Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 12. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
Regierung bezüglich der Besteuerung von Mobiliarwerthen verworfen. Es bleiben Deutsches Reich. München, 10 Jan. Nächsten Freitag ist "schon wieder" Sitzung Stuttgart, 10 Jan. Bei der in Geißlingen an Stelle Römers vor- Berlin, 9 Jan. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Hauses [Spaltenumbruch]
Regierung bezüglich der Beſteuerung von Mobiliarwerthen verworfen. Es bleiben Deutſches Reich. ∆ München, 10 Jan. Nächſten Freitag iſt „ſchon wieder“ Sitzung Stuttgart, 10 Jan. Bei der in Geißlingen an Stelle Römers vor- Berlin, 9 Jan. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Hauſes <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="163"/><cb/> Regierung bezüglich der Beſteuerung von Mobiliarwerthen verworfen. Es bleiben<lb/> daher nur noch einzelne Amendements über dieſen Gegenſtand zu prüfen. <hi rendition="#g">Buffet:</hi><lb/> Die Commiſſion darf keine rein negative Rolle ſpielen. Sie hat ihren Geſetzentwurf<lb/> zurückgezogen weil ein Votum der Kammer jede Einkommenſteuer überhaupt als will-<lb/> kürlich verurtheilte, und es bleibt daher nichts übrig als uns zunächſt ausſchließlich mit<lb/> der Regierungsvorlage zu beſchäftigen. Die Kammer entſcheidet ſich für die Priorität<lb/> der Regierungsvorlage. <hi rendition="#g">Wolowski</hi> bekämpft die Beſteuerung von Actien und Obli-<lb/> gationen als eine Capitalſteuer. <hi rendition="#g">Guichard</hi> iſt im Gegentheil dafür; er will die Taxe<lb/> auf die Handelseinkünfte ausgedehnt wiſſen, um ſo wenigſtens 80 Millionen zu erhalten.<lb/><hi rendition="#g">Javal</hi> dagegen, weil die Vorlage den großen Capitaliſten ſteuerfrei laſſe. <hi rendition="#g">Raudot</hi><lb/> dafür: denn der Ackerbau ſei ſchon zu ſehr belaſtet. <hi rendition="#g">Soubeyran</hi> glaubt daß die<lb/> Vorlage die Capitalien aus Frankreich verjagen werde, und zwar zum Vortheil Preußens<lb/> (Lärm), welches verſuche in Berlin einen großen Geldmarkt zu errichten. Damit könne<lb/> man weder dem Ackerbau helfen noch die Kriegsſchuld bezahlen. Die Kammer habe von<lb/> der allgemeinen Einkommenſteuer nichts wiſſen wollen, ſie habe ebenſo wenig die ein-<lb/> geſchränktere Beſteuerung der Commiſſionsvorlage gebilligt; das dritte Project aber,<lb/> das vorliegende der Regierung, ſei das allerſchlechteſte. (Beifall und Lärm.) <hi rendition="#g">Rouveure:</hi><lb/> Die Regierung jagt uns in eine Sackgaſſe, in der wir nach Verwerfung aller Steuer-<lb/> vorlagen uns, des Krieges müde, gezwungen ſehen werden die Steuer auf die Gewebe<lb/> und Rohſtoffe anzunehmen. Ich empfehle die Wiederaufnahme der Salzſteuer. Ich<lb/> bin vielleicht von allen Vertretern Frankreichs derjenige welcher am meiſten Salz ver-<lb/> braucht. Für die wohlhabenden Claſſen brauchen wir eine Einkommenſteuer, für die<lb/> andern eine Salzſteuer. Man braucht deßhalb die Beamtenzahl nicht zu vermehren,<lb/> von der der Finanzminiſter neulich behauptete ſie ſei ſchon übergroß. So etwas nimmt<lb/> ſich gut aus im Mund eines Miniſters. (Heiterkeit.) Eine Vermehrung der Beamten<lb/> iſt nicht nöthig. Die Einkommenſteuer iſt die Steuer der Zukunft; deßhalb muß gerade<lb/> die conſervative Partei ſie ſofort in Anwendung bringen. (Beifall links.) Eine Revo-<lb/> lution wird ſie unter dem Vorwande der Gerechtigkeit ohne Zögern einführen. (Lärm<lb/> rechts. Sehr gut! links.) Im ſocialen Intereſſe beſchwöre ich die Kammer dieſen Vor-<lb/> ſchlag anzunehmen. Die Engländer, in ähnlicher Lage, legten ſich nicht 2 oder 3 Procent,<lb/> ſondern 10 Procent auf, und ſie bezahlten murrend, denn man murrt immer wenn man<lb/> bezahlt (Gelächter); aber ſie haben bezahlt. <hi rendition="#g">Der Präſident der Republik:</hi> Der<lb/> Vorredner hat der Regierung vorgeworfen ſie wolle die Kammer in eine Sackgaſſe trei-<lb/> ben, um ſie zu zwingen die Steuer auf die Gewebe anzunehmen. Man könnte das<lb/> Argument umdrehen, und behaupten daß die Freunde der Einkommenſteuer ihre Gegner<lb/> in eine Sackgaſſe drängen möchten. Die Wahrheit iſt daß dieſe Kammer, der nicht<lb/> genug Freundlichkeiten zu ſagen man mich zuweilen beſchuldigt (Heiterkeit), eine ehrbare,<lb/> aufrichtige Verſammlung iſt, die wie die Regierung mühſam den Weg ſucht der aus<lb/> den Schwierigkeiten der Lage hinausführt. Die Einkommenſteuer beſteht in Frankreich<lb/> ſchon auf andern Grundlagen, heute möchte man die Willkür noch dazu fügen; aber die<lb/> Kammer erklärte ſich gegen die Willkür, denn ſie wäre ein Inſtrument der Unterdrückung<lb/> in den Händen der Regierungsgewalt. (Beifall.) Man hat geſagt daß die Steuer auf<lb/> die Mobiliarwerthe dem franzöſiſchen Markt ſchaden würde. Das iſt leider wahr<lb/> (Bewegung); aber was thun? Wir haben freilich die Steuer auf die Rohſtoffe. (Stim-<lb/> men: Aha, da kommt er!) Nun wohl ja, da kommt er! (Lärm und Gelächter.) Es<lb/> iſt nicht unſere Schuld wenn wir uns in dieſer Lage befinden. (Lärm.) Ich greife die<lb/> Vergangenheit nicht an; es gibt vielleicht Perſonen die ihr nachweinen. Das ſind<lb/> Geſchmackſachen. (Oh! Oh!) Nun, da ſollte man doch der Regierung nicht die Fehler<lb/> anderer aufbürden. (Lärm.) Es bleibt uns daher nur die Steuer auf die Rohſtoffe<lb/> oder ein Zuſchlagszehntel auf die vier directen Steuern. Gibt es noch etwas anderes?<lb/> (Ja wohl! — Lärm.) M. HH.! Wenn ich eine Frage an Sie richte, ſo bitte ich Sie,<lb/> mir nicht zu antworten. (Verlängerte Heiterkeit.) Was mich betrifft, ſo liebe ich über-<lb/> haupt keine neuen Steuern; aber wir bedürfen ihrer, und ich ſehe nur dieſe beiden. Ich<lb/> ſchlage daher vor ſofort die Discuſſion des Haupttheils der Einnahmen vorzunehmen<lb/> deren wir bedürfen. Berathen wir alſo zuerſt die Steuer über die Rohſtoffe oder aber<lb/> den Zehnten; gleichzeitig jedoch das Quantum welches uns unerläßlich iſt. Wenn Sie<lb/> von dieſen Vorlagen keine einzige angenommen haben, dann können wir auf die wirklich<lb/> ſchädlichen Abgaben zurückgreifen: auf die Beſteuerung der Mobiliarwerthe und auf die<lb/> Salzſteuer. Wir dürfen kein Syſtem ausſchließlich begünſtigen, und müſſen uns<lb/> reſigniren alle nothwendigen Abgaben zu votiren. (Sehr gut!) Gehen wir daher zu<lb/> den Rohſtoffen und zum Zehnten über; ich werde verſuchen Ihnen für dieſe beiden<lb/> großen Syſteme die annehmbarſten oder doch die am wenigſten verwerflichen Löſungen<lb/> vorzuſchlagen. (Sehr gut!) Die Kammer beſchließt jede Entſcheidung zu vertagen,<lb/> bis eine Generaldiscuſſion aller Syſteme ſtattgefunden habe, die in folgender Ordnung<lb/> vorgenommen werden ſoll: Mobiliarwerthe, Quantum, Rohſtoffe. Damit ſchließt die<lb/> Sitzung.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>∆ <hi rendition="#b">München,</hi> 10 Jan.</dateline> <p>Nächſten Freitag iſt „ſchon wieder“ Sitzung<lb/> der Kammer der Abgeordneten, nachdem die Volksvertretung erſt vorige Woche ein<lb/> paar Berathungen gepflogen hat, und dabei ſo umfaſſend zu Werke gieng, daß gelegent-<lb/> lich eines Remunerationsvorſchlags für Locomotivführer und Wechſelwärter auch<lb/> Bluntſchli’s Wirken einer ſachgemäßen Kritik unterzogen und die Exiſtenzberechtigung<lb/> des Jeſuitenordens ſchlagend bewieſen wurde. Mehr kann der Staat für das was<lb/> er bezahlt nicht verlangen. Uebrigens iſt nicht nur das Kühlmann’ſche Referat<lb/> über die „Nachweiſungen,“ ſondern auch der generoſe Vorſchlag: dem Perſonal der<lb/> Verkehrsanſtalten für die Aufreibung ſeiner Kräfte während der Kriegszeit eine<lb/> Erkenntlichkeit zukommen zu laſſen, an den Ausſchuß zurückgegangen. Ob, wenn<lb/> ſich Regierung und Ausſchuß über den Vertheilungsmodus nicht einigen können,<lb/> das Ganze ins Waſſer fällt, oder ob aus Humanitätsrückſichten der eine oder der<lb/> andere Theil nachgibt, das werden diejenigen welche mit Schmerzen warten ſeiner<lb/> Zeit ſchon ſehen. Wird ja auch einem Biſchof, und wenn er noch ſo dringende<lb/> Beſchwerden hat, nicht gleich aufgewartet. Dem Minderheitsgutachten in Sachen<lb/> Dinkel <hi rendition="#aq">contra</hi> Miniſterium ſetzt der Mehrheitsreferent eine Replik entgegen, was<lb/> natürlich auch Hrn. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Völk das Recht zu einer Duplik gibt, ſo daß niemand weiß<lb/> wann wir am Ende der Druckkoſten ſtehen. Adreſſe an den König, Mißtrauens-<lb/> votum, Miniſteranklage und dergleichen kühne Unternehmungen hatte die „Poſtztg.