Allgemeine Zeitung, Nr. 135, 21. März 1908.Samstag. 21. März 1908. München. Vorabendblatt. -- Nr. 134 Allgemeine Zeitung. Erscheint täglich 2mal. -- Einhundertelfter Jahrgang.Bezugspreis: Ausgabe B mit Wissenschaftlicher Beilage und Internationaler Wochenschrift in [Abbildung]
Insertionspreis: für die 7 gespaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt Chefredakteur: Dr. Hermann Diez. Das Neueste vom Tage. Bei einem Gefecht mit Simon Copper in Deutsch- Der Nestor der deutschen Philosophen, Eduard Zeller, ist Der württembergische Finanzminister v. Zeyer hat Bei dem Empfang, den der Wiener Nuntius gestern Eine ereignisreiche Sitzung. n. Berlin, 19. März. 10.50 N.(Privattel.) Die heutige Reichstagssitzung war durch allerhand Der Würde des Hauses mehr entsprechend, aber lei- Ueber den Journalisten-Zwischenfall n. Berlin, 19. März, 5.45 N. (Privattelegramm.) Der n. Berlin, 20. März, 1.50 N. (Privattelegramm.) Der Ohoruf des Journalisten war gewiß sachlich und Die neue Hiobspost aus Deutsch- Südwestafrika. Die Trauernachricht aus Südwestafrika, die in der * Berlin, 19. März. Nach einem Telegramm des Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von Die Hottentottenbande, welche am 8. März Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes von Der Wiener Nuntius. Die Aeußerungen des apostolischen Nuntius in Wien, F. Wien, 18. März. Das aber ist eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen Samstag. 21. März 1908. München. Vorabendblatt. — Nr. 134 Allgemeine Zeitung. Erſcheint täglich 2mal. — Einhundertelfter Jahrgang.Bezugspreis: Ausgabe B mit Wiſſenſchaftlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in [Abbildung]
Inſertionspreis: für die 7 geſpaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt Chefredakteur: Dr. Hermann Diez. Das Neueſte vom Tage. Bei einem Gefecht mit Simon Copper in Deutſch- Der Neſtor der deutſchen Philoſophen, Eduard Zeller, iſt Der württembergiſche Finanzminiſter v. Zeyer hat Bei dem Empfang, den der Wiener Nuntiuſ geſtern Eine ereignisreiche Sitzung. n. Berlin, 19. März. 10.50 N.(Privattel.) Die heutige Reichstagsſitzung war durch allerhand Der Würde des Hauſes mehr entſprechend, aber lei- Ueber den Journaliſten-Zwiſchenfall n. Berlin, 19. März, 5.45 N. (Privattelegramm.) Der n. Berlin, 20. März, 1.50 N. (Privattelegramm.) Der Ohoruf des Journaliſten war gewiß ſachlich und Die neue Hiobspoſt aus Deutſch- Südweſtafrika. Die Trauernachricht aus Südweſtafrika, die in der * Berlin, 19. März. Nach einem Telegramm des Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von Die Hottentottenbande, welche am 8. März Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes von Der Wiener Nuntius. Die Aeußerungen des apoſtoliſchen Nuntius in Wien, F. Wien, 18. März. Das aber iſt eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="heading"> <docDate>Samstag. 21. März 1908. <hi rendition="#b">München.</hi> Vorabendblatt. — Nr. 134</docDate><lb/> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle><lb/> <note> <hi rendition="#b">Erſcheint täglich 2mal. — Einhundertelfter Jahrgang.</hi> </note> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p><hi rendition="#g">Bezugspreis:</hi> Ausgabe <hi rendition="#aq">B</hi> mit Wiſſenſchaftlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in<lb/> München 1.50 Mark monatlich frei ins Haus; durch die Poſt: 2. — Mark monatlich. Ausgabe <hi rendition="#aq">A</hi> (ohne<lb/> Beilage) in München 1. — Mark, durch die Poſt bezogen 1.50 Mark monatlich. Abonnements für<lb/> München: Expedition Bayerſtraße 57, deren Filialen und ſämtliche Zeitungs-Expeditionen; für<lb/> das Ausland: England; A. Siegle, 80 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publiſhing Syndicate,<lb/> Ltd., 38 Coleman Str., in London; Frankreich. Portugal und Spanien: A. Ammel u. C. Klienckſieck<lb/> in Paris; das übrige Europa; die Poſtämter; Orient: das k. k. Poſtamt in Wien oder in Trieſt; Nord-<lb/> amerika: F. W. Chriſtern. E. Steiger & Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann & Co., ſämtlich in New York.</p><lb/> <figure/> <p><hi rendition="#g">Inſertionspreis:</hi> für die 7 geſpaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt<lb/> 40 Pfennig, im Abendblatt 30 Pfennig, Lokale Anzeigen nach Tarif. Stellen-Geſuche 10 Pfennig.<lb/> Inſeraten-Annahme in München: Expedition Bayerſtraße 57, die Filialen der Allgemeinen<lb/> Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. — Generalvertretungen: für Oeſterreich-Ungarn<lb/> in Wien <hi rendition="#aq">V/I,</hi> Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co.,<lb/> 31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co.,<lb/> 1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzt & Co., Moskau.<lb/> Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53.</p> </div><lb/> <div type="imprint" n="1"> <p> <hi rendition="#c">Chefredakteur: Dr. <hi rendition="#g">Hermann Diez.