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Allgemeine Zeitung, Nr. 136, 22. März 1908.

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Seite 4. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 22. März 1908. Nr. 136.
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einem von Gesträuchgruppen umgebenen Bassin befindet und
49 männliche und 47 weibliche Zierenten aufweist. Durch ihr
prächtiges Gefieder fallen Amherstfasanen sowie Goldfasanen
auf, auch mehrere Pfauenpaare und eine außer Preisbewerbung
stehende Kollektion Papageien fehlt nicht. Geräte, Lehrmittel
und Literatur für Geflügelzucht hat die kgl. Kreisgeflügelzucht-
anstalt Erding ausgestellt. Ein Glückshafen nebst dem Sekretariat
befindet sich in der Mitte des von dem vielstimmigen Konzert
der krähenden, gackernden, zwitschernden Insassen erfüllten Saales.

Ein Besuch der Ausstellung ist für jeden Geflügelzüchter und
Liebhaber sehr zu empfehlen. Morgen Sonntag wird der Besuch
des Prinzregenten, des Prinzen Ludwig und mehrerer
Prinzessinnen des königlichen Hauses erwartet.

* Zum Fall Schauer.

Die Verhandlung gegen den
Schutzmann Schauer wegen Körperverletzung mit Todes-
folge beginnt am Donnerstag, 9. April, vor dem hiesigen
Schwurgericht. Es sind für die Verhandlung vorerst drei
Tage angesetzt. Die Anklage vertritt, wie bekannt, Staats-
anwalt Held, die Verteidigung führt Rechtsanwalt
Gänßler.

k. Ein neuer Wucherprozeß.

Die Verhandlung gegen
den prakt. Arzt Dr. Hans Hofbrückl in Pasing und den
Maler- und Tapezierermeister Peter Ritzer von hier
wegen Wuchers findet am Montag den 23. März vor
der zweiten Strafkammer des Landgerichts München I
statt. Hofbrückl und Ritzer sollten sich schon im vorigen
Jahre mit den verurteilten Wucherern Hartmann, Oiser,
Maffei und Gen. verantworten; ihre Sache wurde jedoch
abgetrennt und abgesetzt, da Hofbrückl und Ritzer durch
Krankheit am Erscheinen verhindert waren.

* Der Gesangverein "Die Bären" und der Radfahrklub
der "Geselligen Vereinigung Münchener Künst-
ler
" veranstalten heute, am 21. März, im "Bayerischen Hof"
einen Festabend. Ein kurzes Sesselkonzert mit gediegenen Vor-
trägen wird den Abend einleiten. Bewährte Sangeskräfte (die
Damen Frau Möhl-Knabl, Frau Thea Kaiser, Frau Dr. Stein-
häuser (Rezitation), Frln. Sondinger) und hervorragende In-
strumentalisten wirken mit.

* Aus der Lokalbaukommission.

Zu einer teilweisen Aende-
rung des Baulinienprojektes Rathgeber-Zimmermann in Moosach
nordwestlich der Bahnstation wird eine Erinnerung nicht erhoben.
Die Aenderung der Baulinien am Neudeck kann nur in der
vom Stadtmagistrate vorgeschlagenen Einschränkung zur Geneh-
migung befürwortet werden. Außerdem lagen der Kommission
13 Wohnhausneubaugesuche, dann der Plan für einen
Fabrikneubau (Isaria - Zählerwerke) und mehrere Pläne für
Ergänzungsbauten der Stadtgemeinde auf dem Aus-
stellungsareal
vor. Ferner lagen Pläne vor für
Arbeiterwohnhäuser in dem Ausstellungspark (deutsche
Werkstätten) und der Plan für eine Schießhalle dortselbst
(M. Stehbeck).

* Erholungsklub für erwerbende Frauen und Mädchen, Karl-
straße 42.

Sonntag, 22. März, abends 71/2 Uhr findet ein Unter-
haltungsabend statt. Frau Vierna und Herr Glonny
singen Duette. Gäste, auch Herren, willkommen. Eintritt für
Nichtmitglieder 25 Pfg.

* Im Polytechnischen Verein wird am Montag, 23. März,
Herr Diplomingenieur Lewin, Organisationsanwalt aus
Berlin, über: "Moderne Fabrikorganisation"
sprechen.



Vereinsmitteilungen, Versammlungen, Vorträge.

Evangelischer Handwerker-
verein München.
Im kleinen Saal des Evangelischen Ver-
einshauses. Mathildenstraße, Vortrag des Herrn Stadtvikar
Langenfaß über Mathias Claudius. Beginn abends 8 Uhr.
Gäste willkommen. -- Christlicher Verein junger
Männer.
Glückstraße Nr. 21. Abends 81/4 Uhr: Vortrag von
Herrn Prof. Dr. Heim. Thema: "Das antike Theater". Ein-
tritt frei. Gäste willkommen. -- Familien-Klub von
1903. (Klub zur Pflege edler Geselligkeit, Kunst und Literatur.)
Die nächste Veranstaltung findet Sonntag Nachmittag 3 Uhr in
den Prinzensälen des Cafe Luitpold statt. -- "Wander-
vogel
". Verein zur Förderung des Jugendwanderns in
Bayern. Großes Kaffeekochen in der Garchinger Heide (Krähen-
hütte). Ab 2 Uhr Erlöserkirche. Musikinstrumente mitbringen.



* Fritz v. Uhdes 60. Geburtstag.

Eine hiesige Zeitung feiert
schon jetzt Uhdes 60. Geburtstag in einem Festartikel;
sie nimmt als Datum dafür irrtümlich den 22. März an. Wie
in allen wichtigeren Handbüchern zu lesen ist und uns heute der
Meister auch selbst bestätigt, ist Fritz v. Uhde am 22. Mai 1848
geboren.

* Dr. Georg Kerschensteiner spricht am nächsten Mittwoch
Abend im Verein für deutsches Kunstgewerbe in Berlin über
Handwerkererziehung. Den Vortrag begleiten nicht
nur Lichtbilder, sondern auch eine Ausstellung sehr bemerkens-
werter Arbeiten der Volksschulen und fachlichen Fortbildungs-
schulen Münchens.



Bunte Chronik.
* Gegen Multatuli.

Einen Beweis, wie der politische Ketzer
Multatuli, vielleicht der schärfste Geist, aber auch der rück-
sichtsloseste Kritiker, den die Niederlande hervorgebracht haben,
noch heute und selbst in Belgien ignoriert oder bekämpft wird,
bietet die Tatsache, daß zwei Brüsseler Hauseigentümer, in
deren Häusern Multatuli sein Hauptwerk schrieb, es schroff ab-
lehnten. Erinnerungstafeln, die den Namen des Verfassers von
"Max Havelaar" trugen, an ihren Häusern angebracht zu sehen.
Unter diesen Umständen blieb dem Komitee nichts anderes übrig,
als den Stiftern das Geld zurückzuzahlen.

* Kleine Nachrichten.