“<lb/> mit Generalſtabsmiene als nicht zum Ziel führend zurückgewieſen, und erklärt:<lb/> beim Initiativ-Antrag und in der Biſchofsdebatte laſſe ſich „alles, aber auch gar<lb/> alles ſagen.“ Nun, als die Unterſtützung des Barth-Schüttinger’ſchen Werkes zur<lb/> Debatte kam, war verwünſcht wenig zu hören; wahrſcheinlich bekommen wir bei<lb/> Berathung des Antrages ſelbſt „alles,“ und wenn erſt der würdige Conflicts-<lb/> Referent Hauck die Tribüne einnimmt, dann „gar alles“ zu hören. Gleichſam zur<lb/> Vorbereitung und als parlamentariſches Cxercitium hält Pfr. Rußwurm am nächſten<lb/><cb/> Freitag nach Verleſung des Protokolls und des Einlaufs eine feierliche Interpellation<lb/> an das Miniſterium für Kirchen- und Schulangelegenheiten, betreffend das „Vor-<lb/> gehen“ der Regierung der Oberpfalz und des Magiſtrats Amberg beim Begräbniß<lb/> des Melbers Zunner. Wenn Schiller heute wieder aufſtünde, müßte er ſeinem<lb/> Lied von der Glocke um jeden Preis noch eine Strophe anfügen; es iſt nun ſchon<lb/> der zweite oder dritte Fall daß Kirchenglocken, welche einen todten Proteſtanten<lb/> oder Altkatholiken noch todter ſchweigen wollten, von Amtswegen die Zunge gelöst<lb/> wurde. Wenn übrigens den Altkatholiken mit der Zeit vom kirchlichen Baarvorrath<lb/> nicht mehr zugeſprochen wird als etwas Glockenklang, ſo brauchten ſich die im<lb/> Beſitzſtand Befindlichen nicht gar ſo zu ereifern.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Stuttgart,</hi> 10 Jan.</dateline> <p>Bei der in Geißlingen an Stelle Römers vor-<lb/> genommenen Ergänzangswahl zur Abgeordnetenkammer ſiegte der klerikale Can-<lb/> didat, Kreisgerichtsrath Hohl, mit einer ſehr geringen Mehrheit über den national-<lb/> liberalen Candidaten Kreisgerichtsrath Gaupp. Die Gültigkeit der Wahl wird,<lb/> nach einer Mittheilung des „Schwäb. Merk.,“ angefochten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 9 Jan.</dateline> <p>Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des <hi rendition="#g">Hauſes<lb/> der Abgeordneten</hi> ſtand zunächſt der Bericht der Budgetcommiſſion über den Ge-<lb/> ſetzentwurf betreffend die Ueberweiſung einer Summe von 142,000 Thlrn. jährlich und<lb/> eines Capitals von 46,380 Thlrn. an den communalſtändiſchen Verband des Regie-<lb/> rungsbezirks <hi rendition="#g">Wiesbaden.</hi> Da der Entwurf von mehreren Seiten bekämpft wird, ſo<lb/> erklärt der <hi rendition="#g">Miniſter des Innern:</hi> Es iſt irrig zu glauben man habe die Provin-<lb/> cialfonds den neuen Provinzen nur als Pflaſter auf die Wunde gegeben. Dieſer Ge-<lb/> danke war auch mitbeſtimmend, hauptſächlich aber gieng man von dem Grundgedanken<lb/> aus: mit der Zuwendung der als zweckmäßig erachteten Provincialfonds bei den neuen<lb/> Provinzen anzufangen. Der Entwurf iſt kein „Mittelchen,“ und die Regierung kann ſich<lb/> nicht auf den Standpunkt ſtellen Naſſau ſchlechter zu ſtellen als die andern neuen Landes-<lb/> theile, weil es auch ohne Geld ſich Preußen eng angeſchloſſen hat. Die Regierung hat<lb/> bisher jede Gelegenheit benutzt durch die That ihren guten Willen darzuthun den neuen<lb/> Provinzen Mittel zu überweiſen unter dem Titel von Provincialfonds. Augenblicklich<lb/> kann der Staat den Provinzen nicht überall ſolche Fonds zur Selbſtverwaltung geben;<lb/> das wird aber geſchehen ſobald Frankreich die volle Kriegsentſchädigung gezahlt hat;<lb/> ſei es daß man den Provinzen Fonds oder Renten oder Steuerquoten zuweist. Wirkt<lb/> dieſe Erklärung beruhigend, ſo würde ich darüber ſehr erfreut ſein, denn ich halte den<lb/> Geſetzentwurf für eine nothwendige Conſequenz derjenigen Schritte welche wir in Bezug<lb/> auf Heſſen und Hannover eingeſchlagen haben. Das Geſetz wird angenommen. Das<lb/> Haus fährt in der Discuſſion über den <hi rendition="#g">Etat des Miniſteriums des Innern</hi><lb/> fort. Es findet zunächſt eine allgemeine Beſprechung ſtatt über die Ausgaben für die<lb/><hi rendition="#g">Polizeiverwaltung.