</hi><lb/> Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. <hi rendition="#g">Rudolf Dammert;</hi> für den bayeriſchen Teil Dr. <hi rendition="#g">Paul Buſching;</hi> für das Feuilleton und den „Sonntag“ <hi rendition="#g">Alfred Frhr. v. Menſi;</hi><lb/> für die Wiſſenſchaftliche Beilage Dr. <hi rendition="#g">Oskar Bulle;</hi> für den Handelsteil <hi rendition="#g">Leo Jolles,</hi> ſämtlich in München.<lb/><hi rendition="#g">Redaktion:</hi> Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: <hi rendition="#g">Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt,</hi> G. m. b. H., in München. = <hi rendition="#g">Expedition:</hi> Bayerſtraße 57, Telephon 8430, 8431.</hi> </p> </div> </front><lb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Neueſte vom Tage.</hi> </head><lb/> <p>Bei einem <hi rendition="#g">Gefecht</hi> mit <hi rendition="#g">Simon Copper in Deutſch-<lb/> Südweſtafrika</hi> ſind Hauptmann v. 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Zu dem erſten gab —<lb/> unverſchuldet — der Zentrumsabgeordnete Erzberger An-<lb/> laß, der zunächſt ſeiner Genugtuung darüber Ausdruck ge-<lb/> geben hatte, daß Staatsſekretär Dernburg heute in der<lb/> Hauptſache durchaus auf dem Standpunkte des „ausgeſchal-<lb/> teten“ Zentrums ſtehe, dann eine eigene Kolonialreiſe an-<lb/> kündigte und in der Formulierung ſeiner kolonialpolitiſchen<lb/> Grundſätze u. a. den Ausdruck gebrauchte, daß <hi rendition="#g">auch der<lb/> Neger ein Menſch mit unſterblicher Seele</hi><lb/> ſei. Obwohl dieſer Satz vom chriſtlichen Standpunkt ganz<lb/> ſelbſtverſtändlich iſt, brach auf der Linken ſchallende Heiter-<lb/> keit aus, die auch auf einen Teil der Tribünenbeſucher eine<lb/> anſteckende Wirkung ausübte und einen Journaliſten zu<lb/> einem Zwiſchenruf (Oho!) veranlaßte. Von einem Schrift-<lb/> führer darauf aufmerkſam gemacht, erklärte der Präſident<lb/> Graf Stolberg, zu den Journaliſten gewandt, daß er die<lb/> Tribüne zu ſeinem Bedauern räumen laſſen müßte, falls<lb/> auf ihnen Zeichen des Beifalls und Mißfallens laut wür-<lb/> den. Dem Zentrumsabgeordneten <hi rendition="#g">Gröber,</hi> der ſeinen<lb/> Namen nicht umſonſt führt, genügte aber dieſe mildernde<lb/> Rüge nicht, und er machte ſeinem Unmut mit einem ſehr<lb/> derben Ausdruck Luft. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Müller-Mei-<lb/> ningen</hi> kam mit einigen Worten auf dieſen Zwiſchenfall<lb/> zurück; er erklärte, daß unter den Abgeordneten einige Ner-<lb/> voſität herrſche, weil wiederholt Zwiſchenrufe von der Tri-<lb/> büne gekommen ſeien; auf der anderen Seite dürfe man ſich<lb/> aber auch nicht wundern, wenn die Herren von der Preſſe<lb/> etwas nervös ſeien, denn es wären an ſie in der letzten<lb/> Zeit Anforderungen geſtellt worden, wie noch nie zuvor.<lb/> Im übrigen handle es ſich nur um die Taktloſigkeit eines<lb/> einzelnen und keineswegs um die Vertreter der Preſſe in<lb/> ihrer Geſamtheit. Gegen den Schluß der Sitzung kam dann<lb/> auch der Präſident auf den Zwiſchenfall zu ſprechen, leider<lb/> ohne die verſöhnende Formel zu finden, ſo daß die <hi rendition="#g">Jour-<lb/> naliſten unter Proteſt ihre Tätigkeit ein-<lb/> ſtellten.</hi></p><lb/> <p>Der Würde des Hauſes mehr entſprechend, aber <hi rendition="#g">lei-<lb/> der ſehr trauriger Art,</hi> war der <hi rendition="#g">zweite Zwi-<lb/> ſchenfall.</hi> Staatsſekretär Dernburg mußte dem Hauſe<lb/> die Mitteilung machen, daß <hi rendition="#g">in Südweſtafrika ein<lb/> ſchweres Gefecht gegen Simon Copper</hi> ſtatt-<lb/> gefunden hat; ein Hauptmann, ein Leutnant und zwölf<lb/> Mann ſind gefallen, neun Mann wurden ſchwer, drei Offi-<lb/> ziere und fünf Mann leicht verwundet. Simon Copper er-<lb/> litt ebenfalls ſchwere Verluſte, entkam aber in die Kalahari.<lb/> In tief empfundenen Worten gaben die Redner der ein-<lb/> zelnen Parteien ihrer Trauer über dieſen nationalen Ver-<lb/> luſt Ausdruck, und Vizepräſident Kämpf fand lebhafte Zu-<lb/> ſtimmung, als er das Haus bat, ſich zu Ehren der gefal-<lb/> lenen tapferen Offiziere und Soldaten vom Platze zu er-<lb/> heben. Der patriotiſchen Stimmung, die das Haus erfüllte,<lb/> konnte ſich auch der Sozialdemokrat Eichhorn nicht ent-<lb/> ziehen; auch er widmete den in Südweſtafrika gefallenen<lb/> Kämpfern ehrende Worte für ihre Pflichterfüllung und<lb/> Treue, wenn er auch betonen zu müſſen glaubte, daß die<lb/> Kämpfer Söhne des Volkes und nicht Angehörige einer<lb/> einzelnen Klaſſe geweſen ſeien.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ueber den Journaliſten-Zwiſchenfall</hi><lb/> wird noch gemeldet:</p><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">n.</hi><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 19. März, 5.45 <hi rendition="#aq">N.</hi> (<hi rendition="#g">Privattelegramm.