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Allgemeine Zeitung, Nr. 135, 21. März 1908.

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Samstag. 21. März 1908. München. Vorabendblatt. -- Nr. 134
Allgemeine Zeitung.
Erscheint täglich 2mal. -- Einhundertelfter Jahrgang.

Bezugspreis: Ausgabe B mit Wissenschaftlicher Beilage und Internationaler Wochenschrift in
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amerika: F. W. Christern. E. Steiger & Co., Gust. E. Stechert, Westermann & Co., sämtlich in New York.

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Mjasnitzkaja Haus Systow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warschau: Kral-Vorstadt 53.

Chefredakteur: Dr. Hermann Diez.
Verantwortlich: für den politischen Teil mit Ausnahme der bayerischen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayerischen Teil Dr. Paul Busching; für das Feuilleton und den "Sonntag" Alfred Frhr. v. Mensi;
für die Wissenschaftliche Beilage Dr. Oskar Bulle; für den Handelsteil Leo Jolles, sämtlich in München.
Redaktion: Bayerstraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayerische Druckerei & Verlagsanstalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerstraße 57, Telephon 8430, 8431.

Das Neueste vom Tage.

Bei einem Gefecht mit Simon Copper in Deutsch-
Südwestafrika
sind Hauptmann v. Erckert, Leutnant
Ebinger und 12 Mann gefallen.

Der Nestor der deutschen Philosophen, Eduard Zeller, ist
gestorben.

Der württembergische Finanzminister v. Zeyer hat
seine Demission erbeten und erhalten.

Bei dem Empfang, den der Wiener Nuntius gestern
aus Anlaß des Papstjubiläums abhielt, fehlten sämt-
liche Minister.

Eine ereignisreiche Sitzung.

(Privattel.)

Die heutige Reichstagssitzung war durch allerhand
Zwischenfälle
gekennzeichnet. Zu dem ersten gab --
unverschuldet -- der Zentrumsabgeordnete Erzberger An-
laß, der zunächst seiner Genugtuung darüber Ausdruck ge-
geben hatte, daß Staatssekretär Dernburg heute in der
Hauptsache durchaus auf dem Standpunkte des "ausgeschal-
teten" Zentrums stehe, dann eine eigene Kolonialreise an-
kündigte und in der Formulierung seiner kolonialpolitischen
Grundsätze u. a. den Ausdruck gebrauchte, daß auch der
Neger ein Mensch mit unsterblicher Seele

sei. Obwohl dieser Satz vom christlichen Standpunkt ganz
selbstverständlich ist, brach auf der Linken schallende Heiter-
keit aus, die auch auf einen Teil der Tribünenbesucher eine
ansteckende Wirkung ausübte und einen Journalisten zu
einem Zwischenruf (Oho!) veranlaßte. Von einem Schrift-
führer darauf aufmerksam gemacht, erklärte der Präsident
Graf Stolberg, zu den Journalisten gewandt, daß er die
Tribüne zu seinem Bedauern räumen lassen müßte, falls
auf ihnen Zeichen des Beifalls und Mißfallens laut wür-
den. Dem Zentrumsabgeordneten Gröber, der seinen
Namen nicht umsonst führt, genügte aber diese mildernde
Rüge nicht, und er machte seinem Unmut mit einem sehr
derben Ausdruck Luft. Der Abgeordnete Müller-Mei-
ningen
kam mit einigen Worten auf diesen Zwischenfall
zurück; er erklärte, daß unter den Abgeordneten einige Ner-
vosität herrsche, weil wiederholt Zwischenrufe von der Tri-
büne gekommen seien; auf der anderen Seite dürfe man sich
aber auch nicht wundern, wenn die Herren von der Presse
etwas nervös seien, denn es wären an sie in der letzten
Zeit Anforderungen gestellt worden, wie noch nie zuvor.
Im übrigen handle es sich nur um die Taktlosigkeit eines
einzelnen und keineswegs um die Vertreter der Presse in
ihrer Gesamtheit. Gegen den Schluß der Sitzung kam dann
auch der Präsident auf den Zwischenfall zu sprechen, leider
ohne die versöhnende Formel zu finden, so daß die Jour-
nalisten unter Protest ihre Tätigkeit ein-
stellten.

Der Würde des Hauses mehr entsprechend, aber lei-
der sehr trauriger Art,
war der zweite Zwi-
schenfall.
Staatssekretär Dernburg mußte dem Hause
die Mitteilung machen, daß in Südwestafrika ein
schweres Gefecht gegen Simon Copper
statt-
gefunden hat; ein Hauptmann, ein Leutnant und zwölf
Mann sind gefallen, neun Mann wurden schwer, drei Offi-
ziere und fünf Mann leicht verwundet. Simon Copper er-
litt ebenfalls schwere Verluste, entkam aber in die Kalahari.
In tief empfundenen Worten gaben die Redner der ein-
zelnen Parteien ihrer Trauer über diesen nationalen Ver-
lust Ausdruck, und Vizepräsident Kämpf fand lebhafte Zu-
stimmung, als er das Haus bat, sich zu Ehren der gefal-
lenen tapferen Offiziere und Soldaten vom Platze zu er-
heben. Der patriotischen Stimmung, die das Haus erfüllte,
konnte sich auch der Sozialdemokrat Eichhorn nicht ent-
ziehen; auch er widmete den in Südwestafrika gefallenen
Kämpfern ehrende Worte für ihre Pflichterfüllung und
Treue, wenn er auch betonen zu müssen glaubte, daß die
Kämpfer Söhne des Volkes und nicht Angehörige einer
einzelnen Klasse gewesen seien.

Ueber den Journalisten-Zwischenfall
wird noch gemeldet:

n. Berlin, 19. März, 5.45 N. (Privattelegramm.) Der
Abg. Erzberger hatte in seiner Rede die Bemerkung gemacht,
daß auch der Neger eine unsterbliche Seele habe. Diese Bemerkung
war auch auf der Journalistentribüne mit Heiter-
keit auf genommen
worden, was beim Zentrum anschei-
nend Aerger erregte; so ließ sich der Abg. Gröber hinreißen,
unter deutlichem Hinweis auf die Journalistentribüne den Aus-
druck "S .. bengel" zu gebrauchen. Darauf sandten die Journa-
listen eine Abordnung an den Grafen Stolberg, um
ihm die Bitte vorzutragen, er möge ihnen die Genugtuung schaf-
fen, die der Würde des Deutschen Reichstages und der Würde der
Presse entspreche. Graf Stolberg empfing die Delegierten mit der
ihm eigenen Liebenswürdigkeit, antwortete aber, er könne im
Augenblick keine Entscheidung treffen, er wolle sich die Sache
[Spaltenumbruch] überlegen; er hat sich dann auch sicherlich von der wohlwollenden
Absicht leiten lassen, den Wünschen der Journalisten gerecht zu
werden, aber gelungen ist es ihm nicht. Als er den Vorsitz wie-
der übernahm, kam er auf den Vorfall zurück, wiederholte aber
zunächst seine vorher schon ausgesprochene Rüge und knüpfte
daran konditional die Bemerkung, wenn ein Mitglied des Hauses
einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht habe, so bedauere
er das. Bei aller Anerkennung des guten Willens des Präsi-
denten konnte seine Erklärung den Vertretern der
Presse nicht genügen;
sie sahen gar keine Veranlassung
zur Wiederholung des ihnen gemachten Vorhalts und sie mußten
um so sicherer erwarten, daß das Verhalten des Abg. Gröber
irgendwie gerügt werden würde, da doch wenige Tage vorher ein
anderer Abgeordneter, der sich einen unparlamentarischen Aus-
druck gegenüber einem Assessor hatte zuschulden kommen lassen,
kurzerhand zur Ordnung gerufen worden war. Die Vertreter der
Presse traten sofort zu einer Besprechung zusammen. Es wurde
eine Deputation gewählt, die dem Präsidenten zur Kenntnis
bringen soll, daß die Vertreter der Presse in seinen Worten eine
ausreichende Genugtuung nicht erblicken können; ferner wurde
ein Beschluß gefaßt, die Tribüne nicht früher zu betre-
ten,
als bis die Angelegenheit in einer die Journalisten befrie-
digenden Weise ihre Erledigung gefunden hat.

