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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 14. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 11 Montag, den 14. Januar


[Spaltenumbruch]

Spannung zu den englischen Wirtschaftsinter-
essen, die von Frankreich weniger bedroht sind.

Die gemeinsamen Manöver der englisch-fran-
zösischen Besatzungstruppen auf deutschem Gebiet
befauchten die neue weltpolitische Wendung, die
natürlich eine Lösung der Reparationsfrage in
einem für Deutschland günstigen Sinne erschwert.

Ein schwerer britisch-amerikanischer Konflikt
ballt sich um die sogenannten westindischen In-
seln zusammen, die eine günstige Basis zur
Blockierung der amerikanischen Flotte im Kari-
bischen Meer und im Golf von Mexiko bilden,
wodurch die Bedeutung der interozeanischen
amerikanischen Kanäle verschwinden würde. Diese
Inseln, die europäischen Staaten gehören, sind
auch wirtschaftlich von großer Bedeutung (Rohr-
zucker, Kakao, Kaffee). Die "News American
Reniew", eine der bedeutendsten amerikanischen
Zeitschriften, schreibt ganz offen: "Diese euro-
päischen Kolonien haben außer den Farbigen
eine unbedeutende Zahl weißer Bevölkerung. Sie
sind nichts als Vorposten in Voraussicht eines
Seekrieges. Aber gegen wen? Sie bedrohen
die Mündung des Mississippi, den Panamakanal
und Nikaragua, wo wir grandiose Arbeiten vor-
haben. Ist es anzunehmen, daß sie einst eine
Seekriegsbasis gegen uns werden können, so ist
es Zeit, sie verschwinden zu machen."

Die genannte Zeitschrift hat bereits die Frage
aufgeworfen, ob man diese gefährlichen europäi-
schen Kolonien nicht als Erlös für die Forderun-
gen an die Ententemächte nehmen könnte.

Gegenüber der amerikanischen Forderung auf
offene Tür bilden die anderen britisch-amerikani-
schen Spezialkonflikte (Kampf Amerikas gegen
die englischen Rohstoffmonopole (Gummi!-) Riva-
lität zwischen Pfund Sterling und Dollar als
Weltvaluta usw.) untergeordnete Einzelheiten.

Falsch wäre es nun zu meinen, daß wir mit
einem Kriege zwischen England und Amerika zu
rechnen haben. So einfach liegen die Dinge
nicht.

[Spaltenumbruch]

Aber die neue Blockbildung -- auf der einen
Seite England mit seinen Kolonien, Frankreich
mit der Kleinen Entente, und Japan, auf der
anderen Seite die Vereinigten Staaten mit ihren
Kolonien, und Halbkolonien, und lose sich an-
schließend Deutschland und China -- ist entschei-
dend für die deutsche Politik und Wirtschaft, für
die Regelung der Reparations- und Räumungs-
frage.

Deutschland verlangt: Endgültige Fixierung
der Reparationssumme oder der Höhe und Zahl
der Jahreszahlungen, Abschaffung des Wohl-
standsindexes, Herabsetzung der im Dawesplan
festgesetzten Summe von 21/2 Milliarden pro
Jahr, volles oder teilweises Moratorium für die
nächsten Jahre, keine Teillösung oder Teilmobili-
sierung irgendeiner Summe.

Dafür könnte Deutschland bieten: Abschaffung
der Transferklausel, d. h. Uebernahme der Ver-
pflichtung, für die Transferierung der Zahlungen
unter allen Umständen und aus eigenem zu sor-
gen, ferner die sofortige Mobilisierung der Eisen-
bahn- und Industrieobligationen oder eines Tei-
les von ihnen, schließlich, und darauf käme es
nicht zuletzt an, seinen politischen Anschluß an
den englisch-französischen Block.

Politisch könnte Deutschland erreichen: Räu-
mung der Rheinlande, Anschluß Deutsch-Oester-
reichs, Rückgabe des Korridors und eventuell
eines Teils von Oberschlesien. Polen müßte
dann durch die Annexion von Weißrußland und
der Ukraine entschädigt werden. Das würde eine
deutsche Stellungnahme gegen Rußland zur Folge
haben.

Hier werden die englischen und französischen
Interessen wieder auseinandergehen und es ist
daher kaum anzunehmen, daß die kommenden
Verhandlungen in der nächsten Zeit schon ein
positives Ergebnis zeitigen werden. Es ist wie-
der mit faulen Kompromißlösungen zu rechnen,
zumal ja die Vereinigten Staaten ein gewichtiges
Wörtchen mitreden werden. (Schluß.)



Faulhabers neueste Drohung
Katholische Kundgebung zur Schulfrage
[Spaltenumbruch]

Am Schluß ihrer
Landesausschußsitzung hielt am Sonntag im
Odeon in München die katholische Schul-
organisation,
in der die katholischen Eltern-
vereinigungen des Landes zusammengeschlossen
sind, eine Kundgebung ab. Nach einem Vortrag
des Generalsekretärs der gesamtdeutschen Orga-
nisation, Rektor Böhler-Düsseldorf, über das
Thema "Volk und Schule" stellte der erste Vor-
sitzende der bayerischen Organisation, Studienrat
Schwerd, die Forderungen der katholischen
Elternvereinigungen hinsichtlich der Lehrerbil-
dung heraus. Die Organisation steht auf dem
Standpunkt, daß die Ausbildung der Lehrer für
die katholischen Schulen an konfessionellen
Lehrerbildungsanstalten erfolgen muß. Die Kon-
fessionalität der Lehrerbildung sei die Konsequenz
der Konfessionsschule. In Bayern sei die Frage
leider noch nicht entschieden trotz der Festlegun-
gen des Konkordats. Was Preußen gekonnt
habe, müsse auch in Bayern möglich sein.

Auch Kardinal Faulhaber, der mit Nun-
tius Vasallo di Torregrossa und mehreren Mit-
gliedern des ehemaligen Königshauses, ferner
mit Vertretern des Landtags und der Stadt der
Kundgebung anwohnte, nahm das Wort. Er
hob, wie der Redner des Abends, das Vertrauen
in die Schule und in die Erziehungspersönlich-
keiten als Grundvoraussetzung hervor. Die
Autorität des Lehrers solle nicht zerstört wer-
den, aber auf der anderen Seite dürfte die
katholische Schule keine Scheinkonfessionsschule
sein, sondern sie könne nur von katholischen
Lehrerpersönlichkeiten betreut werden. Wer sich
nicht damit zurechtfinden wolle, der sei nicht
zum katholischen Lehrer berufen und es stehe
ihm frei, irgendeinen anderen Beruf zu wählen.
Der heutige Abend solle keine Fanfare gegen den
Staat sein, er sei überzeugt, daß der bayerische
Staat, wenn er auch mit der Lehrerbildungs-
ordnung spät komme, doch die beste Gesetzgebung
nach dieser Richtung schaffen werde.