In dem Maße als die Motorwagen
in Paris zunehmen, nimmt die Zahl der Pferde ab. Es
soll deren jetzt nur noch 83,458 geben, fast 10,000 weniger als im
Jahre 1900. -- Eines der fünfzig Stock hohen Ge-
schäftsgebäude,
die in New-York jetzt im Bau sind,
erfordert folgende Materialien: 24,000 Tonnen Stahl für das
"Gerippe" des Gebäudes; 37,000 Tonnen Gußmörtel für die Kor-
ridore; soviel Steine, daß sie, aneinandergelegt, von New-York
nach Denver reichen würden; 4500 Tonnen Terrakotta für die
Verzierung; genügend Glas um drei Straßenblocks damit zu be-
decken; für Heizung und Wasserleitung Röhren, die von New-
York nach Albany reichen würden; genügend Drähte für eine
Telegraphenlinie von New-York nach Philadelphia und über
80,000 Glühlampen.



[Spaltenumbruch]
Bayerische Chronik.
* Die Besetzung der Regensburger Domdekanstelle.

Wie dem Bayerischen Kurier sein nicht ganz zuverlässiger
Sun-Korrespondent meldet, wäre für die Regensburger Digni-
tärstelle der Abgeordnete Domkapitular Dr. Pichler von
Passau ausersehen. Wie wir mitteilen können, ist Herrn
Dr. Pichler hiervon nicht das Geringste bekannt. Vielleicht
hat der Bayerische Kurier einen Scherz machen wollen.

Sun Verkehr mit Kraftwagen.

Der 3. Ausschuß der
Reichsratskammer hat auf Antrag des Referenten
Frhrn. v. Thüngen bezüglich der Beschlüsse der Ab-
geordnetenkammer zu den Anträgen Jäger und Gen. be-
treffend den Verkehr mit Kraftwagen beschlossen,
es sei hierüber zur Tagesordnung überzugehen, mit
Rücksicht auf die von der Staatsregierung abgegebenen
Erklärungen und in der Erwägung, daß nach den Erklä-
rungen des Staatssekretärs des Reichsjustizamts in der
Reichstagssitzung vom 12. Februar 1908 demnächst dem
Bundesrat ein Gesetz über den Verkehr mit Kraftwagen
vorgelegt werden wird, welches den im Antrag der Ab-
geordnetenkammer enthaltenen Wünschen durch Verschär-
fung der zivilrechtlichen, polizeilichen und strafrechtlichen
Bestimmungen Rechnung trägt.



Hier verstarb im Alter von 91 Jahren
der Hauptsalzamtskassier a. D. A. Helfreich. Der Verstorbene,
der sich bis ins höchste Alter völlige Frische des Geistes und
Körpers bewahrt hatte, war hier auch als geschickter Maler be-
kannt; er hat noch in den letzten Jahren wiederholt Bilder aus-
gestellt. Eine besondere Förderung erfuhren von dem liebens-
würdigen und originellen alten Herrn die evangelischen Vereins-
bestrebungen der Stadt.

Der Abg. Dr. Heim hat den Verlag und
die Druckerei des Chamer Tagblatt, das in der letzten
Zeit in Konkurs war, angekauft. Der bisherige Sekretär des
Verbandes des bayerischen Postpersonals, Kratofiel, wird
künftig Verlag und Druckerei des Chamer Tagblatt auf eigene
Rechnung führen.



Bayerischer Landtag.
106. öffentliche Sitzung der Kammer der Abgeordneten.

Am Ministertische: Verkehrsminister v. Frauendorfer.

Präsident Dr. v. Orterer eröffnet nach 9 Uhr die Sitzung.

Fortsetzung der Beratung über die Regelung der Lohn-
und Arbeitsverhältnisse der Arbeiter in den
Staatsbetrieben.

Abg. Dauer (Zentr.) befürwortet die Wünsche der Ver-
kehrs- und Eisenbahnarbeiter.
Er verbreitet sich
dabei über die Tarifverträge; sie hätten nur dann einen Wert,
wenn die Arbeitnehmer in der Lage sind, durch einen Streik ihre
Forderungen durchzusetzen. Redner meint dann, daß die Tarif-
verträge durchaus nicht immer als Allheilmittel angesehen wer-
den könnten. Er findet es sehr sonderbar, daß man gerade bei
den Arbeiteranträgen die Kompetenzfrage aufgeworfen
habe; den Arbeitern dürfe ihr Petitionsrecht nicht ge-
schmälert werden.

Abg. Cadau (Zentr.) verlangt eine bessere Regelung der
Dienst- und Ruhezeit des Eisenbahnpersonals durch die Schaf-
fung eines Arbeitsgesetzes. Ueberanstrengung des Personals sei
zu vermeiden. Auch der Erholungsurlaub solle Ausdehnung er-
fahren. Der Redner vertritt die in der Petition des Bayerischen
Eisenbahnerverbandes aufgestellten Forderungen. (Als der
Minister mit dem Schriftführer, dem Abg. Schmidt-Selb,
spricht, erklärt der Redner, er werde erst wieder weiterfahren,
wenn der Minister ihm mehr Aufmerksamkeit
schenke.
(Präsident Dr. v. Orterer fordert den Redner auf,
fortzufahren, da es Sache des Ministers sei, ob er den Dar-
legungen eines Redners mit Aufmerksamkeit folgen wolle oder
nicht.) Redner fordert Beamtenausschüsse. Es sei Zeit,
daß der Beamtenkörper mehr belebt werde. An Stelle der viel-
fach herrschenden
"sklavischen Unterwürfigkeit"
im Beamtenkörper würde treten "der in der Erkenntnis der Not-
wendigkeit begründete Gehorsam, die Erkenntnis der Notwendig-
keit treuester Pflichterfüllung".

Abg. Löweneck (Liberale Vereinigung):

Für uns
handelt es sich vor allem um Einführung des Tarifver-
trags in den Staatsbetrieb. Gegen den Tarifvertrag sind
verschiedene Bedenken geltend gemacht worden, die ich nicht teile.
Ich glaube auch nicht, daß durch Tarifverträge das Budgetrecht
des Landtags alteriert wird. Der Tarisvertag schließt eine
Stabilisierung der Lohnverhältnisse nicht aus. Daß ein Tarif-
vertrag nicht zum Streik führen muß, beweist uns der Tarif-
vertrag im Buchdruckgewerbe. Wenn die Regierung an einen
allgemeinen Tarif geht, so möge sie für geeignete Organe zur
Abfassung sorgen. Der Vertrag muß enthalten Lohn- und Ur-
laubsverhältnisse, das Wahlrecht zu den Ausschüssen, die
Koalitionsfreiheit, Berechtigung der Arbeiterausschüsse. Der
Vertrag muß enthalten die Einhaltung der Arbeitszeit, Schonung
des Materials. Eintreten möchte ich vor allem für tunlichste
Einschränkung der Arbeitszeit. Die Nachtarbeit
muß höher bemessen werden; doch muß die Nachtzeit auf die
Stunden von nachts 9 Uhr bis früh 5 Uhr festgelegt werden. Wir
sind der Ansicht, daß auch der Arbeiter Anspruch auf Urlaub hat.
Den Akkordarbeitern möge aber nicht der Grundlohn, sondern ein
höherer Lohn während dieser Zeit gegeben werden. Auch für
die Bezahlung der Wochen feiertage treten wir ein. Der
Redner fordert die Schaffung von Arbeiterausschüssen und zu-
gleich mit der Einführung des Beamtengesetzes die Gründung
von Beamten ausschüssen und er stellt, da der Minister
zu der letzteren Forderung mit dem Kopf schüttelt, einen
liberalen Antrag in diesem Sinne in Aussicht.