n. Berlin, 20. März, 1.50 N. (Privattelegramm.)
Heute vormittag empfing der Präsident des Reichstags
Graf Stolberg die aus fünf Herren bestehende Deputation
der Parlamentsjournalisten. Das Resultat der Unter-
redung ist bis jetzt noch nicht bekannt.

Der Ohoruf des Journalisten war gewiß sachlich und
formell sehr ungehörig; man wird auch dem Abg. Gröber
die Erregung des Augenblicks einigermaßen zugute halten.
Aber auch wenn man das tut und außerdem in Nechnung
stellt, daß Gröber wohl noch nie Wert darauf gelegt hat,
als ein Mann von feinen Sitten zu gelten, so bleibt bei
dem Versuch einer Kompensation der begangenen Unge-
hörigkeiten doch ein so großer Ueberschuß zu Ungunsten
Gröbers, daß das Verlangen der mitbeleidigten, aber durch-
aus unschuldigen großen Mehrzahl der Insassen der Jour-
nalistentribüne nach einer Genugtuung vollständig
gerechtfertigt
erscheint. Es gehört zu den Kinder-
schuh-Eigentümlichkeiten unseres politischen Lebens, daß
der Abgeordnete sich im allgemeinen hoch erhaben glaubt
über den Journalisten, wozu nicht immer Anlaß vorhan-
den ist, während andrerseits auf der Journalistentribüne
verzweifelt wenig Respekt vor den Herren Parlamen-
tariern, dagegen sehr viel Neigung zu scharfer Kritik hei-
misch ist. Aber trotz dieser Stimmung, die einen Nährboden
für kleine Konflikte bietet, sollte doch ein Zusammenleben
und -arbeiten in den Formen der gebildeten Welt nicht
nur möglich, sondern selbstverständlich sein. Und die Herren
sollten auch nicht vergessen, daß die Presse zur Not sehr
wohl ohne den Reichstag existieren kann, während das um-
gekehrt kaum der Fall ist.

Die neue Hiobspost aus Deutsch-
Südwestafrika.

Die Trauernachricht aus Südwestafrika, die in der
gestrigen Sitzung des Reichstags mitgeteilt worden ist, und
dort so tiefen Eindruck gemacht hat, wie sie ihn ohne Zweifel
im ganzen Deutschen Reich machen wird, lautet wie folgt:

* Berlin, 19. März. Nach einem Telegramm des
Oberstleutnants v. Estorff griff das Expeditions-
korps
des Hauptmanns v. Erckertam 16. März die
Werft Simon Coppers inmitten der Kalahari, etwa
100 Kilometer nordöstlich von Geinab, an. Der Feind ver-
lor an Toten 58 Männer; 7 Männer und einige Weiber
wurden gefangen genommen. Simon Copper ent-
kam
im dichten Busch. Der Rest der Werft zerstreute sich
nach Süden und Südosten. Hauptmann v. Erckert,
Leutnant Ebinger
und 12 Mann sind gefallen;
9 Mann wurden schwer, 3 Offiziere und 5 Mann leicht
verletzt.

Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von
Gochas am 6. März, von Arahoas am 8. März, in der Ge-
samtstärke von 430 Weißen mit vier Maschinengewehren
und 700 Kamelen aufgebrochen. Am 11. März vereinigte
sich das Expeditionskorps bei Geinab. Nach dem vierten
Tage wurde zum erstenmal abgekocht. Die tägliche Wasser-
ration für den Mann betrug bei heißer und trockener Wit-
terung zuerst zwei, dann ein Liter. Bei Geinab war das
letzte Wasser gefunden worden. Es reichte aber nicht zum
Tränken der Kamele. Hauptmann v. Erckert hatte auf der
Spur Simon Coppers am Abend des 15. März dessen Werft
erkundet. Am 16. März mit Tagesanbruch griff er die
Werft mit zwei Detachements unter den Hauptleuten
Grüner und Willeke an, fiel jedoch gleich bei Beginn des
Gefechtes. Hauptmann Grüner übernahm das Kommando
und befahl dem in einem Halbkreis um die Werft liegenden
Expeditionskorps den ununterbrochenen Anlauf gegen den
Feind. Dieser wurde zwei Stunden lang von Stellung zu
Stellung geworfen, bis er vormittags halb 8 Uhr seinen
verzweifelten Widerstand aufgab und in regelloser Flucht
[Spaltenumbruch] nach Süden und Südosten auseinanderlief. Erbeutet
wurden 29 Gewehre, zahlreiche Munition, eine kleine Herde
Vieh, sowie einige Pferde.

Die Hottentottenbande, welche am 8. März
nördlich von Koes eine Patrouille überfallen hatte, scheint
bereits am 15. März wieder bei Simon Copper gewesen zu
sein. Hauptmann Grüner geht zunächst zum Norsob zurück,
weil er Wasser haben muß. Simon Copper ist schwer
geschädigt,
aber noch nicht endgültig besei-
tigt.
Weitere Grenzbewachung und erneute Expeditionen
bleiben nötig. Nach Meldung des Oberstleutnants von
Estorff muß die Leistung des Expeditionskorps als ganz
hervorragende Waffentat
bezeichnet werden.
Mit dem tapferen und bewährten Führer, Hauptmann von
Erckert, verliert die Schutztruppe einen ihrer besten Offiziere.

Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes von
Erckert
stand seit November 1904 bei der Schutztruppe. Er
wurde 1899 als Oberleutnant erstmals zur Schutztruppe für
Südwestafrika versetzt. Dort blieb er drei Jahre, dann kam er
in das Infanterie-Regiment Nr. 92 in Braunschweig und wurde
im Mai 1904 Hauptmann und Kompagniechef. Erckert war mit
dem Roten Adlerorden 4. Klasse und dem Ritterkreuz 2. Klasse
des braunschweigischen Heinrich des Löwen-Orden, beide mit
Schwertern, dekoriert.

Der Wiener Nuntius.