Der Gedanke des Staatsmonopols stecke noch
überall in den Köpfen, aber wenn der Staat die
Kinder in Schulen zwingen wolle, die die katho-
lischen Eltern nicht wollen, dann wäre es denk-
bar, daß, wie in Holland,
die Katholiken, statt Schulsteuern an den
Staat zu zahlen, ihre eigenen freien
Schulen errichten.


Am 16. Januar findet die Schuleinschreibung
statt und es ist erklärlich, daß die Anhänger der
katholischen Bekenntnisschule alle Mittel der
Propaganda für ihre Sache und gegen die ver-
haßte Simultanschule einsetzen.

Die gestrige Kundgebung im Odeon ließ keinen
Zweifel, wie weit die Ambition der katholischen
Kirche in bezug auf Beherrschung der Schule geht.
In der richtigen Erkenntnis, daß die Lehrer-
bildungsfrage der Kern der Schulfrage ist, for-
dert man die Ausbildung konfessioneller Lehrer
an konfessionellen Anstalten. (Natürlich unter
geistlicher Leitung.) Wenn mit so ausgebildeten
Lehrkräften dann noch die doch immerhin auch
gesetzlich zugelassenen Simultanschulen besetzt
werden, kann man sich ohne viel Phantasie die
Folgen ausmalen.

Die Kirche verzichtet auf nichts, was sie ein-
mal in der Hand gehabt hat. Wir haben hier
in Bayern gesehen, wie sie es verstanden hat,
nach über hundert Jahren die Verluste aus der
Säkularisierung wieder wettzumachen

Die Worte, die Kardinal Faulhaber gestern
sprach, zeigen, daß auch der Gedanke an die Be-
herrschung der Schule nur des günstigen Augen-
blicks zur Verwirklichung harrt. Dieser Augen-
blick scheint ihm nunmehr gekommen zu sein;
hält er es doch für an der Zeit, seiner Ueber-
zeugung, daß der bayerische Staat die beste (!)
Gesetzgebung in bezug auf die Lehrerblidung
schaffen werde, durch die verklausulierte Drohung
Nachdruck zu verleihen, wenn es nicht nach den
[Spaltenumbruch] Wünschen der katholischen Eltern ginge, wäre es
denkbar, daß die Schulsteuer verweigert und freie
Schulen vernichtet würden.

Wäre das in Bayern wirklich denkbar? So-
lange noch die bayerische Lehrerschaft, die am
besten weiß, worum es geht, sich mit allen
Kräften gegen die ihr zugedachte Ausbildung
wehrt, und solange noch der Gedanke des Staats-
monopols, der zum Leidwesen des Herrn Kar-
dinals noch überall in den Köpfen steckt, seine
Lebenskraft behält, sollte es möglich sein, die
Schule, das höchste deutsche Kulturgut, vor ein-
seitiger konfessionell-kirchlicher Beherrschung mit
allen zur Genüge bekannten Folgen zu be-
wahren. K.



Die Verschwörung in China
Hintergründe der Hinrichtungen in Mukden

Was wurde den beiden Generälen vorgeworfen

[Spaltenumbruch]

Der Reuterkorrespondent in Mukden er-
klärt aus zuverlässiger Quelle, daß die Er-
schießung der Generäle Yangyuting und
Tschangyinhuai am Freitag morgen er-
[verlorenes Material - Zeichen fehlt]e, nachdem ein fünfstündiges Verfah-
ren vor einem besonderen Militärgericht
vorangegangen war. Die Anklage warf
den Verurteillen Insubordination, Verschwö-
rung zum Sturz der Regierung und grobe
Veruntreuung von öffentlichen Geldern vor.
In Peking herrscht nach wie vor völlige
Ruhe.

Haras berichtet aus Tokio, man meldet
aus Mukden, daß nach der Hinrichtung von
Yangyuting und Tschangyinhuai bei Haus-
suchungen, die in den Wohnungen der Hin-
[Spaltenumbruch] gerichteten vorgenommen wurden, Doku-
menke zutage gefördert worden seien, aus
denen sich ergebe, daß sie gegen Marschall
Tschanhsuchliang im Komplott gewesen
seien. Insgesamt hätten sie 20 000 Ge-
wehre in dem Arsenal von Muk
-
den herstellen lassen.



Die Japaner haben einen Stacheldraht-
verhau längs der Straße errichtet, die das
japanische Konzessionsgebiet von der Ein-
geborenenstadt trennt. Die chinesische Pa-
trouillentätigkeit außerhalb des japanischen
Konzessionsgebietes dauert unverändert an,
aber nur Chinesen werden angehalten, wäh-
rend die Japaner ausnahmslos unbehelligt
bleiben.




[Abbildung] Hilferding überreicht sein Steuerbukett

Reichsfinanzminister Hilferding hat am 14. Januar dem Reichskabinett den Haushalts
plan für 1929/1930 vorgelegt, in dem Erhöhungen der Biersteuer, des Branntweinmono-
pols, der Vermögenssteuer und der Erbschaftssteuer vorgesehen sind.

Diktatur auf Abruf
Jugoslawiens Militärregime
als Vorreiter wahrer Demokratie!!

Erklärungen des Ministerpräsidenten vor der Auslandspresse

[Spaltenumbruch]

Ministerpräsident General Zivkowitsch
gab heute vor den Vertretern der Auslands-
presse eine Erklärung über die Ziele der
Regierung ab, in der er zunächst das durch
die königlichen Kundgebungen bereits be-
kannte Programm innerpolitischer Refor-
men entwickelte und dann fortfuhr:

Es ist nicht zweifelhaft und geht klar
aus der Proklamation des Königs hervor,
daß unsere Aufgabe
zeitlich begrenzt
ist, denn sobald dieses grundlegende Pro-
gramm zur Durchführung gebracht sein
wird, wird die kgl. Regierung das Studium
und die Durchführung von Maßnahmen in
Angriff nehmen, die den Eintritt in ein ge-
sundes, demokratisches moralisch ausgegliche-
nes und gänzlich konstitutionelles Staats-
leben erlauben. Ich wünsche zu unterstrei-
chen, daß die Arbeit der kgl. Regierung
eine Arbeit der Vorbereitung ist, und ich
lege Wert darauf, mit aller Schärfe alle
über angebliche verborgene Ziele der Re-
gierungspolitik in Umlauf gesetzten Gerüchte
zu dementieren. Ebenso ist es notwendig,
ganz besonders zu unterstreichen, daß
auf dem Gebiet der auswärtigen
Politik

[Spaltenumbruch] die kgl. Regierung nichts anderes tun wird,
als mit allen Kräften die bisher gemachten
Bemühungen zur aufrichtigen Aufrechterhal-
tung und Förderung bester Beziehungen
mit allen Ländern, insbesondere aber mit
den Nachbarländern fortzusetzen.
Trotzdem Aengstlichkeit
Verschärfte Zensurmaßnahmen

Die Belgrader Regierung hat heute die
Staatsanwaltschaften in einer neuen Ver-
ordnung angewiesen, die Vorzensur der
Blätter mit größter Umsicht
durchzuführen
. Diese neue Verord-
nung machte sich in den Abendstunden be-
reits fühlbar und die Staatsanwaltschaften
haben sämtlichen Redaktionen die Weisung
erteilt, die Zensurexemplare schon in den
späten Nachmittagsstunden vorzulegen.
Gleichzeitig haben die Redaktionen der Zei-
tungen eine mündliche Verständigung erhal-
ten, stets in genügender Menge stehenden
Satz zur Verfügung zu halten, um die ge-
strichenen Teile aus diesem Satz ergänzen
zu können, da es verboten ist, mit weißen
Flecken zu erscheinen. Es wurde ferner un-
tersagt, über das Eintreten der verschärften
Zensur zu berichten.



