Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 13. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924 FILM-ZEITUNG [Spaltenumbruch]
Vom Wesen der Filmkritik. Mit der Abkehr von Gesichtspunkten, die nicht Das Wesen aller Kritik ist begründet im Nach- Im Wesen der Filmkritik ist also nicht nur Schließlich sind in der Filmkritik, nicht zweck-, In diesem Sinne muß die Einstellung des Welche Kino besuchen wir? Der neue Film der Münchener Licht- Das Beiprogramm bringt ein technisch inter- Die verdientermaßen große Zugkraft des Die Kammerlichtspiele bringen einen Ein innerlich zarter, feiner Kammerfilm: Den ersten Teil: "Im Reich der Kro- Im Passagetheater erlebt man in Aehnliches gilt von der "Lieblingstoch- Das Publikum hat also bunte Auswahl und Ein Goldwyn-Film. In einer Presseaufführung wurde der Gold- [irrelevantes Material]
Allgemeine Zeitung. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924 FILM-ZEITUNG [Spaltenumbruch]
Vom Weſen der Filmkritik. Mit der Abkehr von Geſichtspunkten, die nicht Das Weſen aller Kritik iſt begründet im Nach- Im Weſen der Filmkritik iſt alſo nicht nur Schließlich ſind in der Filmkritik, nicht zweck-, In dieſem Sinne muß die Einſtellung des Welche Kino beſuchen wir? Der neue Film der Münchener Licht- Das Beiprogramm bringt ein techniſch inter- Die verdientermaßen große Zugkraft des Die Kammerlichtſpiele bringen einen Ein innerlich zarter, feiner Kammerfilm: Den erſten Teil: „Im Reich der Kro- Im Paſſagetheater erlebt man in Aehnliches gilt von der „Lieblingstoch- Das Publikum hat alſo bunte Auswahl und Ein Goldwyn-Film. In einer Preſſeaufführung wurde der Gold- [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <div type="jCulturalNews" n="1"> <pb facs="#f0010" n="10"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung</hi>. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">FILM-ZEITUNG</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Vom Weſen der Filmkritik.</hi> </head><lb/> <p>Mit der Abkehr von Geſichtspunkten, die nicht<lb/> ausſchließlich auf Güte und Wert des Films ſelbſt<lb/> bezogen werden und von einſeitigen Rückſichten<lb/> auf die wirtſchaftliche Entwicklung der jungen<lb/> Filminduſtrie (vgl. „Aufgaben der Filmbeſpre-<lb/> chung“ in Nr. 8 der „Allg. 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In beiden<lb/> dürfen ſie nichts anderes ſehen als den Willen,<lb/> ihr eigenes, nicht auf den Einzel-, ſondern den<lb/> Geſamterfolg der deutſchen Filmſchöpfung ge-<lb/> richtetes Intereſſe ebenſo zu vertreten, wie das<lb/> des Publikums, des deutſchen Volkes, der deut-<lb/> ſchen Kultur und Wirtſchaft.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Welche Kino beſuchen wir?</hi> </head><lb/> <p>Der neue Film der <hi rendition="#g">Münchener Licht-<lb/> ſpielkunſt „Der Weg zu Gott</hi>“ (das<lb/> Schickſal des Thomas Balt), der im <hi rendition="#g">Licht-<lb/> ſchauſpielhaus</hi> läuft, erhält ſeinen über<lb/> Durchſchnitt ſtehenden Wert durch eine regie-<lb/> mäßig, darſtelleriſch und phototechniſch gleich<lb/> glänzende, zum Teil überragende Bildwirkung,<lb/> die auch ſtimmungsmäßig vom Regiſſeur <hi rendition="#g">Seitz</hi><lb/> bisher nicht erreicht worden war. Daß ſie nicht<lb/> in demſelben Maße Trägerin der im Haupt-<lb/> titel angedeuteten Idee wird, liegt an der im<lb/> Manuſkript verfehlten Geſtaltung des Stoffes.