Abg. Weilnböck (Fr. Vgg.) anerkennt die berechtigten Forde-
rungen der Staatsarbeiter und stimmt einer den Verhältnissen
entsprechenden Besserung der Verhältnisse zu, aber allen Forde-
rungen kann seine Fraktion nicht zustimmen. Zur Begründung
weist er auf die Rückwirkung solcher Lohnerhöhungen auf die Pri-
vatbetriebe hin und befürchtet von zu weitgehenden Aufbesserun-
gen eine Förderung der Landflucht.

Nach faktischen Konstatierungen des Abg. Löweneck (lib.),
wobei er vor allem die Kompetenz der Abgeordnetenkammer be-
jaht, wird die Sitzung vertagt auf Montag, nachmittags 3 Uhr,
mit der Fortsetzung der heutigen Tagesordnung.

Schluß um 12 Uhr.



[Spaltenumbruch]
Handels-Zeitung.
(Der Nachdruck der nicht mit einem * gezeichneten Origtnalartikel, Notizen und
Telegramme ist nur mit genauer Quellenangabe gestattet.)

Großkapital und Industrie.

Die Vertreter der Landwirtschaft suchen der Börse
alle Sympathien zu nehmen. Sie arbeiten mit Hochdruck
und führen die unmöglichsten Gründe für sich ins Feld.
Sie sprechen von einer "Bedrohung der industriellen Ge-
sundheit" und machen dafür die Tatsache verantwortlich,
daß die Industrie in immer größere Abhängigkeit
von dem in den Bankengruppen konzentrierten Groß-
kapital
geraten sei. Dieses volkswirtschaftlich ungesunde
Verhältnis habe der Terminhandel herbeigeführt.
Das ist nun eine ganz eigenartige Sache. Seit elf Jahren
besteht nur noch ein sehr beschränktes Termingeschäft an
der Börse. In Industrieaktien gar keines. Und gerade in
dieser Periode ist das Verhältnis zwischen Großkapital und
Industrie ein besonders inniges geworden. Da kann's doch
mit dem Terminhandel nicht ganz stimmen? Es müßte
denn zwei verschiedene Arten von Logik geben: eine agrari-
sche und eine gewöhnliche. Weiter. Die industrielle Ge-
sundheit ist durch den wachsenden Einfluß des Großkapitals
gefährdet worden. Das Krankheitsbild ergibt, daß in den
letzten zehn Jahren zwei Perioden der Hochkonjunktur
waren und im Durchschnitt die höchsten Dividenden gezahlt
worden sind. Vielleicht erblicken die Agrarier gerade in
dieser Tatsache einen Schaden. Einen moralischen natür-
lich. Die Gefährdung der Selbstgenügsamkeit; denn es ist
ein Nachteil, wenn durch hohe Dividenden die Ansprüche der
Aktienbesitzer gesteigert werden. Also lassen wir die Land-
wirte mit ihren sanitären Bedenken und ihrer der Sanie-
rung bedürfenden Logik und sehen wir zu, wie es mit den
Beziehungen zwischen Großkapital und Industrie steht.

Nach den Bilanzen der Berliner Groß-
banken,
die vor kurzer Zeit erschienen und hier im ein-
zelnen besprochen worden sind, haben diejenigen Institute
am stärksten unter den Einwirkungen des Niederganges
der Konjunktur gelitten, die die ausgedehntesten Beziehun-
gen zur Industrie unterhalten. An der Spitze der Schaaff-
hausensche Bankverein, der als Schulbeispiel dienen kann.
Ihm sind 16 Millionen an industriellen Guthaben entzogen
worden, während auf der anderen Seite sein Akzept
durch die Industrie mit 27 Millionen mehr in Anspruch ge-
nommen wurde. Dadurch sind gerade die liquidesten Mittel
des Instituts, die Bar- und Wechselbestände, erheblich redu-
ziert worden! In der Vermehrung der Debitoren um
30 Millionen auf 332 Millionen bei 145 Millionen Aktien-
kapital ist natürlich auch eine indirekte Belastung, und
zwar in diesem Falle wieder durch die Industrie (die
Außenstände bei größeren Aktiengesellschaften und Gewerk-
schaften erhöhten sich um 40 Mill. auf 105 Mill.), zu er-
blicken; denn die Debitoren gehören nicht zu den sogenann-
ten greifbaren Aktiven. Die erhebliche Verschlechterung der
Liquidität des Schaaffhausenschen Bankvereins -- das In-
stitut steht mit einem Deckungsverhältnis von rund 39 Pro-
zent am untersten Platz im Range der Großbanken -- ist
lediglich durch die Industrie verschuldet; und man könnte
deshalb wohl mit einer mindestens gleich großen Berechti-
gung wie die Agrarier von einer Bedrohung der indu-
striellen Gesundheit durch das Großkapital sprechen, eine
starke Gefährdung der Gefundheit der Ban-
ken
durch die Industrie konstatieren. Ich sage: wenn man
überhaupt "gesundheitsschädliche" Momente hier herein-
bringen will, was nicht nach jedermanns Geschmack sein
wird. Aehnlich wie der Schaaffhausensche Bankverein
haben auch die meisten anderen Banken eine Abnahme ihrer
fremden Gelder durch Kündigung industrieller Guthaben zu
verzeichnen; und da trotzdem -- oder gerade deshalb -- die
Ansprüche an den Kredit nicht geringere geworden sind, so
mußten die Finanzinstitute sich entweder mit einer stär-
keren Gewährung von Akzeptkredit oder einer Hergabe
liquider Mittel ihrer Aufgabe als Kreditgeber entledigen.
Der Schaden liegt also in jedem Falle auf der Seite der
Banken und nicht bei der Industrie. Würden die
Gegner der Börse nicht nur mit inhaltlosen Schlagworten
arbeiten, sondern sich bemühen, etwas tiefer in den Zusam-


[irrelevantes Material]
Seite 4. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 22. März 1908. Nr. 136.
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einem von Geſträuchgruppen umgebenen Baſſin befindet und
49 männliche und 47 weibliche Zierenten aufweiſt. Durch ihr
prächtiges Gefieder fallen Amherſtfaſanen ſowie Goldfaſanen
auf, auch mehrere Pfauenpaare und eine außer Preisbewerbung
ſtehende Kollektion Papageien fehlt nicht. Geräte, Lehrmittel
und Literatur für Geflügelzucht hat die kgl. Kreisgeflügelzucht-
anſtalt Erding ausgeſtellt. Ein Glückshafen nebſt dem Sekretariat
befindet ſich in der Mitte des von dem vielſtimmigen Konzert
der krähenden, gackernden, zwitſchernden Inſaſſen erfüllten Saales.

Ein Beſuch der Ausſtellung iſt für jeden Geflügelzüchter und
Liebhaber ſehr zu empfehlen. Morgen Sonntag wird der Beſuch
des Prinzregenten, des Prinzen Ludwig und mehrerer
Prinzeſſinnen des königlichen Hauſes erwartet.