[Spaltenumbruch]
Wiederzusammentritt
des Reichstags
am 24. Januar?

Wie das Nachrichtenbüro des Vereins
Deutscher Zeitungsverleger erfährt, gedenkt
Reichstagspräsident Löbe dem Aeltestenrat
den 24. Januar als Termin für den Wie-
derbeginn der Arbeiten des Reichstags-
plenums vorzuschlagen.

Ob dieser Termin festgehalten werden

[Spaltenumbruch]

kann, hängt allerdings noch von der Erle-
digung der Vorlage über die Wartestands-
bezüge der Beamten im Reichsrat ab.



Vor dem Ende der französischen
Gesandtschaft in München

Schluß mit aller Illusion


Dem Landesdienst des Süddeutschen Kor-
respondenz-Büros wird aus Paris gedrah-
tet: Das "Echo de Paris" beschäftigt sich an-
läßlich des im Strafrechtsausschuß des
Reichstages gefaßten Beschlusses, den Schutz
des Reiches nur den beim Reich akkreditier-
ten diplomatischen Vertretern zuzuerkennen
mit gewissen Illusionen, denen man sich frü-
her in Frankreich hingegeben und auf die
in den letzten Debatten in der französischen
Kammer wiederholt hingewiesen worden
war.

Der französische Gesandte in München
ist, so schreibt das Blatt, der letzte
Zeuge der Illusionen, die in Frankreich
während der Friedensverhandlungen
und in den darauffolgenden Jahren
herrschten.

Was Bayern anbetrifft, sind unwahrschein-
liche Pläne geschmiedet worden, denen auch
die Herrschaft Kurt Eisners und der dauer-
hafte Triumph der entschlossenen Nationa-
listen kein Ende bereiteten. Aber der lie-
benswürdige deutsche Partikularismus von
ehemals ist seit 1866, wenigstens aber seit
der Schaffung des neuen industriellen
Deutschland, tot. Wieviel Zeit war jedoch
notwendig, um jenen Partikularismus aus
der Vorstellung der Franzosen auszuschal-
ten. Vergeblich hat der [verlorenes Material - 2 Wörter fehlen]
Gesandte in München Dard geschrieben:
Irrt euch nicht! Der deutsche Patriotismus
trotzt wie der französische jedem Spaltungs-
versuch.

Frankreich hat trotz dieser Warnung
seine imaginären Verhandlungen weiter-
verfolgt.

Dieser beharrliche Irrtum hat dazu beige-
tragen, die Ruhrbesetzung von ihrem Ziel
abzudrängen.

Zum Schlusse schreibt das Blatt: der
jetzige französische Gesandte in München
d'Ormesson stelle nur einen Schatten
dar, den man durch einen Konsul ersetzen
werde, sobald man die Mittel gefunden
habe, den Schein zu wahren. Wenn man sich
gegen Deutschland schützen wolle, könnten
dabei die Erinnerungen aus den Archiven
Frankreichs nichts nützen.



Die amerikanischen Reparations-
sachverständigen

Owen Young und Pierpont
Morgan,
sowie als Ersatzmann Per-
kins
sind zu Sachverständigen für die Re-
parationskonferenz ernannt worden.

„AZ am Abend“ Nr. 11 Montag, den 14. Januar


[Spaltenumbruch]

Spannung zu den engliſchen Wirtſchaftsinter-
eſſen, die von Frankreich weniger bedroht ſind.

Die gemeinſamen Manöver der engliſch-fran-
zöſiſchen Beſatzungstruppen auf deutſchem Gebiet
befauchten die neue weltpolitiſche Wendung, die
natürlich eine Löſung der Reparationsfrage in
einem für Deutſchland günſtigen Sinne erſchwert.

Ein ſchwerer britiſch-amerikaniſcher Konflikt
ballt ſich um die ſogenannten weſtindiſchen In-
ſeln zuſammen, die eine günſtige Baſis zur
Blockierung der amerikaniſchen Flotte im Kari-
biſchen Meer und im Golf von Mexiko bilden,
wodurch die Bedeutung der interozeaniſchen
amerikaniſchen Kanäle verſchwinden würde. Dieſe
Inſeln, die europäiſchen Staaten gehören, ſind
auch wirtſchaftlich von großer Bedeutung (Rohr-
zucker, Kakao, Kaffee). Die „News American
Reniew“, eine der bedeutendſten amerikaniſchen
Zeitſchriften, ſchreibt ganz offen: „Dieſe euro-
päiſchen Kolonien haben außer den Farbigen
eine unbedeutende Zahl weißer Bevölkerung. Sie
ſind nichts als Vorpoſten in Vorausſicht eines
Seekrieges. Aber gegen wen? Sie bedrohen
die Mündung des Miſſiſſippi, den Panamakanal
und Nikaragua, wo wir grandioſe Arbeiten vor-
haben. Iſt es anzunehmen, daß ſie einſt eine
Seekriegsbaſis gegen uns werden können, ſo iſt
es Zeit, ſie verſchwinden zu machen.“

Die genannte Zeitſchrift hat bereits die Frage
aufgeworfen, ob man dieſe gefährlichen europäi-
ſchen Kolonien nicht als Erlös für die Forderun-
gen an die Ententemächte nehmen könnte.

Gegenüber der amerikaniſchen Forderung auf
offene Tür bilden die anderen britiſch-amerikani-
ſchen Spezialkonflikte (Kampf Amerikas gegen
die engliſchen Rohſtoffmonopole (Gummi!-) Riva-
lität zwiſchen Pfund Sterling und Dollar als
Weltvaluta uſw.) untergeordnete Einzelheiten.

Falſch wäre es nun zu meinen, daß wir mit
einem Kriege zwiſchen England und Amerika zu
rechnen haben. So einfach liegen die Dinge
nicht.