</hi>) Der<lb/> Abg. Erzberger hatte in ſeiner Rede die Bemerkung gemacht,<lb/> daß auch der Neger eine unſterbliche Seele habe. Dieſe Bemerkung<lb/> war auch <hi rendition="#g">auf der Journaliſtentribüne mit Heiter-<lb/> keit auf genommen</hi> worden, was beim Zentrum anſchei-<lb/> nend Aerger erregte; ſo ließ ſich der Abg. <hi rendition="#g">Gröber</hi> hinreißen,<lb/> unter deutlichem Hinweis auf die Journaliſtentribüne den Aus-<lb/> druck „S .. bengel“ zu gebrauchen. Darauf ſandten die Journa-<lb/> liſten eine <hi rendition="#g">Abordnung an den Grafen Stolberg,</hi> um<lb/> ihm die Bitte vorzutragen, er möge ihnen die Genugtuung ſchaf-<lb/> fen, die der Würde des Deutſchen Reichstages und der Würde der<lb/> Preſſe entſpreche. Graf Stolberg empfing die Delegierten mit der<lb/> ihm eigenen Liebenswürdigkeit, antwortete aber, er könne im<lb/> Augenblick keine Entſcheidung treffen, er wolle ſich die Sache<lb/><cb/> überlegen; er hat ſich dann auch ſicherlich von der wohlwollenden<lb/> Abſicht leiten laſſen, den Wünſchen der Journaliſten gerecht zu<lb/> werden, aber gelungen iſt es ihm nicht. Als er den Vorſitz wie-<lb/> der übernahm, kam er auf den Vorfall zurück, wiederholte aber<lb/> zunächſt ſeine vorher ſchon ausgeſprochene Rüge und knüpfte<lb/> daran konditional die Bemerkung, wenn ein Mitglied des Hauſes<lb/> einen unparlamentariſchen Ausdruck gebraucht habe, ſo bedauere<lb/> er das. Bei aller Anerkennung des guten Willens des Präſi-<lb/> denten konnte <hi rendition="#g">ſeine Erklärung den Vertretern der<lb/> Preſſe nicht genügen;</hi> ſie ſahen gar keine Veranlaſſung<lb/> zur Wiederholung des ihnen gemachten Vorhalts und ſie mußten<lb/> um ſo ſicherer erwarten, daß das Verhalten des Abg. Gröber<lb/> irgendwie gerügt werden würde, da doch wenige Tage vorher ein<lb/> anderer Abgeordneter, der ſich einen unparlamentariſchen Aus-<lb/> druck gegenüber einem Aſſeſſor hatte zuſchulden kommen laſſen,<lb/> kurzerhand zur Ordnung gerufen worden war. Die Vertreter der<lb/> Preſſe traten ſofort zu einer Beſprechung zuſammen. Es wurde<lb/> eine Deputation gewählt, die dem Präſidenten zur Kenntnis<lb/> bringen ſoll, daß die Vertreter der Preſſe in ſeinen Worten eine<lb/> ausreichende Genugtuung nicht erblicken können; ferner wurde<lb/> ein Beſchluß gefaßt, die <hi rendition="#g">Tribüne nicht früher zu betre-<lb/> ten,</hi> als bis die Angelegenheit in einer die Journaliſten befrie-<lb/> digenden Weiſe <hi rendition="#g">ihre Erledigung gefunden</hi> hat.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">n.</hi><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 20. März, 1.50 <hi rendition="#aq">N.</hi> (<hi rendition="#g">Privattelegramm.</hi>)<lb/> Heute vormittag empfing der <hi rendition="#g">Präſident des Reichstags</hi><lb/> Graf Stolberg die aus fünf Herren beſtehende <hi rendition="#g">Deputation</hi><lb/> der <hi rendition="#g">Parlamentsjournaliſten.</hi> Das Reſultat der Unter-<lb/> redung iſt bis jetzt noch nicht bekannt.</quote> </cit><lb/> <p>Der Ohoruf des Journaliſten war gewiß ſachlich und<lb/> formell ſehr ungehörig; man wird auch dem Abg. Gröber<lb/> die Erregung des Augenblicks einigermaßen zugute halten.<lb/> Aber auch wenn man das tut und außerdem in Nechnung<lb/> ſtellt, daß Gröber wohl noch nie Wert darauf gelegt hat,<lb/> als ein Mann von feinen Sitten zu gelten, ſo bleibt bei<lb/> dem Verſuch einer Kompenſation der begangenen Unge-<lb/> hörigkeiten doch ein ſo großer Ueberſchuß zu Ungunſten<lb/> Gröbers, daß das Verlangen der mitbeleidigten, aber durch-<lb/> aus unſchuldigen großen Mehrzahl der Inſaſſen der Jour-<lb/> naliſtentribüne nach einer Genugtuung <hi rendition="#g">vollſtändig<lb/> gerechtfertigt</hi> erſcheint. Es gehört zu den Kinder-<lb/> ſchuh-Eigentümlichkeiten unſeres politiſchen Lebens, daß<lb/> der Abgeordnete ſich im allgemeinen hoch erhaben glaubt<lb/> über den Journaliſten, wozu nicht immer Anlaß vorhan-<lb/> den iſt, während andrerſeits auf der Journaliſtentribüne<lb/> verzweifelt wenig Reſpekt vor den Herren Parlamen-<lb/> tariern, dagegen ſehr viel Neigung zu ſcharfer Kritik hei-<lb/> miſch iſt. Aber trotz dieſer Stimmung, die einen Nährboden<lb/> für kleine Konflikte bietet, ſollte doch ein Zuſammenleben<lb/> und -arbeiten in den Formen der gebildeten Welt nicht<lb/> nur möglich, ſondern ſelbſtverſtändlich ſein. Und die Herren<lb/> ſollten auch nicht vergeſſen, daß die Preſſe zur Not ſehr<lb/> wohl ohne den Reichstag exiſtieren kann, während das um-<lb/> gekehrt kaum der Fall iſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die neue Hiobspoſt aus Deutſch-<lb/> Südweſtafrika.