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Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 12. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] trag der Commissarien: "Die Gehalte für die Dirigenten der königlichen Polizeiver-
waltungen in den Städten Danzig, Stettin, Köln, Magdeburg und Aachen in die
Colonne ""künftig wegfallend"" zu setzen," wird dann auch angenommen, und
die Regierung aufgefordert auf die möglichste Einschränkung der königlichen Polizei-
verwaltungen in diesen Städten und in Königsberg i. Pr. Bedacht zu nehmen.
Mit der angegebenen Maßgabe werden die Etatsposten für die Localpolizeiverwaltungen
in den Provinzen bewilligt, und es geschieht schließlich dasselbe auch mit dem Etat des
Polizeipräsidiums zu Berlin. Die Abgg. Dr. Eberty und Virchow bringen
hier zu sehr ungünstiger Stunde (nach 4 Uhr) noch die vielfachen Beschwerden über die
Mängel der hiesigen Polizei zur Sprache. Während ersterer mehr die gefährdete öffent-
liche Sicherheit, die Sittenpolizei und die Gesundheitspolizei ins Auge faßt, erörtert
Abg. Dr. Virchow eingehend das nachgerade zu einer öffentlichen Calamität gewordene
Verhältniß der hiesigen königl. Polizei zur städtischen Behörde, und bringt dabei nach
einander die Straßenpflasterung, die Verfügung über die Straßen durch Concessionen
namentlich zu Pferde-Eisenbahnen, das Privilegium der Litfaß-Säulen und das der eng-
lischen Wasserwerke zur Sprache. In Bezug auf letzteres theilt er aus dem Protokoll der
Generalversammlung der englischen Actionäre den Beschluß derselben mit: einen Theil
der bei Erweiterung der Werke neu zu emittirenden Actien zu reserviren, "um officielle
Personen in Berlin für das Unternehmen zu interessiren," und deducirt daraus daß ein
gewisses Mißtrauen der Berliner Bevölkerung gegen die Integrität der Polizei berech-
tigt sei. Der Minister des Innern gibt das letztere höchstens gegenüber den Nacht-
wächtern zu, welche so schlecht besoldet seien, daß man allenfalls glauben könnte sie seien
bestrebt auch auf unerlaubtem Weg ihre Einnahmen zu vermehren; im übrigen nimmt
er die Polizeiverwaltung in Schutz, wenn er auch nicht behaupten will daß dieselbe stets
die rechte Form gegenüber den Stadtbehörden beobachtet habe. Er sucht die Virchow'-
schen Vorwürfe im einzelnen zu widerlegen, und macht dabei einige Mittheilungen die
allerdings überraschen werden: so daß er, der Minister, die vom Polizeipräsidenten mit
Hrn. Litfaß vereinbarte Verlängerung dessen Säulen-Privilegiums als ungesetzlich für
null und nichtig erklärt hat, und daß die für die Pferde-Eisenbahnen ertheilte Concession
nur polizeiliche Wirkung habe, zu ihrer sonstigen Durchführung aber erheische daß die
Unternehmer sich noch erst mit der Commune und den sonstigen Eigenthümern des
Straßenbodens, auf welchem die Einrichtung hergestellt werden soll, über die Bedin-
gungen einigten. Die Abgg. Virchow und Eberty resumirten ihre Ausführungen in
dem Antrage: die Regierung aufzufordern "sich wegen Uebertragung einzelner Zweige
der Polizeiverwaltung der Stadt Berlin an die Commune mit dem Magistrat zu Berlin
ins Einvernehmen zu setzen," und diesen Antrag nahm das Haus an. Damit schloß die
Sitzung nach 5 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, Vormittags 11 Uhr. Tagesordnung:
Schluß über die geschäftliche Behandlung der Kreisordnung und Fortsetzung der Budget-
berathung.

Es ist bekannt daß die Ausrüstung des Evolu-
tionsgeschwaders mit großer Lebhaftigkeit betrieben ward, auch nachdem die ent-
gegenkommenden Erklärungen der brasilischen Regierung hinsichtlich der unlieb-
samen Vorfälle mit Rio de Janeiro die Aussicht auf einen Conflict glücklich besei-
tigt war. Es war offenbar die Absicht in den transatlantischen Gewässern, na-
mentlich auch wohl in Ostasien, durch das Erscheinen eines imposanten Geschwa-
ders der neuen Größe des Deutschen Reiches für Freund und Feind einen hand-
greiflichen Ausdruck zu geben, und zu dem Ende scheute man sich nicht die von den
erst vor kurzem entlassenen Reserven der Flotten-Stamm-Division Mannschaften
wieder einzuberufen. Plötzlich heißt es nun: die ganze Expedition sei aufgegeben
und die Einberufenen würden demnächst nach Hause gehen können. Was der
eigentliche Grund dieser unvermutheten Wendung sein kann, ist noch nicht klar, da
der Reichstag die nöthigen außerordentlichen Mittel für die Expedition um so
leichter bewilligt haben würde, als sie das Marine-Ordinarium keineswegs über-
mäßig vergrößert hätten. Auch ist kaum anzunehmen daß Furcht vor etwai-
gen neuen Verwicklungen mit Frankreich das Motiv sei, denn eventuell würde
das Geschwader sich doch immer in einen sichern neutralen Hafen zurückziehen kön-
nen, während wir zu Hause mit oder ohne dasselbe doch wesentlich auf die Küsten-
vertheidigung, einer Flotte wie der französischen gegenüber, angewiesen sind. Wie
dem indeß auch sei, sicher ist daß man der Entwicklung der französischen Verhält-
nisse hier mit aufmerksamer Sorge zusieht. Der Neujahrswunsch des Grafen
Arnim war unzweifelhaft aufrichtig gemeint, denn die Fortdauer und Befestigung
des Thiers'schen Regiments ist für Deutschland verhältnißmäßig das günstigste,
zumal da Pouyer-Quertier die ehrliche Absicht hat Frankreichs finanziellen Ver-
pflichtungen nachzukommen; mag auch gerade der Präsident mit den gesteigerten
Ausgaben für Heer und Flotte das Revanche-Fieber nähren, so hat er doch wenig-
stens so viel staatsmännischen Sinn um die Verkehrtheit der Einführung der all-
gemeinen Dienstpflicht in Frankreich, zumal mit einer fünfjährigen Dienstzeit, ein-
zusehen, weil die erstere nur bei ausgebildetem Sinne der Mittelclassen für Self-
government durchführbar, welcher unsern Nachbarn fehlt, und weil eine auf dieser
Grundlage organisirte Armee mit fünfjähriger Dienstzeit einen Kostenaufwand
erfordern würde der die Kräfte Frankreichs weit übersteigen müßte. Auch ist
Thiers doch zu sehr Staatsmann, um den Gedanken zu hegen daß Frankreich
schon in nächster Zukunft, und ohne Allianzen, daran denken könnte wieder einen
Kampf mit Deutschland zu wagen. Anders freilich würden sich die Sachen stellen
wenn Thiers' Regiment gestürzt und sein Nachfolger getrieben würde eine
Diversion nach außen zu suchen, um sich zu halten. Indeß für sehr drohend ver-
mag ich doch auch in diesem Falle die Gefährdung des Friedens nicht zu halten.
Gambetta trägt unstreitig sehr dazu bei den Boden zu unterwühlen, und es jedem an-
dern Regiment schwer zu machen sich zu halten; aber die Aussicht ans Ruder zu kom-
men ist für ihn vorläufig noch gering. Die Monarchisten haben die ungeheure Mehr-
heit des Landes hinter sich, aber sie sind in drei Parteien gespalten. Die Legitimi-
sten haben durch Reichthum und Verbindungen bedeutende Macht, welche in der
bedeutenden Zahl ihrer Vertreter in der Nationalversammlung wie in den General-
räthen Ausdruck findet; auch hat sich der einzige bedeutendere General welchen der
Krieg hervorgebracht, Chanzy, zu ihnen geschlagen; aber der Eigensinn Chambords,
der an der unmöglichen weißen Fahne festhält und jede Fusion zurückweist, legt ihnen
eine nothgedrungene Enthaltsamkeit auf. Die Orleanisten ihrerseits sind, solange
die Fusion unmöglich, zu wenig zahlreich, um aus eigener Kraft nach der Staats-
gewalt zu greifen. Ich glaube nicht zu irren wenn ich annehme daß Thiers am
meisten die Bonapartisten fürchtet; dafür spricht schon die ängstliche Ueberwachung
derselben; ihr Anhang steigt in Paris, wo die Bourgeoisie aus Furcht vor der
Anarchie nach einer starken Regierung seufzt; auf dem Lande, wo der Bauer sich
[Spaltenumbruch] nach der Prosperität des Kaiserthums zurücksehnt; in der Armee, welche die Aus-
wetzung ihrer Scharten unter einem militärischen Regiment hofft; vor allem aber
im Klerus. Derselbe ist klug genug einzusehen daß die Legitimisten mit Chambords
Grundsätzen keine Aussicht haben wieder ans Ruder zu kommen, daß sie aber im
Falle der Fusion zu viel liberales Blut von den orleanistischen Elementen empfan-
gen würden um den Interessen des Ultramontanismus dienen zu können. Der
Bonapartismus dagegen würde, wie 1850, wesentlich darauf angewiesen sein sich
den Interessen des Klerus dienstbar zu zeigen, um so mehr als er in der Kaiserin,
die zunächst als Regentin in Frage käme, ein ebenso ergebenes als entschlossenes
Werkzeug finden würde. Es kann daher nicht überraschen wenn kürzlich einer der
französischen Kirchenfürsten gegen einen deutschen General äußerte: "C'est la
femme qu'il nous faut!"
Von der Realisirung keiner dieser Combinationen aber
läßt sich der Wahnsinn einen Krieg mit Deutschland vom Zaune zu brechen so leicht
erwarten. Frankreich kann nur auf einen Verbündeten der Zukunft hoffen, näm-
lich Rußland; nur wenn eine Verwicklung im Orient dieses bewegt die Initiative
zu ergreifen und Deutschland nöthigt Oesterreichs Partie zu nehmen, kann Frank-
reich hoffen uns mit Erfolg in den Rücken zu fallen. Aber zu solcher Verwicklung
ist augenblicklich noch nicht der leiseste Anlaß zu erspähen, und daß wir auch, wenn
sie einträte, ihr leicht die Spitze bieten würden, brauche ich nicht auszuführen.