Die Aeußerungen des apostolischen Nuntius in Wien,
Msgr. Granito di Belmonte, über seine Unter-
redung mit dem Frhrn. v. Aehrenthal haben auf uns und
andere den Eindruck vollkommener Glaubwürdigkeit ge-
macht, und was in den letzten acht Tagen über Aeußerungen
des Ministerpräsidenten Frhrn. v. Beck und des Unter-
richtsministers Dr. Marchet in die Oeffentlichkeit gedrun-
gen war, ließ erwarten, daß die Wünsche des Nuntius in
Sachen Wahrmunds inhaltlich weitgehendes Entgegen-
kommen finden würden. Wenn trotzdem gegen die Aeuße-
rungen des Nuntius ein gewisser amtlicher Protest erfolgte,
so verstand man das sa, daß sich das Ministerium gegen
etwaige parlamentarische Angriffe decken wollte, als hätte
es die staatlichen Hoheitsrechte nicht genügend gewahrt;
es konnte dabei immer noch eine sachlich fast ungetrübte
Harmonie zwischen dem Nuntius und der österreichischen
Regierung bestehen. Heute steht nun aber zweifellos fest,
daß die österreichische Regierung dem Nuntius zum minde-
sten die Wiederholung seiner Darstellung sehr ver-
übelt hat, und so erscheint nun in der Tat die Stellung
des Nuntius schwer erschüttert. Man schreibt uns darüber
aus Wien:

F. Wien, 18. März.
Der Nuntius ist durch den Verlauf der vielbespro-
chenen Angelegenheit aufs äußerste bloßgestellt, aber Prof.
Wahrmund deshalb noch nicht aller Fährnisse ledig. Das
ungeschickte Zugreifen Belmontes hatte bisher die Folge,
daß so ziemlich alle Parteien darüber einig wurden, Oester-
reich dürfe in seine Staatshoheit nicht eingreifen lassen und
sei souverän in der Besetzung der Lehrstühle an den Uni-
versitäten wie an allen anderen staatlichen Unterrichts-
anstalten. Von den liberalen, demokratischen und sozialisti-
schen Gruppen war nichts anderes zu erwarten, aber auch
die deutschen wie die tschechischen Nationalen, von denen
viele -- besonders auf deutscher Seite -- einen konservati-
ven Einschlag zeigen, haben sich ohne Schwanken auf die
Seite der freien Auffassung gestellt. Die Sache des Nun-
tius war völlig verloren, als selbst die Christlichsozialen
-- wenn auch unter den ärgsten Schmähungen gegen Wahr-
mund -- seine Einmischung für bedenklich erklärten und sie
ablehnten. Es ist zwar unerhört, daß ein Minister, Dr.
Geßmann, sich so weit vergessen konnte, unter dem Schutze
der Immunität die gröbsten Schmähungen gegen den viel
angefeindeten Mann zu erheben; die Aufnahme dieses ge-
wandten Agitators, dem jedoch die Bildung des Herzens
ebenso fehlt wie die des Geistes, spricht nicht gerade für die
Höhe des Kulturniveaus, auf dem sich der Ministerpräsident
seine Kollegen suchte. Aber auch dieses wunderliche
Exemplar eines Staatsmannes schwärmt nicht für das Vor-
gehen des Nuntius, und ähnlich äußerte sich ein anderer
Führer der Christlichsozialen, Prinz Alois Liechtenstein.
Nur das kleine Häuflein der Allklerikalen findet alles gut
und schön, was von Rom ausgeht. Schon dadurch ist die
Stellung des Nuntius unhaltbar geworden.

Das aber ist eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen
diplomatischen Kunstfehler des Nuntius, der nicht eben ein
Meister diplomatischer Künste zu sein scheint. Er handelt
so, als ob er nicht Vertreter Seiner Heiligkeit des Papstes
bei Seiner Majestät dem Kaiser Franz Joseph wäre, son-
dern die Aufgabe hätte, durch den Verkehr mit den Wiener
Redaktionen auf die öffentliche Meinung Oesterreichs zu
wirken. Er polemisiert auf diesem Wege mit dem gemein-
samen Minister des Aeußern und mit der österreichischen
Regierung, behauptet, daß seine an Baron Aehrenthal ge-
richteten Worte von letzterem unrichtig wiedergegeben wor-
den seien; er habe die Entsetzung Professor Wahrmunds
Samstag. 21. März 1908. München. Vorabendblatt. — Nr. 134
Allgemeine Zeitung.
Erſcheint täglich 2mal. — Einhundertelfter Jahrgang.

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Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53.

Chefredakteur: Dr. Hermann Diez.
Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayeriſchen Teil Dr. Paul Buſching; für das Feuilleton und den „Sonntag“ Alfred Frhr. v. Menſi;
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Redaktion: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerſtraße 57, Telephon 8430, 8431.

Das Neueſte vom Tage.

Bei einem Gefecht mit Simon Copper in Deutſch-
Südweſtafrika
ſind Hauptmann v. Erckert, Leutnant
Ebinger und 12 Mann gefallen.

Der Neſtor der deutſchen Philoſophen, Eduard Zeller, iſt
geſtorben.

Der württembergiſche Finanzminiſter v. Zeyer hat
ſeine Demiſſion erbeten und erhalten.

Bei dem Empfang, den der Wiener Nuntiuſ geſtern
aus Anlaß des Papſtjubiläums abhielt, fehlten ſämt-
liche Miniſter.

Eine ereignisreiche Sitzung.

(Privattel.)

Die heutige Reichstagsſitzung war durch allerhand
Zwiſchenfälle
gekennzeichnet. Zu dem erſten gab —
unverſchuldet — der Zentrumsabgeordnete Erzberger An-
laß, der zunächſt ſeiner Genugtuung darüber Ausdruck ge-
geben hatte, daß Staatsſekretär Dernburg heute in der
Hauptſache durchaus auf dem Standpunkte des „ausgeſchal-
teten“ Zentrums ſtehe, dann eine eigene Kolonialreiſe an-
kündigte und in der Formulierung ſeiner kolonialpolitiſchen
Grundſätze u. a. den Ausdruck gebrauchte, daß auch der
Neger ein Menſch mit unſterblicher Seele

ſei. Obwohl dieſer Satz vom chriſtlichen Standpunkt ganz
ſelbſtverſtändlich iſt, brach auf der Linken ſchallende Heiter-
keit aus, die auch auf einen Teil der Tribünenbeſucher eine
anſteckende Wirkung ausübte und einen Journaliſten zu
einem Zwiſchenruf (Oho!) veranlaßte. Von einem Schrift-
führer darauf aufmerkſam gemacht, erklärte der Präſident
Graf Stolberg, zu den Journaliſten gewandt, daß er die
Tribüne zu ſeinem Bedauern räumen laſſen müßte, falls
auf ihnen Zeichen des Beifalls und Mißfallens laut wür-
den. Dem Zentrumsabgeordneten Gröber, der ſeinen
Namen nicht umſonſt führt, genügte aber dieſe mildernde
Rüge nicht, und er machte ſeinem Unmut mit einem ſehr
derben Ausdruck Luft. Der Abgeordnete Müller-Mei-
ningen
kam mit einigen Worten auf dieſen Zwiſchenfall
zurück; er erklärte, daß unter den Abgeordneten einige Ner-
voſität herrſche, weil wiederholt Zwiſchenrufe von der Tri-
büne gekommen ſeien; auf der anderen Seite dürfe man ſich
aber auch nicht wundern, wenn die Herren von der Preſſe
etwas nervös ſeien, denn es wären an ſie in der letzten
Zeit Anforderungen geſtellt worden, wie noch nie zuvor.
Im übrigen handle es ſich nur um die Taktloſigkeit eines
einzelnen und keineswegs um die Vertreter der Preſſe in
ihrer Geſamtheit. Gegen den Schluß der Sitzung kam dann
auch der Präſident auf den Zwiſchenfall zu ſprechen, leider
ohne die verſöhnende Formel zu finden, ſo daß die Jour-
naliſten unter Proteſt ihre Tätigkeit ein-
ſtellten.