[Spaltenumbruch]

Aber die neue Blockbildung — auf der einen
Seite England mit ſeinen Kolonien, Frankreich
mit der Kleinen Entente, und Japan, auf der
anderen Seite die Vereinigten Staaten mit ihren
Kolonien, und Halbkolonien, und loſe ſich an-
ſchließend Deutſchland und China — iſt entſchei-
dend für die deutſche Politik und Wirtſchaft, für
die Regelung der Reparations- und Räumungs-
frage.

Deutſchland verlangt: Endgültige Fixierung
der Reparationsſumme oder der Höhe und Zahl
der Jahreszahlungen, Abſchaffung des Wohl-
ſtandsindexes, Herabſetzung der im Dawesplan
feſtgeſetzten Summe von 2½ Milliarden pro
Jahr, volles oder teilweiſes Moratorium für die
nächſten Jahre, keine Teillöſung oder Teilmobili-
ſierung irgendeiner Summe.

Dafür könnte Deutſchland bieten: Abſchaffung
der Transferklauſel, d. h. Uebernahme der Ver-
pflichtung, für die Transferierung der Zahlungen
unter allen Umſtänden und aus eigenem zu ſor-
gen, ferner die ſofortige Mobiliſierung der Eiſen-
bahn- und Induſtrieobligationen oder eines Tei-
les von ihnen, ſchließlich, und darauf käme es
nicht zuletzt an, ſeinen politiſchen Anſchluß an
den engliſch-franzöſiſchen Block.

Politiſch könnte Deutſchland erreichen: Räu-
mung der Rheinlande, Anſchluß Deutſch-Oeſter-
reichs, Rückgabe des Korridors und eventuell
eines Teils von Oberſchleſien. Polen müßte
dann durch die Annexion von Weißrußland und
der Ukraine entſchädigt werden. Das würde eine
deutſche Stellungnahme gegen Rußland zur Folge
haben.

Hier werden die engliſchen und franzöſiſchen
Intereſſen wieder auseinandergehen und es iſt
daher kaum anzunehmen, daß die kommenden
Verhandlungen in der nächſten Zeit ſchon ein
poſitives Ergebnis zeitigen werden. Es iſt wie-
der mit faulen Kompromißlöſungen zu rechnen,
zumal ja die Vereinigten Staaten ein gewichtiges
Wörtchen mitreden werden. (Schluß.)



Faulhabers neueste Drohung
Katholiſche Kundgebung zur Schulfrage
[Spaltenumbruch]

Am Schluß ihrer
Landesausſchußſitzung hielt am Sonntag im
Odeon in München die katholiſche Schul-
organiſation,
in der die katholiſchen Eltern-
vereinigungen des Landes zuſammengeſchloſſen
ſind, eine Kundgebung ab. Nach einem Vortrag
des Generalſekretärs der geſamtdeutſchen Orga-
niſation, Rektor Böhler-Düſſeldorf, über das
Thema „Volk und Schule“ ſtellte der erſte Vor-
ſitzende der bayeriſchen Organiſation, Studienrat
Schwerd, die Forderungen der katholiſchen
Elternvereinigungen hinſichtlich der Lehrerbil-
dung heraus. Die Organiſation ſteht auf dem
Standpunkt, daß die Ausbildung der Lehrer für
die katholiſchen Schulen an konfeſſionellen
Lehrerbildungsanſtalten erfolgen muß. Die Kon-
feſſionalität der Lehrerbildung ſei die Konſequenz
der Konfeſſionsſchule. In Bayern ſei die Frage
leider noch nicht entſchieden trotz der Feſtlegun-
gen des Konkordats. Was Preußen gekonnt
habe, müſſe auch in Bayern möglich ſein.

Auch Kardinal Faulhaber, der mit Nun-
tius Vaſallo di Torregroſſa und mehreren Mit-
gliedern des ehemaligen Königshauſes, ferner
mit Vertretern des Landtags und der Stadt der
Kundgebung anwohnte, nahm das Wort. Er
hob, wie der Redner des Abends, das Vertrauen
in die Schule und in die Erziehungsperſönlich-
keiten als Grundvorausſetzung hervor. Die
Autorität des Lehrers ſolle nicht zerſtört wer-
den, aber auf der anderen Seite dürfte die
katholiſche Schule keine Scheinkonfeſſionsſchule
ſein, ſondern ſie könne nur von katholiſchen
Lehrerperſönlichkeiten betreut werden. Wer ſich
nicht damit zurechtfinden wolle, der ſei nicht
zum katholiſchen Lehrer berufen und es ſtehe
ihm frei, irgendeinen anderen Beruf zu wählen.
Der heutige Abend ſolle keine Fanfare gegen den
Staat ſein, er ſei überzeugt, daß der bayeriſche
Staat, wenn er auch mit der Lehrerbildungs-
ordnung ſpät komme, doch die beſte Geſetzgebung
nach dieſer Richtung ſchaffen werde.

Der Gedanke des Staatsmonopols ſtecke noch
überall in den Köpfen, aber wenn der Staat die
Kinder in Schulen zwingen wolle, die die katho-
liſchen Eltern nicht wollen, dann wäre es denk-
bar, daß, wie in Holland,
die Katholiken, ſtatt Schulſteuern an den
Staat zu zahlen, ihre eigenen freien
Schulen errichten.


Am 16. Januar findet die Schuleinſchreibung
ſtatt und es iſt erklärlich, daß die Anhänger der
katholiſchen Bekenntnisſchule alle Mittel der
Propaganda für ihre Sache und gegen die ver-
haßte Simultanſchule einſetzen.

Die geſtrige Kundgebung im Odeon ließ keinen
Zweifel, wie weit die Ambition der katholiſchen
Kirche in bezug auf Beherrſchung der Schule geht.
In der richtigen Erkenntnis, daß die Lehrer-
bildungsfrage der Kern der Schulfrage iſt, for-
dert man die Ausbildung konfeſſioneller Lehrer
an konfeſſionellen Anſtalten. (Natürlich unter
geiſtlicher Leitung.) Wenn mit ſo ausgebildeten
Lehrkräften dann noch die doch immerhin auch
geſetzlich zugelaſſenen Simultanſchulen beſetzt
werden, kann man ſich ohne viel Phantaſie die
Folgen ausmalen.

Die Kirche verzichtet auf nichts, was ſie ein-
mal in der Hand gehabt hat. Wir haben hier
in Bayern geſehen, wie ſie es verſtanden hat,
nach über hundert Jahren die Verluſte aus der
Säkulariſierung wieder wettzumachen

Die Worte, die Kardinal Faulhaber geſtern
ſprach, zeigen, daß auch der Gedanke an die Be-
herrſchung der Schule nur des günſtigen Augen-
blicks zur Verwirklichung harrt. Dieſer Augen-
blick ſcheint ihm nunmehr gekommen zu ſein;
hält er es doch für an der Zeit, ſeiner Ueber-
zeugung, daß der bayeriſche Staat die beſte (!)
Geſetzgebung in bezug auf die Lehrerblidung
ſchaffen werde, durch die verklauſulierte Drohung
Nachdruck zu verleihen, wenn es nicht nach den
[Spaltenumbruch] Wünſchen der katholiſchen Eltern ginge, wäre es
denkbar, daß die Schulſteuer verweigert und freie
Schulen vernichtet würden.