* Zum Fall Schauer.

Die Verhandlung gegen den
Schutzmann Schauer wegen Körperverletzung mit Todes-
folge beginnt am Donnerstag, 9. April, vor dem hieſigen
Schwurgericht. Es ſind für die Verhandlung vorerſt drei
Tage angeſetzt. Die Anklage vertritt, wie bekannt, Staats-
anwalt Held, die Verteidigung führt Rechtsanwalt
Gänßler.

k. Ein neuer Wucherprozeß.

Die Verhandlung gegen
den prakt. Arzt Dr. Hans Hofbrückl in Paſing und den
Maler- und Tapezierermeiſter Peter Ritzer von hier
wegen Wuchers findet am Montag den 23. März vor
der zweiten Strafkammer des Landgerichts München I
ſtatt. Hofbrückl und Ritzer ſollten ſich ſchon im vorigen
Jahre mit den verurteilten Wucherern Hartmann, Oiſer,
Maffei und Gen. verantworten; ihre Sache wurde jedoch
abgetrennt und abgeſetzt, da Hofbrückl und Ritzer durch
Krankheit am Erſcheinen verhindert waren.

* Der Geſangverein „Die Bären“ und der Radfahrklub
der „Geſelligen Vereinigung Münchener Künſt-
ler
“ veranſtalten heute, am 21. März, im „Bayeriſchen Hof“
einen Feſtabend. Ein kurzes Seſſelkonzert mit gediegenen Vor-
trägen wird den Abend einleiten. Bewährte Sangeskräfte (die
Damen Frau Möhl-Knabl, Frau Thea Kaiſer, Frau Dr. Stein-
häuſer (Rezitation), Frln. Sondinger) und hervorragende In-
ſtrumentaliſten wirken mit.

* Aus der Lokalbaukommiſſion.

Zu einer teilweiſen Aende-
rung des Baulinienprojektes Rathgeber-Zimmermann in Mooſach
nordweſtlich der Bahnſtation wird eine Erinnerung nicht erhoben.
Die Aenderung der Baulinien am Neudeck kann nur in der
vom Stadtmagiſtrate vorgeſchlagenen Einſchränkung zur Geneh-
migung befürwortet werden. Außerdem lagen der Kommiſſion
13 Wohnhausneubaugeſuche, dann der Plan für einen
Fabrikneubau (Iſaria - Zählerwerke) und mehrere Pläne für
Ergänzungsbauten der Stadtgemeinde auf dem Aus-
ſtellungsareal
vor. Ferner lagen Pläne vor für
Arbeiterwohnhäuſer in dem Ausſtellungspark (deutſche
Werkſtätten) und der Plan für eine Schießhalle dortſelbſt
(M. Stehbeck).

* Erholungsklub für erwerbende Frauen und Mädchen, Karl-
ſtraße 42.

Sonntag, 22. März, abends 7½ Uhr findet ein Unter-
haltungsabend ſtatt. Frau Viërna und Herr Glonny
ſingen Duette. Gäſte, auch Herren, willkommen. Eintritt für
Nichtmitglieder 25 Pfg.

* Im Polytechniſchen Verein wird am Montag, 23. März,
Herr Diplomingenieur Lewin, Organiſationsanwalt aus
Berlin, über: „Moderne Fabrikorganiſation
ſprechen.



Vereinsmitteilungen, Verſammlungen, Vorträge.

Evangeliſcher Handwerker-
verein München.
Im kleinen Saal des Evangeliſchen Ver-
einshauſes. Mathildenſtraße, Vortrag des Herrn Stadtvikar
Langenfaß über Mathias Claudius. Beginn abends 8 Uhr.
Gäſte willkommen. — Chriſtlicher Verein junger
Männer.
Glückſtraße Nr. 21. Abends 8¼ Uhr: Vortrag von
Herrn Prof. Dr. Heim. Thema: „Das antike Theater“. Ein-
tritt frei. Gäſte willkommen. — Familien-Klub von
1903. (Klub zur Pflege edler Geſelligkeit, Kunſt und Literatur.)
Die nächſte Veranſtaltung findet Sonntag Nachmittag 3 Uhr in
den Prinzenſälen des Café Luitpold ſtatt. — „Wander-
vogel
“. Verein zur Förderung des Jugendwanderns in
Bayern. Großes Kaffeekochen in der Garchinger Heide (Krähen-
hütte). Ab 2 Uhr Erlöſerkirche. Muſikinſtrumente mitbringen.



* Fritz v. Uhdes 60. Geburtstag.

Eine hieſige Zeitung feiert
ſchon jetzt Uhdes 60. Geburtstag in einem Feſtartikel;
ſie nimmt als Datum dafür irrtümlich den 22. März an. Wie
in allen wichtigeren Handbüchern zu leſen iſt und uns heute der
Meiſter auch ſelbſt beſtätigt, iſt Fritz v. Uhde am 22. Mai 1848
geboren.

* Dr. Georg Kerſchenſteiner ſpricht am nächſten Mittwoch
Abend im Verein für deutſches Kunſtgewerbe in Berlin über
Handwerkererziehung. Den Vortrag begleiten nicht
nur Lichtbilder, ſondern auch eine Ausſtellung ſehr bemerkens-
werter Arbeiten der Volksſchulen und fachlichen Fortbildungs-
ſchulen Münchens.



Bunte Chronik.
* Gegen Multatuli.

Einen Beweis, wie der politiſche Ketzer
Multatuli, vielleicht der ſchärfſte Geiſt, aber auch der rück-
ſichtsloſeſte Kritiker, den die Niederlande hervorgebracht haben,
noch heute und ſelbſt in Belgien ignoriert oder bekämpft wird,
bietet die Tatſache, daß zwei Brüſſeler Hauseigentümer, in
deren Häuſern Multatuli ſein Hauptwerk ſchrieb, es ſchroff ab-
lehnten. Erinnerungstafeln, die den Namen des Verfaſſers von
„Max Havelaar“ trugen, an ihren Häuſern angebracht zu ſehen.
Unter dieſen Umſtänden blieb dem Komitee nichts anderes übrig,
als den Stiftern das Geld zurückzuzahlen.

* Kleine Nachrichten.

In dem Maße als die Motorwagen
in Paris zunehmen, nimmt die Zahl der Pferde ab. Es
ſoll deren jetzt nur noch 83,458 geben, faſt 10,000 weniger als im
Jahre 1900. — Eines der fünfzig Stock hohen Ge-
ſchäftsgebäude,
die in New-York jetzt im Bau ſind,
erfordert folgende Materialien: 24,000 Tonnen Stahl für das
„Gerippe“ des Gebäudes; 37,000 Tonnen Gußmörtel für die Kor-
ridore; ſoviel Steine, daß ſie, aneinandergelegt, von New-York
nach Denver reichen würden; 4500 Tonnen Terrakotta für die
Verzierung; genügend Glas um drei Straßenblocks damit zu be-
decken; für Heizung und Waſſerleitung Röhren, die von New-
York nach Albany reichen würden; genügend Drähte für eine
Telegraphenlinie von New-York nach Philadelphia und über
80,000 Glühlampen.