</hi> </head><lb/> <p>Die Trauernachricht aus Südweſtafrika, die in der<lb/> geſtrigen Sitzung des Reichstags mitgeteilt worden iſt, und<lb/> dort ſo tiefen Eindruck gemacht hat, wie ſie ihn ohne Zweifel<lb/> im ganzen Deutſchen Reich machen wird, lautet wie folgt:</p><lb/> <cit> <quote>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 19. März. Nach einem Telegramm des<lb/> Oberſtleutnants v. Eſtorff griff das <hi rendition="#g">Expeditions-<lb/> korps</hi> des <hi rendition="#g">Hauptmanns v. Erckertam</hi> 16. März die<lb/><hi rendition="#g">Werft Simon Coppers</hi> inmitten der Kalahari, etwa<lb/> 100 Kilometer nordöſtlich von Geinab, an. Der Feind ver-<lb/> lor an Toten 58 Männer; 7 Männer und einige Weiber<lb/> wurden gefangen genommen. <hi rendition="#g">Simon Copper ent-<lb/> kam</hi> im dichten Buſch. Der Reſt der Werft zerſtreute ſich<lb/> nach Süden und Südoſten. <hi rendition="#g">Hauptmann v. Erckert,<lb/> Leutnant Ebinger</hi> und 12 <hi rendition="#g">Mann</hi> ſind <hi rendition="#g">gefallen;</hi><lb/> 9 Mann wurden <hi rendition="#g">ſchwer,</hi> 3 Offiziere und 5 Mann <hi rendition="#g">leicht<lb/> verletzt.</hi></quote> </cit><lb/> <p>Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von<lb/> Gochas am 6. März, von Arahoas am 8. März, in der Ge-<lb/> ſamtſtärke von 430 Weißen mit vier Maſchinengewehren<lb/> und 700 Kamelen aufgebrochen. Am 11. März vereinigte<lb/> ſich das Expeditionskorps bei Geinab. Nach dem vierten<lb/> Tage wurde zum erſtenmal abgekocht. Die tägliche Waſſer-<lb/> ration für den Mann betrug bei heißer und trockener Wit-<lb/> terung zuerſt zwei, dann ein Liter. Bei Geinab war das<lb/> letzte Waſſer gefunden worden. Es reichte aber nicht zum<lb/> Tränken der Kamele. Hauptmann v. Erckert hatte auf der<lb/> Spur Simon Coppers am Abend des 15. März deſſen Werft<lb/> erkundet. Am 16. März mit Tagesanbruch griff er die<lb/> Werft mit zwei Detachements unter den Hauptleuten<lb/> Grüner und Willeke an, fiel jedoch gleich bei Beginn des<lb/> Gefechtes. Hauptmann Grüner übernahm das Kommando<lb/> und befahl dem in einem Halbkreis um die Werft liegenden<lb/> Expeditionskorps den ununterbrochenen Anlauf gegen den<lb/> Feind. Dieſer wurde zwei Stunden lang von Stellung zu<lb/> Stellung geworfen, bis er vormittags halb 8 Uhr ſeinen<lb/> verzweifelten Widerſtand aufgab und in regelloſer Flucht<lb/><cb/> nach Süden und Südoſten auseinanderlief. <hi rendition="#g">Erbeutet</hi><lb/> wurden 29 Gewehre, zahlreiche Munition, eine kleine Herde<lb/> Vieh, ſowie einige Pferde.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Hottentottenbande,</hi> welche am 8. März<lb/> nördlich von Koes eine Patrouille überfallen hatte, ſcheint<lb/> bereits am 15. März wieder bei Simon Copper geweſen zu<lb/> ſein. Hauptmann Grüner geht zunächſt zum Norſob zurück,<lb/> weil er Waſſer haben muß. <hi rendition="#g">Simon Copper</hi> iſt <hi rendition="#g">ſchwer<lb/> geſchädigt,</hi> aber <hi rendition="#g">noch nicht endgültig beſei-<lb/> tigt.</hi> Weitere Grenzbewachung und erneute Expeditionen<lb/> bleiben nötig. Nach Meldung des Oberſtleutnants von<lb/> Eſtorff muß die Leiſtung des Expeditionskorps als <hi rendition="#g">ganz<lb/> hervorragende Waffentat</hi> bezeichnet werden.<lb/> Mit dem tapferen und bewährten Führer, Hauptmann von<lb/> Erckert, verliert die Schutztruppe einen ihrer beſten Offiziere.</p><lb/> <p>Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes <hi rendition="#g">von<lb/> Erckert</hi> ſtand ſeit November 1904 bei der Schutztruppe. Er<lb/> wurde 1899 als Oberleutnant erſtmals zur Schutztruppe für<lb/> Südweſtafrika verſetzt. Dort blieb er drei Jahre, dann kam er<lb/> in das Infanterie-Regiment Nr. 92 in Braunſchweig und wurde<lb/> im Mai 1904 Hauptmann und Kompagniechef. Erckert war mit<lb/> dem Roten Adlerorden 4. Klaſſe und dem Ritterkreuz 2. Klaſſe<lb/> des braunſchweigiſchen Heinrich des Löwen-Orden, beide mit<lb/> Schwertern, dekoriert.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Wiener Nuntius.</hi> </head><lb/> <p>Die Aeußerungen des apoſtoliſchen Nuntius in Wien,<lb/><hi rendition="#g">Mſgr. Granito di Belmonte,</hi> über ſeine Unter-<lb/> redung mit dem Frhrn. v. Aehrenthal haben auf uns und<lb/> andere den Eindruck vollkommener Glaubwürdigkeit ge-<lb/> macht, und was in den letzten acht Tagen über Aeußerungen<lb/> des Miniſterpräſidenten Frhrn. v. Beck und des Unter-<lb/> richtsminiſters Dr. Marchet in die Oeffentlichkeit gedrun-<lb/> gen war, ließ erwarten, daß die Wünſche des Nuntius in<lb/> Sachen Wahrmunds inhaltlich weitgehendes Entgegen-<lb/> kommen finden würden. Wenn trotzdem gegen die Aeuße-<lb/> rungen des Nuntiuſ ein gewiſſer amtlicher Proteſt erfolgte,<lb/> ſo verſtand man das ſa, daß ſich das Miniſterium gegen<lb/> etwaige parlamentariſche Angriffe decken wollte, als hätte<lb/> es die ſtaatlichen Hoheitsrechte nicht genügend gewahrt;<lb/> es konnte dabei immer noch eine ſachlich faſt ungetrübte<lb/> Harmonie zwiſchen dem Nuntius und der öſterreichiſchen<lb/> Regierung beſtehen. Heute ſteht nun aber zweifellos feſt,<lb/> daß die öſterreichiſche Regierung dem Nuntius zum minde-<lb/> ſten die <hi rendition="#g">Wiederholung</hi> ſeiner Darſtellung ſehr ver-<lb/> übelt hat, und ſo erſcheint nun in der Tat die Stellung<lb/> des Nuntius ſchwer erſchüttert. Man ſchreibt uns darüber<lb/> aus <hi rendition="#g">Wien:</hi></p><lb/> <cit> <quote><hi rendition="#aq">F.