Wäre das in Bayern wirklich denkbar? So-
lange noch die bayeriſche Lehrerſchaft, die am
beſten weiß, worum es geht, ſich mit allen
Kräften gegen die ihr zugedachte Ausbildung
wehrt, und ſolange noch der Gedanke des Staats-
monopols, der zum Leidweſen des Herrn Kar-
dinals noch überall in den Köpfen ſteckt, ſeine
Lebenskraft behält, ſollte es möglich ſein, die
Schule, das höchſte deutſche Kulturgut, vor ein-
ſeitiger konfeſſionell-kirchlicher Beherrſchung mit
allen zur Genüge bekannten Folgen zu be-
wahren. K.



Die Verschwörung in China
Hintergründe der Hinrichtungen in Mukden

Was wurde den beiden Generälen vorgeworfen

[Spaltenumbruch]

Der Reuterkorreſpondent in Mukden er-
klärt aus zuverläſſiger Quelle, daß die Er-
ſchießung der Generäle Yangyuting und
Tſchangyinhuai am Freitag morgen er-
[verlorenes Material – Zeichen fehlt]e, nachdem ein fünfſtündiges Verfah-
ren vor einem beſonderen Militärgericht
vorangegangen war. Die Anklage warf
den Verurteillen Inſubordination, Verſchwö-
rung zum Sturz der Regierung und grobe
Veruntreuung von öffentlichen Geldern vor.
In Peking herrſcht nach wie vor völlige
Ruhe.

Haras berichtet aus Tokio, man meldet
aus Mukden, daß nach der Hinrichtung von
Yangyuting und Tſchangyinhuai bei Haus-
ſuchungen, die in den Wohnungen der Hin-
[Spaltenumbruch] gerichteten vorgenommen wurden, Doku-
menke zutage gefördert worden ſeien, aus
denen ſich ergebe, daß ſie gegen Marſchall
Tſchanhſuchliang im Komplott geweſen
ſeien. Insgeſamt hätten ſie 20 000 Ge-
wehre in dem Arſenal von Muk
-
den herſtellen laſſen.



Die Japaner haben einen Stacheldraht-
verhau längs der Straße errichtet, die das
japaniſche Konzeſſionsgebiet von der Ein-
geborenenſtadt trennt. Die chineſiſche Pa-
trouillentätigkeit außerhalb des japaniſchen
Konzeſſionsgebietes dauert unverändert an,
aber nur Chineſen werden angehalten, wäh-
rend die Japaner ausnahmslos unbehelligt
bleiben.




[Abbildung] Hilferding überreicht ſein Steuerbukett

Reichsfinanzminiſter Hilferding hat am 14. Januar dem Reichskabinett den Haushalts
plan für 1929/1930 vorgelegt, in dem Erhöhungen der Bierſteuer, des Branntweinmono-
pols, der Vermögensſteuer und der Erbſchaftsſteuer vorgeſehen ſind.

Diktatur auf Abruf
Jugoſlawiens Militärregime
als Vorreiter wahrer Demokratie!!

Erklärungen des Miniſterpräſidenten vor der Auslandspreſſe

[Spaltenumbruch]

Miniſterpräſident General Zivkowitſch
gab heute vor den Vertretern der Auslands-
preſſe eine Erklärung über die Ziele der
Regierung ab, in der er zunächſt das durch
die königlichen Kundgebungen bereits be-
kannte Programm innerpolitiſcher Refor-
men entwickelte und dann fortfuhr:

Es iſt nicht zweifelhaft und geht klar
aus der Proklamation des Königs hervor,
daß unſere Aufgabe
zeitlich begrenzt
iſt, denn ſobald dieſes grundlegende Pro-
gramm zur Durchführung gebracht ſein
wird, wird die kgl. Regierung das Studium
und die Durchführung von Maßnahmen in
Angriff nehmen, die den Eintritt in ein ge-
ſundes, demokratiſches moraliſch ausgegliche-
nes und gänzlich konſtitutionelles Staats-
leben erlauben. Ich wünſche zu unterſtrei-
chen, daß die Arbeit der kgl. Regierung
eine Arbeit der Vorbereitung iſt, und ich
lege Wert darauf, mit aller Schärfe alle
über angebliche verborgene Ziele der Re-
gierungspolitik in Umlauf geſetzten Gerüchte
zu dementieren. Ebenſo iſt es notwendig,
ganz beſonders zu unterſtreichen, daß
auf dem Gebiet der auswärtigen
Politik

[Spaltenumbruch] die kgl. Regierung nichts anderes tun wird,
als mit allen Kräften die bisher gemachten
Bemühungen zur aufrichtigen Aufrechterhal-
tung und Förderung beſter Beziehungen
mit allen Ländern, insbeſondere aber mit
den Nachbarländern fortzuſetzen.
Trotzdem Aengſtlichkeit
Verſchärfte Zenſurmaßnahmen

Die Belgrader Regierung hat heute die
Staatsanwaltſchaften in einer neuen Ver-
ordnung angewieſen, die Vorzenſur der
Blätter mit größter Umſicht
durchzuführen
. Dieſe neue Verord-
nung machte ſich in den Abendſtunden be-
reits fühlbar und die Staatsanwaltſchaften
haben ſämtlichen Redaktionen die Weiſung
erteilt, die Zenſurexemplare ſchon in den
ſpäten Nachmittagsſtunden vorzulegen.
Gleichzeitig haben die Redaktionen der Zei-
tungen eine mündliche Verſtändigung erhal-
ten, ſtets in genügender Menge ſtehenden
Satz zur Verfügung zu halten, um die ge-
ſtrichenen Teile aus dieſem Satz ergänzen
zu können, da es verboten iſt, mit weißen
Flecken zu erſcheinen. Es wurde ferner un-
terſagt, über das Eintreten der verſchärften
Zenſur zu berichten.



[Spaltenumbruch]
Wiederzuſammentritt
des Reichstags
am 24. Januar?

Wie das Nachrichtenbüro des Vereins
Deutſcher Zeitungsverleger erfährt, gedenkt
Reichstagspräſident Löbe dem Aelteſtenrat
den 24. Januar als Termin für den Wie-
derbeginn der Arbeiten des Reichstags-
plenums vorzuſchlagen.

Ob dieſer Termin feſtgehalten werden

[Spaltenumbruch]

kann, hängt allerdings noch von der Erle-
digung der Vorlage über die Warteſtands-
bezüge der Beamten im Reichsrat ab.