In unsern conservativen Kreisen wächst die Unzu-
friedenheit über den Cultusminister v. Mühler. Zu den vielen Vorwürfen mit denen
dieser Minister von seinen alten politischen Freunden bereits überschüttet worden ist,
tritt jetzt auch der einer Rücksichtslosigkeit gegen den evangelischen Oberkirchenrath.
Diese Rücksichtslosigkeit findet man darin daß jene kirchliche Oberbehörde bei den
Vorberathungen über das Schulaufsichtsgesetz nicht hinzugezogen worden ist. Das
Factum ist allerdings unbestreitbar, und ebensowenig kann bestritten werden daß
der Oberkirchenrath selbst über diese Vernachlässigung Beschwerde erhoben hat.
Ohne Zweifel würde eine solche Beschwerde nicht geführt worden sein wenn nicht
der Oberkirchenrath sich dazu berechtigt hielte, und dieses Recht erblickt er in der
früher gehandhabten Praxis. Wenn diese Praxis jetzt eine Aenderung erfahren
hat, und diese Aenderung von der "N. A. Z." mit dem Bemerken begründet wird:
daß der evangelische Oberkirchenrath nur einen Theil der evangelischen Bevölkerung
in Preußen vertrete, und daß mit demselben Grunde nicht nur die katholischen
Bischöfe, sondern auch die durch den Oberkirchenrath nicht vertretenen Evange-
lischen ihre Zuratheziehung bei solchen und ähnlichen Vorlagen fordern könnten,
so ist das allerdings ein guter Grund, der aber freilich nicht recht zu den preußi-
schen Ueberlieferungen paßt. Lieber hätte man daher die volle Wahrheit offen
einräumen und zugestehen sollen: daß es der entschiedene Wille, wenn auch nicht
des Cultusministers, so doch des Ministerpräsidenten und des Gesammtministe-
riums ist auch auf diesem Gebiete mit den alten Traditionen Preußens von
Grund aus zu brechen. Mithin richten unsere Conservativen ihre Anklage an eine
ganz falsche Adresse, wenn sie für diese Neuerung durchaus den Hrn. v. Mühler
verantwortlich machen. Dieser ist nichts weiter als der Vollstrecker eines fremden
Willens. -- Heute hatte der neue russische Militärbevollmächtigte, Artilleriehaupt-
mann Daller, die erste Audienz beim Kaiser. Nachmittags stattete Fürst Bis-
marck dem Kronprinzen einen längern Besuch ab.

Oesterreichisch-ungarische Monarchie.

Am meisten von sich reden macht im
Augenblick die angebliche Spaltung innerhalb der deutschen Partei des Abgeord-
netenhauses, welche übrigens von den Betheiligten selbst aufs entschiedenste in Ab-
rede gestellt und "als muthwillige Combination" bezeichnet wird. Insbesondere
sei kein wahres Wort an dem was das "Wiener Tagbl." zu erzählen wisse: daß
nämlich ungefähr 40 zur Verfassungspartei zählende Abgeordnete, welche die gali-
zische Angelegenheit um jeden Preis zum Abschluß bringen wollen, sich mit dem
Gedanken tragen, falls nicht fünf ihrer Gesinnungsgenossen in den Vierundzwan-
ziger-Ausschuß für Behandlung der galizischen Resolution Aufnahme finden soll-
ten, mit den galizischen Abgeordneten sich zu verbinden. -- Die Adreß-Commission
des Herrenhauses, welche gestern ihre Berathung über den Auersperg'schen Ent-
wurf begonnen, dürfte dieselbe heute beenden. Die Discussion war, abweichend
von dem Verlauf in früheren Jahren, wie die "N. Fr. Pr." hört, ungleich leb-
hafter, und es scheint daß der Entwurf des Referenten in der Commission einige
nicht unwesentliche Aenderungen erfahren hat. Die föderalistisch gesinnten Com-
missionsmitglieder stellen keine Gegenanträge, sondern begnügen sich mit der Ab-
wehr der prononcirt verfassungstreuen und dem Ministerium vertrauensvoll zuge-
wendeten Ideen des Adreßentwurfs. Die Adreßdebatte im Herrenhause selbst
dürfte Mitte nächster Woche stattfinden, da das Abgeordnetenhaus dabei den Vor-
tritt haben soll, und in diesem zwar die Adresse auf der Tagesordnung der für
Samstag einberufenen Sitzung steht, indessen wohl erst am Montag zur Verhandlung
kommen und eine mehrtägige Debatte in Anspruch nehmen wird.

In den Gang der croatischen Verhandlungen scheint nun Deak mit eigener
Hand eingreifen zu wollen; er hatte gestern in Pest eine lange Conferenz mit dem
croatischen Minister und dem Ban. Zu gleicher Zeit fand ein Ministerrath in
derselben Angelegenheit statt, und man erwartet zwischen heut und morgen wichtige,
Croatien betreffende Entscheidungen. -- Die gestrige Sitzung des ungarischen
Abgeordnetenhauses wurde mit einer recht gemüthlichen Interpellation eröffnet.
Der vom Wiener Schützenfest 1868 her als "Volksredner" noch wohlbekannte
Johann Beße, welcher kürzlich zum Präsidenten des Finanzobergerichts ernannt
worden ist, soll bei der Ujhelyer Deputirtenwahl eine sonderbare Rolle gespielt
haben. Die Blätter der Linken erzählen nämlich: Beße sei bei der Bestechung
von Wählern auf der Straße ertappt und durchgebläut, im Schnee herumgewalkt
und nur auf sein Flehen durch einen Sicherheits-Commissär vor der Volkswuth
gerettet worden. Der Interpellant fragt nun: "ob der Justizminister eine strenge
Untersuchung anordnen und die Untersuchungsacten auf den Tisch des Hauses
niederlegen will."

Die gestern erwähnte Nachricht des "N. W. Tgbl." über die Ungültigkeits-
erklärung altkatholisch geschlossener Ehen in Oesterreich stellt sich, nach einer von
andern Wiener Blättern "sofort an maßgebender Stelle eingezogenen Erkundi-
gung," als eine Erfindung heraus.

Großbritannien.