</hi> Abg. <hi rendition="#g">Reichenſperger</hi> bringt auch dieſes Jahr den Aus-<lb/> nahmszuſtand zur Sprache in dem ſich elf Städte befinden auf Grund des Polizei-<lb/> geſetzes von 1850, daß eine Stadt über 10,000 Einwohner <hi rendition="#g">königliche</hi> Polizeiver-<lb/> waltung erhalten ſollte, wofür der Staat die Gehalte zahlt, und zwar ſehr hohe Sum-<lb/> men, 1,530,000 Thlr. anſtatt der 30,000 Thlr. welche bei Erlaß jenes Geſetzes als<lb/> ausreichend angenommen worden waren, weil man damals dem Geſetz eine ganz andere<lb/> Abſicht und Tragweite zu Grunde gelegt hatte. Darum ſeien im Hauſe ſchon 1869<lb/> Anträge geſtellt worden die Beſoldungen von Polizeipräſidenten in einigen Städten<lb/> als „künftig wegfallend“ zu bezeichnen. Dieſe Anträge habe das Haus verworfen, da-<lb/> gegen eine Reſolution angenommen die auf möglichſte Einſchränkung der Polizeiver-<lb/> waltungen in den Städten Königsberg, Stettin, Danzig, Magdeburg, Köln, Koblenz,<lb/> Aachen gerichtet iſt. Dieſe Anträge ſeien dieſes Jahr wiederholt, und man verlange die<lb/> Bezeichnung „künftig wegfallend“ für die Beſoldung der Polizeipräſidenten und Direc-<lb/> toren in Danzig, Stettin, Köln mit Deutz und Aachen. Der Vorſchlag der Abgg.<lb/> Hehner und Vogtherr auch Frankfurt a. M. dieſen Städten anzureihen, ſei nicht<lb/> empfehlenswerth. Man habe das conſtitutionelle Bedenken erhoben: das Abgeordneten-<lb/> haus habe gar nicht das Recht an Poſitionen die auf Grund von Geſetzen im Etat aus-<lb/> geworfen ſind zu rütteln; dieſes Bedenken entbehre jeder Grundlage. Man wolle ja die<lb/> Gehalte fortzahlen und nur künftig wegfallen laſſen. Um aus dem jetzigen Zuſtande<lb/> herauszukommen müſſe das Abgeordnetenhaus die Initiative ergreifen. Abg. <hi rendition="#g">Wagener</hi><lb/> (Franzburg) theilt die angeregten conſtitutionellen Bedenken nicht, aber er meint das<lb/> Haus ſei nicht in der Lage der Regierung den Vorwurf zu machen daß ſie von dem<lb/> Recht der Umwandlung von Communalpolizeiverwaltungen in königliche einen über-<lb/> triebenen Gebrauch gemacht, und Wünſche welche das Haus ausgeſprochen unberück-<lb/> ſichtigt gelaſſen habe, denn das Haus habe Anträge auf Auflöſung von Polizeiverwal-<lb/> tungen nicht geſtellt. <hi rendition="#g">Miniſter des Innern:</hi> Der Abg. Reichenſperger ſtellt die<lb/> Theorie von der Autonomie der Städte auf, und ſieht in jeder königlichen Polizeiver-<lb/> waltung ein Unrecht. Das iſt falſch: der Staat übt die Polizei und kann ſie in manchen<lb/> Städten den Communen übergeben, wie er befugt iſt unter gewiſſen Verhältniſſen in<lb/> gewiſſen Städten eine königliche Polizeiverwaltung einzurichten. Die Polizeiverwaltung<lb/> hat eben keinen localen Charakter; ſie geht weit über die Gränzen des Weichbildes hin-<lb/> aus. Damit wird der Bürgermeiſter zu ſehr mit Geſchäften überhäuft; übt derſelbe die<lb/> Polizei energiſch aus, ſo ſetzt er ſich auch mit der halben Stadt in Conflict. Die meiſten<lb/> Communen würden es als ein Danaer-Geſchenk anſehen wenn man ihnen die Polizei<lb/> überließe. In Betreff der Städte in denen die Aufhebung der königlichen Polizeiver-<lb/> waltung verlangt wird, haben ſich alle Ober- und Regierungspräſidenten entſchieden<lb/> gegen dieſe Beſeitigung ausgeſprochen. Nirgends ſei eine königliche Polizeiverwaltung<lb/> nothwendiger, heißt es in den Berichten, als in Köln und Aachen. Dieſe Verwaltungen<lb/> ſollen ſo eingehen, wo es die Verhältniſſe zulaſſen. Augenblicklich muß das Auge der<lb/> Regierung bei der ſocialen Bewegung ſehr offen gehalten werden, und dazu bedarf es<lb/> einer kräftigen Polizei. Abg. <hi rendition="#g">Löwe</hi> führt aus daß die Gemeinden das größte Intereſſe<lb/> daran haben die Polizei gut zu führen, und daß der Miniſter nicht von Conflicten der<lb/> Bürgermeiſter zu ſprechen habe, ſondern daß er die höhern Intereſſen des Staats nach-<lb/> weiſe. Da liege der Kern: für die Regierung ſei die Hauptſache die politiſche Polizei,<lb/> die Herrſchaft über das Volk und doch — wäre die ſociale Bewegung von den Gemein-<lb/> den überwacht worden, ſie hätte dieſe Bedeutung, dieſe Gefährlichkeit nicht erlangt;<lb/> man glaubte in jenen Kreiſen gewiſſe Organe ſtützten den Kampf gegen die Bourgeoiſie.