Vor dem Ende der franzöſiſchen
Geſandtſchaft in München

Schluß mit aller Illuſion


Dem Landesdienſt des Süddeutſchen Kor-
reſpondenz-Büros wird aus Paris gedrah-
tet: Das „Echo de Paris“ beſchäftigt ſich an-
läßlich des im Strafrechtsausſchuß des
Reichstages gefaßten Beſchluſſes, den Schutz
des Reiches nur den beim Reich akkreditier-
ten diplomatiſchen Vertretern zuzuerkennen
mit gewiſſen Illuſionen, denen man ſich frü-
her in Frankreich hingegeben und auf die
in den letzten Debatten in der franzöſiſchen
Kammer wiederholt hingewieſen worden
war.

Der franzöſiſche Geſandte in München
iſt, ſo ſchreibt das Blatt, der letzte
Zeuge der Illuſionen, die in Frankreich
während der Friedensverhandlungen
und in den darauffolgenden Jahren
herrſchten.

Was Bayern anbetrifft, ſind unwahrſchein-
liche Pläne geſchmiedet worden, denen auch
die Herrſchaft Kurt Eisners und der dauer-
hafte Triumph der entſchloſſenen Nationa-
liſten kein Ende bereiteten. Aber der lie-
benswürdige deutſche Partikularismus von
ehemals iſt ſeit 1866, wenigſtens aber ſeit
der Schaffung des neuen induſtriellen
Deutſchland, tot. Wieviel Zeit war jedoch
notwendig, um jenen Partikularismus aus
der Vorſtellung der Franzoſen auszuſchal-
ten. Vergeblich hat der [verlorenes Material – 2 Wörter fehlen]
Geſandte in München Dard geſchrieben:
Irrt euch nicht! Der deutſche Patriotismus
trotzt wie der franzöſiſche jedem Spaltungs-
verſuch.

Frankreich hat trotz dieſer Warnung
ſeine imaginären Verhandlungen weiter-
verfolgt.

Dieſer beharrliche Irrtum hat dazu beige-
tragen, die Ruhrbeſetzung von ihrem Ziel
abzudrängen.

Zum Schluſſe ſchreibt das Blatt: der
jetzige franzöſiſche Geſandte in München
d’Ormeſſon ſtelle nur einen Schatten
dar, den man durch einen Konſul erſetzen
werde, ſobald man die Mittel gefunden
habe, den Schein zu wahren. Wenn man ſich
gegen Deutſchland ſchützen wolle, könnten
dabei die Erinnerungen aus den Archiven
Frankreichs nichts nützen.



Die amerikaniſchen Reparations-
ſachverſtändigen

Owen Young und Pierpont
Morgan,
ſowie als Erſatzmann Per-
kins
ſind zu Sachverſtändigen für die Re-
parationskonferenz ernannt worden.