* Die Genesung des Prinzen von Wales schreitet den Umständen gemäß
mit Stetigkeit weiter, so daß vor nächstem Sonnabend keine weiteren Bulletins

[Spaltenumbruch] trag der Commiſſarien: „Die Gehalte für die Dirigenten der königlichen Polizeiver-
waltungen in den Städten Danzig, Stettin, Köln, Magdeburg und Aachen in die
Colonne „„künftig wegfallend““ zu ſetzen,“ wird dann auch angenommen, und
die Regierung aufgefordert auf die möglichſte Einſchränkung der königlichen Polizei-
verwaltungen in dieſen Städten und in Königsberg i. Pr. Bedacht zu nehmen.
Mit der angegebenen Maßgabe werden die Etatspoſten für die Localpolizeiverwaltungen
in den Provinzen bewilligt, und es geſchieht ſchließlich dasſelbe auch mit dem Etat des
Polizeipräſidiums zu Berlin. Die Abgg. Dr. Eberty und Virchow bringen
hier zu ſehr ungünſtiger Stunde (nach 4 Uhr) noch die vielfachen Beſchwerden über die
Mängel der hieſigen Polizei zur Sprache. Während erſterer mehr die gefährdete öffent-
liche Sicherheit, die Sittenpolizei und die Geſundheitspolizei ins Auge faßt, erörtert
Abg. Dr. Virchow eingehend das nachgerade zu einer öffentlichen Calamität gewordene
Verhältniß der hieſigen königl. Polizei zur ſtädtiſchen Behörde, und bringt dabei nach
einander die Straßenpflaſterung, die Verfügung über die Straßen durch Conceſſionen
namentlich zu Pferde-Eiſenbahnen, das Privilegium der Litfaß-Säulen und das der eng-
liſchen Waſſerwerke zur Sprache. In Bezug auf letzteres theilt er aus dem Protokoll der
Generalverſammlung der engliſchen Actionäre den Beſchluß derſelben mit: einen Theil
der bei Erweiterung der Werke neu zu emittirenden Actien zu reſerviren, „um officielle
Perſonen in Berlin für das Unternehmen zu intereſſiren,“ und deducirt daraus daß ein
gewiſſes Mißtrauen der Berliner Bevölkerung gegen die Integrität der Polizei berech-
tigt ſei. Der Miniſter des Innern gibt das letztere höchſtens gegenüber den Nacht-
wächtern zu, welche ſo ſchlecht beſoldet ſeien, daß man allenfalls glauben könnte ſie ſeien
beſtrebt auch auf unerlaubtem Weg ihre Einnahmen zu vermehren; im übrigen nimmt
er die Polizeiverwaltung in Schutz, wenn er auch nicht behaupten will daß dieſelbe ſtets
die rechte Form gegenüber den Stadtbehörden beobachtet habe. Er ſucht die Virchow’-
ſchen Vorwürfe im einzelnen zu widerlegen, und macht dabei einige Mittheilungen die
allerdings überraſchen werden: ſo daß er, der Miniſter, die vom Polizeipräſidenten mit
Hrn. Litfaß vereinbarte Verlängerung deſſen Säulen-Privilegiums als ungeſetzlich für
null und nichtig erklärt hat, und daß die für die Pferde-Eiſenbahnen ertheilte Conceſſion
nur polizeiliche Wirkung habe, zu ihrer ſonſtigen Durchführung aber erheiſche daß die
Unternehmer ſich noch erſt mit der Commune und den ſonſtigen Eigenthümern des
Straßenbodens, auf welchem die Einrichtung hergeſtellt werden ſoll, über die Bedin-
gungen einigten. Die Abgg. Virchow und Eberty reſumirten ihre Ausführungen in
dem Antrage: die Regierung aufzufordern „ſich wegen Uebertragung einzelner Zweige
der Polizeiverwaltung der Stadt Berlin an die Commune mit dem Magiſtrat zu Berlin
ins Einvernehmen zu ſetzen,“ und dieſen Antrag nahm das Haus an. Damit ſchloß die
Sitzung nach 5 Uhr. Nächſte Sitzung Donnerſtag, Vormittags 11 Uhr. Tagesordnung:
Schluß über die geſchäftliche Behandlung der Kreisordnung und Fortſetzung der Budget-
berathung.

Es iſt bekannt daß die Ausrüſtung des Evolu-
tionsgeſchwaders mit großer Lebhaftigkeit betrieben ward, auch nachdem die ent-
gegenkommenden Erklärungen der braſiliſchen Regierung hinſichtlich der unlieb-
ſamen Vorfälle mit Rio de Janeiro die Ausſicht auf einen Conflict glücklich beſei-
tigt war. Es war offenbar die Abſicht in den transatlantiſchen Gewäſſern, na-
mentlich auch wohl in Oſtaſien, durch das Erſcheinen eines impoſanten Geſchwa-
ders der neuen Größe des Deutſchen Reiches für Freund und Feind einen hand-
greiflichen Ausdruck zu geben, und zu dem Ende ſcheute man ſich nicht die von den
erſt vor kurzem entlaſſenen Reſerven der Flotten-Stamm-Diviſion Mannſchaften
wieder einzuberufen. Plötzlich heißt es nun: die ganze Expedition ſei aufgegeben
und die Einberufenen würden demnächſt nach Hauſe gehen können. Was der
eigentliche Grund dieſer unvermutheten Wendung ſein kann, iſt noch nicht klar, da
der Reichstag die nöthigen außerordentlichen Mittel für die Expedition um ſo
leichter bewilligt haben würde, als ſie das Marine-Ordinarium keineswegs über-
mäßig vergrößert hätten. Auch iſt kaum anzunehmen daß Furcht vor etwai-
gen neuen Verwicklungen mit Frankreich das Motiv ſei, denn eventuell würde
das Geſchwader ſich doch immer in einen ſichern neutralen Hafen zurückziehen kön-
nen, während wir zu Hauſe mit oder ohne dasſelbe doch weſentlich auf die Küſten-
vertheidigung, einer Flotte wie der franzöſiſchen gegenüber, angewieſen ſind. Wie
dem indeß auch ſei, ſicher iſt daß man der Entwicklung der franzöſiſchen Verhält-
niſſe hier mit aufmerkſamer Sorge zuſieht. Der Neujahrswunſch des Grafen
Arnim war unzweifelhaft aufrichtig gemeint, denn die Fortdauer und Befeſtigung
des Thiers’ſchen Regiments iſt für Deutſchland verhältnißmäßig das günſtigſte,
zumal da Pouyer-Quertier die ehrliche Abſicht hat Frankreichs finanziellen Ver-
pflichtungen nachzukommen; mag auch gerade der Präſident mit den geſteigerten
Ausgaben für Heer und Flotte das Revanche-Fieber nähren, ſo hat er doch wenig-
ſtens ſo viel ſtaatsmänniſchen Sinn um die Verkehrtheit der Einführung der all-
gemeinen Dienſtpflicht in Frankreich, zumal mit einer fünfjährigen Dienſtzeit, ein-
zuſehen, weil die erſtere nur bei ausgebildetem Sinne der Mittelclaſſen für Self-
government durchführbar, welcher unſern Nachbarn fehlt, und weil eine auf dieſer
Grundlage organiſirte Armee mit fünfjähriger Dienſtzeit einen Koſtenaufwand
erfordern würde der die Kräfte Frankreichs weit überſteigen müßte. Auch iſt
Thiers doch zu ſehr Staatsmann, um den Gedanken zu hegen daß Frankreich
ſchon in nächſter Zukunft, und ohne Allianzen, daran denken könnte wieder einen
Kampf mit Deutſchland zu wagen. Anders freilich würden ſich die Sachen ſtellen
wenn Thiers’ Regiment geſtürzt und ſein Nachfolger getrieben würde eine
Diverſion nach außen zu ſuchen, um ſich zu halten. Indeß für ſehr drohend ver-
mag ich doch auch in dieſem Falle die Gefährdung des Friedens nicht zu halten.
Gambetta trägt unſtreitig ſehr dazu bei den Boden zu unterwühlen, und es jedem an-
dern Regiment ſchwer zu machen ſich zu halten; aber die Ausſicht ans Ruder zu kom-
men iſt für ihn vorläufig noch gering. Die Monarchiſten haben die ungeheure Mehr-
heit des Landes hinter ſich, aber ſie ſind in drei Parteien geſpalten. Die Legitimi-
ſten haben durch Reichthum und Verbindungen bedeutende Macht, welche in der
bedeutenden Zahl ihrer Vertreter in der Nationalverſammlung wie in den General-
räthen Ausdruck findet; auch hat ſich der einzige bedeutendere General welchen der
Krieg hervorgebracht, Chanzy, zu ihnen geſchlagen; aber der Eigenſinn Chambords,
der an der unmöglichen weißen Fahne feſthält und jede Fuſion zurückweist, legt ihnen
eine nothgedrungene Enthaltſamkeit auf. Die Orleaniſten ihrerſeits ſind, ſolange
die Fuſion unmöglich, zu wenig zahlreich, um aus eigener Kraft nach der Staats-
gewalt zu greifen. Ich glaube nicht zu irren wenn ich annehme daß Thiers am
meiſten die Bonapartiſten fürchtet; dafür ſpricht ſchon die ängſtliche Ueberwachung
derſelben; ihr Anhang ſteigt in Paris, wo die Bourgeoiſie aus Furcht vor der
Anarchie nach einer ſtarken Regierung ſeufzt; auf dem Lande, wo der Bauer ſich
[Spaltenumbruch] nach der Proſperität des Kaiſerthums zurückſehnt; in der Armee, welche die Aus-
wetzung ihrer Scharten unter einem militäriſchen Regiment hofft; vor allem aber
im Klerus. Derſelbe iſt klug genug einzuſehen daß die Legitimiſten mit Chambords
Grundſätzen keine Ausſicht haben wieder ans Ruder zu kommen, daß ſie aber im
Falle der Fuſion zu viel liberales Blut von den orleaniſtiſchen Elementen empfan-
gen würden um den Intereſſen des Ultramontanismus dienen zu können. Der
Bonapartismus dagegen würde, wie 1850, weſentlich darauf angewieſen ſein ſich
den Intereſſen des Klerus dienſtbar zu zeigen, um ſo mehr als er in der Kaiſerin,
die zunächſt als Regentin in Frage käme, ein ebenſo ergebenes als entſchloſſenes
Werkzeug finden würde. Es kann daher nicht überraſchen wenn kürzlich einer der
franzöſiſchen Kirchenfürſten gegen einen deutſchen General äußerte: „C’est la
femme qu’il nous faut!“
Von der Realiſirung keiner dieſer Combinationen aber
läßt ſich der Wahnſinn einen Krieg mit Deutſchland vom Zaune zu brechen ſo leicht
erwarten. Frankreich kann nur auf einen Verbündeten der Zukunft hoffen, näm-
lich Rußland; nur wenn eine Verwicklung im Orient dieſes bewegt die Initiative
zu ergreifen und Deutſchland nöthigt Oeſterreichs Partie zu nehmen, kann Frank-
reich hoffen uns mit Erfolg in den Rücken zu fallen. Aber zu ſolcher Verwicklung
iſt augenblicklich noch nicht der leiſeſte Anlaß zu erſpähen, und daß wir auch, wenn
ſie einträte, ihr leicht die Spitze bieten würden, brauche ich nicht auszuführen.