<lb/> Wenn der Miniſter ſagt: er bedürfe eines Netzes über das ganze Land, deſſen Fäden<lb/> er gleichzeitig anziehen könne, ſo vergeſſe er daß das Netz doch ſehr durchbrochen ſei,<lb/> daß alſo ſeine Einrichtung keine vollkommene, keine einheitliche ſein könne. Zuzugeſtehen<lb/> ſei daß in jeder Stadt geprüft werden müſſe ob dort für den Staat beſondere Verhält-<lb/> niſſe beſtehen welche die königliche Polizeiverwaltung zur Nothwendigkeit machen. Abg.<lb/><hi rendition="#g">Reichenſperger-Olpe</hi> widerlegt die Ausführung des Miniſters: der Landtag ſei<lb/> nicht befugt, nachdem er einmal durch Bewilligung der nothwendigen Mittel im Etats-<lb/> geſetze die Errichtung königlicher Polizeiverwaltungen auch ſeinerſeits gebilligt habe,<lb/> einſeitig dieſelben durch plötzliche Verweigerung der Gelder aufzuheben; die Regierung<lb/> halte ſich doch zu ſolchen einſeitigen Aenderungen competent, indem ſie ſich berechtigt<lb/> glaube durch einfache Nichtaufnahme der Koſten in den Etat, wogegen der Landtag gänz-<lb/> lich waffenlos ſei, die Beſeitigung beſtehender Polizeiverwaltungen herbeizuführen; alſo<lb/> habe der Landtag das Recht dasſelbe mittelſt Streichung der Koſten zu thun. Der An-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [163/0003]
Regierung bezüglich der Beſteuerung von Mobiliarwerthen verworfen. Es bleiben
daher nur noch einzelne Amendements über dieſen Gegenſtand zu prüfen. Buffet:
Die Commiſſion darf keine rein negative Rolle ſpielen. Sie hat ihren Geſetzentwurf
zurückgezogen weil ein Votum der Kammer jede Einkommenſteuer überhaupt als will-
kürlich verurtheilte, und es bleibt daher nichts übrig als uns zunächſt ausſchließlich mit
der Regierungsvorlage zu beſchäftigen. Die Kammer entſcheidet ſich für die Priorität
der Regierungsvorlage. Wolowski bekämpft die Beſteuerung von Actien und Obli-
gationen als eine Capitalſteuer. Guichard iſt im Gegentheil dafür; er will die Taxe
auf die Handelseinkünfte ausgedehnt wiſſen, um ſo wenigſtens 80 Millionen zu erhalten.
Javal dagegen, weil die Vorlage den großen Capitaliſten ſteuerfrei laſſe. Raudot
dafür: denn der Ackerbau ſei ſchon zu ſehr belaſtet. Soubeyran glaubt daß die
Vorlage die Capitalien aus Frankreich verjagen werde, und zwar zum Vortheil Preußens
(Lärm), welches verſuche in Berlin einen großen Geldmarkt zu errichten. Damit könne
man weder dem Ackerbau helfen noch die Kriegsſchuld bezahlen. Die Kammer habe von
der allgemeinen Einkommenſteuer nichts wiſſen wollen, ſie habe ebenſo wenig die ein-
geſchränktere Beſteuerung der Commiſſionsvorlage gebilligt; das dritte Project aber,
das vorliegende der Regierung, ſei das allerſchlechteſte. (Beifall und Lärm.) Rouveure:
Die Regierung jagt uns in eine Sackgaſſe, in der wir nach Verwerfung aller Steuer-
vorlagen uns, des Krieges müde, gezwungen ſehen werden die Steuer auf die Gewebe
und Rohſtoffe anzunehmen. Ich empfehle die Wiederaufnahme der Salzſteuer. Ich
bin vielleicht von allen Vertretern Frankreichs derjenige welcher am meiſten Salz ver-
braucht. Für die wohlhabenden Claſſen brauchen wir eine Einkommenſteuer, für die
andern eine Salzſteuer. Man braucht deßhalb die Beamtenzahl nicht zu vermehren,
von der der Finanzminiſter neulich behauptete ſie ſei ſchon übergroß. So etwas nimmt
ſich gut aus im Mund eines Miniſters. (Heiterkeit.) Eine Vermehrung der Beamten
iſt nicht nöthig. Die Einkommenſteuer iſt die Steuer der Zukunft; deßhalb muß gerade
die conſervative Partei ſie ſofort in Anwendung bringen. (Beifall links.) Eine Revo-
lution wird ſie unter dem Vorwande der Gerechtigkeit ohne Zögern einführen. (Lärm
rechts. Sehr gut! links.) Im ſocialen Intereſſe beſchwöre ich die Kammer dieſen Vor-
ſchlag anzunehmen. Die Engländer, in ähnlicher Lage, legten ſich nicht 2 oder 3 Procent,
ſondern 10 Procent auf, und ſie bezahlten murrend, denn man murrt immer wenn man
bezahlt (Gelächter); aber ſie haben bezahlt. Der Präſident der Republik: Der
Vorredner hat der Regierung vorgeworfen ſie wolle die Kammer in eine Sackgaſſe trei-
ben, um ſie zu zwingen die Steuer auf die Gewebe anzunehmen. Man könnte das
Argument umdrehen, und behaupten daß die Freunde der Einkommenſteuer ihre Gegner
in eine Sackgaſſe drängen möchten. Die Wahrheit iſt daß dieſe Kammer, der nicht
genug Freundlichkeiten zu ſagen man mich zuweilen beſchuldigt (Heiterkeit), eine ehrbare,