Der Würde des Hauſes mehr entſprechend, aber lei-
der ſehr trauriger Art,
war der zweite Zwi-
ſchenfall.
Staatsſekretär Dernburg mußte dem Hauſe
die Mitteilung machen, daß in Südweſtafrika ein
ſchweres Gefecht gegen Simon Copper
ſtatt-
gefunden hat; ein Hauptmann, ein Leutnant und zwölf
Mann ſind gefallen, neun Mann wurden ſchwer, drei Offi-
ziere und fünf Mann leicht verwundet. Simon Copper er-
litt ebenfalls ſchwere Verluſte, entkam aber in die Kalahari.
In tief empfundenen Worten gaben die Redner der ein-
zelnen Parteien ihrer Trauer über dieſen nationalen Ver-
luſt Ausdruck, und Vizepräſident Kämpf fand lebhafte Zu-
ſtimmung, als er das Haus bat, ſich zu Ehren der gefal-
lenen tapferen Offiziere und Soldaten vom Platze zu er-
heben. Der patriotiſchen Stimmung, die das Haus erfüllte,
konnte ſich auch der Sozialdemokrat Eichhorn nicht ent-
ziehen; auch er widmete den in Südweſtafrika gefallenen
Kämpfern ehrende Worte für ihre Pflichterfüllung und
Treue, wenn er auch betonen zu müſſen glaubte, daß die
Kämpfer Söhne des Volkes und nicht Angehörige einer
einzelnen Klaſſe geweſen ſeien.

Ueber den Journaliſten-Zwiſchenfall
wird noch gemeldet:

n. Berlin, 19. März, 5.45 N. (Privattelegramm.) Der
Abg. Erzberger hatte in ſeiner Rede die Bemerkung gemacht,
daß auch der Neger eine unſterbliche Seele habe. Dieſe Bemerkung
war auch auf der Journaliſtentribüne mit Heiter-
keit auf genommen
worden, was beim Zentrum anſchei-
nend Aerger erregte; ſo ließ ſich der Abg. Gröber hinreißen,
unter deutlichem Hinweis auf die Journaliſtentribüne den Aus-
druck „S .. bengel“ zu gebrauchen. Darauf ſandten die Journa-
liſten eine Abordnung an den Grafen Stolberg, um
ihm die Bitte vorzutragen, er möge ihnen die Genugtuung ſchaf-
fen, die der Würde des Deutſchen Reichstages und der Würde der
Preſſe entſpreche. Graf Stolberg empfing die Delegierten mit der
ihm eigenen Liebenswürdigkeit, antwortete aber, er könne im
Augenblick keine Entſcheidung treffen, er wolle ſich die Sache
[Spaltenumbruch] überlegen; er hat ſich dann auch ſicherlich von der wohlwollenden
Abſicht leiten laſſen, den Wünſchen der Journaliſten gerecht zu
werden, aber gelungen iſt es ihm nicht. Als er den Vorſitz wie-
der übernahm, kam er auf den Vorfall zurück, wiederholte aber
zunächſt ſeine vorher ſchon ausgeſprochene Rüge und knüpfte
daran konditional die Bemerkung, wenn ein Mitglied des Hauſes
einen unparlamentariſchen Ausdruck gebraucht habe, ſo bedauere
er das. Bei aller Anerkennung des guten Willens des Präſi-
denten konnte ſeine Erklärung den Vertretern der
Preſſe nicht genügen;
ſie ſahen gar keine Veranlaſſung
zur Wiederholung des ihnen gemachten Vorhalts und ſie mußten
um ſo ſicherer erwarten, daß das Verhalten des Abg. Gröber
irgendwie gerügt werden würde, da doch wenige Tage vorher ein
anderer Abgeordneter, der ſich einen unparlamentariſchen Aus-
druck gegenüber einem Aſſeſſor hatte zuſchulden kommen laſſen,
kurzerhand zur Ordnung gerufen worden war. Die Vertreter der
Preſſe traten ſofort zu einer Beſprechung zuſammen. Es wurde
eine Deputation gewählt, die dem Präſidenten zur Kenntnis
bringen ſoll, daß die Vertreter der Preſſe in ſeinen Worten eine
ausreichende Genugtuung nicht erblicken können; ferner wurde
ein Beſchluß gefaßt, die Tribüne nicht früher zu betre-
ten,
als bis die Angelegenheit in einer die Journaliſten befrie-
digenden Weiſe ihre Erledigung gefunden hat.

n. Berlin, 20. März, 1.50 N. (Privattelegramm.)
Heute vormittag empfing der Präſident des Reichstags
Graf Stolberg die aus fünf Herren beſtehende Deputation
der Parlamentsjournaliſten. Das Reſultat der Unter-
redung iſt bis jetzt noch nicht bekannt.

Der Ohoruf des Journaliſten war gewiß ſachlich und
formell ſehr ungehörig; man wird auch dem Abg. Gröber
die Erregung des Augenblicks einigermaßen zugute halten.
Aber auch wenn man das tut und außerdem in Nechnung
ſtellt, daß Gröber wohl noch nie Wert darauf gelegt hat,
als ein Mann von feinen Sitten zu gelten, ſo bleibt bei
dem Verſuch einer Kompenſation der begangenen Unge-
hörigkeiten doch ein ſo großer Ueberſchuß zu Ungunſten
Gröbers, daß das Verlangen der mitbeleidigten, aber durch-
aus unſchuldigen großen Mehrzahl der Inſaſſen der Jour-
naliſtentribüne nach einer Genugtuung vollſtändig
gerechtfertigt
erſcheint. Es gehört zu den Kinder-
ſchuh-Eigentümlichkeiten unſeres politiſchen Lebens, daß
der Abgeordnete ſich im allgemeinen hoch erhaben glaubt
über den Journaliſten, wozu nicht immer Anlaß vorhan-
den iſt, während andrerſeits auf der Journaliſtentribüne
verzweifelt wenig Reſpekt vor den Herren Parlamen-
tariern, dagegen ſehr viel Neigung zu ſcharfer Kritik hei-
miſch iſt. Aber trotz dieſer Stimmung, die einen Nährboden
für kleine Konflikte bietet, ſollte doch ein Zuſammenleben
und -arbeiten in den Formen der gebildeten Welt nicht
nur möglich, ſondern ſelbſtverſtändlich ſein. Und die Herren
ſollten auch nicht vergeſſen, daß die Preſſe zur Not ſehr
wohl ohne den Reichstag exiſtieren kann, während das um-
gekehrt kaum der Fall iſt.

Die neue Hiobspoſt aus Deutſch-
Südweſtafrika.