In unſern conſervativen Kreiſen wächst die Unzu-
friedenheit über den Cultusminiſter v. Mühler. Zu den vielen Vorwürfen mit denen
dieſer Miniſter von ſeinen alten politiſchen Freunden bereits überſchüttet worden iſt,
tritt jetzt auch der einer Rückſichtsloſigkeit gegen den evangeliſchen Oberkirchenrath.
Dieſe Rückſichtsloſigkeit findet man darin daß jene kirchliche Oberbehörde bei den
Vorberathungen über das Schulaufſichtsgeſetz nicht hinzugezogen worden iſt. Das
Factum iſt allerdings unbeſtreitbar, und ebenſowenig kann beſtritten werden daß
der Oberkirchenrath ſelbſt über dieſe Vernachläſſigung Beſchwerde erhoben hat.
Ohne Zweifel würde eine ſolche Beſchwerde nicht geführt worden ſein wenn nicht
der Oberkirchenrath ſich dazu berechtigt hielte, und dieſes Recht erblickt er in der
früher gehandhabten Praxis. Wenn dieſe Praxis jetzt eine Aenderung erfahren
hat, und dieſe Aenderung von der „N. A. Z.“ mit dem Bemerken begründet wird:
daß der evangeliſche Oberkirchenrath nur einen Theil der evangeliſchen Bevölkerung
in Preußen vertrete, und daß mit demſelben Grunde nicht nur die katholiſchen
Biſchöfe, ſondern auch die durch den Oberkirchenrath nicht vertretenen Evange-
liſchen ihre Zuratheziehung bei ſolchen und ähnlichen Vorlagen fordern könnten,
ſo iſt das allerdings ein guter Grund, der aber freilich nicht recht zu den preußi-
ſchen Ueberlieferungen paßt. Lieber hätte man daher die volle Wahrheit offen
einräumen und zugeſtehen ſollen: daß es der entſchiedene Wille, wenn auch nicht
des Cultusminiſters, ſo doch des Miniſterpräſidenten und des Geſammtminiſte-
riums iſt auch auf dieſem Gebiete mit den alten Traditionen Preußens von
Grund aus zu brechen. Mithin richten unſere Conſervativen ihre Anklage an eine
ganz falſche Adreſſe, wenn ſie für dieſe Neuerung durchaus den Hrn. v. Mühler
verantwortlich machen. Dieſer iſt nichts weiter als der Vollſtrecker eines fremden
Willens. — Heute hatte der neue ruſſiſche Militärbevollmächtigte, Artilleriehaupt-
mann Daller, die erſte Audienz beim Kaiſer. Nachmittags ſtattete Fürſt Bis-
marck dem Kronprinzen einen längern Beſuch ab.

Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.

Am meiſten von ſich reden macht im
Augenblick die angebliche Spaltung innerhalb der deutſchen Partei des Abgeord-
netenhauſes, welche übrigens von den Betheiligten ſelbſt aufs entſchiedenſte in Ab-
rede geſtellt und „als muthwillige Combination“ bezeichnet wird. Insbeſondere
ſei kein wahres Wort an dem was das „Wiener Tagbl.“ zu erzählen wiſſe: daß
nämlich ungefähr 40 zur Verfaſſungspartei zählende Abgeordnete, welche die gali-
ziſche Angelegenheit um jeden Preis zum Abſchluß bringen wollen, ſich mit dem
Gedanken tragen, falls nicht fünf ihrer Geſinnungsgenoſſen in den Vierundzwan-
ziger-Ausſchuß für Behandlung der galiziſchen Reſolution Aufnahme finden ſoll-
ten, mit den galiziſchen Abgeordneten ſich zu verbinden. — Die Adreß-Commiſſion
des Herrenhauſes, welche geſtern ihre Berathung über den Auersperg’ſchen Ent-
wurf begonnen, dürfte dieſelbe heute beenden. Die Discuſſion war, abweichend
von dem Verlauf in früheren Jahren, wie die „N. Fr. Pr.“ hört, ungleich leb-
hafter, und es ſcheint daß der Entwurf des Referenten in der Commiſſion einige
nicht unweſentliche Aenderungen erfahren hat. Die föderaliſtiſch geſinnten Com-
miſſionsmitglieder ſtellen keine Gegenanträge, ſondern begnügen ſich mit der Ab-
wehr der prononcirt verfaſſungstreuen und dem Miniſterium vertrauensvoll zuge-
wendeten Ideen des Adreßentwurfs. Die Adreßdebatte im Herrenhauſe ſelbſt
dürfte Mitte nächſter Woche ſtattfinden, da das Abgeordnetenhaus dabei den Vor-
tritt haben ſoll, und in dieſem zwar die Adreſſe auf der Tagesordnung der für
Samſtag einberufenen Sitzung ſteht, indeſſen wohl erſt am Montag zur Verhandlung
kommen und eine mehrtägige Debatte in Anſpruch nehmen wird.

In den Gang der croatiſchen Verhandlungen ſcheint nun Deak mit eigener
Hand eingreifen zu wollen; er hatte geſtern in Peſt eine lange Conferenz mit dem
croatiſchen Miniſter und dem Ban. Zu gleicher Zeit fand ein Miniſterrath in
derſelben Angelegenheit ſtatt, und man erwartet zwiſchen heut und morgen wichtige,
Croatien betreffende Entſcheidungen. — Die geſtrige Sitzung des ungariſchen
Abgeordnetenhauſes wurde mit einer recht gemüthlichen Interpellation eröffnet.
Der vom Wiener Schützenfeſt 1868 her als „Volksredner“ noch wohlbekannte
Johann Beſze, welcher kürzlich zum Präſidenten des Finanzobergerichts ernannt
worden iſt, ſoll bei der Ujhelyer Deputirtenwahl eine ſonderbare Rolle geſpielt
haben. Die Blätter der Linken erzählen nämlich: Beſze ſei bei der Beſtechung
von Wählern auf der Straße ertappt und durchgebläut, im Schnee herumgewalkt
und nur auf ſein Flehen durch einen Sicherheits-Commiſſär vor der Volkswuth
gerettet worden. Der Interpellant fragt nun: „ob der Juſtizminiſter eine ſtrenge
Unterſuchung anordnen und die Unterſuchungsacten auf den Tiſch des Hauſes
niederlegen will.“

Die geſtern erwähnte Nachricht des „N. W. Tgbl.“ über die Ungültigkeits-
erklärung altkatholiſch geſchloſſener Ehen in Oeſterreich ſtellt ſich, nach einer von
andern Wiener Blättern „ſofort an maßgebender Stelle eingezogenen Erkundi-
gung,“ als eine Erfindung heraus.