aufrichtige Verſammlung iſt, die wie die Regierung mühſam den Weg ſucht der aus
den Schwierigkeiten der Lage hinausführt. Die Einkommenſteuer beſteht in Frankreich
ſchon auf andern Grundlagen, heute möchte man die Willkür noch dazu fügen; aber die
Kammer erklärte ſich gegen die Willkür, denn ſie wäre ein Inſtrument der Unterdrückung
in den Händen der Regierungsgewalt. (Beifall.) Man hat geſagt daß die Steuer auf
die Mobiliarwerthe dem franzöſiſchen Markt ſchaden würde. Das iſt leider wahr
(Bewegung); aber was thun? Wir haben freilich die Steuer auf die Rohſtoffe. (Stim-
men: Aha, da kommt er!) Nun wohl ja, da kommt er! (Lärm und Gelächter.) Es
iſt nicht unſere Schuld wenn wir uns in dieſer Lage befinden. (Lärm.) Ich greife die
Vergangenheit nicht an; es gibt vielleicht Perſonen die ihr nachweinen. Das ſind
Geſchmackſachen. (Oh! Oh!) Nun, da ſollte man doch der Regierung nicht die Fehler
anderer aufbürden. (Lärm.) Es bleibt uns daher nur die Steuer auf die Rohſtoffe
oder ein Zuſchlagszehntel auf die vier directen Steuern. Gibt es noch etwas anderes?
(Ja wohl! — Lärm.) M. HH.! Wenn ich eine Frage an Sie richte, ſo bitte ich Sie,
mir nicht zu antworten. (Verlängerte Heiterkeit.) Was mich betrifft, ſo liebe ich über-
haupt keine neuen Steuern; aber wir bedürfen ihrer, und ich ſehe nur dieſe beiden. Ich
ſchlage daher vor ſofort die Discuſſion des Haupttheils der Einnahmen vorzunehmen
deren wir bedürfen. Berathen wir alſo zuerſt die Steuer über die Rohſtoffe oder aber
den Zehnten; gleichzeitig jedoch das Quantum welches uns unerläßlich iſt. Wenn Sie
von dieſen Vorlagen keine einzige angenommen haben, dann können wir auf die wirklich
ſchädlichen Abgaben zurückgreifen: auf die Beſteuerung der Mobiliarwerthe und auf die
Salzſteuer. Wir dürfen kein Syſtem ausſchließlich begünſtigen, und müſſen uns
reſigniren alle nothwendigen Abgaben zu votiren. (Sehr gut!) Gehen wir daher zu
den Rohſtoffen und zum Zehnten über; ich werde verſuchen Ihnen für dieſe beiden
großen Syſteme die annehmbarſten oder doch die am wenigſten verwerflichen Löſungen
vorzuſchlagen. (Sehr gut!) Die Kammer beſchließt jede Entſcheidung zu vertagen,
bis eine Generaldiscuſſion aller Syſteme ſtattgefunden habe, die in folgender Ordnung
vorgenommen werden ſoll: Mobiliarwerthe, Quantum, Rohſtoffe. Damit ſchließt die
Sitzung.
Deutſches Reich.
∆ München, 10 Jan. Nächſten Freitag iſt „ſchon wieder“ Sitzung
der Kammer der Abgeordneten, nachdem die Volksvertretung erſt vorige Woche ein
paar Berathungen gepflogen hat, und dabei ſo umfaſſend zu Werke gieng, daß gelegent-
lich eines Remunerationsvorſchlags für Locomotivführer und Wechſelwärter auch
Bluntſchli’s Wirken einer ſachgemäßen Kritik unterzogen und die Exiſtenzberechtigung
des Jeſuitenordens ſchlagend bewieſen wurde. Mehr kann der Staat für das was
er bezahlt nicht verlangen. Uebrigens iſt nicht nur das Kühlmann’ſche Referat
über die „Nachweiſungen,“ ſondern auch der generoſe Vorſchlag: dem Perſonal der
Verkehrsanſtalten für die Aufreibung ſeiner Kräfte während der Kriegszeit eine
Erkenntlichkeit zukommen zu laſſen, an den Ausſchuß zurückgegangen. Ob, wenn
ſich Regierung und Ausſchuß über den Vertheilungsmodus nicht einigen können,
das Ganze ins Waſſer fällt, oder ob aus Humanitätsrückſichten der eine oder der
andere Theil nachgibt, das werden diejenigen welche mit Schmerzen warten ſeiner
Zeit ſchon ſehen. Wird ja auch einem Biſchof, und wenn er noch ſo dringende
Beſchwerden hat, nicht gleich aufgewartet. Dem Minderheitsgutachten in Sachen
Dinkel contra Miniſterium ſetzt der Mehrheitsreferent eine Replik entgegen, was
natürlich auch Hrn. Dr. Völk das Recht zu einer Duplik gibt, ſo daß niemand weiß
wann wir am Ende der Druckkoſten ſtehen. Adreſſe an den König, Mißtrauens-
votum, Miniſteranklage und dergleichen kühne Unternehmungen hatte die „Poſtztg.“
mit Generalſtabsmiene als nicht zum Ziel führend zurückgewieſen, und erklärt:
beim Initiativ-Antrag und in der Biſchofsdebatte laſſe ſich „alles, aber auch gar
alles ſagen.“ Nun, als die Unterſtützung des Barth-Schüttinger’ſchen Werkes zur
Debatte kam, war verwünſcht wenig zu hören; wahrſcheinlich bekommen wir bei
Berathung des Antrages ſelbſt „alles,“ und wenn erſt der würdige Conflicts-