</hi><hi rendition="#b">Wien,</hi> 18. März.<lb/> Der <hi rendition="#g">Nuntius</hi> iſt durch den Verlauf der vielbeſpro-<lb/> chenen Angelegenheit aufs äußerſte bloßgeſtellt, aber Prof.<lb/> Wahrmund deshalb noch nicht aller Fährniſſe ledig. Das<lb/> ungeſchickte Zugreifen Belmontes hatte bisher die Folge,<lb/> daß ſo ziemlich alle Parteien darüber einig wurden, Oeſter-<lb/> reich dürfe in ſeine Staatshoheit nicht eingreifen laſſen und<lb/> ſei ſouverän in der Beſetzung der Lehrſtühle an den Uni-<lb/> verſitäten wie an allen anderen ſtaatlichen Unterrichts-<lb/> anſtalten. Von den liberalen, demokratiſchen und ſozialiſti-<lb/> ſchen Gruppen war nichts anderes zu erwarten, aber auch<lb/> die deutſchen wie die tſchechiſchen Nationalen, von denen<lb/> viele — beſonders auf deutſcher Seite — einen konſervati-<lb/> ven Einſchlag zeigen, haben ſich ohne Schwanken auf die<lb/> Seite der freien Auffaſſung geſtellt. Die Sache des Nun-<lb/> tius war völlig verloren, als ſelbſt die Chriſtlichſozialen<lb/> — wenn auch unter den ärgſten Schmähungen gegen Wahr-<lb/> mund — ſeine Einmiſchung für bedenklich erklärten und ſie<lb/> ablehnten. Es iſt zwar unerhört, daß ein Miniſter, Dr.<lb/> Geßmann, ſich ſo weit vergeſſen konnte, unter dem Schutze<lb/> der Immunität die gröbſten Schmähungen gegen den viel<lb/> angefeindeten Mann zu erheben; die Aufnahme dieſes ge-<lb/> wandten Agitators, dem jedoch die Bildung des Herzens<lb/> ebenſo fehlt wie die des Geiſtes, ſpricht nicht gerade für die<lb/> Höhe des Kulturniveaus, auf dem ſich der Miniſterpräſident<lb/> ſeine Kollegen ſuchte. Aber auch dieſes wunderliche<lb/> Exemplar eines Staatsmannes ſchwärmt nicht für das Vor-<lb/> gehen des Nuntius, und ähnlich äußerte ſich ein anderer<lb/> Führer der Chriſtlichſozialen, Prinz Alois Liechtenſtein.<lb/> Nur das kleine Häuflein der Allklerikalen findet alles gut<lb/> und ſchön, was von Rom ausgeht. Schon dadurch iſt die<lb/> Stellung des Nuntius unhaltbar geworden.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote>Das aber iſt eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen<lb/> diplomatiſchen Kunſtfehler des Nuntius, der nicht eben ein<lb/> Meiſter diplomatiſcher Künſte zu ſein ſcheint. Er handelt<lb/> ſo, als ob er nicht Vertreter Seiner Heiligkeit des Papſtes<lb/> bei Seiner Majeſtät dem Kaiſer Franz Joſeph wäre, ſon-<lb/> dern die Aufgabe hätte, durch den Verkehr mit den Wiener<lb/> Redaktionen auf die öffentliche Meinung Oeſterreichs zu<lb/> wirken. Er polemiſiert auf dieſem Wege mit dem gemein-<lb/> ſamen Miniſter des Aeußern und mit der öſterreichiſchen<lb/> Regierung, behauptet, daß ſeine an Baron Aehrenthal ge-<lb/> richteten Worte von letzterem unrichtig wiedergegeben wor-<lb/> den ſeien; er habe die Entſetzung Profeſſor Wahrmunds<lb/></quote> </cit> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Samstag. 21. März 1908. München. Vorabendblatt. — Nr. 134
Allgemeine Zeitung.
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München: Expedition Bayerſtraße 57, deren Filialen und ſämtliche Zeitungs-Expeditionen; für
das Ausland: England; A. Siegle, 80 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publiſhing Syndicate,
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in Paris; das übrige Europa; die Poſtämter; Orient: das k. k. Poſtamt in Wien oder in Trieſt; Nord-
amerika: F. W. Chriſtern. E. Steiger & Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann & Co., ſämtlich in New York.
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Inſeraten-Annahme in München: Expedition Bayerſtraße 57, die Filialen der Allgemeinen
Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. — Generalvertretungen: für Oeſterreich-Ungarn
in Wien V/I, Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co.,
31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co.,
1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzt & Co., Moskau.
Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53.
Chefredakteur: Dr. Hermann Diez.
Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayeriſchen Teil Dr. Paul Buſching; für das Feuilleton und den „Sonntag“ Alfred Frhr. v. Menſi;
für die Wiſſenſchaftliche Beilage Dr. Oskar Bulle; für den Handelsteil Leo Jolles, ſämtlich in München.
Redaktion: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerſtraße 57, Telephon 8430, 8431.
Das Neueſte vom Tage.
Bei einem Gefecht mit Simon Copper in Deutſch-
Südweſtafrika ſind Hauptmann v. Erckert, Leutnant
Ebinger und 12 Mann gefallen.
Der Neſtor der deutſchen Philoſophen, Eduard Zeller, iſt
geſtorben.
Der württembergiſche Finanzminiſter v. Zeyer hat
ſeine Demiſſion erbeten und erhalten.
Bei dem Empfang, den der Wiener Nuntiuſ geſtern
aus Anlaß des Papſtjubiläums abhielt, fehlten ſämt-
liche Miniſter.