Großbritannien.

* Die Geneſung des Prinzen von Wales ſchreitet den Umſtänden gemäß
mit Stetigkeit weiter, ſo daß vor nächſtem Sonnabend keine weiteren Bulletins

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der bei Erweiterung der Werke neu zu emittirenden Actien zu re&#x017F;erviren, &#x201E;um officielle<lb/>
Per&#x017F;onen in Berlin für das Unternehmen zu intere&#x017F;&#x017F;iren,&#x201C; und deducirt daraus daß ein<lb/>
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be&#x017F;trebt auch auf unerlaubtem Weg ihre Einnahmen zu vermehren; im übrigen nimmt<lb/>
er die Polizeiverwaltung in Schutz, wenn er auch nicht behaupten will daß die&#x017F;elbe &#x017F;tets<lb/>
die rechte Form gegenüber den Stadtbehörden beobachtet habe. Er &#x017F;ucht die Virchow&#x2019;-<lb/>
&#x017F;chen Vorwürfe im einzelnen zu widerlegen, und macht dabei einige Mittheilungen die<lb/>
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Hrn. Litfaß vereinbarte Verlängerung de&#x017F;&#x017F;en Säulen-Privilegiums als unge&#x017F;etzlich für<lb/>
null und nichtig erklärt hat, und daß die für die Pferde-Ei&#x017F;enbahnen ertheilte Conce&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
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Unternehmer &#x017F;ich noch er&#x017F;t mit der Commune und den &#x017F;on&#x017F;tigen Eigenthümern des<lb/>
Straßenbodens, auf welchem die Einrichtung herge&#x017F;tellt werden &#x017F;oll, über die Bedin-<lb/>
gungen einigten. Die Abgg. Virchow und Eberty re&#x017F;umirten ihre Ausführungen in<lb/>
dem Antrage: die Regierung aufzufordern &#x201E;&#x017F;ich wegen Uebertragung einzelner Zweige<lb/>
der Polizeiverwaltung der Stadt Berlin an die Commune mit dem Magi&#x017F;trat zu Berlin<lb/>
ins Einvernehmen zu &#x017F;etzen,&#x201C; und die&#x017F;en Antrag nahm das Haus an. Damit &#x017F;chloß die<lb/>
Sitzung nach 5 Uhr. Näch&#x017F;te Sitzung Donner&#x017F;tag, Vormittags 11 Uhr. Tagesordnung:<lb/>
Schluß über die ge&#x017F;chäftliche Behandlung der Kreisordnung und Fort&#x017F;etzung der Budget-<lb/>
berathung.</p>
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&#x017F;amen Vorfälle mit Rio de Janeiro die Aus&#x017F;icht auf einen Conflict glücklich be&#x017F;ei-<lb/>
tigt war. Es war offenbar die Ab&#x017F;icht in den transatlanti&#x017F;chen Gewä&#x017F;&#x017F;ern, na-<lb/>
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greiflichen Ausdruck zu geben, und zu dem Ende &#x017F;cheute man &#x017F;ich nicht die von den<lb/>
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wieder einzuberufen. Plötzlich heißt es nun: die ganze Expedition &#x017F;ei aufgegeben<lb/>
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eigentliche Grund die&#x017F;er unvermutheten Wendung &#x017F;ein kann, i&#x017F;t noch nicht klar, da<lb/>
der Reichstag die nöthigen außerordentlichen Mittel für die Expedition um &#x017F;o<lb/>
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gen neuen Verwicklungen mit Frankreich das Motiv &#x017F;ei, denn eventuell würde<lb/>
das Ge&#x017F;chwader &#x017F;ich doch immer in einen &#x017F;ichern neutralen Hafen zurückziehen kön-<lb/>
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vertheidigung, einer Flotte wie der franzö&#x017F;i&#x017F;chen gegenüber, angewie&#x017F;en &#x017F;ind. Wie<lb/>
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Arnim war unzweifelhaft aufrichtig gemeint, denn die Fortdauer und Befe&#x017F;tigung<lb/>
des Thiers&#x2019;&#x017F;chen Regiments i&#x017F;t für Deut&#x017F;chland verhältnißmäßig das gün&#x017F;tig&#x017F;te,<lb/>
zumal da Pouyer-Quertier die ehrliche Ab&#x017F;icht hat Frankreichs finanziellen Ver-<lb/>
pflichtungen nachzukommen; mag auch gerade der Prä&#x017F;ident mit den ge&#x017F;teigerten<lb/>
Ausgaben für Heer und Flotte das Revanche-Fieber nähren, &#x017F;o hat er doch wenig-<lb/>
&#x017F;tens &#x017F;o viel &#x017F;taatsmänni&#x017F;chen Sinn um die Verkehrtheit der Einführung der all-<lb/>
gemeinen Dien&#x017F;tpflicht in Frankreich, zumal mit einer fünfjährigen Dien&#x017F;tzeit, ein-<lb/>
zu&#x017F;ehen, weil die er&#x017F;tere nur bei ausgebildetem Sinne der Mittelcla&#x017F;&#x017F;en für Self-<lb/>
government durchführbar, welcher un&#x017F;ern Nachbarn fehlt, und weil eine auf die&#x017F;er<lb/>
Grundlage organi&#x017F;irte Armee mit fünfjähriger Dien&#x017F;tzeit einen Ko&#x017F;tenaufwand<lb/>
erfordern würde der die Kräfte Frankreichs weit über&#x017F;teigen müßte. Auch i&#x017F;t<lb/>
Thiers doch zu &#x017F;ehr Staatsmann, um den Gedanken zu hegen daß Frankreich<lb/>
&#x017F;chon in näch&#x017F;ter Zukunft, und ohne Allianzen, daran denken könnte wieder einen<lb/>
Kampf mit Deut&#x017F;chland zu wagen. Anders freilich würden &#x017F;ich die Sachen &#x017F;tellen<lb/>
wenn Thiers&#x2019; Regiment ge&#x017F;türzt und &#x017F;ein Nachfolger getrieben würde eine<lb/>
Diver&#x017F;ion nach außen zu &#x017F;uchen, um &#x017F;ich zu halten. Indeß für &#x017F;ehr drohend ver-<lb/>
mag ich doch auch in die&#x017F;em Falle die Gefährdung des Friedens nicht zu halten.<lb/>
Gambetta trägt un&#x017F;treitig &#x017F;ehr dazu bei den Boden zu unterwühlen, und es jedem an-<lb/>
dern Regiment &#x017F;chwer zu machen &#x017F;ich zu halten; aber die Aus&#x017F;icht ans Ruder zu kom-<lb/>
men i&#x017F;t für ihn vorläufig noch gering. Die Monarchi&#x017F;ten haben die ungeheure Mehr-<lb/>
heit des Landes hinter &#x017F;ich, aber &#x017F;ie &#x017F;ind in drei Parteien ge&#x017F;palten. Die Legitimi-<lb/>
&#x017F;ten haben durch Reichthum und Verbindungen bedeutende Macht, welche in der<lb/>
bedeutenden Zahl ihrer Vertreter in der Nationalver&#x017F;ammlung wie in den General-<lb/>
räthen Ausdruck findet; auch hat &#x017F;ich der einzige bedeutendere General welchen der<lb/>
Krieg hervorgebracht, Chanzy, zu ihnen ge&#x017F;chlagen; aber der Eigen&#x017F;inn Chambords,<lb/>
der an der unmöglichen weißen Fahne fe&#x017F;thält und jede Fu&#x017F;ion zurückweist, legt ihnen<lb/>
eine nothgedrungene Enthalt&#x017F;amkeit auf. Die Orleani&#x017F;ten ihrer&#x017F;eits &#x017F;ind, &#x017F;olange<lb/>
die Fu&#x017F;ion unmöglich, zu wenig zahlreich, um aus eigener Kraft nach der Staats-<lb/>
gewalt zu greifen. Ich glaube nicht zu irren wenn ich annehme daß Thiers am<lb/>
mei&#x017F;ten die Bonaparti&#x017F;ten fürchtet; dafür &#x017F;pricht &#x017F;chon die äng&#x017F;tliche Ueberwachung<lb/>
der&#x017F;elben; ihr Anhang &#x017F;teigt in Paris, wo die Bourgeoi&#x017F;ie aus Furcht vor der<lb/>
Anarchie nach einer &#x017F;tarken Regierung &#x017F;eufzt; auf dem Lande, wo der Bauer &#x017F;ich<lb/><cb/>
nach der Pro&#x017F;perität des Kai&#x017F;erthums zurück&#x017F;ehnt; in der Armee, welche die Aus-<lb/>
wetzung ihrer Scharten unter einem militäri&#x017F;chen Regiment hofft; vor allem aber<lb/>
im Klerus. Der&#x017F;elbe i&#x017F;t klug genug einzu&#x017F;ehen daß die Legitimi&#x017F;ten mit Chambords<lb/>