<lb/> Zwei erſte Akte logiſch und zwingend aufgebaut,<lb/> von der düſteren Schwüle tragiſchen Konflikts<lb/> überſchattet, der in einer nur dem Schein nach be-<lb/> gründeten Eiferſucht wurzelt, dann ein plötzliches<lb/> Verſagen der Phantaſie und an die Stelle innerer<lb/> Notwendigkeit von Geſchehen und Handlung tritt<lb/> der kitſchige Zufall, in deſſen Gefolge unwahre<lb/><cb/> Sentimentalität und Schein-Romantik, die viel-<lb/> verſprechenden Anſätze der erſten Akte in ge-<lb/> wohntes Courths-Maler-Kliſchee, durch bibliſche<lb/> Variationen äußerlich verändert, rückbilden.<lb/> Der „Weg zu Gott“ durch himmliſche Strafen?<lb/> und der einſt ausgeſetzte Sohn als halbprieſter-<lb/> licher Retter der väterlichen Seele? — gegen-<lb/> über dem wundervollen ſtarken Auftakt des<lb/> Films unbegreiflich. Der Film wird trotzdem<lb/> weit über Durchſchnitt zu ſtellen ſein durch<lb/> die hervorragenden Bilder und Szenen und die<lb/> Darſtellung hauptſächlich der weiblichen Rollen<lb/> (Agnes Straub, Maria Midzenty und Roſa<lb/> Lang). Auch Winterſtein war, von der unge-<lb/> nügenden Veränderung nach dem Zuchthaus ab-<lb/> geſehen, hervorragend. Das bäuerliche Milieu<lb/> war nur zum Teil echt, vielleicht weil es zeitlos<lb/> ſein wollte.</p><lb/> <p>Das Beiprogramm bringt ein techniſch inter-<lb/> eſſantes „ſüßes“ Vogelmärchen mit dem Motto:<lb/> Vogelſchutz.</p><lb/> <p>Die verdientermaßen große Zugkraft des<lb/> Films „<hi rendition="#g">Mutter</hi>“ hat die <hi rendition="#g">Regina-Licht-<lb/> ſpiele</hi> offenbar veranlaßt, ihn nochmals um<lb/> acht Tage zu verlängern, ebenſo zeigen die<lb/><hi rendition="#g">Sendlingertor-Lichtſpiele</hi> wieder<lb/> „<hi rendition="#g">The Kid</hi>“.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Kammerlichtſpiele</hi> bringen einen<lb/> Alpenfilm: „<hi rendition="#g">Das Paradies im Schnee</hi>“,<lb/> der ſich, was die Naturaufnahmen, insbeſondere<lb/> die wundervollen Bilder des Winterſports, be-<lb/> trifft, ſich neben unſere beſten Alpenfilme ſtellen<lb/> kann. Der Film hätte in ſeiner an ſich ſpan-<lb/> nenden, wenn auch manchmal zu breiten Hand-<lb/> lung, Gelegenheit zur Durchführung einer der<lb/> Erhabenheit der Bergwelt entſprechenden großen<lb/> Idee gegeben; ſchade, daß die mancherlei vorzüg-<lb/> lichen Anſätze hierzu ſchließlich nur zu einer<lb/> Eiferſuchtsangelegenheit werden, die zuweilen in<lb/> peinlichen Kontraſt zu dem von den wundervol-<lb/> len Naturbildern vermittelten Hochgefühl gerät.<lb/> Der von Anfang an einſetzende Humor, vor allem<lb/> Georg Alexander zu verdanken, war um ſo eher<lb/> am Platze. Auch die übrige Darſtellung (insbe-<lb/> ſondere Elga Brink) vorzüglich.</p><lb/> <p>Ein innerlich zarter, feiner Kammerfilm:<lb/> „<hi rendition="#g">Einſame Menſchen</hi>“ im <hi rendition="#g">Imperial-<lb/> theater</hi>, ganz auf Moll geſtimmt, trotz der<lb/> zuweilen durchaus wildweſtlichen Handlung.