Eine ereignisreiche Sitzung.
n. Berlin, 19. März. 10.50 N.
(Privattel.)
Die heutige Reichstagsſitzung war durch allerhand
Zwiſchenfälle gekennzeichnet. Zu dem erſten gab —
unverſchuldet — der Zentrumsabgeordnete Erzberger An-
laß, der zunächſt ſeiner Genugtuung darüber Ausdruck ge-
geben hatte, daß Staatsſekretär Dernburg heute in der
Hauptſache durchaus auf dem Standpunkte des „ausgeſchal-
teten“ Zentrums ſtehe, dann eine eigene Kolonialreiſe an-
kündigte und in der Formulierung ſeiner kolonialpolitiſchen
Grundſätze u. a. den Ausdruck gebrauchte, daß auch der
Neger ein Menſch mit unſterblicher Seele
ſei. Obwohl dieſer Satz vom chriſtlichen Standpunkt ganz
ſelbſtverſtändlich iſt, brach auf der Linken ſchallende Heiter-
keit aus, die auch auf einen Teil der Tribünenbeſucher eine
anſteckende Wirkung ausübte und einen Journaliſten zu
einem Zwiſchenruf (Oho!) veranlaßte. Von einem Schrift-
führer darauf aufmerkſam gemacht, erklärte der Präſident
Graf Stolberg, zu den Journaliſten gewandt, daß er die
Tribüne zu ſeinem Bedauern räumen laſſen müßte, falls
auf ihnen Zeichen des Beifalls und Mißfallens laut wür-
den. Dem Zentrumsabgeordneten Gröber, der ſeinen
Namen nicht umſonſt führt, genügte aber dieſe mildernde
Rüge nicht, und er machte ſeinem Unmut mit einem ſehr
derben Ausdruck Luft. Der Abgeordnete Müller-Mei-
ningen kam mit einigen Worten auf dieſen Zwiſchenfall
zurück; er erklärte, daß unter den Abgeordneten einige Ner-
voſität herrſche, weil wiederholt Zwiſchenrufe von der Tri-
büne gekommen ſeien; auf der anderen Seite dürfe man ſich
aber auch nicht wundern, wenn die Herren von der Preſſe
etwas nervös ſeien, denn es wären an ſie in der letzten
Zeit Anforderungen geſtellt worden, wie noch nie zuvor.
Im übrigen handle es ſich nur um die Taktloſigkeit eines
einzelnen und keineswegs um die Vertreter der Preſſe in
ihrer Geſamtheit. Gegen den Schluß der Sitzung kam dann
auch der Präſident auf den Zwiſchenfall zu ſprechen, leider
ohne die verſöhnende Formel zu finden, ſo daß die Jour-
naliſten unter Proteſt ihre Tätigkeit ein-
ſtellten.
Der Würde des Hauſes mehr entſprechend, aber lei-
der ſehr trauriger Art, war der zweite Zwi-
ſchenfall. Staatsſekretär Dernburg mußte dem Hauſe
die Mitteilung machen, daß in Südweſtafrika ein
ſchweres Gefecht gegen Simon Copper ſtatt-
gefunden hat; ein Hauptmann, ein Leutnant und zwölf
Mann ſind gefallen, neun Mann wurden ſchwer, drei Offi-
ziere und fünf Mann leicht verwundet. Simon Copper er-
litt ebenfalls ſchwere Verluſte, entkam aber in die Kalahari.
In tief empfundenen Worten gaben die Redner der ein-
zelnen Parteien ihrer Trauer über dieſen nationalen Ver-
luſt Ausdruck, und Vizepräſident Kämpf fand lebhafte Zu-
ſtimmung, als er das Haus bat, ſich zu Ehren der gefal-
lenen tapferen Offiziere und Soldaten vom Platze zu er-
heben. Der patriotiſchen Stimmung, die das Haus erfüllte,
konnte ſich auch der Sozialdemokrat Eichhorn nicht ent-
ziehen; auch er widmete den in Südweſtafrika gefallenen
Kämpfern ehrende Worte für ihre Pflichterfüllung und
Treue, wenn er auch betonen zu müſſen glaubte, daß die
Kämpfer Söhne des Volkes und nicht Angehörige einer
einzelnen Klaſſe geweſen ſeien.
Ueber den Journaliſten-Zwiſchenfall
wird noch gemeldet:
n. Berlin, 19. März, 5.45 N. (Privattelegramm.) Der
Abg. Erzberger hatte in ſeiner Rede die Bemerkung gemacht,
daß auch der Neger eine unſterbliche Seele habe. Dieſe Bemerkung
war auch auf der Journaliſtentribüne mit Heiter-
keit auf genommen worden, was beim Zentrum anſchei-
nend Aerger erregte; ſo ließ ſich der Abg. Gröber hinreißen,
unter deutlichem Hinweis auf die Journaliſtentribüne den Aus-
druck „S .. bengel“ zu gebrauchen. Darauf ſandten die Journa-
liſten eine Abordnung an den Grafen Stolberg, um
ihm die Bitte vorzutragen, er möge ihnen die Genugtuung ſchaf-
fen, die der Würde des Deutſchen Reichstages und der Würde der
Preſſe entſpreche. Graf Stolberg empfing die Delegierten mit der
ihm eigenen Liebenswürdigkeit, antwortete aber, er könne im
Augenblick keine Entſcheidung treffen, er wolle ſich die Sache
überlegen; er hat ſich dann auch ſicherlich von der wohlwollenden
Abſicht leiten laſſen, den Wünſchen der Journaliſten gerecht zu
werden, aber gelungen iſt es ihm nicht. Als er den Vorſitz wie-
der übernahm, kam er auf den Vorfall zurück, wiederholte aber
zunächſt ſeine vorher ſchon ausgeſprochene Rüge und knüpfte
daran konditional die Bemerkung, wenn ein Mitglied des Hauſes
einen unparlamentariſchen Ausdruck gebraucht habe, ſo bedauere
er das. Bei aller Anerkennung des guten Willens des Präſi-
denten konnte ſeine Erklärung den Vertretern der
Preſſe nicht genügen; ſie ſahen gar keine Veranlaſſung
zur Wiederholung des ihnen gemachten Vorhalts und ſie mußten
um ſo ſicherer erwarten, daß das Verhalten des Abg. Gröber
irgendwie gerügt werden würde, da doch wenige Tage vorher ein
anderer Abgeordneter, der ſich einen unparlamentariſchen Aus-
druck gegenüber einem Aſſeſſor hatte zuſchulden kommen laſſen,
kurzerhand zur Ordnung gerufen worden war. Die Vertreter der
Preſſe traten ſofort zu einer Beſprechung zuſammen. Es wurde
eine Deputation gewählt, die dem Präſidenten zur Kenntnis
bringen ſoll, daß die Vertreter der Preſſe in ſeinen Worten eine
ausreichende Genugtuung nicht erblicken können; ferner wurde
ein Beſchluß gefaßt, die Tribüne nicht früher zu betre-
ten, als bis die Angelegenheit in einer die Journaliſten befrie-
digenden Weiſe ihre Erledigung gefunden hat.