Grund&#x017F;ätzen keine Aus&#x017F;icht haben wieder ans Ruder zu kommen, daß &#x017F;ie aber im<lb/>
Falle der Fu&#x017F;ion zu viel liberales Blut von den orleani&#x017F;ti&#x017F;chen Elementen empfan-<lb/>
gen würden um den Intere&#x017F;&#x017F;en des Ultramontanismus dienen zu können. Der<lb/>
Bonapartismus dagegen würde, wie 1850, we&#x017F;entlich darauf angewie&#x017F;en &#x017F;ein &#x017F;ich<lb/>
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Werkzeug finden würde. Es kann daher nicht überra&#x017F;chen wenn kürzlich einer der<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Kirchenfür&#x017F;ten gegen einen deut&#x017F;chen General äußerte: <hi rendition="#aq">&#x201E;C&#x2019;est la<lb/>
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läßt &#x017F;ich der Wahn&#x017F;inn einen Krieg mit Deut&#x017F;chland vom Zaune zu brechen &#x017F;o leicht<lb/>
erwarten. Frankreich kann nur auf <hi rendition="#g">einen</hi> Verbündeten der Zukunft hoffen, näm-<lb/>
lich Rußland; nur wenn eine Verwicklung im Orient die&#x017F;es bewegt die Initiative<lb/>
zu ergreifen und Deut&#x017F;chland nöthigt Oe&#x017F;terreichs Partie zu nehmen, kann Frank-<lb/>
reich hoffen uns mit Erfolg in den Rücken zu fallen. Aber zu &#x017F;olcher Verwicklung<lb/>
i&#x017F;t augenblicklich noch nicht der lei&#x017F;e&#x017F;te Anlaß zu er&#x017F;pähen, und daß wir auch, wenn<lb/>
&#x017F;ie einträte, ihr leicht die Spitze bieten würden, brauche ich nicht auszuführen.</p>
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            <dateline>(&#x2014;) <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 9 Jan.</dateline>
            <p>In un&#x017F;ern con&#x017F;ervativen Krei&#x017F;en wächst die Unzu-<lb/>
friedenheit über den Cultusmini&#x017F;ter v. Mühler. Zu den vielen Vorwürfen mit denen<lb/>
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tritt jetzt auch der einer Rück&#x017F;ichtslo&#x017F;igkeit gegen den evangeli&#x017F;chen Oberkirchenrath.<lb/>
Die&#x017F;e Rück&#x017F;ichtslo&#x017F;igkeit findet man darin daß jene kirchliche Oberbehörde bei den<lb/>
Vorberathungen über das Schulauf&#x017F;ichtsge&#x017F;etz nicht hinzugezogen worden i&#x017F;t. Das<lb/>
Factum i&#x017F;t allerdings unbe&#x017F;treitbar, und eben&#x017F;owenig kann be&#x017F;tritten werden daß<lb/>
der Oberkirchenrath &#x017F;elb&#x017F;t über die&#x017F;e Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung Be&#x017F;chwerde erhoben hat.<lb/>
Ohne Zweifel würde eine &#x017F;olche Be&#x017F;chwerde nicht geführt worden &#x017F;ein wenn nicht<lb/>
der Oberkirchenrath &#x017F;ich dazu berechtigt hielte, und die&#x017F;es Recht erblickt er in der<lb/>
früher gehandhabten Praxis. Wenn die&#x017F;e Praxis jetzt eine Aenderung erfahren<lb/>
hat, und die&#x017F;e Aenderung von der &#x201E;N. A. Z.&#x201C; mit dem Bemerken begründet wird:<lb/>
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Bi&#x017F;chöfe, &#x017F;ondern auch die durch den Oberkirchenrath nicht vertretenen Evange-<lb/>
li&#x017F;chen ihre Zuratheziehung bei &#x017F;olchen und ähnlichen Vorlagen fordern könnten,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t das allerdings ein guter Grund, der aber freilich nicht recht zu den preußi-<lb/>
&#x017F;chen Ueberlieferungen paßt. Lieber hätte man daher die volle Wahrheit offen<lb/>
einräumen und zuge&#x017F;tehen &#x017F;ollen: daß es der ent&#x017F;chiedene Wille, wenn auch nicht<lb/>
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Grund aus zu brechen. Mithin richten un&#x017F;ere Con&#x017F;ervativen ihre Anklage an eine<lb/>
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marck dem Kronprinzen einen längern Be&#x017F;uch ab.</p>
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&#x017F;ei kein wahres Wort an dem was das &#x201E;Wiener Tagbl.&#x201C; zu erzählen wi&#x017F;&#x017F;e: daß<lb/>
nämlich ungefähr 40 zur Verfa&#x017F;&#x017F;ungspartei zählende Abgeordnete, welche die gali-<lb/>
zi&#x017F;che Angelegenheit um jeden Preis zum Ab&#x017F;chluß bringen wollen, &#x017F;ich mit dem<lb/>
Gedanken tragen, falls nicht fünf ihrer Ge&#x017F;innungsgeno&#x017F;&#x017F;en in den Vierundzwan-<lb/>
ziger-Aus&#x017F;chuß für Behandlung der galizi&#x017F;chen Re&#x017F;olution Aufnahme finden &#x017F;oll-<lb/>
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wurf begonnen, dürfte die&#x017F;elbe heute beenden. Die Discu&#x017F;&#x017F;ion war, abweichend<lb/>
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Sam&#x017F;tag einberufenen Sitzung &#x017F;teht, inde&#x017F;&#x017F;en wohl er&#x017F;t am Montag zur Verhandlung<lb/>
kommen und eine mehrtägige Debatte in An&#x017F;pruch nehmen wird.</p>
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Hand eingreifen zu wollen; er hatte ge&#x017F;tern in Pe&#x017F;t eine lange Conferenz mit dem<lb/>
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der&#x017F;elben Angelegenheit &#x017F;tatt, und man erwartet zwi&#x017F;chen heut und morgen wichtige,<lb/>
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Abgeordnetenhau&#x017F;es wurde mit einer recht gemüthlichen Interpellation eröffnet.<lb/>
Der vom Wiener Schützenfe&#x017F;t 1868 her als &#x201E;Volksredner&#x201C; noch wohlbekannte<lb/>
Johann Be&#x017F;ze, welcher kürzlich zum Prä&#x017F;identen des Finanzobergerichts ernannt<lb/>
worden i&#x017F;t, &#x017F;oll bei der Ujhelyer Deputirtenwahl eine &#x017F;onderbare Rolle ge&#x017F;pielt<lb/>
haben. Die Blätter der Linken erzählen nämlich: Be&#x017F;ze &#x017F;ei bei der Be&#x017F;techung<lb/>
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gerettet worden. Der Interpellant fragt nun: &#x201E;ob der Ju&#x017F;tizmini&#x017F;ter eine &#x017F;trenge<lb/>
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            <p>Die ge&#x017F;tern erwähnte Nachricht des &#x201E;N. W. Tgbl.&#x201C; über die Ungültigkeits-<lb/>
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            <p>* Die Gene&#x017F;ung des Prinzen von Wales &#x017F;chreitet den Um&#x017F;tänden gemäß<lb/>
mit Stetigkeit weiter, &#x017F;o daß vor näch&#x017F;tem Sonnabend keine weiteren Bulletins<lb/></p>