<lb/> Tiefgründige Liebe ſteht der unſtäten Oberfläch-<lb/> lichkeit in hartem und ſchließlich ſiegreichem<lb/> Ringen gegenüber. Die Durchführung der Hand-<lb/> lung hat zu wenig Tempo und zu viel Paſſagen.<lb/><cb/> Dagegen ſind auch hier Naturaufnahmen und<lb/> Darſtellung erſtklaſſig.</p><lb/> <p>Den erſten Teil: „<hi rendition="#g">Im Reich der Kro-<lb/> kodile</hi>“, einer amerikaniſchen Trilogie: „<hi rendition="#g">Die<lb/> verlorene Stadt</hi>“, bringt das <hi rendition="#g">Karls-<lb/> platztheater</hi>. Abenteuer- und Senſations-<lb/> film aus dem Reich der menſchlichen und an-<lb/> deren Beſtien mit guten Tieraufnahmen und<lb/> Naturbildern. Die Darſtellung befriedigt weniger.</p><lb/> <p>Im <hi rendition="#g">Paſſagetheater</hi> erlebt man in<lb/> „<hi rendition="#g">Was der Totenkopf erzählt</hi>“ eine Ver-<lb/> brechergeſchichte ganz gefährlicher Art. Raub und<lb/> Totſchlag, die allerdings in einen weit beſſeren<lb/> Handlungsrahmen gebracht ſind, als man von<lb/> derartigen Kriminalfilmen bisher gewohnt war.<lb/> Die Darſtellung iſt gut, der Film iſt anſpruchs-<lb/> los und verzichtet auf inneren Wert.</p><lb/> <p>Aehnliches gilt von der „<hi rendition="#g">Lieblingstoch-<lb/> ter des Maharadſcha</hi>“ in den <hi rendition="#g">Rathaus-<lb/> Lichtſpielen</hi>, deſſen Beſtes der entzückende<lb/> Humor der Viola <hi rendition="#g">Dana</hi> iſt, deren Spiel an<lb/> Grazie und Natürlichkeit kaum mehr überboten<lb/> werden kann. Im übrigen Fantaſieprodukt, ohne<lb/> viel Fantaſie, und mit umſomehr alten Requi-<lb/> ſiten, ſeicht plätſchernde unglaubhafte Hand-<lb/> lung, ohne erregende Senſation. Auch die Auf-<lb/> nahmen entbehren der Originalität, ſind aber<lb/> phototechniſch gelungen.</p><lb/> <p>Das Publikum hat alſo bunte Auswahl und<lb/> wird, je nach Abſicht und Geſchmack, Wertvolles<lb/> und Anſpruchsloſes finden</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Muk.</hi> </byline> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein Goldwyn-Film.</hi> </head><lb/> <p>In einer Preſſeaufführung wurde der Gold-<lb/> wyn-Film „<hi rendition="#g">Seelenhandel</hi>“ gezeigt, ein Ti-<lb/> tel, der höhere Anſprüche vorgibt, als der<lb/> Film zu befriedigen vermag. Im Rahmen der<lb/> Abenteurergattung mit Detektiveinſchlag, ein<lb/> ausgezeichneter Film, deſſen Bilder und Dar-<lb/> ſteller vor allem durchaus auf der Höhe ſind,<lb/> (von einigen zu dunkel gebliebenen Bildern der<lb/> Zirkuskataſtrophe abgeſehen). Inhalt: Gemiſch<lb/> aus Perſiflage des Filmbetriebs und Reklame<lb/> für die Filmgeſellſchaft, deren übrigens ent-<lb/> zückende Hauptdarſtellerin das Werden einer<lb/> Filmdiva vorführt. Film-Íntimes alſo, für<lb/> Film-Fimmelige beſondenrs zu empfehlen. Uebri-<lb/> ges Thema: Werberverführer und Mörder, ehe-<lb/> maliger Gatte der Diva, den ſchließlich das Schick-<lb/> ſal erreicht. Wer Luſt zu dergleichen hat —<lb/> trete ein ...</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Muk.</hi> </byline> </div> </div> </div><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
Allgemeine Zeitung. Nr. 12 Sonntag, den 13. Januar 1924
FILM-ZEITUNG
Vom Weſen der Filmkritik.