Die Trauernachricht aus Südweſtafrika, die in der
geſtrigen Sitzung des Reichstags mitgeteilt worden iſt, und
dort ſo tiefen Eindruck gemacht hat, wie ſie ihn ohne Zweifel
im ganzen Deutſchen Reich machen wird, lautet wie folgt:

* Berlin, 19. März. Nach einem Telegramm des
Oberſtleutnants v. Eſtorff griff das Expeditions-
korps
des Hauptmanns v. Erckertam 16. März die
Werft Simon Coppers inmitten der Kalahari, etwa
100 Kilometer nordöſtlich von Geinab, an. Der Feind ver-
lor an Toten 58 Männer; 7 Männer und einige Weiber
wurden gefangen genommen. Simon Copper ent-
kam
im dichten Buſch. Der Reſt der Werft zerſtreute ſich
nach Süden und Südoſten. Hauptmann v. Erckert,
Leutnant Ebinger
und 12 Mann ſind gefallen;
9 Mann wurden ſchwer, 3 Offiziere und 5 Mann leicht
verletzt.

Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von
Gochas am 6. März, von Arahoas am 8. März, in der Ge-
ſamtſtärke von 430 Weißen mit vier Maſchinengewehren
und 700 Kamelen aufgebrochen. Am 11. März vereinigte
ſich das Expeditionskorps bei Geinab. Nach dem vierten
Tage wurde zum erſtenmal abgekocht. Die tägliche Waſſer-
ration für den Mann betrug bei heißer und trockener Wit-
terung zuerſt zwei, dann ein Liter. Bei Geinab war das
letzte Waſſer gefunden worden. Es reichte aber nicht zum
Tränken der Kamele. Hauptmann v. Erckert hatte auf der
Spur Simon Coppers am Abend des 15. März deſſen Werft
erkundet. Am 16. März mit Tagesanbruch griff er die
Werft mit zwei Detachements unter den Hauptleuten
Grüner und Willeke an, fiel jedoch gleich bei Beginn des
Gefechtes. Hauptmann Grüner übernahm das Kommando
und befahl dem in einem Halbkreis um die Werft liegenden
Expeditionskorps den ununterbrochenen Anlauf gegen den
Feind. Dieſer wurde zwei Stunden lang von Stellung zu
Stellung geworfen, bis er vormittags halb 8 Uhr ſeinen
verzweifelten Widerſtand aufgab und in regelloſer Flucht
[Spaltenumbruch] nach Süden und Südoſten auseinanderlief. Erbeutet
wurden 29 Gewehre, zahlreiche Munition, eine kleine Herde
Vieh, ſowie einige Pferde.

Die Hottentottenbande, welche am 8. März
nördlich von Koes eine Patrouille überfallen hatte, ſcheint
bereits am 15. März wieder bei Simon Copper geweſen zu
ſein. Hauptmann Grüner geht zunächſt zum Norſob zurück,
weil er Waſſer haben muß. Simon Copper iſt ſchwer
geſchädigt,
aber noch nicht endgültig beſei-
tigt.
Weitere Grenzbewachung und erneute Expeditionen
bleiben nötig. Nach Meldung des Oberſtleutnants von
Eſtorff muß die Leiſtung des Expeditionskorps als ganz
hervorragende Waffentat
bezeichnet werden.
Mit dem tapferen und bewährten Führer, Hauptmann von
Erckert, verliert die Schutztruppe einen ihrer beſten Offiziere.

Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes von
Erckert
ſtand ſeit November 1904 bei der Schutztruppe. Er
wurde 1899 als Oberleutnant erſtmals zur Schutztruppe für
Südweſtafrika verſetzt. Dort blieb er drei Jahre, dann kam er
in das Infanterie-Regiment Nr. 92 in Braunſchweig und wurde
im Mai 1904 Hauptmann und Kompagniechef. Erckert war mit
dem Roten Adlerorden 4. Klaſſe und dem Ritterkreuz 2. Klaſſe
des braunſchweigiſchen Heinrich des Löwen-Orden, beide mit
Schwertern, dekoriert.

Der Wiener Nuntius.

Die Aeußerungen des apoſtoliſchen Nuntius in Wien,
Mſgr. Granito di Belmonte, über ſeine Unter-
redung mit dem Frhrn. v. Aehrenthal haben auf uns und
andere den Eindruck vollkommener Glaubwürdigkeit ge-
macht, und was in den letzten acht Tagen über Aeußerungen
des Miniſterpräſidenten Frhrn. v. Beck und des Unter-
richtsminiſters Dr. Marchet in die Oeffentlichkeit gedrun-
gen war, ließ erwarten, daß die Wünſche des Nuntius in
Sachen Wahrmunds inhaltlich weitgehendes Entgegen-
kommen finden würden. Wenn trotzdem gegen die Aeuße-
rungen des Nuntiuſ ein gewiſſer amtlicher Proteſt erfolgte,
ſo verſtand man das ſa, daß ſich das Miniſterium gegen
etwaige parlamentariſche Angriffe decken wollte, als hätte
es die ſtaatlichen Hoheitsrechte nicht genügend gewahrt;
es konnte dabei immer noch eine ſachlich faſt ungetrübte
Harmonie zwiſchen dem Nuntius und der öſterreichiſchen
Regierung beſtehen. Heute ſteht nun aber zweifellos feſt,
daß die öſterreichiſche Regierung dem Nuntius zum minde-
ſten die Wiederholung ſeiner Darſtellung ſehr ver-
übelt hat, und ſo erſcheint nun in der Tat die Stellung
des Nuntius ſchwer erſchüttert. Man ſchreibt uns darüber
aus Wien:

F. Wien, 18. März.
Der Nuntius iſt durch den Verlauf der vielbeſpro-
chenen Angelegenheit aufs äußerſte bloßgeſtellt, aber Prof.
Wahrmund deshalb noch nicht aller Fährniſſe ledig. Das
ungeſchickte Zugreifen Belmontes hatte bisher die Folge,
daß ſo ziemlich alle Parteien darüber einig wurden, Oeſter-
reich dürfe in ſeine Staatshoheit nicht eingreifen laſſen und
ſei ſouverän in der Beſetzung der Lehrſtühle an den Uni-
verſitäten wie an allen anderen ſtaatlichen Unterrichts-
anſtalten. Von den liberalen, demokratiſchen und ſozialiſti-
ſchen Gruppen war nichts anderes zu erwarten, aber auch
die deutſchen wie die tſchechiſchen Nationalen, von denen
viele — beſonders auf deutſcher Seite — einen konſervati-
ven Einſchlag zeigen, haben ſich ohne Schwanken auf die
Seite der freien Auffaſſung geſtellt. Die Sache des Nun-
tius war völlig verloren, als ſelbſt die Chriſtlichſozialen
— wenn auch unter den ärgſten Schmähungen gegen Wahr-
mund — ſeine Einmiſchung für bedenklich erklärten und ſie
ablehnten. Es iſt zwar unerhört, daß ein Miniſter, Dr.
Geßmann, ſich ſo weit vergeſſen konnte, unter dem Schutze
der Immunität die gröbſten Schmähungen gegen den viel
angefeindeten Mann zu erheben; die Aufnahme dieſes ge-
wandten Agitators, dem jedoch die Bildung des Herzens
ebenſo fehlt wie die des Geiſtes, ſpricht nicht gerade für die
Höhe des Kulturniveaus, auf dem ſich der Miniſterpräſident
ſeine Kollegen ſuchte. Aber auch dieſes wunderliche
Exemplar eines Staatsmannes ſchwärmt nicht für das Vor-
gehen des Nuntius, und ähnlich äußerte ſich ein anderer
Führer der Chriſtlichſozialen, Prinz Alois Liechtenſtein.
Nur das kleine Häuflein der Allklerikalen findet alles gut
und ſchön, was von Rom ausgeht. Schon dadurch iſt die
Stellung des Nuntius unhaltbar geworden.

