte! Der Spielplan für die nächſte Woche muß geändert werden, das iſt jetzt das Allerwichtigſte. Ob noch in der Kanzlei amtiert wird, heute am Sonntag, um dieſe Stunde?! Zehn Uhr, — man muß ſogleich anrufen, oder — beſſer noch — ich ſetze mich mit dem Intendanten in Verbindung. Daß ich nicht früher daran ge- dacht habe, — ich als Freund des Hauſes — aber jetzt — keine Zeit verlieren — Ich wollte aufſpringen und fort, ein Trieb, zu handeln, das Notwendige zu tun, die ganze Sorge des Augenblicks auf mich zu nehmen, hatte mich erfaßt. — Man muß telephonieren, ſagte ich mir nochmals, — in fünf Minuten iſt es vielleicht ſchon zu ſpät — niemand mehr in der Kanzlei — Dienstag, König Richard III. — und dann blieb ich dennoch ſitzen, ſchlaff und matt und zum Sterben müde, und unfähig, irgendeinen meiner Entſchlüſſe auszuführen. Ich bin krank, flüſterte ich mir zu und machte nochmals einen Verſuch, aufzuſtehen. — Natür- lich. Fieber, ich dachte mir’s. Ohne Mantel und Hut im Freien ſitzen in der kalten Nachtluft, und die Näſſe, die Näſſe! Das kann der Tod ſein. — Und ich nahm die Zeitung aus der Taſche, — ich trug ſie bei mir, weiß Gott, wozu ich ſie zu mir geſteckt hatte — Sorgfältig breitete ich ihre Blätter auf der Bank aus, damit ich nicht in der Näſſe ſitzen mußte. Und plötzlich hatte ich die Stimme meines alten Arztes im Ohr, ſo deut- lich hörte ich ſie, als ob er neben mir geſtanden wäre: „Was muß ich hören, Baron, krank ſind wir? Ein bißchen ſtürmiſch gelebt in der letzten Zeit, wie? Ein bißchen müde geworden, nicht wahr? Alſo ein paar Tage Bettruhe, zwei Tage, drei Tage vielleicht, wir haben ja Zeit, wir ver- ſäumen ja nichts. Gut zugedeckt, nicht wahr, und heißen Tee, wird beſtimmt nicht ſchaden, und Ruhe, nur Ruhe und noch einmal Ruhe, keine Briefe, keine Zeitungen, keine Beſuche, das wird uns gut tun, ach, wird uns das gut tun! Alſo hübſch folgen dem alten Doktor, er meint es gut, und gleich nach Hauſe gehen, hier haben wir nichts mehr zu ſuchen. Wir ſind recht krank. Fieber, wie? Laſſen Sie einmal den Puls ſehen —“ (Fortſetzung folgt.)

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1924/4>, abgerufen am 15.06.2024.