Mit der Abkehr von Geſichtspunkten, die nicht
ausſchließlich auf Güte und Wert des Films ſelbſt
bezogen werden und von einſeitigen Rückſichten
auf die wirtſchaftliche Entwicklung der jungen
Filminduſtrie (vgl. „Aufgaben der Filmbeſpre-
chung“ in Nr. 8 der „Allg. Ztg.“) wird die Film-
beſprechung zur Filmkritik, die ſich eben-
ſo an das Publikum wie an die an der Schöpfung
des Films Beteiligten — Autor, Regiſſeur, Ope-
rateur, Darſteller und Unternehmer — wendet,
dort als Dolmetſcher, Berater und Führer durch
das noch wegloſe Geſtrüpp dieſes jüngſten künſt-
leriſchen Ausdrucksmittels, hier als Wächter und
Anreger, der, wie die Schöpfer eines wahren
Filmkunſtwerks ſelbſt, nur den auch auf die
künſtleriſchen und kulturellen Ziele
bezogenen Erfolg im Auge hat.
Das Weſen aller Kritik iſt begründet im Nach-
erleben einer Schöpfung und beſtimmt einerſeits
von der Kenntnis der künſtleriſchen und techniſchen
Möglichkeiten, andrerſeits von der Erkenntnis der
künſtleriſchen Idee oder des kulturellen Zweckes
oder beider. Aufbau und Inhalt der Filmkritik
haben daher die in dem Werk enthaltenen künſt-
leriſchen und techniſchen Elemente nach Maßgabe
ihrer allgemein filmiſchen und ihrer in dieſem
Werk ſpeziell zum Ausdruck gebrachten Bedeutung
zu berückſichtigen und auf höchſtmögliches Ergeb-
nis zu prüfen: die Filmkritik wendet ſich des-
halb nicht in erſter Linie der Prüfung der Pu-
blikumswirkung von Bild, Darſtellung und Hand-
lung, auf die die Filmbeſprechung primär
eingeſtellt war, zu, ſondern der Frage, ob der
Film eine genügend tragfähige Idee enthält und
inwieweit dieſe in Bild, Ablauf des Geſchehens,
Handlung, Text und Darſtellung filmkünſtleriſch
geſtaltet iſt. Filme von künſtleriſch weniger an-
ſpruchsvollen Art bedürfen um ſo größerer Ein-
zelwerte (hervorragende Bilder, vorzügliche Dar-
ſtellung, ſpannende, nicht allzu unwahrſcheinliche
Handlung), um im Spiegel des Kritikers nicht
als Film-Karikaturen und Kitſch zu erſcheinen.
Worüber der Kritiker aber am meiſten zu wachen
hat, im Intereſſe der künſtleriſchen Entwicklung
des Films, das iſt die reinliche Scheidung dieſer
beiden, heute bereits ſcharf ausgeprägten Gat-
tungen. Denn es muß unter allen Umſtänden
vermieden werden, daß der Geſchmack des Publi-
kums dadurch verdirbt und künſtleriſch verroht,
daß es Dinge, die nichts mit Kunſt zu tun haben,
als ſolche vorgeſetzt erhält. Sind die dem reinen
Unterhaltungsfilm beliebt machenden filmiſchen
Mittel auch im künſtleriſchen Film enthalten —
und das kann ſehr wohl der Fall ſein, ohne
ſtörend zu wirken — ſo werden die wertvolleren
Filme ſtets vorgezogen werden.
Im Weſen der Filmkritik iſt alſo nicht nur
der methodiſche Verlauf der einzelnen Film-
ſchöpfung, ſondern auch die Entwicktung der
Filmproduktion als ſolcher eingeſchloſſen. Die
Filmkritik ſpiegelt nicht allein das innere Wer-
den eines Films, ſondern, in ihrer Geſamtheit
insbeſondere, auch den Entwicklungsweg der
Filmkunſt und Filmtechnik wieder.