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[164/0004] trag der Commiſſarien: „Die Gehalte für die Dirigenten der königlichen Polizeiver- waltungen in den Städten Danzig, Stettin, Köln, Magdeburg und Aachen in die Colonne „„künftig wegfallend““ zu ſetzen,“ wird dann auch angenommen, und die Regierung aufgefordert auf die möglichſte Einſchränkung der königlichen Polizei- verwaltungen in dieſen Städten und in Königsberg i. Pr. Bedacht zu nehmen. Mit der angegebenen Maßgabe werden die Etatspoſten für die Localpolizeiverwaltungen in den Provinzen bewilligt, und es geſchieht ſchließlich dasſelbe auch mit dem Etat des Polizeipräſidiums zu Berlin. Die Abgg. Dr. Eberty und Virchow bringen hier zu ſehr ungünſtiger Stunde (nach 4 Uhr) noch die vielfachen Beſchwerden über die Mängel der hieſigen Polizei zur Sprache. Während erſterer mehr die gefährdete öffent- liche Sicherheit, die Sittenpolizei und die Geſundheitspolizei ins Auge faßt, erörtert Abg. Dr. Virchow eingehend das nachgerade zu einer öffentlichen Calamität gewordene Verhältniß der hieſigen königl. Polizei zur ſtädtiſchen Behörde, und bringt dabei nach einander die Straßenpflaſterung, die Verfügung über die Straßen durch Conceſſionen namentlich zu Pferde-Eiſenbahnen, das Privilegium der Litfaß-Säulen und das der eng- liſchen Waſſerwerke zur Sprache. In Bezug auf letzteres theilt er aus dem Protokoll der Generalverſammlung der engliſchen Actionäre den Beſchluß derſelben mit: einen Theil der bei Erweiterung der Werke neu zu emittirenden Actien zu reſerviren, „um officielle Perſonen in Berlin für das Unternehmen zu intereſſiren,“ und deducirt daraus daß ein gewiſſes Mißtrauen der Berliner Bevölkerung gegen die Integrität der Polizei berech- tigt ſei. Der Miniſter des Innern gibt das letztere höchſtens gegenüber den Nacht- wächtern zu, welche ſo ſchlecht beſoldet ſeien, daß man allenfalls glauben könnte ſie ſeien beſtrebt auch auf unerlaubtem Weg ihre Einnahmen zu vermehren; im übrigen nimmt er die Polizeiverwaltung in Schutz, wenn er auch nicht behaupten will daß dieſelbe ſtets die rechte Form gegenüber den Stadtbehörden beobachtet habe. Er ſucht die Virchow’- ſchen Vorwürfe im einzelnen zu widerlegen, und macht dabei einige Mittheilungen die allerdings überraſchen werden: ſo daß er, der Miniſter, die vom Polizeipräſidenten mit Hrn. Litfaß vereinbarte Verlängerung deſſen Säulen-Privilegiums als ungeſetzlich für null und nichtig erklärt hat, und daß die für die Pferde-Eiſenbahnen ertheilte Conceſſion nur polizeiliche Wirkung habe, zu ihrer ſonſtigen Durchführung aber erheiſche daß die Unternehmer ſich noch erſt mit der Commune und den ſonſtigen Eigenthümern des Straßenbodens, auf welchem die Einrichtung hergeſtellt werden ſoll, über die Bedin- gungen einigten. Die Abgg. Virchow und Eberty reſumirten ihre Ausführungen in dem Antrage: die Regierung aufzufordern „ſich wegen Uebertragung einzelner Zweige der Polizeiverwaltung der Stadt Berlin an die Commune mit dem Magiſtrat zu Berlin ins Einvernehmen zu ſetzen,“ und dieſen Antrag nahm das Haus an. Damit ſchloß die Sitzung nach 5 Uhr. Nächſte Sitzung Donnerſtag, Vormittags 11 Uhr. Tagesordnung: Schluß über die geſchäftliche Behandlung der Kreisordnung und Fortſetzung der Budget- berathung. → Berlin, 8 Jan. Es iſt bekannt daß die Ausrüſtung des Evolu- tionsgeſchwaders mit großer Lebhaftigkeit betrieben ward, auch nachdem die ent- gegenkommenden Erklärungen der braſiliſchen Regierung hinſichtlich der unlieb- ſamen Vorfälle mit Rio de Janeiro die Ausſicht auf einen Conflict glücklich beſei- tigt war. Es war offenbar die Abſicht in den transatlantiſchen Gewäſſern, na- mentlich auch wohl in Oſtaſien, durch das Erſcheinen eines impoſanten Geſchwa- ders der neuen Größe des Deutſchen Reiches für Freund und Feind einen hand- greiflichen Ausdruck zu geben, und zu dem Ende ſcheute man ſich nicht die von den erſt vor kurzem entlaſſenen Reſerven der Flotten-Stamm-Diviſion Mannſchaften wieder einzuberufen. Plötzlich heißt es nun: die ganze Expedition ſei aufgegeben und die Einberufenen würden demnächſt nach Hauſe gehen können. Was der eigentliche Grund dieſer unvermutheten Wendung ſein kann, iſt noch nicht klar, da der Reichstag die nöthigen außerordentlichen Mittel für die Expedition um ſo leichter bewilligt haben würde, als ſie das Marine-Ordinarium keineswegs über- mäßig vergrößert hätten. Auch iſt kaum anzunehmen daß Furcht vor etwai- gen neuen Verwicklungen mit Frankreich das Motiv ſei, denn eventuell würde das Geſchwader ſich doch immer in einen ſichern neutralen Hafen zurückziehen kön- nen, während wir zu Hauſe mit oder ohne dasſelbe doch weſentlich auf die Küſten- vertheidigung, einer Flotte wie der franzöſiſchen gegenüber, angewieſen ſind. Wie dem indeß auch ſei, ſicher iſt daß man der Entwicklung der franzöſiſchen Verhält- niſſe hier mit aufmerkſamer Sorge zuſieht. Der Neujahrswunſch des Grafen Arnim war unzweifelhaft aufrichtig gemeint, denn die Fortdauer und Befeſtigung des Thiers’ſchen Regiments iſt für Deutſchland verhältnißmäßig das günſtigſte, zumal da Pouyer-Quertier die ehrliche Abſicht hat Frankreichs finanziellen Ver- pflichtungen nachzukommen; mag auch gerade der Präſident mit den geſteigerten Ausgaben für Heer und Flotte das Revanche-Fieber nähren, ſo hat er doch wenig- ſtens ſo viel ſtaatsmänniſchen Sinn um die Verkehrtheit der Einführung der all- gemeinen Dienſtpflicht in Frankreich, zumal mit einer fünfjährigen Dienſtzeit, ein- zuſehen, weil die erſtere nur bei ausgebildetem Sinne der Mittelclaſſen für Self- government durchführbar, welcher unſern Nachbarn fehlt, und weil eine auf dieſer Grundlage organiſirte Armee mit fünfjähriger Dienſtzeit einen Koſtenaufwand erfordern würde der die Kräfte Frankreichs weit überſteigen müßte. Auch iſt Thiers doch zu ſehr Staatsmann, um den Gedanken zu hegen daß Frankreich ſchon in nächſter Zukunft, und ohne Allianzen, daran denken könnte wieder einen Kampf mit Deutſchland zu wagen. Anders freilich würden ſich die Sachen ſtellen wenn Thiers’ Regiment geſtürzt und ſein Nachfolger getrieben würde eine Diverſion nach außen zu ſuchen, um ſich zu halten. Indeß für ſehr drohend ver- mag ich doch auch in dieſem Falle die Gefährdung des Friedens nicht zu halten. Gambetta trägt unſtreitig ſehr dazu bei den Boden zu unterwühlen, und es jedem an- dern Regiment ſchwer zu machen ſich zu halten; aber die Ausſicht ans Ruder zu kom- men iſt für ihn vorläufig noch gering. Die Monarchiſten haben die ungeheure Mehr- heit des Landes hinter ſich, aber ſie ſind in drei Parteien geſpalten. Die Legitimi- ſten haben durch Reichthum und Verbindungen bedeutende Macht, welche in der bedeutenden Zahl ihrer Vertreter in der Nationalverſammlung wie in den General- räthen Ausdruck findet; auch hat ſich der einzige bedeutendere General welchen der Krieg hervorgebracht, Chanzy, zu ihnen geſchlagen; aber der Eigenſinn Chambords, der an der unmöglichen weißen Fahne feſthält und jede Fuſion zurückweist, legt ihnen eine nothgedrungene Enthaltſamkeit auf. Die Orleaniſten ihrerſeits ſind, ſolange die Fuſion unmöglich, zu wenig zahlreich, um aus eigener Kraft nach der Staats- gewalt zu greifen. Ich glaube nicht zu irren wenn ich annehme daß Thiers am meiſten die Bonapartiſten fürchtet; dafür ſpricht ſchon die ängſtliche Ueberwachung derſelben; ihr Anhang ſteigt in Paris, wo die Bourgeoiſie aus Furcht vor der Anarchie nach einer ſtarken Regierung ſeufzt; auf dem Lande, wo der Bauer ſich nach der Proſperität des Kaiſerthums zurückſehnt; in der Armee, welche die Aus- wetzung ihrer Scharten unter einem militäriſchen Regiment hofft; vor allem aber im Klerus. Derſelbe iſt klug genug einzuſehen daß die Legitimiſten mit Chambords Grundſätzen keine Ausſicht haben wieder ans Ruder zu kommen, daß ſie aber im Falle der Fuſion zu viel liberales Blut von den orleaniſtiſchen Elementen empfan- gen würden um den Intereſſen des Ultramontanismus dienen zu können. Der Bonapartismus dagegen würde, wie 1850, weſentlich darauf angewieſen ſein ſich den Intereſſen des Klerus dienſtbar zu zeigen, um ſo mehr als er in der Kaiſerin, die zunächſt als Regentin in Frage käme, ein ebenſo ergebenes als entſchloſſenes Werkzeug finden würde. Es kann daher nicht überraſchen wenn kürzlich einer der franzöſiſchen Kirchenfürſten gegen einen deutſchen General äußerte: „C’est la femme qu’il nous faut!