Referent Hauck die Tribüne einnimmt, dann „gar alles“ zu hören. Gleichſam zur
Vorbereitung und als parlamentariſches Cxercitium hält Pfr. Rußwurm am nächſten
Freitag nach Verleſung des Protokolls und des Einlaufs eine feierliche Interpellation
an das Miniſterium für Kirchen- und Schulangelegenheiten, betreffend das „Vor-
gehen“ der Regierung der Oberpfalz und des Magiſtrats Amberg beim Begräbniß
des Melbers Zunner. Wenn Schiller heute wieder aufſtünde, müßte er ſeinem
Lied von der Glocke um jeden Preis noch eine Strophe anfügen; es iſt nun ſchon
der zweite oder dritte Fall daß Kirchenglocken, welche einen todten Proteſtanten
oder Altkatholiken noch todter ſchweigen wollten, von Amtswegen die Zunge gelöst
wurde. Wenn übrigens den Altkatholiken mit der Zeit vom kirchlichen Baarvorrath
nicht mehr zugeſprochen wird als etwas Glockenklang, ſo brauchten ſich die im
Beſitzſtand Befindlichen nicht gar ſo zu ereifern.
Stuttgart, 10 Jan. Bei der in Geißlingen an Stelle Römers vor-
genommenen Ergänzangswahl zur Abgeordnetenkammer ſiegte der klerikale Can-
didat, Kreisgerichtsrath Hohl, mit einer ſehr geringen Mehrheit über den national-
liberalen Candidaten Kreisgerichtsrath Gaupp. Die Gültigkeit der Wahl wird,
nach einer Mittheilung des „Schwäb. Merk.,“ angefochten.
Berlin, 9 Jan. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Hauſes
der Abgeordneten ſtand zunächſt der Bericht der Budgetcommiſſion über den Ge-
ſetzentwurf betreffend die Ueberweiſung einer Summe von 142,000 Thlrn. jährlich und
eines Capitals von 46,380 Thlrn. an den communalſtändiſchen Verband des Regie-
rungsbezirks Wiesbaden. Da der Entwurf von mehreren Seiten bekämpft wird, ſo
erklärt der Miniſter des Innern: Es iſt irrig zu glauben man habe die Provin-
cialfonds den neuen Provinzen nur als Pflaſter auf die Wunde gegeben. Dieſer Ge-
danke war auch mitbeſtimmend, hauptſächlich aber gieng man von dem Grundgedanken
aus: mit der Zuwendung der als zweckmäßig erachteten Provincialfonds bei den neuen
Provinzen anzufangen. Der Entwurf iſt kein „Mittelchen,“ und die Regierung kann ſich
nicht auf den Standpunkt ſtellen Naſſau ſchlechter zu ſtellen als die andern neuen Landes-
theile, weil es auch ohne Geld ſich Preußen eng angeſchloſſen hat. Die Regierung hat
bisher jede Gelegenheit benutzt durch die That ihren guten Willen darzuthun den neuen
Provinzen Mittel zu überweiſen unter dem Titel von Provincialfonds. Augenblicklich
kann der Staat den Provinzen nicht überall ſolche Fonds zur Selbſtverwaltung geben;
das wird aber geſchehen ſobald Frankreich die volle Kriegsentſchädigung gezahlt hat;
ſei es daß man den Provinzen Fonds oder Renten oder Steuerquoten zuweist. Wirkt
dieſe Erklärung beruhigend, ſo würde ich darüber ſehr erfreut ſein, denn ich halte den
Geſetzentwurf für eine nothwendige Conſequenz derjenigen Schritte welche wir in Bezug
auf Heſſen und Hannover eingeſchlagen haben. Das Geſetz wird angenommen. Das
Haus fährt in der Discuſſion über den Etat des Miniſteriums des Innern
fort. Es findet zunächſt eine allgemeine Beſprechung ſtatt über die Ausgaben für die
Polizeiverwaltung. Abg. Reichenſperger bringt auch dieſes Jahr den Aus-
nahmszuſtand zur Sprache in dem ſich elf Städte befinden auf Grund des Polizei-
geſetzes von 1850, daß eine Stadt über 10,000 Einwohner königliche Polizeiver-
waltung erhalten ſollte, wofür der Staat die Gehalte zahlt, und zwar ſehr hohe Sum-
men, 1,530,000 Thlr. anſtatt der 30,000 Thlr. welche bei Erlaß jenes Geſetzes als
ausreichend angenommen worden waren, weil man damals dem Geſetz eine ganz andere
Abſicht und Tragweite zu Grunde gelegt hatte. Darum ſeien im Hauſe ſchon 1869
Anträge geſtellt worden die Beſoldungen von Polizeipräſidenten in einigen Städten
als „künftig wegfallend“ zu bezeichnen. Dieſe Anträge habe das Haus verworfen, da-
gegen eine Reſolution angenommen die auf möglichſte Einſchränkung der Polizeiver-
waltungen in den Städten Königsberg, Stettin, Danzig, Magdeburg, Köln, Koblenz,
Aachen gerichtet iſt. Dieſe Anträge ſeien dieſes Jahr wiederholt, und man verlange die
Bezeichnung „künftig wegfallend“ für die Beſoldung der Polizeipräſidenten und Direc-
toren in Danzig, Stettin, Köln mit Deutz und Aachen. Der Vorſchlag der Abgg.