[Spaltenumbruch]
Bayeriſche Chronik.
* Die Beſetzung der Regensburger Domdekanſtelle.

Wie dem Bayeriſchen Kurier ſein nicht ganz zuverläſſiger
☉-Korreſpondent meldet, wäre für die Regensburger Digni-
tärſtelle der Abgeordnete Domkapitular Dr. Pichler von
Paſſau auserſehen. Wie wir mitteilen können, iſt Herrn
Dr. Pichler hiervon nicht das Geringſte bekannt. Vielleicht
hat der Bayeriſche Kurier einen Scherz machen wollen.

Verkehr mit Kraftwagen.

Der 3. Ausſchuß der
Reichsratskammer hat auf Antrag des Referenten
Frhrn. v. Thüngen bezüglich der Beſchlüſſe der Ab-
geordnetenkammer zu den Anträgen Jäger und Gen. be-
treffend den Verkehr mit Kraftwagen beſchloſſen,
es ſei hierüber zur Tagesordnung überzugehen, mit
Rückſicht auf die von der Staatsregierung abgegebenen
Erklärungen und in der Erwägung, daß nach den Erklä-
rungen des Staatsſekretärs des Reichsjuſtizamts in der
Reichstagsſitzung vom 12. Februar 1908 demnächſt dem
Bundesrat ein Geſetz über den Verkehr mit Kraftwagen
vorgelegt werden wird, welches den im Antrag der Ab-
geordnetenkammer enthaltenen Wünſchen durch Verſchär-
fung der zivilrechtlichen, polizeilichen und ſtrafrechtlichen
Beſtimmungen Rechnung trägt.



Hier verſtarb im Alter von 91 Jahren
der Hauptſalzamtskaſſier a. D. A. Helfreich. Der Verſtorbene,
der ſich bis ins höchſte Alter völlige Friſche des Geiſtes und
Körpers bewahrt hatte, war hier auch als geſchickter Maler be-
kannt; er hat noch in den letzten Jahren wiederholt Bilder aus-
geſtellt. Eine beſondere Förderung erfuhren von dem liebens-
würdigen und originellen alten Herrn die evangeliſchen Vereins-
beſtrebungen der Stadt.

Der Abg. Dr. Heim hat den Verlag und
die Druckerei des Chamer Tagblatt, das in der letzten
Zeit in Konkurs war, angekauft. Der bisherige Sekretär des
Verbandes des bayeriſchen Poſtperſonals, Kratofiel, wird
künftig Verlag und Druckerei des Chamer Tagblatt auf eigene
Rechnung führen.



Bayeriſcher Landtag.
106. öffentliche Sitzung der Kammer der Abgeordneten.

Am Miniſtertiſche: Verkehrsminiſter v. Frauendorfer.

Präſident Dr. v. Orterer eröffnet nach 9 Uhr die Sitzung.

Fortſetzung der Beratung über die Regelung der Lohn-
und Arbeitsverhältniſſe der Arbeiter in den
Staatsbetrieben.

Abg. Dauer (Zentr.) befürwortet die Wünſche der Ver-
kehrs- und Eiſenbahnarbeiter.
Er verbreitet ſich
dabei über die Tarifverträge; ſie hätten nur dann einen Wert,
wenn die Arbeitnehmer in der Lage ſind, durch einen Streik ihre
Forderungen durchzuſetzen. Redner meint dann, daß die Tarif-
verträge durchaus nicht immer als Allheilmittel angeſehen wer-
den könnten. Er findet es ſehr ſonderbar, daß man gerade bei
den Arbeiteranträgen die Kompetenzfrage aufgeworfen
habe; den Arbeitern dürfe ihr Petitionsrecht nicht ge-
ſchmälert werden.

Abg. Cadau (Zentr.) verlangt eine beſſere Regelung der
Dienſt- und Ruhezeit des Eiſenbahnperſonals durch die Schaf-
fung eines Arbeitsgeſetzes. Ueberanſtrengung des Perſonals ſei
zu vermeiden. Auch der Erholungsurlaub ſolle Ausdehnung er-
fahren. Der Redner vertritt die in der Petition des Bayeriſchen
Eiſenbahnerverbandes aufgeſtellten Forderungen. (Als der
Miniſter mit dem Schriftführer, dem Abg. Schmidt-Selb,
ſpricht, erklärt der Redner, er werde erſt wieder weiterfahren,
wenn der Miniſter ihm mehr Aufmerkſamkeit
ſchenke.
(Präſident Dr. v. Orterer fordert den Redner auf,
fortzufahren, da es Sache des Miniſters ſei, ob er den Dar-
legungen eines Redners mit Aufmerkſamkeit folgen wolle oder
nicht.) Redner fordert Beamtenausſchüſſe. Es ſei Zeit,
daß der Beamtenkörper mehr belebt werde. An Stelle der viel-
fach herrſchenden
ſklaviſchen Unterwürfigkeit
im Beamtenkörper würde treten „der in der Erkenntnis der Not-
wendigkeit begründete Gehorſam, die Erkenntnis der Notwendig-
keit treueſter Pflichterfüllung“.

Abg. Löweneck (Liberale Vereinigung):

Für uns
handelt es ſich vor allem um Einführung des Tarifver-
trags in den Staatsbetrieb. Gegen den Tarifvertrag ſind
verſchiedene Bedenken geltend gemacht worden, die ich nicht teile.
Ich glaube auch nicht, daß durch Tarifverträge das Budgetrecht
des Landtags alteriert wird. Der Tariſvertag ſchließt eine
Stabiliſierung der Lohnverhältniſſe nicht aus. Daß ein Tarif-
vertrag nicht zum Streik führen muß, beweiſt uns der Tarif-
vertrag im Buchdruckgewerbe. Wenn die Regierung an einen
allgemeinen Tarif geht, ſo möge ſie für geeignete Organe zur
Abfaſſung ſorgen. Der Vertrag muß enthalten Lohn- und Ur-
laubsverhältniſſe, das Wahlrecht zu den Ausſchüſſen, die
Koalitionsfreiheit, Berechtigung der Arbeiterausſchüſſe. Der
Vertrag muß enthalten die Einhaltung der Arbeitszeit, Schonung
des Materials. Eintreten möchte ich vor allem für tunlichſte
Einſchränkung der Arbeitszeit. Die Nachtarbeit
muß höher bemeſſen werden; doch muß die Nachtzeit auf die
Stunden von nachts 9 Uhr bis früh 5 Uhr feſtgelegt werden. Wir
ſind der Anſicht, daß auch der Arbeiter Anſpruch auf Urlaub hat.
Den Akkordarbeitern möge aber nicht der Grundlohn, ſondern ein
höherer Lohn während dieſer Zeit gegeben werden. Auch für
die Bezahlung der Wochen feiertage treten wir ein. Der
Redner fordert die Schaffung von Arbeiterausſchüſſen und zu-
gleich mit der Einführung des Beamtengeſetzes die Gründung
von Beamten ausſchüſſen und er ſtellt, da der Miniſter
zu der letzteren Forderung mit dem Kopf ſchüttelt, einen
liberalen Antrag in dieſem Sinne in Ausſicht.