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[2/0002] „AZ am Abend“ Nr. 11 Montag, den 14. Januar Spannung zu den engliſchen Wirtſchaftsinter- eſſen, die von Frankreich weniger bedroht ſind. Die gemeinſamen Manöver der engliſch-fran- zöſiſchen Beſatzungstruppen auf deutſchem Gebiet befauchten die neue weltpolitiſche Wendung, die natürlich eine Löſung der Reparationsfrage in einem für Deutſchland günſtigen Sinne erſchwert. Ein ſchwerer britiſch-amerikaniſcher Konflikt ballt ſich um die ſogenannten weſtindiſchen In- ſeln zuſammen, die eine günſtige Baſis zur Blockierung der amerikaniſchen Flotte im Kari- biſchen Meer und im Golf von Mexiko bilden, wodurch die Bedeutung der interozeaniſchen amerikaniſchen Kanäle verſchwinden würde. Dieſe Inſeln, die europäiſchen Staaten gehören, ſind auch wirtſchaftlich von großer Bedeutung (Rohr- zucker, Kakao, Kaffee). Die „News American Reniew“, eine der bedeutendſten amerikaniſchen Zeitſchriften, ſchreibt ganz offen: „Dieſe euro- päiſchen Kolonien haben außer den Farbigen eine unbedeutende Zahl weißer Bevölkerung. Sie ſind nichts als Vorpoſten in Vorausſicht eines Seekrieges. Aber gegen wen? Sie bedrohen die Mündung des Miſſiſſippi, den Panamakanal und Nikaragua, wo wir grandioſe Arbeiten vor- haben. Iſt es anzunehmen, daß ſie einſt eine Seekriegsbaſis gegen uns werden können, ſo iſt es Zeit, ſie verſchwinden zu machen.“ Die genannte Zeitſchrift hat bereits die Frage aufgeworfen, ob man dieſe gefährlichen europäi- ſchen Kolonien nicht als Erlös für die Forderun- gen an die Ententemächte nehmen könnte. Gegenüber der amerikaniſchen Forderung auf offene Tür bilden die anderen britiſch-amerikani- ſchen Spezialkonflikte (Kampf Amerikas gegen die engliſchen Rohſtoffmonopole (Gummi!-) Riva- lität zwiſchen Pfund Sterling und Dollar als Weltvaluta uſw.) untergeordnete Einzelheiten. Falſch wäre es nun zu meinen, daß wir mit einem Kriege zwiſchen England und Amerika zu rechnen haben. So einfach liegen die Dinge nicht. Aber die neue Blockbildung — auf der einen Seite England mit ſeinen Kolonien, Frankreich mit der Kleinen Entente, und Japan, auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten mit ihren Kolonien, und Halbkolonien, und loſe ſich an- ſchließend Deutſchland und China — iſt entſchei- dend für die deutſche Politik und Wirtſchaft, für die Regelung der Reparations- und Räumungs- frage. Deutſchland verlangt: Endgültige Fixierung der Reparationsſumme oder der Höhe und Zahl der Jahreszahlungen, Abſchaffung des Wohl- ſtandsindexes, Herabſetzung der im Dawesplan feſtgeſetzten Summe von 2½ Milliarden pro Jahr, volles oder teilweiſes Moratorium für die nächſten Jahre, keine Teillöſung oder Teilmobili- ſierung irgendeiner Summe. Dafür könnte Deutſchland bieten: Abſchaffung der Transferklauſel, d. h. Uebernahme der Ver- pflichtung, für die Transferierung der Zahlungen unter allen Umſtänden und aus eigenem zu ſor- gen, ferner die ſofortige Mobiliſierung der Eiſen- bahn- und Induſtrieobligationen oder eines Tei- les von ihnen, ſchließlich, und darauf käme es nicht zuletzt an, ſeinen politiſchen Anſchluß an den engliſch-franzöſiſchen Block. Politiſch könnte Deutſchland erreichen: Räu- mung der Rheinlande, Anſchluß Deutſch-Oeſter- reichs, Rückgabe des Korridors und eventuell eines Teils von Oberſchleſien. Polen müßte dann durch die Annexion von Weißrußland und der Ukraine entſchädigt werden. Das würde eine deutſche Stellungnahme gegen Rußland zur Folge haben. Hier werden die engliſchen und franzöſiſchen Intereſſen wieder auseinandergehen und es iſt daher kaum anzunehmen, daß die kommenden Verhandlungen in der nächſten Zeit ſchon ein poſitives Ergebnis zeitigen werden. Es iſt wie- der mit faulen Kompromißlöſungen zu rechnen, zumal ja die Vereinigten Staaten ein gewichtiges Wörtchen mitreden werden. (Schluß.) Faulhabers neueste Drohung Katholiſche Kundgebung zur Schulfrage München, 13. Januar. Am Schluß ihrer Landesausſchußſitzung hielt am Sonntag im Odeon in München die katholiſche Schul- organiſation, in der die katholiſchen Eltern- vereinigungen des Landes zuſammengeſchloſſen ſind, eine Kundgebung ab. Nach einem Vortrag des Generalſekretärs der geſamtdeutſchen Orga- niſation, Rektor Böhler-Düſſeldorf, über das Thema „Volk und Schule“ ſtellte der erſte Vor- ſitzende der bayeriſchen Organiſation, Studienrat Schwerd, die Forderungen der katholiſchen Elternvereinigungen hinſichtlich der Lehrerbil- dung heraus. Die Organiſation ſteht auf dem Standpunkt, daß die Ausbildung der Lehrer für die katholiſchen Schulen an konfeſſionellen Lehrerbildungsanſtalten erfolgen muß. Die Kon- feſſionalität der Lehrerbildung ſei die Konſequenz der Konfeſſionsſchule. In Bayern ſei die Frage leider noch nicht entſchieden trotz der Feſtlegun- gen des Konkordats. Was Preußen gekonnt habe, müſſe auch in Bayern möglich ſein. Auch Kardinal Faulhaber, der mit Nun- tius Vaſallo di Torregroſſa und mehreren Mit- gliedern des ehemaligen Königshauſes, ferner mit Vertretern des Landtags und der Stadt der Kundgebung anwohnte, nahm das Wort. Er hob, wie der Redner des Abends, das Vertrauen in die Schule und in die Erziehungsperſönlich- keiten als Grundvorausſetzung hervor. Die Autorität des Lehrers ſolle nicht zerſtört wer- den, aber auf der anderen Seite dürfte die katholiſche Schule keine Scheinkonfeſſionsſchule ſein, ſondern ſie könne nur von katholiſchen Lehrerperſönlichkeiten betreut werden. Wer ſich nicht damit zurechtfinden wolle, der ſei nicht zum katholiſchen Lehrer berufen und es ſtehe ihm frei, irgendeinen anderen Beruf zu wählen. Der heutige Abend ſolle keine Fanfare gegen den Staat ſein, er ſei überzeugt, daß der bayeriſche Staat, wenn er auch mit der Lehrerbildungs- ordnung ſpät komme, doch die beſte Geſetzgebung nach dieſer Richtung ſchaffen werde. Der Gedanke des Staatsmonopols ſtecke noch überall in den Köpfen, aber wenn der Staat die Kinder in Schulen zwingen wolle, die die katho- liſchen Eltern nicht wollen, dann wäre es denk- bar, daß, wie in Holland, die Katholiken, ſtatt Schulſteuern an den Staat zu zahlen, ihre eigenen freien Schulen errichten. Am 16. Januar findet die Schuleinſchreibung ſtatt und es iſt erklärlich, daß die Anhänger der katholiſchen Bekenntnisſchule alle Mittel der Propaganda für ihre Sache und gegen die ver- haßte Simultanſchule einſetzen. Die geſtrige Kundgebung im Odeon ließ keinen Zweifel, wie weit die Ambition der katholiſchen Kirche in bezug auf Beherrſchung der Schule geht. In der richtigen Erkenntnis, daß die Lehrer- bildungsfrage der Kern der Schulfrage iſt, for- dert man die Ausbildung konfeſſioneller Lehrer an konfeſſionellen Anſtalten. (Natürlich unter geiſtlicher Leitung.) Wenn mit ſo ausgebildeten Lehrkräften dann noch die doch immerhin auch geſetzlich zugelaſſenen Simultanſchulen beſetzt werden, kann man ſich ohne viel Phantaſie die Folgen ausmalen. Die Kirche verzichtet auf nichts, was ſie ein- mal in der Hand gehabt hat. Wir haben hier in Bayern geſehen, wie ſie es verſtanden hat, nach über hundert Jahren die Verluſte aus der Säkulariſierung wieder wettzumachen Die Worte, die Kardinal Faulhaber geſtern ſprach, zeigen, daß auch der Gedanke an die Be- herrſchung der Schule nur des günſtigen Augen- blicks zur Verwirklichung harrt. Dieſer Augen- blick ſcheint ihm nunmehr gekommen zu ſein; hält er es doch für an der Zeit, ſeiner Ueber- zeugung, daß der bayeriſche Staat die beſte (!) Geſetzgebung in bezug