Das aber iſt eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen
diplomatiſchen Kunſtfehler des Nuntius, der nicht eben ein
Meiſter diplomatiſcher Künſte zu ſein ſcheint. Er handelt
ſo, als ob er nicht Vertreter Seiner Heiligkeit des Papſtes
bei Seiner Majeſtät dem Kaiſer Franz Joſeph wäre, ſon-
dern die Aufgabe hätte, durch den Verkehr mit den Wiener
Redaktionen auf die öffentliche Meinung Oeſterreichs zu
wirken. Er polemiſiert auf dieſem Wege mit dem gemein-
ſamen Miniſter des Aeußern und mit der öſterreichiſchen
Regierung, behauptet, daß ſeine an Baron Aehrenthal ge-
richteten Worte von letzterem unrichtig wiedergegeben wor-
den ſeien; er habe die Entſetzung Profeſſor Wahrmunds
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[0001] Samstag. 21. März 1908. München. Vorabendblatt. — Nr. 134 Allgemeine Zeitung. Erſcheint täglich 2mal. — Einhundertelfter Jahrgang. Bezugspreis: Ausgabe B mit Wiſſenſchaftlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in München 1.50 Mark monatlich frei ins Haus; durch die Poſt: 2. — Mark monatlich. Ausgabe A (ohne Beilage) in München 1. — Mark, durch die Poſt bezogen 1.50 Mark monatlich. Abonnements für München: Expedition Bayerſtraße 57, deren Filialen und ſämtliche Zeitungs-Expeditionen; für das Ausland: England; A. Siegle, 80 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publiſhing Syndicate, Ltd., 38 Coleman Str., in London; Frankreich. Portugal und Spanien: A. Ammel u. C. Klienckſieck in Paris; das übrige Europa; die Poſtämter; Orient: das k. k. Poſtamt in Wien oder in Trieſt; Nord- amerika: F. W. Chriſtern. E. Steiger & Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann & Co., ſämtlich in New York. [Abbildung] Inſertionspreis: für die 7 geſpaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt 40 Pfennig, im Abendblatt 30 Pfennig, Lokale Anzeigen nach Tarif. Stellen-Geſuche 10 Pfennig. Inſeraten-Annahme in München: Expedition Bayerſtraße 57, die Filialen der Allgemeinen Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. — Generalvertretungen: für Oeſterreich-Ungarn in Wien V/I, Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co., 31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co., 1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzt & Co., Moskau. Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53. Chefredakteur: Dr. Hermann Diez. Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayeriſchen Teil Dr. Paul Buſching; für das Feuilleton und den „Sonntag“ Alfred Frhr. v. Menſi; für die Wiſſenſchaftliche Beilage Dr. Oskar Bulle; für den Handelsteil Leo Jolles, ſämtlich in München. Redaktion: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerſtraße 57, Telephon 8430, 8431. Das Neueſte vom Tage. Bei einem Gefecht mit Simon Copper in Deutſch- Südweſtafrika ſind Hauptmann v. Erckert, Leutnant Ebinger und 12 Mann gefallen. Der Neſtor der deutſchen Philoſophen, Eduard Zeller, iſt geſtorben. Der württembergiſche Finanzminiſter v. Zeyer hat ſeine Demiſſion erbeten und erhalten. Bei dem Empfang, den der Wiener Nuntiuſ geſtern aus Anlaß des Papſtjubiläums abhielt, fehlten ſämt- liche Miniſter. Eine ereignisreiche Sitzung. n. Berlin, 19. März. 10.50 N. (Privattel.) Die heutige Reichstagsſitzung war durch allerhand Zwiſchenfälle gekennzeichnet. Zu dem erſten gab — unverſchuldet — der Zentrumsabgeordnete Erzberger An- laß, der zunächſt ſeiner Genugtuung darüber Ausdruck ge- geben hatte, daß Staatsſekretär Dernburg heute in der Hauptſache durchaus auf dem Standpunkte des „ausgeſchal- teten“ Zentrums ſtehe, dann eine eigene Kolonialreiſe an- kündigte und in der Formulierung ſeiner kolonialpolitiſchen Grundſätze u. a. den Ausdruck gebrauchte, daß auch der Neger ein Menſch mit unſterblicher Seele ſei. Obwohl dieſer Satz vom chriſtlichen Standpunkt ganz ſelbſtverſtändlich iſt, brach auf der Linken ſchallende Heiter- keit aus, die auch auf einen Teil der Tribünenbeſucher eine anſteckende Wirkung ausübte und einen Journaliſten zu einem Zwiſchenruf (Oho!) veranlaßte. Von einem Schrift- führer darauf aufmerkſam gemacht, erklärte der Präſident Graf Stolberg, zu den Journaliſten gewandt, daß er die Tribüne zu ſeinem Bedauern räumen laſſen müßte, falls auf ihnen Zeichen des Beifalls und Mißfallens laut wür- den. Dem Zentrumsabgeordneten Gröber, der ſeinen Namen nicht umſonſt führt, genügte aber dieſe mildernde Rüge nicht, und er machte ſeinem Unmut mit einem ſehr derben Ausdruck Luft. Der Abgeordnete Müller-Mei- ningen kam mit einigen Worten auf dieſen Zwiſchenfall zurück; er erklärte, daß unter den Abgeordneten einige Ner- voſität herrſche, weil wiederholt Zwiſchenrufe von der Tri- büne gekommen ſeien; auf der anderen Seite dürfe man ſich aber auch nicht wundern, wenn die Herren von der Preſſe etwas nervös ſeien, denn es wären an ſie in der letzten Zeit Anforderungen geſtellt worden, wie noch nie zuvor. Im übrigen handle es ſich nur um die Taktloſigkeit eines einzelnen und keineswegs um die Vertreter der Preſſe in ihrer Geſamtheit. Gegen den Schluß der Sitzung kam dann auch der Präſident auf den Zwiſchenfall zu ſprechen, leider ohne die verſöhnende Formel zu finden, ſo daß die Jour- naliſten unter Proteſt ihre Tätigkeit ein- ſtellten. Der Würde des Hauſes mehr entſprechend, aber lei- der ſehr trauriger Art, war der zweite Zwi- ſchenfall. Staatsſekretär Dernburg mußte dem Hauſe die Mitteilung machen, daß in Südweſtafrika ein ſchweres Gefecht gegen Simon Copper ſtatt- gefunden hat; ein Hauptmann, ein Leutnant und zwölf Mann ſind gefallen, neun Mann wurden ſchwer, drei Offi- ziere und fünf Mann leicht verwundet. Simon Copper er- litt ebenfalls ſchwere Verluſte, entkam aber in die Kalahari. In tief empfundenen Worten gaben die Redner der ein- zelnen Parteien ihrer Trauer über dieſen