Abg. Weilnböck (Fr. Vgg.) anerkennt die berechtigten Forde-
rungen der Staatsarbeiter und ſtimmt einer den Verhältniſſen
entſprechenden Beſſerung der Verhältniſſe zu, aber allen Forde-
rungen kann ſeine Fraktion nicht zuſtimmen. Zur Begründung
weiſt er auf die Rückwirkung ſolcher Lohnerhöhungen auf die Pri-
vatbetriebe hin und befürchtet von zu weitgehenden Aufbeſſerun-
gen eine Förderung der Landflucht.

Nach faktiſchen Konſtatierungen des Abg. Löweneck (lib.),
wobei er vor allem die Kompetenz der Abgeordnetenkammer be-
jaht, wird die Sitzung vertagt auf Montag, nachmittags 3 Uhr,
mit der Fortſetzung der heutigen Tagesordnung.

Schluß um 12 Uhr.



[Spaltenumbruch]
Handels-Zeitung.
(Der Nachdruck der nicht mit einem * gezeichneten Origtnalartikel, Notizen und
Telegramme iſt nur mit genauer Quellenangabe geſtattet.)

Großkapital und Induſtrie.

≏ Die Vertreter der Landwirtſchaft ſuchen der Börſe
alle Sympathien zu nehmen. Sie arbeiten mit Hochdruck
und führen die unmöglichſten Gründe für ſich ins Feld.
Sie ſprechen von einer „Bedrohung der induſtriellen Ge-
ſundheit“ und machen dafür die Tatſache verantwortlich,
daß die Induſtrie in immer größere Abhängigkeit
von dem in den Bankengruppen konzentrierten Groß-
kapital
geraten ſei. Dieſes volkswirtſchaftlich ungeſunde
Verhältnis habe der Terminhandel herbeigeführt.
Das iſt nun eine ganz eigenartige Sache. Seit elf Jahren
beſteht nur noch ein ſehr beſchränktes Termingeſchäft an
der Börſe. In Induſtrieaktien gar keines. Und gerade in
dieſer Periode iſt das Verhältnis zwiſchen Großkapital und
Induſtrie ein beſonders inniges geworden. Da kann’s doch
mit dem Terminhandel nicht ganz ſtimmen? Es müßte
denn zwei verſchiedene Arten von Logik geben: eine agrari-
ſche und eine gewöhnliche. Weiter. Die induſtrielle Ge-
ſundheit iſt durch den wachſenden Einfluß des Großkapitals
gefährdet worden. Das Krankheitsbild ergibt, daß in den
letzten zehn Jahren zwei Perioden der Hochkonjunktur
waren und im Durchſchnitt die höchſten Dividenden gezahlt
worden ſind. Vielleicht erblicken die Agrarier gerade in
dieſer Tatſache einen Schaden. Einen moraliſchen natür-
lich. Die Gefährdung der Selbſtgenügſamkeit; denn es iſt
ein Nachteil, wenn durch hohe Dividenden die Anſprüche der
Aktienbeſitzer geſteigert werden. Alſo laſſen wir die Land-
wirte mit ihren ſanitären Bedenken und ihrer der Sanie-
rung bedürfenden Logik und ſehen wir zu, wie es mit den
Beziehungen zwiſchen Großkapital und Induſtrie ſteht.

Nach den Bilanzen der Berliner Groß-
banken,
die vor kurzer Zeit erſchienen und hier im ein-
zelnen beſprochen worden ſind, haben diejenigen Inſtitute
am ſtärkſten unter den Einwirkungen des Niederganges
der Konjunktur gelitten, die die ausgedehnteſten Beziehun-
gen zur Induſtrie unterhalten. An der Spitze der Schaaff-
hauſenſche Bankverein, der als Schulbeiſpiel dienen kann.
Ihm ſind 16 Millionen an induſtriellen Guthaben entzogen
worden, während auf der anderen Seite ſein Akzept
durch die Induſtrie mit 27 Millionen mehr in Anſpruch ge-
nommen wurde. Dadurch ſind gerade die liquideſten Mittel
des Inſtituts, die Bar- und Wechſelbeſtände, erheblich redu-
ziert worden! In der Vermehrung der Debitoren um
30 Millionen auf 332 Millionen bei 145 Millionen Aktien-
kapital iſt natürlich auch eine indirekte Belaſtung, und
zwar in dieſem Falle wieder durch die Induſtrie (die
Außenſtände bei größeren Aktiengeſellſchaften und Gewerk-
ſchaften erhöhten ſich um 40 Mill. auf 105 Mill.), zu er-
blicken; denn die Debitoren gehören nicht zu den ſogenann-
ten greifbaren Aktiven. Die erhebliche Verſchlechterung der
Liquidität des Schaaffhauſenſchen Bankvereins — das In-
ſtitut ſteht mit einem Deckungsverhältnis von rund 39 Pro-
zent am unterſten Platz im Range der Großbanken — iſt
lediglich durch die Induſtrie verſchuldet; und man könnte
deshalb wohl mit einer mindeſtens gleich großen Berechti-
gung wie die Agrarier von einer Bedrohung der indu-
ſtriellen Geſundheit durch das Großkapital ſprechen, eine
ſtarke Gefährdung der Gefundheit der Ban-
ken
durch die Induſtrie konſtatieren. Ich ſage: wenn man
überhaupt „geſundheitsſchädliche“ Momente hier herein-
bringen will, was nicht nach jedermanns Geſchmack ſein
wird. Aehnlich wie der Schaaffhauſenſche Bankverein
haben auch die meiſten anderen Banken eine Abnahme ihrer
fremden Gelder durch Kündigung induſtrieller Guthaben zu
verzeichnen; und da trotzdem — oder gerade deshalb — die
Anſprüche an den Kredit nicht geringere geworden ſind, ſo
mußten die Finanzinſtitute ſich entweder mit einer ſtär-
keren Gewährung von Akzeptkredit oder einer Hergabe
liquider Mittel ihrer Aufgabe als Kreditgeber entledigen.
Der Schaden liegt alſo in jedem Falle auf der Seite der
Banken und nicht bei der Induſtrie. Würden die
Gegner der Börſe nicht nur mit inhaltloſen Schlagworten
arbeiten, ſondern ſich bemühen, etwas tiefer in den Zuſam-