Schließlich ſind in der Filmkritik, nicht zweck-,
ſondern weſenhaft, die Elemente der künftigen
Filmäſthetik enthalten. Sie ſoll alſo nicht auf-
gebaut ſein auf formalgeſetzlichen Aeſthetizis-
mus und dem Einſchachtelungsſyſtem verfallen,
ſondern ihrerſeits, aus ihrer Weſenheit als nach-
ſchöpferiſcher Beurteilung die äſthetiſchen Geſetze
des Films ſchaffen helfen.
In dieſem Sinne muß die Einſtellung des
Publikums und der an der Filmherſtellung und
an ihrem Groß- und Kleinvertrieb Beteiligten, der
Fabrikanten, Verleiher und Theaterbeſitzer zur
Filmkritik erfolgen. Ablehnung muß Warnung,
Zuſtimmung, Anſporn für ſie ſein. In beiden
dürfen ſie nichts anderes ſehen als den Willen,
ihr eigenes, nicht auf den Einzel-, ſondern den
Geſamterfolg der deutſchen Filmſchöpfung ge-
richtetes Intereſſe ebenſo zu vertreten, wie das
des Publikums, des deutſchen Volkes, der deut-
ſchen Kultur und Wirtſchaft.
Welche Kino beſuchen wir?
Der neue Film der Münchener Licht-
ſpielkunſt „Der Weg zu Gott“ (das
Schickſal des Thomas Balt), der im Licht-
ſchauſpielhaus läuft, erhält ſeinen über
Durchſchnitt ſtehenden Wert durch eine regie-
mäßig, darſtelleriſch und phototechniſch gleich
glänzende, zum Teil überragende Bildwirkung,
die auch ſtimmungsmäßig vom Regiſſeur Seitz
bisher nicht erreicht worden war. Daß ſie nicht
in demſelben Maße Trägerin der im Haupt-
titel angedeuteten Idee wird, liegt an der im
Manuſkript verfehlten Geſtaltung des Stoffes.
Zwei erſte Akte logiſch und zwingend aufgebaut,
von der düſteren Schwüle tragiſchen Konflikts
überſchattet, der in einer nur dem Schein nach be-
gründeten Eiferſucht wurzelt, dann ein plötzliches
Verſagen der Phantaſie und an die Stelle innerer
Notwendigkeit von Geſchehen und Handlung tritt
der kitſchige Zufall, in deſſen Gefolge unwahre
Sentimentalität und Schein-Romantik, die viel-
verſprechenden Anſätze der erſten Akte in ge-
wohntes Courths-Maler-Kliſchee, durch bibliſche
Variationen äußerlich verändert, rückbilden.
Der „Weg zu Gott“ durch himmliſche Strafen?
und der einſt ausgeſetzte Sohn als halbprieſter-
licher Retter der väterlichen Seele? — gegen-
über dem wundervollen ſtarken Auftakt des
Films unbegreiflich. Der Film wird trotzdem
weit über Durchſchnitt zu ſtellen ſein durch
die hervorragenden Bilder und Szenen und die
Darſtellung hauptſächlich der weiblichen Rollen
(Agnes Straub, Maria Midzenty und Roſa
Lang). Auch Winterſtein war, von der unge-
nügenden Veränderung nach dem Zuchthaus ab-
geſehen, hervorragend. Das bäuerliche Milieu
war nur zum Teil echt, vielleicht weil es zeitlos
ſein wollte.
Das Beiprogramm bringt ein techniſch inter-
eſſantes „ſüßes“ Vogelmärchen mit dem Motto:
Vogelſchutz.
Die verdientermaßen große Zugkraft des
Films „Mutter“ hat die Regina-Licht-
ſpiele offenbar veranlaßt, ihn nochmals um
acht Tage zu verlängern, ebenſo zeigen die
Sendlingertor-Lichtſpiele wieder
„The Kid“.