n. Berlin, 20. März, 1.50 N. (Privattelegramm.)
Heute vormittag empfing der Präſident des Reichstags
Graf Stolberg die aus fünf Herren beſtehende Deputation
der Parlamentsjournaliſten. Das Reſultat der Unter-
redung iſt bis jetzt noch nicht bekannt.
Der Ohoruf des Journaliſten war gewiß ſachlich und
formell ſehr ungehörig; man wird auch dem Abg. Gröber
die Erregung des Augenblicks einigermaßen zugute halten.
Aber auch wenn man das tut und außerdem in Nechnung
ſtellt, daß Gröber wohl noch nie Wert darauf gelegt hat,
als ein Mann von feinen Sitten zu gelten, ſo bleibt bei
dem Verſuch einer Kompenſation der begangenen Unge-
hörigkeiten doch ein ſo großer Ueberſchuß zu Ungunſten
Gröbers, daß das Verlangen der mitbeleidigten, aber durch-
aus unſchuldigen großen Mehrzahl der Inſaſſen der Jour-
naliſtentribüne nach einer Genugtuung vollſtändig
gerechtfertigt erſcheint. Es gehört zu den Kinder-
ſchuh-Eigentümlichkeiten unſeres politiſchen Lebens, daß
der Abgeordnete ſich im allgemeinen hoch erhaben glaubt
über den Journaliſten, wozu nicht immer Anlaß vorhan-
den iſt, während andrerſeits auf der Journaliſtentribüne
verzweifelt wenig Reſpekt vor den Herren Parlamen-
tariern, dagegen ſehr viel Neigung zu ſcharfer Kritik hei-
miſch iſt. Aber trotz dieſer Stimmung, die einen Nährboden
für kleine Konflikte bietet, ſollte doch ein Zuſammenleben
und -arbeiten in den Formen der gebildeten Welt nicht
nur möglich, ſondern ſelbſtverſtändlich ſein. Und die Herren
ſollten auch nicht vergeſſen, daß die Preſſe zur Not ſehr
wohl ohne den Reichstag exiſtieren kann, während das um-
gekehrt kaum der Fall iſt.
Die neue Hiobspoſt aus Deutſch-
Südweſtafrika.
Die Trauernachricht aus Südweſtafrika, die in der
geſtrigen Sitzung des Reichstags mitgeteilt worden iſt, und
dort ſo tiefen Eindruck gemacht hat, wie ſie ihn ohne Zweifel
im ganzen Deutſchen Reich machen wird, lautet wie folgt:
* Berlin, 19. März. Nach einem Telegramm des
Oberſtleutnants v. Eſtorff griff das Expeditions-
korps des Hauptmanns v. Erckertam 16. März die
Werft Simon Coppers inmitten der Kalahari, etwa
100 Kilometer nordöſtlich von Geinab, an. Der Feind ver-
lor an Toten 58 Männer; 7 Männer und einige Weiber
wurden gefangen genommen. Simon Copper ent-
kam im dichten Buſch. Der Reſt der Werft zerſtreute ſich
nach Süden und Südoſten. Hauptmann v. Erckert,
Leutnant Ebinger und 12 Mann ſind gefallen;
9 Mann wurden ſchwer, 3 Offiziere und 5 Mann leicht
verletzt.
Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von
Gochas am 6. März, von Arahoas am 8. März, in der Ge-
ſamtſtärke von 430 Weißen mit vier Maſchinengewehren
und 700 Kamelen aufgebrochen. Am 11. März vereinigte
ſich das Expeditionskorps bei Geinab. Nach dem vierten
Tage wurde zum erſtenmal abgekocht. Die tägliche Waſſer-
ration für den Mann betrug bei heißer und trockener Wit-
terung zuerſt zwei, dann ein Liter. Bei Geinab war das
letzte Waſſer gefunden worden. Es reichte aber nicht zum
Tränken der Kamele. Hauptmann v. Erckert hatte auf der
Spur Simon Coppers am Abend des 15. März deſſen Werft
erkundet. Am 16. März mit Tagesanbruch griff er die
Werft mit zwei Detachements unter den Hauptleuten
Grüner und Willeke an, fiel jedoch gleich bei Beginn des
Gefechtes. Hauptmann Grüner übernahm das Kommando
und befahl dem in einem Halbkreis um die Werft liegenden
Expeditionskorps den ununterbrochenen Anlauf gegen den
Feind. Dieſer wurde zwei Stunden lang von Stellung zu
Stellung geworfen, bis er vormittags halb 8 Uhr ſeinen
verzweifelten Widerſtand aufgab und in regelloſer Flucht
nach Süden und Südoſten auseinanderlief. Erbeutet
wurden 29 Gewehre, zahlreiche Munition, eine kleine Herde
Vieh, ſowie einige Pferde.