nationalen Ver- luſt Ausdruck, und Vizepräſident Kämpf fand lebhafte Zu- ſtimmung, als er das Haus bat, ſich zu Ehren der gefal- lenen tapferen Offiziere und Soldaten vom Platze zu er- heben. Der patriotiſchen Stimmung, die das Haus erfüllte, konnte ſich auch der Sozialdemokrat Eichhorn nicht ent- ziehen; auch er widmete den in Südweſtafrika gefallenen Kämpfern ehrende Worte für ihre Pflichterfüllung und Treue, wenn er auch betonen zu müſſen glaubte, daß die Kämpfer Söhne des Volkes und nicht Angehörige einer einzelnen Klaſſe geweſen ſeien. Ueber den Journaliſten-Zwiſchenfall wird noch gemeldet: n. Berlin, 19. März, 5.45 N. (Privattelegramm.) Der Abg. Erzberger hatte in ſeiner Rede die Bemerkung gemacht, daß auch der Neger eine unſterbliche Seele habe. Dieſe Bemerkung war auch auf der Journaliſtentribüne mit Heiter- keit auf genommen worden, was beim Zentrum anſchei- nend Aerger erregte; ſo ließ ſich der Abg. Gröber hinreißen, unter deutlichem Hinweis auf die Journaliſtentribüne den Aus- druck „S .. bengel“ zu gebrauchen. Darauf ſandten die Journa- liſten eine Abordnung an den Grafen Stolberg, um ihm die Bitte vorzutragen, er möge ihnen die Genugtuung ſchaf- fen, die der Würde des Deutſchen Reichstages und der Würde der Preſſe entſpreche. Graf Stolberg empfing die Delegierten mit der ihm eigenen Liebenswürdigkeit, antwortete aber, er könne im Augenblick keine Entſcheidung treffen, er wolle ſich die Sache überlegen; er hat ſich dann auch ſicherlich von der wohlwollenden Abſicht leiten laſſen, den Wünſchen der Journaliſten gerecht zu werden, aber gelungen iſt es ihm nicht. Als er den Vorſitz wie- der übernahm, kam er auf den Vorfall zurück, wiederholte aber zunächſt ſeine vorher ſchon ausgeſprochene Rüge und knüpfte daran konditional die Bemerkung, wenn ein Mitglied des Hauſes einen unparlamentariſchen Ausdruck gebraucht habe, ſo bedauere er das. Bei aller Anerkennung des guten Willens des Präſi- denten konnte ſeine Erklärung den Vertretern der Preſſe nicht genügen; ſie ſahen gar keine Veranlaſſung zur Wiederholung des ihnen gemachten Vorhalts und ſie mußten um ſo ſicherer erwarten, daß das Verhalten des Abg. Gröber irgendwie gerügt werden würde, da doch wenige Tage vorher ein anderer Abgeordneter, der ſich einen unparlamentariſchen Aus- druck gegenüber einem Aſſeſſor hatte zuſchulden kommen laſſen, kurzerhand zur Ordnung gerufen worden war. Die Vertreter der Preſſe traten ſofort zu einer Beſprechung zuſammen. Es wurde eine Deputation gewählt, die dem Präſidenten zur Kenntnis bringen ſoll, daß die Vertreter der Preſſe in ſeinen Worten eine ausreichende Genugtuung nicht erblicken können; ferner wurde ein Beſchluß gefaßt, die Tribüne nicht früher zu betre- ten, als bis die Angelegenheit in einer die Journaliſten befrie- digenden Weiſe ihre Erledigung gefunden hat. n. Berlin, 20. März, 1.50 N. (Privattelegramm.) Heute vormittag empfing der Präſident des Reichstags Graf Stolberg die aus fünf Herren beſtehende Deputation der Parlamentsjournaliſten. Das Reſultat der Unter- redung iſt bis jetzt noch nicht bekannt. Der Ohoruf des Journaliſten war gewiß ſachlich und formell ſehr ungehörig; man wird auch dem Abg. Gröber die Erregung des Augenblicks einigermaßen zugute halten. Aber auch wenn man das tut und außerdem in Nechnung ſtellt, daß Gröber wohl noch nie Wert darauf gelegt hat, als ein Mann von feinen Sitten zu gelten, ſo bleibt bei dem Verſuch einer Kompenſation der begangenen Unge- hörigkeiten doch ein ſo großer Ueberſchuß zu Ungunſten Gröbers, daß das Verlangen der mitbeleidigten, aber durch- aus unſchuldigen großen Mehrzahl der Inſaſſen der Jour- naliſtentribüne nach einer Genugtuung vollſtändig gerechtfertigt erſcheint. Es gehört zu den Kinder- ſchuh-Eigentümlichkeiten unſeres politiſchen Lebens, daß der Abgeordnete ſich im allgemeinen hoch erhaben glaubt über den Journaliſten, wozu nicht immer Anlaß vorhan- den iſt, während andrerſeits auf der Journaliſtentribüne verzweifelt wenig Reſpekt vor den Herren Parlamen- tariern, dagegen ſehr viel Neigung zu ſcharfer Kritik hei- miſch iſt. Aber trotz dieſer Stimmung, die einen Nährboden für kleine Konflikte bietet, ſollte doch ein Zuſammenleben und -arbeiten in den Formen der gebildeten Welt nicht nur möglich, ſondern ſelbſtverſtändlich ſein. Und die Herren ſollten auch nicht vergeſſen, daß die Preſſe zur Not ſehr wohl ohne den Reichstag exiſtieren kann, während das um- gekehrt kaum der Fall iſt. Die neue Hiobspoſt aus Deutſch- Südweſtafrika. Die Trauernachricht aus Südweſtafrika, die in der geſtrigen Sitzung des Reichstags mitgeteilt worden iſt, und dort ſo tiefen Eindruck gemacht hat, wie ſie ihn ohne Zweifel im ganzen Deutſchen Reich machen wird, lautet wie folgt: * Berlin, 19. März. Nach einem Telegramm des Oberſtleutnants v. Eſtorff griff das Expeditions- korps des Hauptmanns v. Erckertam 16. März die Werft Simon Coppers inmitten der Kalahari, etwa 100 Kilometer nordöſtlich von Geinab, an. Der Feind ver- lor an Toten 58 Männer; 7 Männer und einige Weiber wurden gefangen genommen. Simon Copper ent- kam im dichten Buſch. Der Reſt der Werft zerſtreute ſich nach Süden und Südoſten. Hauptmann v. Erckert, Leutnant Ebinger und 12 Mann ſind gefallen; 9 Mann wurden ſchwer, 3 Offiziere und 5 Mann leicht verletzt. Das Expeditionskorps war in zwei Kolonnen, von Gochas am 6. März, von Arahoas am 8. März, in der Ge- ſamtſtärke von 430 Weißen mit vier Maſchinengewehren und 700 Kamelen aufgebrochen. Am 11. März vereinigte ſich das Expeditionskorps bei Geinab. Nach dem vierten Tage wurde zum erſtenmal abgekocht. Die tägliche Waſſer- ration für den Mann betrug bei heißer und trockener Wit- terung zuerſt zwei, dann ein Liter. Bei Geinab war das letzte Waſſer gefunden worden. Es reichte aber nicht zum Tränken der