Hehner und Vogtherr auch Frankfurt a. M. dieſen Städten anzureihen, ſei nicht
empfehlenswerth. Man habe das conſtitutionelle Bedenken erhoben: das Abgeordneten-
haus habe gar nicht das Recht an Poſitionen die auf Grund von Geſetzen im Etat aus-
geworfen ſind zu rütteln; dieſes Bedenken entbehre jeder Grundlage. Man wolle ja die
Gehalte fortzahlen und nur künftig wegfallen laſſen. Um aus dem jetzigen Zuſtande
herauszukommen müſſe das Abgeordnetenhaus die Initiative ergreifen. Abg. Wagener
(Franzburg) theilt die angeregten conſtitutionellen Bedenken nicht, aber er meint das
Haus ſei nicht in der Lage der Regierung den Vorwurf zu machen daß ſie von dem
Recht der Umwandlung von Communalpolizeiverwaltungen in königliche einen über-
triebenen Gebrauch gemacht, und Wünſche welche das Haus ausgeſprochen unberück-
ſichtigt gelaſſen habe, denn das Haus habe Anträge auf Auflöſung von Polizeiverwal-
tungen nicht geſtellt. Miniſter des Innern: Der Abg. Reichenſperger ſtellt die
Theorie von der Autonomie der Städte auf, und ſieht in jeder königlichen Polizeiver-
waltung ein Unrecht. Das iſt falſch: der Staat übt die Polizei und kann ſie in manchen
Städten den Communen übergeben, wie er befugt iſt unter gewiſſen Verhältniſſen in
gewiſſen Städten eine königliche Polizeiverwaltung einzurichten. Die Polizeiverwaltung
hat eben keinen localen Charakter; ſie geht weit über die Gränzen des Weichbildes hin-
aus. Damit wird der Bürgermeiſter zu ſehr mit Geſchäften überhäuft; übt derſelbe die
Polizei energiſch aus, ſo ſetzt er ſich auch mit der halben Stadt in Conflict. Die meiſten
Communen würden es als ein Danaer-Geſchenk anſehen wenn man ihnen die Polizei
überließe. In Betreff der Städte in denen die Aufhebung der königlichen Polizeiver-
waltung verlangt wird, haben ſich alle Ober- und Regierungspräſidenten entſchieden
gegen dieſe Beſeitigung ausgeſprochen. Nirgends ſei eine königliche Polizeiverwaltung
nothwendiger, heißt es in den Berichten, als in Köln und Aachen. Dieſe Verwaltungen
ſollen ſo eingehen, wo es die Verhältniſſe zulaſſen. Augenblicklich muß das Auge der
Regierung bei der ſocialen Bewegung ſehr offen gehalten werden, und dazu bedarf es
einer kräftigen Polizei. Abg. Löwe führt aus daß die Gemeinden das größte Intereſſe
daran haben die Polizei gut zu führen, und daß der Miniſter nicht von Conflicten der
Bürgermeiſter zu ſprechen habe, ſondern daß er die höhern Intereſſen des Staats nach-
weiſe. Da liege der Kern: für die Regierung ſei die Hauptſache die politiſche Polizei,
die Herrſchaft über das Volk und doch — wäre die ſociale Bewegung von den Gemein-
den überwacht worden, ſie hätte dieſe Bedeutung, dieſe Gefährlichkeit nicht erlangt;
man glaubte in jenen Kreiſen gewiſſe Organe ſtützten den Kampf gegen die Bourgeoiſie.
Wenn der Miniſter ſagt: er bedürfe eines Netzes über das ganze Land, deſſen Fäden
er gleichzeitig anziehen könne, ſo vergeſſe er daß das Netz doch ſehr durchbrochen ſei,
daß alſo ſeine Einrichtung keine vollkommene, keine einheitliche ſein könne. Zuzugeſtehen
ſei daß in jeder Stadt geprüft werden müſſe ob dort für den Staat beſondere Verhält-
niſſe beſtehen welche die königliche Polizeiverwaltung zur Nothwendigkeit machen. Abg.
Reichenſperger-Olpe widerlegt die Ausführung des Miniſters: der Landtag ſei
nicht befugt, nachdem er einmal durch Bewilligung der nothwendigen Mittel im Etats-
geſetze die Errichtung königlicher Polizeiverwaltungen auch ſeinerſeits gebilligt habe,
einſeitig dieſelben durch plötzliche Verweigerung der Gelder aufzuheben; die Regierung
halte ſich doch zu ſolchen einſeitigen Aenderungen competent, indem ſie ſich berechtigt
glaube durch einfache Nichtaufnahme der Koſten in den Etat, wogegen der Landtag gänz-
lich waffenlos ſei, die Beſeitigung beſtehender Polizeiverwaltungen herbeizuführen; alſo
habe der Landtag das Recht dasſelbe mittelſt Streichung der Koſten zu thun. Der An-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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