[irrelevantes Material]
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[4/0004] Seite 4. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 22. März 1908. Nr. 136. einem von Geſträuchgruppen umgebenen Baſſin befindet und 49 männliche und 47 weibliche Zierenten aufweiſt. Durch ihr prächtiges Gefieder fallen Amherſtfaſanen ſowie Goldfaſanen auf, auch mehrere Pfauenpaare und eine außer Preisbewerbung ſtehende Kollektion Papageien fehlt nicht. Geräte, Lehrmittel und Literatur für Geflügelzucht hat die kgl. Kreisgeflügelzucht- anſtalt Erding ausgeſtellt. Ein Glückshafen nebſt dem Sekretariat befindet ſich in der Mitte des von dem vielſtimmigen Konzert der krähenden, gackernden, zwitſchernden Inſaſſen erfüllten Saales. Ein Beſuch der Ausſtellung iſt für jeden Geflügelzüchter und Liebhaber ſehr zu empfehlen. Morgen Sonntag wird der Beſuch des Prinzregenten, des Prinzen Ludwig und mehrerer Prinzeſſinnen des königlichen Hauſes erwartet. * Zum Fall Schauer. Die Verhandlung gegen den Schutzmann Schauer wegen Körperverletzung mit Todes- folge beginnt am Donnerstag, 9. April, vor dem hieſigen Schwurgericht. Es ſind für die Verhandlung vorerſt drei Tage angeſetzt. Die Anklage vertritt, wie bekannt, Staats- anwalt Held, die Verteidigung führt Rechtsanwalt Gänßler. k. Ein neuer Wucherprozeß. Die Verhandlung gegen den prakt. Arzt Dr. Hans Hofbrückl in Paſing und den Maler- und Tapezierermeiſter Peter Ritzer von hier wegen Wuchers findet am Montag den 23. März vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts München I ſtatt. Hofbrückl und Ritzer ſollten ſich ſchon im vorigen Jahre mit den verurteilten Wucherern Hartmann, Oiſer, Maffei und Gen. verantworten; ihre Sache wurde jedoch abgetrennt und abgeſetzt, da Hofbrückl und Ritzer durch Krankheit am Erſcheinen verhindert waren. * Der Geſangverein „Die Bären“ und der Radfahrklub der „Geſelligen Vereinigung Münchener Künſt- ler“ veranſtalten heute, am 21. März, im „Bayeriſchen Hof“ einen Feſtabend. Ein kurzes Seſſelkonzert mit gediegenen Vor- trägen wird den Abend einleiten. Bewährte Sangeskräfte (die Damen Frau Möhl-Knabl, Frau Thea Kaiſer, Frau Dr. Stein- häuſer (Rezitation), Frln. Sondinger) und hervorragende In- ſtrumentaliſten wirken mit. * Aus der Lokalbaukommiſſion. Zu einer teilweiſen Aende- rung des Baulinienprojektes Rathgeber-Zimmermann in Mooſach nordweſtlich der Bahnſtation wird eine Erinnerung nicht erhoben. Die Aenderung der Baulinien am Neudeck kann nur in der vom Stadtmagiſtrate vorgeſchlagenen Einſchränkung zur Geneh- migung befürwortet werden. Außerdem lagen der Kommiſſion 13 Wohnhausneubaugeſuche, dann der Plan für einen Fabrikneubau (Iſaria - Zählerwerke) und mehrere Pläne für Ergänzungsbauten der Stadtgemeinde auf dem Aus- ſtellungsareal vor. Ferner lagen Pläne vor für Arbeiterwohnhäuſer in dem Ausſtellungspark (deutſche Werkſtätten) und der Plan für eine Schießhalle dortſelbſt (M. Stehbeck). * Erholungsklub für erwerbende Frauen und Mädchen, Karl- ſtraße 42. Sonntag, 22. März, abends 7½ Uhr findet ein Unter- haltungsabend ſtatt. Frau Viërna und Herr Glonny ſingen Duette. Gäſte, auch Herren, willkommen. Eintritt für Nichtmitglieder 25 Pfg. * Im Polytechniſchen Verein wird am Montag, 23. März, Herr Diplomingenieur Lewin, Organiſationsanwalt aus Berlin, über: „Moderne Fabrikorganiſation“ ſprechen. Vereinsmitteilungen, Verſammlungen, Vorträge. Sonntag, 22. März. Evangeliſcher Handwerker- verein München. Im kleinen Saal des Evangeliſchen Ver- einshauſes. Mathildenſtraße, Vortrag des Herrn Stadtvikar Langenfaß über Mathias Claudius. Beginn abends 8 Uhr. Gäſte willkommen. — Chriſtlicher Verein junger Männer. Glückſtraße Nr. 21. Abends 8¼ Uhr: Vortrag von Herrn Prof. Dr. Heim. Thema: „Das antike Theater“. Ein- tritt frei. Gäſte willkommen. — Familien-Klub von 1903. (Klub zur Pflege edler Geſelligkeit, Kunſt und Literatur.) Die nächſte Veranſtaltung findet Sonntag Nachmittag 3 Uhr in den Prinzenſälen des Café Luitpold ſtatt. — „Wander- vogel“. Verein zur Förderung des Jugendwanderns in Bayern. Großes Kaffeekochen in der Garchinger Heide (Krähen- hütte). Ab 2 Uhr Erlöſerkirche. Muſikinſtrumente mitbringen. * Fritz v. Uhdes 60. Geburtstag. Eine hieſige Zeitung feiert ſchon jetzt Uhdes 60. Geburtstag in einem Feſtartikel; ſie nimmt als Datum dafür irrtümlich den 22. März an. Wie in allen wichtigeren Handbüchern zu leſen iſt und uns heute der Meiſter auch ſelbſt beſtätigt, iſt Fritz v. Uhde am 22. Mai 1848 geboren. * Dr. Georg Kerſchenſteiner ſpricht am nächſten Mittwoch Abend im Verein für deutſches Kunſtgewerbe in Berlin über Handwerkererziehung. Den Vortrag begleiten nicht nur Lichtbilder, ſondern auch eine Ausſtellung ſehr bemerkens- werter Arbeiten der Volksſchulen und fachlichen Fortbildungs- ſchulen Münchens. Bunte Chronik. * Gegen Multatuli. Einen Beweis, wie der politiſche Ketzer Multatuli, vielleicht der ſchärfſte Geiſt, aber auch der rück- ſichtsloſeſte Kritiker, den die Niederlande hervorgebracht haben, noch heute und ſelbſt in Belgien ignoriert oder bekämpft wird, bietet die Tatſache, daß zwei Brüſſeler Hauseigentümer, in deren Häuſern Multatuli ſein Hauptwerk ſchrieb, es ſchroff ab- lehnten. Erinnerungstafeln, die den Namen des Verfaſſers von „Max Havelaar“ trugen, an ihren Häuſern angebracht zu ſehen. Unter dieſen Umſtänden blieb dem Komitee nichts anderes übrig, als den Stiftern das Geld zurückzuzahlen. * Kleine Nachrichten. In dem Maße als die Motorwagen in Paris zunehmen, nimmt die Zahl der Pferde ab. Es ſoll deren jetzt nur noch 83,458 geben, faſt 10,000 weniger als im Jahre 1900. — Eines der fünfzig Stock hohen Ge- ſchäftsgebäude, die in New-York jetzt im Bau ſind, erfordert folgende Materialien: 24,000 Tonnen Stahl für das „Gerippe“ des Gebäudes; 37,000 Tonnen Gußmörtel für die Kor- ridore; ſoviel Steine, daß ſie, aneinandergelegt, von New-York nach Denver reichen würden; 4500 Tonnen Terrakotta für die Verzierung; genügend Glas um drei Straßenblocks damit zu be- decken; für Heizung