Die Kammerlichtſpiele bringen einen
Alpenfilm: „Das Paradies im Schnee“,
der ſich, was die Naturaufnahmen, insbeſondere
die wundervollen Bilder des Winterſports, be-
trifft, ſich neben unſere beſten Alpenfilme ſtellen
kann. Der Film hätte in ſeiner an ſich ſpan-
nenden, wenn auch manchmal zu breiten Hand-
lung, Gelegenheit zur Durchführung einer der
Erhabenheit der Bergwelt entſprechenden großen
Idee gegeben; ſchade, daß die mancherlei vorzüg-
lichen Anſätze hierzu ſchließlich nur zu einer
Eiferſuchtsangelegenheit werden, die zuweilen in
peinlichen Kontraſt zu dem von den wundervol-
len Naturbildern vermittelten Hochgefühl gerät.
Der von Anfang an einſetzende Humor, vor allem
Georg Alexander zu verdanken, war um ſo eher
am Platze. Auch die übrige Darſtellung (insbe-
ſondere Elga Brink) vorzüglich.
Ein innerlich zarter, feiner Kammerfilm:
„Einſame Menſchen“ im Imperial-
theater, ganz auf Moll geſtimmt, trotz der
zuweilen durchaus wildweſtlichen Handlung.
Tiefgründige Liebe ſteht der unſtäten Oberfläch-
lichkeit in hartem und ſchließlich ſiegreichem
Ringen gegenüber. Die Durchführung der Hand-
lung hat zu wenig Tempo und zu viel Paſſagen.
Dagegen ſind auch hier Naturaufnahmen und
Darſtellung erſtklaſſig.
Den erſten Teil: „Im Reich der Kro-
kodile“, einer amerikaniſchen Trilogie: „Die
verlorene Stadt“, bringt das Karls-
platztheater. Abenteuer- und Senſations-
film aus dem Reich der menſchlichen und an-
deren Beſtien mit guten Tieraufnahmen und
Naturbildern. Die Darſtellung befriedigt weniger.
Im Paſſagetheater erlebt man in
„Was der Totenkopf erzählt“ eine Ver-
brechergeſchichte ganz gefährlicher Art. Raub und
Totſchlag, die allerdings in einen weit beſſeren
Handlungsrahmen gebracht ſind, als man von
derartigen Kriminalfilmen bisher gewohnt war.
Die Darſtellung iſt gut, der Film iſt anſpruchs-
los und verzichtet auf inneren Wert.
Aehnliches gilt von der „Lieblingstoch-
ter des Maharadſcha“ in den Rathaus-
Lichtſpielen, deſſen Beſtes der entzückende
Humor der Viola Dana iſt, deren Spiel an
Grazie und Natürlichkeit kaum mehr überboten
werden kann. Im übrigen Fantaſieprodukt, ohne
viel Fantaſie, und mit umſomehr alten Requi-
ſiten, ſeicht plätſchernde unglaubhafte Hand-
lung, ohne erregende Senſation. Auch die Auf-
nahmen entbehren der Originalität, ſind aber
phototechniſch gelungen.
Das Publikum hat alſo bunte Auswahl und
wird, je nach Abſicht und Geſchmack, Wertvolles
und Anſpruchsloſes finden
Muk.
Ein Goldwyn-Film.
In einer Preſſeaufführung wurde der Gold-
wyn-Film „Seelenhandel“ gezeigt, ein Ti-
tel, der höhere Anſprüche vorgibt, als der
Film zu befriedigen vermag. Im Rahmen der
Abenteurergattung mit Detektiveinſchlag, ein
ausgezeichneter Film, deſſen Bilder und Dar-
ſteller vor allem durchaus auf der Höhe ſind,
(von einigen zu dunkel gebliebenen Bildern der
Zirkuskataſtrophe abgeſehen). Inhalt: Gemiſch
aus Perſiflage des Filmbetriebs und Reklame
für die Filmgeſellſchaft, deren übrigens ent-
zückende Hauptdarſtellerin das Werden einer
Filmdiva vorführt. Film-Íntimes alſo, für
Film-Fimmelige beſondenrs zu empfehlen. Uebri-
ges Thema: Werberverführer und Mörder, ehe-
maliger Gatte der Diva, den ſchließlich das Schick-
ſal erreicht. Wer Luſt zu dergleichen hat —
trete ein ...
Muk.
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(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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