Die Hottentottenbande, welche am 8. März
nördlich von Koes eine Patrouille überfallen hatte, ſcheint
bereits am 15. März wieder bei Simon Copper geweſen zu
ſein. Hauptmann Grüner geht zunächſt zum Norſob zurück,
weil er Waſſer haben muß. Simon Copper iſt ſchwer
geſchädigt, aber noch nicht endgültig beſei-
tigt. Weitere Grenzbewachung und erneute Expeditionen
bleiben nötig. Nach Meldung des Oberſtleutnants von
Eſtorff muß die Leiſtung des Expeditionskorps als ganz
hervorragende Waffentat bezeichnet werden.
Mit dem tapferen und bewährten Führer, Hauptmann von
Erckert, verliert die Schutztruppe einen ihrer beſten Offiziere.
Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes von
Erckert ſtand ſeit November 1904 bei der Schutztruppe. Er
wurde 1899 als Oberleutnant erſtmals zur Schutztruppe für
Südweſtafrika verſetzt. Dort blieb er drei Jahre, dann kam er
in das Infanterie-Regiment Nr. 92 in Braunſchweig und wurde
im Mai 1904 Hauptmann und Kompagniechef. Erckert war mit
dem Roten Adlerorden 4. Klaſſe und dem Ritterkreuz 2. Klaſſe
des braunſchweigiſchen Heinrich des Löwen-Orden, beide mit
Schwertern, dekoriert.
Der Wiener Nuntius.
Die Aeußerungen des apoſtoliſchen Nuntius in Wien,
Mſgr. Granito di Belmonte, über ſeine Unter-
redung mit dem Frhrn. v. Aehrenthal haben auf uns und
andere den Eindruck vollkommener Glaubwürdigkeit ge-
macht, und was in den letzten acht Tagen über Aeußerungen
des Miniſterpräſidenten Frhrn. v. Beck und des Unter-
richtsminiſters Dr. Marchet in die Oeffentlichkeit gedrun-
gen war, ließ erwarten, daß die Wünſche des Nuntius in
Sachen Wahrmunds inhaltlich weitgehendes Entgegen-
kommen finden würden. Wenn trotzdem gegen die Aeuße-
rungen des Nuntiuſ ein gewiſſer amtlicher Proteſt erfolgte,
ſo verſtand man das ſa, daß ſich das Miniſterium gegen
etwaige parlamentariſche Angriffe decken wollte, als hätte
es die ſtaatlichen Hoheitsrechte nicht genügend gewahrt;
es konnte dabei immer noch eine ſachlich faſt ungetrübte
Harmonie zwiſchen dem Nuntius und der öſterreichiſchen
Regierung beſtehen. Heute ſteht nun aber zweifellos feſt,
daß die öſterreichiſche Regierung dem Nuntius zum minde-
ſten die Wiederholung ſeiner Darſtellung ſehr ver-
übelt hat, und ſo erſcheint nun in der Tat die Stellung
des Nuntius ſchwer erſchüttert. Man ſchreibt uns darüber
aus Wien:
F. Wien, 18. März.
Der Nuntius iſt durch den Verlauf der vielbeſpro-
chenen Angelegenheit aufs äußerſte bloßgeſtellt, aber Prof.
Wahrmund deshalb noch nicht aller Fährniſſe ledig. Das
ungeſchickte Zugreifen Belmontes hatte bisher die Folge,
daß ſo ziemlich alle Parteien darüber einig wurden, Oeſter-
reich dürfe in ſeine Staatshoheit nicht eingreifen laſſen und
ſei ſouverän in der Beſetzung der Lehrſtühle an den Uni-
verſitäten wie an allen anderen ſtaatlichen Unterrichts-
anſtalten. Von den liberalen, demokratiſchen und ſozialiſti-
ſchen Gruppen war nichts anderes zu erwarten, aber auch
die deutſchen wie die tſchechiſchen Nationalen, von denen
viele — beſonders auf deutſcher Seite — einen konſervati-
ven Einſchlag zeigen, haben ſich ohne Schwanken auf die
Seite der freien Auffaſſung geſtellt. Die Sache des Nun-
tius war völlig verloren, als ſelbſt die Chriſtlichſozialen
— wenn auch unter den ärgſten Schmähungen gegen Wahr-
mund — ſeine Einmiſchung für bedenklich erklärten und ſie
ablehnten. Es iſt zwar unerhört, daß ein Miniſter, Dr.
Geßmann, ſich ſo weit vergeſſen konnte, unter dem Schutze
der Immunität die gröbſten Schmähungen gegen den viel
angefeindeten Mann zu erheben; die Aufnahme dieſes ge-
wandten Agitators, dem jedoch die Bildung des Herzens
ebenſo fehlt wie die des Geiſtes, ſpricht nicht gerade für die
Höhe des Kulturniveaus, auf dem ſich der Miniſterpräſident
ſeine Kollegen ſuchte. Aber auch dieſes wunderliche
Exemplar eines Staatsmannes ſchwärmt nicht für das Vor-
gehen des Nuntius, und ähnlich äußerte ſich ein anderer
Führer der Chriſtlichſozialen, Prinz Alois Liechtenſtein.
Nur das kleine Häuflein der Allklerikalen findet alles gut
und ſchön, was von Rom ausgeht. Schon dadurch iſt die
Stellung des Nuntius unhaltbar geworden.
Das aber iſt eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen
diplomatiſchen Kunſtfehler des Nuntius, der nicht eben ein
Meiſter diplomatiſcher Künſte zu ſein ſcheint. Er handelt
ſo, als ob er nicht Vertreter Seiner Heiligkeit des Papſtes
bei Seiner Majeſtät dem Kaiſer Franz Joſeph wäre, ſon-
dern die Aufgabe hätte, durch den Verkehr mit den Wiener
Redaktionen auf die öffentliche Meinung Oeſterreichs zu
wirken. Er polemiſiert auf dieſem Wege mit dem gemein-
ſamen Miniſter des Aeußern und mit der öſterreichiſchen
Regierung, behauptet, daß ſeine an Baron Aehrenthal ge-
richteten Worte von letzterem unrichtig wiedergegeben wor-
den ſeien; er habe die Entſetzung Profeſſor Wahrmunds
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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