auf die Lehrerblidung ſchaffen werde, durch die verklauſulierte Drohung Nachdruck zu verleihen, wenn es nicht nach den Wünſchen der katholiſchen Eltern ginge, wäre es denkbar, daß die Schulſteuer verweigert und freie Schulen vernichtet würden. Wäre das in Bayern wirklich denkbar? So- lange noch die bayeriſche Lehrerſchaft, die am beſten weiß, worum es geht, ſich mit allen Kräften gegen die ihr zugedachte Ausbildung wehrt, und ſolange noch der Gedanke des Staats- monopols, der zum Leidweſen des Herrn Kar- dinals noch überall in den Köpfen ſteckt, ſeine Lebenskraft behält, ſollte es möglich ſein, die Schule, das höchſte deutſche Kulturgut, vor ein- ſeitiger konfeſſionell-kirchlicher Beherrſchung mit allen zur Genüge bekannten Folgen zu be- wahren. K. Die Verschwörung in China Hintergründe der Hinrichtungen in Mukden Was wurde den beiden Generälen vorgeworfen Schanghai, 13. Januar. Der Reuterkorreſpondent in Mukden er- klärt aus zuverläſſiger Quelle, daß die Er- ſchießung der Generäle Yangyuting und Tſchangyinhuai am Freitag morgen er- _ e, nachdem ein fünfſtündiges Verfah- ren vor einem beſonderen Militärgericht vorangegangen war. Die Anklage warf den Verurteillen Inſubordination, Verſchwö- rung zum Sturz der Regierung und grobe Veruntreuung von öffentlichen Geldern vor. In Peking herrſcht nach wie vor völlige Ruhe. Haras berichtet aus Tokio, man meldet aus Mukden, daß nach der Hinrichtung von Yangyuting und Tſchangyinhuai bei Haus- ſuchungen, die in den Wohnungen der Hin- gerichteten vorgenommen wurden, Doku- menke zutage gefördert worden ſeien, aus denen ſich ergebe, daß ſie gegen Marſchall Tſchanhſuchliang im Komplott geweſen ſeien. Insgeſamt hätten ſie 20 000 Ge- wehre in dem Arſenal von Muk- den herſtellen laſſen. Hankau, 13. Januar. Die Japaner haben einen Stacheldraht- verhau längs der Straße errichtet, die das japaniſche Konzeſſionsgebiet von der Ein- geborenenſtadt trennt. Die chineſiſche Pa- trouillentätigkeit außerhalb des japaniſchen Konzeſſionsgebietes dauert unverändert an, aber nur Chineſen werden angehalten, wäh- rend die Japaner ausnahmslos unbehelligt bleiben. [Abbildung Hilferding überreicht ſein Steuerbukett Reichsfinanzminiſter Hilferding hat am 14. Januar dem Reichskabinett den Haushalts plan für 1929/1930 vorgelegt, in dem Erhöhungen der Bierſteuer, des Branntweinmono- pols, der Vermögensſteuer und der Erbſchaftsſteuer vorgeſehen ſind.] Diktatur auf Abruf Jugoſlawiens Militärregime als Vorreiter wahrer Demokratie!! Erklärungen des Miniſterpräſidenten vor der Auslandspreſſe Belgrad, 13. Januar. Miniſterpräſident General Zivkowitſch gab heute vor den Vertretern der Auslands- preſſe eine Erklärung über die Ziele der Regierung ab, in der er zunächſt das durch die königlichen Kundgebungen bereits be- kannte Programm innerpolitiſcher Refor- men entwickelte und dann fortfuhr: Es iſt nicht zweifelhaft und geht klar aus der Proklamation des Königs hervor, daß unſere Aufgabe zeitlich begrenzt iſt, denn ſobald dieſes grundlegende Pro- gramm zur Durchführung gebracht ſein wird, wird die kgl. Regierung das Studium und die Durchführung von Maßnahmen in Angriff nehmen, die den Eintritt in ein ge- ſundes, demokratiſches moraliſch ausgegliche- nes und gänzlich konſtitutionelles Staats- leben erlauben. Ich wünſche zu unterſtrei- chen, daß die Arbeit der kgl. Regierung eine Arbeit der Vorbereitung iſt, und ich lege Wert darauf, mit aller Schärfe alle über angebliche verborgene Ziele der Re- gierungspolitik in Umlauf geſetzten Gerüchte zu dementieren. Ebenſo iſt es notwendig, ganz beſonders zu unterſtreichen, daß auf dem Gebiet der auswärtigen Politik die kgl. Regierung nichts anderes tun wird, als mit allen Kräften die bisher gemachten Bemühungen zur aufrichtigen Aufrechterhal- tung und Förderung beſter Beziehungen mit allen Ländern, insbeſondere aber mit den Nachbarländern fortzuſetzen. Trotzdem Aengſtlichkeit Verſchärfte Zenſurmaßnahmen Belgrad, 13. Januar. Die Belgrader Regierung hat heute die Staatsanwaltſchaften in einer neuen Ver- ordnung angewieſen, die Vorzenſur der Blätter mit größter Umſicht durchzuführen. Dieſe neue Verord- nung machte ſich in den Abendſtunden be- reits fühlbar und die Staatsanwaltſchaften haben ſämtlichen Redaktionen die Weiſung erteilt, die Zenſurexemplare ſchon in den ſpäten Nachmittagsſtunden vorzulegen. Gleichzeitig haben die Redaktionen der Zei- tungen eine mündliche Verſtändigung erhal- ten, ſtets in genügender Menge ſtehenden Satz zur Verfügung zu halten, um die ge- ſtrichenen Teile aus dieſem Satz ergänzen zu können, da es verboten iſt, mit weißen Flecken zu erſcheinen. Es wurde ferner un- terſagt, über das Eintreten der verſchärften Zenſur zu berichten. Wiederzuſammentritt des Reichstags am 24. Januar? Wie das Nachrichtenbüro des Vereins Deutſcher Zeitungsverleger erfährt, gedenkt Reichstagspräſident Löbe dem Aelteſtenrat den 24. Januar als Termin für den Wie- derbeginn der Arbeiten des Reichstags- plenums vorzuſchlagen. Ob dieſer Termin feſtgehalten werden kann, hängt allerdings noch von der Erle- digung der Vorlage über die Warteſtands- bezüge der Beamten im Reichsrat ab. Vor dem Ende der franzöſiſchen Geſandtſchaft in München Schluß mit aller Illuſion München, 13. Januar. Dem Landesdienſt des Süddeutſchen Kor- reſpondenz-Büros wird aus Paris gedrah- tet: Das „Echo de Paris“ beſchäftigt ſich an- läßlich des im Strafrechtsausſchuß des Reichstages gefaßten Beſchluſſes, den Schutz des Reiches nur den beim Reich akkreditier- ten diplomatiſchen Vertretern zuzuerkennen mit gewiſſen Illuſionen, denen man ſich frü- her in Frankreich hingegeben und auf die in den letzten Debatten in der franzöſiſchen Kammer wiederholt hingewieſen worden war. Der franzöſiſche Geſandte in München iſt, ſo ſchreibt das Blatt, der letzte Zeuge der Illuſionen, die in Frankreich während der Friedensverhandlungen und in den darauffolgenden Jahren herrſchten. Was Bayern anbetrifft, ſind unwahrſchein- liche Pläne geſchmiedet worden, denen auch die Herrſchaft Kurt Eisners und der dauer- hafte Triumph der entſchloſſenen Nationa- liſten kein Ende bereiteten. Aber der lie- benswürdige deutſche Partikularismus von ehemals iſt ſeit 1866, wenigſtens aber ſeit der Schaffung des neuen induſtriellen Deutſchland, tot. Wieviel Zeit war jedoch notwendig, um jenen Partikularismus aus der Vorſtellung der Franzoſen auszuſchal- ten. Vergeblich hat der __ Geſandte in München Dard geſchrieben: Irrt euch nicht! Der deutſche Patriotismus trotzt wie der franzöſiſche jedem Spaltungs- verſuch. Frankreich hat trotz dieſer Warnung ſeine imaginären Verhandlungen weiter- verfolgt. Dieſer beharrliche Irrtum hat dazu beige- tragen, die Ruhrbeſetzung von ihrem Ziel abzudrängen. Zum Schluſſe ſchreibt das Blatt: der jetzige franzöſiſche Geſandte in München d’Ormeſſon ſtelle nur einen Schatten dar, den man durch einen Konſul erſetzen werde, ſobald man die Mittel gefunden habe, den Schein zu wahren. Wenn man ſich gegen Deutſchland ſchützen wolle, könnten dabei die Erinnerungen aus den Archiven Frankreichs nichts nützen. Die amerikaniſchen Reparations- ſachverſtändigen Waſhington, 13. Januar. Owen Young und Pierpont Morgan, ſowie als Erſatzmann Per- kins ſind zu Sachverſtändigen für die Re- parationskonferenz ernannt worden.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 14. Januar 1929, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1929/2>, abgerufen am 21.11.2024.