“ Von der Realiſirung keiner dieſer Combinationen aber läßt ſich der Wahnſinn einen Krieg mit Deutſchland vom Zaune zu brechen ſo leicht erwarten. Frankreich kann nur auf einen Verbündeten der Zukunft hoffen, näm- lich Rußland; nur wenn eine Verwicklung im Orient dieſes bewegt die Initiative zu ergreifen und Deutſchland nöthigt Oeſterreichs Partie zu nehmen, kann Frank- reich hoffen uns mit Erfolg in den Rücken zu fallen. Aber zu ſolcher Verwicklung iſt augenblicklich noch nicht der leiſeſte Anlaß zu erſpähen, und daß wir auch, wenn ſie einträte, ihr leicht die Spitze bieten würden, brauche ich nicht auszuführen. (—) Berlin, 9 Jan. In unſern conſervativen Kreiſen wächst die Unzu- friedenheit über den Cultusminiſter v. Mühler. Zu den vielen Vorwürfen mit denen dieſer Miniſter von ſeinen alten politiſchen Freunden bereits überſchüttet worden iſt, tritt jetzt auch der einer Rückſichtsloſigkeit gegen den evangeliſchen Oberkirchenrath. Dieſe Rückſichtsloſigkeit findet man darin daß jene kirchliche Oberbehörde bei den Vorberathungen über das Schulaufſichtsgeſetz nicht hinzugezogen worden iſt. Das Factum iſt allerdings unbeſtreitbar, und ebenſowenig kann beſtritten werden daß der Oberkirchenrath ſelbſt über dieſe Vernachläſſigung Beſchwerde erhoben hat. Ohne Zweifel würde eine ſolche Beſchwerde nicht geführt worden ſein wenn nicht der Oberkirchenrath ſich dazu berechtigt hielte, und dieſes Recht erblickt er in der früher gehandhabten Praxis. Wenn dieſe Praxis jetzt eine Aenderung erfahren hat, und dieſe Aenderung von der „N. A. Z.“ mit dem Bemerken begründet wird: daß der evangeliſche Oberkirchenrath nur einen Theil der evangeliſchen Bevölkerung in Preußen vertrete, und daß mit demſelben Grunde nicht nur die katholiſchen Biſchöfe, ſondern auch die durch den Oberkirchenrath nicht vertretenen Evange- liſchen ihre Zuratheziehung bei ſolchen und ähnlichen Vorlagen fordern könnten, ſo iſt das allerdings ein guter Grund, der aber freilich nicht recht zu den preußi- ſchen Ueberlieferungen paßt. Lieber hätte man daher die volle Wahrheit offen einräumen und zugeſtehen ſollen: daß es der entſchiedene Wille, wenn auch nicht des Cultusminiſters, ſo doch des Miniſterpräſidenten und des Geſammtminiſte- riums iſt auch auf dieſem Gebiete mit den alten Traditionen Preußens von Grund aus zu brechen. Mithin richten unſere Conſervativen ihre Anklage an eine ganz falſche Adreſſe, wenn ſie für dieſe Neuerung durchaus den Hrn. v. Mühler verantwortlich machen. Dieſer iſt nichts weiter als der Vollſtrecker eines fremden Willens. — Heute hatte der neue ruſſiſche Militärbevollmächtigte, Artilleriehaupt- mann Daller, die erſte Audienz beim Kaiſer. Nachmittags ſtattete Fürſt Bis- marck dem Kronprinzen einen längern Beſuch ab. Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. * Aus Oeſterreich, 10 Jan. Am meiſten von ſich reden macht im Augenblick die angebliche Spaltung innerhalb der deutſchen Partei des Abgeord- netenhauſes, welche übrigens von den Betheiligten ſelbſt aufs entſchiedenſte in Ab- rede geſtellt und „als muthwillige Combination“ bezeichnet wird. Insbeſondere ſei kein wahres Wort an dem was das „Wiener Tagbl.“ zu erzählen wiſſe: daß nämlich ungefähr 40 zur Verfaſſungspartei zählende Abgeordnete, welche die gali- ziſche Angelegenheit um jeden Preis zum Abſchluß bringen wollen, ſich mit dem Gedanken tragen, falls nicht fünf ihrer Geſinnungsgenoſſen in den Vierundzwan- ziger-Ausſchuß für Behandlung der galiziſchen Reſolution Aufnahme finden ſoll- ten, mit den galiziſchen Abgeordneten ſich zu verbinden. — Die Adreß-Commiſſion des Herrenhauſes, welche geſtern ihre Berathung über den Auersperg’ſchen Ent- wurf begonnen, dürfte dieſelbe heute beenden. Die Discuſſion war, abweichend von dem Verlauf in früheren Jahren, wie die „N. Fr. Pr.“ hört, ungleich leb- hafter, und es ſcheint daß der Entwurf des Referenten in der Commiſſion einige nicht unweſentliche Aenderungen erfahren hat. Die föderaliſtiſch geſinnten Com- miſſionsmitglieder ſtellen keine Gegenanträge, ſondern begnügen ſich mit der Ab- wehr der prononcirt verfaſſungstreuen und dem Miniſterium vertrauensvoll zuge- wendeten Ideen des Adreßentwurfs. Die Adreßdebatte im Herrenhauſe ſelbſt dürfte Mitte nächſter Woche ſtattfinden, da das Abgeordnetenhaus dabei den Vor- tritt haben ſoll, und in dieſem zwar die Adreſſe auf der Tagesordnung der für Samſtag einberufenen Sitzung ſteht, indeſſen wohl erſt am Montag zur Verhandlung kommen und eine mehrtägige Debatte in Anſpruch nehmen wird. In den Gang der croatiſchen Verhandlungen ſcheint nun Deak mit eigener Hand eingreifen zu wollen; er hatte geſtern in Peſt eine lange Conferenz mit dem croatiſchen Miniſter und dem Ban. Zu gleicher Zeit fand ein Miniſterrath in derſelben Angelegenheit ſtatt, und man erwartet zwiſchen heut und morgen wichtige, Croatien betreffende Entſcheidungen. — Die geſtrige Sitzung des ungariſchen Abgeordnetenhauſes wurde mit einer recht gemüthlichen Interpellation eröffnet. Der vom Wiener Schützenfeſt 1868 her als „Volksredner“ noch wohlbekannte Johann Beſze, welcher kürzlich zum Präſidenten des Finanzobergerichts ernannt worden iſt, ſoll bei der Ujhelyer Deputirtenwahl eine ſonderbare Rolle geſpielt haben. Die Blätter der Linken erzählen nämlich: Beſze ſei bei der Beſtechung von Wählern auf der Straße ertappt und durchgebläut, im Schnee herumgewalkt und nur auf ſein Flehen durch einen Sicherheits-Commiſſär vor der Volkswuth gerettet worden. Der Interpellant fragt nun: „ob der Juſtizminiſter eine ſtrenge Unterſuchung anordnen und die Unterſuchungsacten auf den Tiſch des Hauſes niederlegen will.“ Die geſtern erwähnte Nachricht des „N. W. Tgbl.“ über die Ungültigkeits- erklärung altkatholiſch geſchloſſener Ehen in Oeſterreich ſtellt ſich, nach einer von andern Wiener Blättern „ſofort an maßgebender Stelle eingezogenen Erkundi- gung,“ als eine Erfindung heraus. Großbritannien. London, 9 Jan. * Die Geneſung des Prinzen von Wales ſchreitet den Umſtänden gemäß mit Stetigkeit weiter, ſo daß vor nächſtem Sonnabend keine weiteren Bulletins

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 12. Januar 1872, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine12_1872/4>, abgerufen am 23.11.2024.