Kamele. Hauptmann v. Erckert hatte auf der Spur Simon Coppers am Abend des 15. März deſſen Werft erkundet. Am 16. März mit Tagesanbruch griff er die Werft mit zwei Detachements unter den Hauptleuten Grüner und Willeke an, fiel jedoch gleich bei Beginn des Gefechtes. Hauptmann Grüner übernahm das Kommando und befahl dem in einem Halbkreis um die Werft liegenden Expeditionskorps den ununterbrochenen Anlauf gegen den Feind. Dieſer wurde zwei Stunden lang von Stellung zu Stellung geworfen, bis er vormittags halb 8 Uhr ſeinen verzweifelten Widerſtand aufgab und in regelloſer Flucht nach Süden und Südoſten auseinanderlief. Erbeutet wurden 29 Gewehre, zahlreiche Munition, eine kleine Herde Vieh, ſowie einige Pferde. Die Hottentottenbande, welche am 8. März nördlich von Koes eine Patrouille überfallen hatte, ſcheint bereits am 15. März wieder bei Simon Copper geweſen zu ſein. Hauptmann Grüner geht zunächſt zum Norſob zurück, weil er Waſſer haben muß. Simon Copper iſt ſchwer geſchädigt, aber noch nicht endgültig beſei- tigt. Weitere Grenzbewachung und erneute Expeditionen bleiben nötig. Nach Meldung des Oberſtleutnants von Eſtorff muß die Leiſtung des Expeditionskorps als ganz hervorragende Waffentat bezeichnet werden. Mit dem tapferen und bewährten Führer, Hauptmann von Erckert, verliert die Schutztruppe einen ihrer beſten Offiziere. Der gefallene Hauptmann Friedrich Felix Johannes von Erckert ſtand ſeit November 1904 bei der Schutztruppe. Er wurde 1899 als Oberleutnant erſtmals zur Schutztruppe für Südweſtafrika verſetzt. Dort blieb er drei Jahre, dann kam er in das Infanterie-Regiment Nr. 92 in Braunſchweig und wurde im Mai 1904 Hauptmann und Kompagniechef. Erckert war mit dem Roten Adlerorden 4. Klaſſe und dem Ritterkreuz 2. Klaſſe des braunſchweigiſchen Heinrich des Löwen-Orden, beide mit Schwertern, dekoriert. Der Wiener Nuntius. Die Aeußerungen des apoſtoliſchen Nuntius in Wien, Mſgr. Granito di Belmonte, über ſeine Unter- redung mit dem Frhrn. v. Aehrenthal haben auf uns und andere den Eindruck vollkommener Glaubwürdigkeit ge- macht, und was in den letzten acht Tagen über Aeußerungen des Miniſterpräſidenten Frhrn. v. Beck und des Unter- richtsminiſters Dr. Marchet in die Oeffentlichkeit gedrun- gen war, ließ erwarten, daß die Wünſche des Nuntius in Sachen Wahrmunds inhaltlich weitgehendes Entgegen- kommen finden würden. Wenn trotzdem gegen die Aeuße- rungen des Nuntiuſ ein gewiſſer amtlicher Proteſt erfolgte, ſo verſtand man das ſa, daß ſich das Miniſterium gegen etwaige parlamentariſche Angriffe decken wollte, als hätte es die ſtaatlichen Hoheitsrechte nicht genügend gewahrt; es konnte dabei immer noch eine ſachlich faſt ungetrübte Harmonie zwiſchen dem Nuntius und der öſterreichiſchen Regierung beſtehen. Heute ſteht nun aber zweifellos feſt, daß die öſterreichiſche Regierung dem Nuntius zum minde- ſten die Wiederholung ſeiner Darſtellung ſehr ver- übelt hat, und ſo erſcheint nun in der Tat die Stellung des Nuntius ſchwer erſchüttert. Man ſchreibt uns darüber aus Wien: F. Wien, 18. März. Der Nuntius iſt durch den Verlauf der vielbeſpro- chenen Angelegenheit aufs äußerſte bloßgeſtellt, aber Prof. Wahrmund deshalb noch nicht aller Fährniſſe ledig. Das ungeſchickte Zugreifen Belmontes hatte bisher die Folge, daß ſo ziemlich alle Parteien darüber einig wurden, Oeſter- reich dürfe in ſeine Staatshoheit nicht eingreifen laſſen und ſei ſouverän in der Beſetzung der Lehrſtühle an den Uni- verſitäten wie an allen anderen ſtaatlichen Unterrichts- anſtalten. Von den liberalen, demokratiſchen und ſozialiſti- ſchen Gruppen war nichts anderes zu erwarten, aber auch die deutſchen wie die tſchechiſchen Nationalen, von denen viele — beſonders auf deutſcher Seite — einen konſervati- ven Einſchlag zeigen, haben ſich ohne Schwanken auf die Seite der freien Auffaſſung geſtellt. Die Sache des Nun- tius war völlig verloren, als ſelbſt die Chriſtlichſozialen — wenn auch unter den ärgſten Schmähungen gegen Wahr- mund — ſeine Einmiſchung für bedenklich erklärten und ſie ablehnten. Es iſt zwar unerhört, daß ein Miniſter, Dr. Geßmann, ſich ſo weit vergeſſen konnte, unter dem Schutze der Immunität die gröbſten Schmähungen gegen den viel angefeindeten Mann zu erheben; die Aufnahme dieſes ge- wandten Agitators, dem jedoch die Bildung des Herzens ebenſo fehlt wie die des Geiſtes, ſpricht nicht gerade für die Höhe des Kulturniveaus, auf dem ſich der Miniſterpräſident ſeine Kollegen ſuchte. Aber auch dieſes wunderliche Exemplar eines Staatsmannes ſchwärmt nicht für das Vor- gehen des Nuntius, und ähnlich äußerte ſich ein anderer Führer der Chriſtlichſozialen, Prinz Alois Liechtenſtein. Nur das kleine Häuflein der Allklerikalen findet alles gut und ſchön, was von Rom ausgeht. Schon dadurch iſt die Stellung des Nuntius unhaltbar geworden. Das aber iſt eine Kleinigkeit gegenüber einem anderen diplomatiſchen Kunſtfehler des Nuntius, der nicht eben ein Meiſter diplomatiſcher Künſte zu ſein ſcheint. Er handelt ſo, als ob er nicht Vertreter Seiner Heiligkeit des Papſtes bei Seiner Majeſtät dem Kaiſer Franz Joſeph wäre, ſon- dern die Aufgabe hätte, durch den Verkehr mit den Wiener Redaktionen auf die öffentliche Meinung Oeſterreichs zu wirken. Er polemiſiert auf dieſem Wege mit dem gemein- ſamen Miniſter des Aeußern und mit der öſterreichiſchen Regierung, behauptet, daß ſeine an Baron Aehrenthal ge- richteten Worte von letzterem unrichtig wiedergegeben wor- den ſeien; er habe die Entſetzung Profeſſor Wahrmunds

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine135_1908
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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 135, 21. März 1908, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine135_1908/1>, abgerufen am 21.11.2024.