und Waſſerleitung Röhren, die von New- York nach Albany reichen würden; genügend Drähte für eine Telegraphenlinie von New-York nach Philadelphia und über 80,000 Glühlampen. Bayeriſche Chronik. * Die Beſetzung der Regensburger Domdekanſtelle. Wie dem Bayeriſchen Kurier ſein nicht ganz zuverläſſiger ☉-Korreſpondent meldet, wäre für die Regensburger Digni- tärſtelle der Abgeordnete Domkapitular Dr. Pichler von Paſſau auserſehen. Wie wir mitteilen können, iſt Herrn Dr. Pichler hiervon nicht das Geringſte bekannt. Vielleicht hat der Bayeriſche Kurier einen Scherz machen wollen. ☉ Verkehr mit Kraftwagen. Der 3. Ausſchuß der Reichsratskammer hat auf Antrag des Referenten Frhrn. v. Thüngen bezüglich der Beſchlüſſe der Ab- geordnetenkammer zu den Anträgen Jäger und Gen. be- treffend den Verkehr mit Kraftwagen beſchloſſen, es ſei hierüber zur Tagesordnung überzugehen, mit Rückſicht auf die von der Staatsregierung abgegebenen Erklärungen und in der Erwägung, daß nach den Erklä- rungen des Staatsſekretärs des Reichsjuſtizamts in der Reichstagsſitzung vom 12. Februar 1908 demnächſt dem Bundesrat ein Geſetz über den Verkehr mit Kraftwagen vorgelegt werden wird, welches den im Antrag der Ab- geordnetenkammer enthaltenen Wünſchen durch Verſchär- fung der zivilrechtlichen, polizeilichen und ſtrafrechtlichen Beſtimmungen Rechnung trägt. * Augsburg, 20. März. Hier verſtarb im Alter von 91 Jahren der Hauptſalzamtskaſſier a. D. A. Helfreich. Der Verſtorbene, der ſich bis ins höchſte Alter völlige Friſche des Geiſtes und Körpers bewahrt hatte, war hier auch als geſchickter Maler be- kannt; er hat noch in den letzten Jahren wiederholt Bilder aus- geſtellt. Eine beſondere Förderung erfuhren von dem liebens- würdigen und originellen alten Herrn die evangeliſchen Vereins- beſtrebungen der Stadt. * Cham, 20. März. Der Abg. Dr. Heim hat den Verlag und die Druckerei des Chamer Tagblatt, das in der letzten Zeit in Konkurs war, angekauft. Der bisherige Sekretär des Verbandes des bayeriſchen Poſtperſonals, Kratofiel, wird künftig Verlag und Druckerei des Chamer Tagblatt auf eigene Rechnung führen. Bayeriſcher Landtag. 106. öffentliche Sitzung der Kammer der Abgeordneten. * München, 21. März. Am Miniſtertiſche: Verkehrsminiſter v. Frauendorfer. Präſident Dr. v. Orterer eröffnet nach 9 Uhr die Sitzung. Fortſetzung der Beratung über die Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältniſſe der Arbeiter in den Staatsbetrieben. Abg. Dauer (Zentr.) befürwortet die Wünſche der Ver- kehrs- und Eiſenbahnarbeiter. Er verbreitet ſich dabei über die Tarifverträge; ſie hätten nur dann einen Wert, wenn die Arbeitnehmer in der Lage ſind, durch einen Streik ihre Forderungen durchzuſetzen. Redner meint dann, daß die Tarif- verträge durchaus nicht immer als Allheilmittel angeſehen wer- den könnten. Er findet es ſehr ſonderbar, daß man gerade bei den Arbeiteranträgen die Kompetenzfrage aufgeworfen habe; den Arbeitern dürfe ihr Petitionsrecht nicht ge- ſchmälert werden. Abg. Cadau (Zentr.) verlangt eine beſſere Regelung der Dienſt- und Ruhezeit des Eiſenbahnperſonals durch die Schaf- fung eines Arbeitsgeſetzes. Ueberanſtrengung des Perſonals ſei zu vermeiden. Auch der Erholungsurlaub ſolle Ausdehnung er- fahren. Der Redner vertritt die in der Petition des Bayeriſchen Eiſenbahnerverbandes aufgeſtellten Forderungen. (Als der Miniſter mit dem Schriftführer, dem Abg. Schmidt-Selb, ſpricht, erklärt der Redner, er werde erſt wieder weiterfahren, wenn der Miniſter ihm mehr Aufmerkſamkeit ſchenke. (Präſident Dr. v. Orterer fordert den Redner auf, fortzufahren, da es Sache des Miniſters ſei, ob er den Dar- legungen eines Redners mit Aufmerkſamkeit folgen wolle oder nicht.) Redner fordert Beamtenausſchüſſe. Es ſei Zeit, daß der Beamtenkörper mehr belebt werde. An Stelle der viel- fach herrſchenden „ſklaviſchen Unterwürfigkeit“ im Beamtenkörper würde treten „der in der Erkenntnis der Not- wendigkeit begründete Gehorſam, die Erkenntnis der Notwendig- keit treueſter Pflichterfüllung“. Abg. Löweneck (Liberale Vereinigung): Für uns handelt es ſich vor allem um Einführung des Tarifver- trags in den Staatsbetrieb. Gegen den Tarifvertrag ſind verſchiedene Bedenken geltend gemacht worden, die ich nicht teile. Ich glaube auch nicht, daß durch Tarifverträge das Budgetrecht des Landtags alteriert wird. Der Tariſvertag ſchließt eine Stabiliſierung der Lohnverhältniſſe nicht aus. Daß ein Tarif- vertrag nicht zum Streik führen muß, beweiſt uns der Tarif- vertrag im Buchdruckgewerbe. Wenn die Regierung an einen allgemeinen Tarif geht, ſo möge ſie für geeignete Organe zur Abfaſſung ſorgen. Der Vertrag muß enthalten Lohn- und Ur- laubsverhältniſſe, das Wahlrecht zu den Ausſchüſſen, die Koalitionsfreiheit, Berechtigung der Arbeiterausſchüſſe. Der Vertrag muß enthalten die Einhaltung der Arbeitszeit, Schonung des Materials. Eintreten möchte ich vor allem für tunlichſte Einſchränkung der Arbeitszeit. Die Nachtarbeit muß höher bemeſſen werden; doch muß die Nachtzeit auf die Stunden von nachts 9 Uhr bis früh 5 Uhr feſtgelegt werden. Wir ſind der Anſicht, daß auch der Arbeiter Anſpruch auf Urlaub hat. Den Akkordarbeitern möge aber nicht der Grundlohn, ſondern ein höherer Lohn während dieſer Zeit gegeben werden. Auch für die Bezahlung der Wochen feiertage treten wir ein. Der Redner fordert die Schaffung von Arbeiterausſchüſſen und zu- gleich mit der Einführung des Beamtengeſetzes die Gründung von Beamten ausſchüſſen und er ſtellt, da der Miniſter zu der letzteren Forderung mit dem Kopf ſchüttelt, einen liberalen Antrag in dieſem Sinne in Ausſicht. Abg. Weilnböck (Fr. Vgg.) anerkennt die berechtigten Forde- rungen der Staatsarbeiter und ſtimmt einer den Verhältniſſen entſprechenden Beſſerung der Verhältniſſe zu, aber allen Forde- rungen kann ſeine Fraktion nicht zuſtimmen. Zur Begründung weiſt er auf die Rückwirkung ſolcher Lohnerhöhungen auf die Pri- vatbetriebe hin und befürchtet von zu weitgehenden Aufbeſſerun- gen eine Förderung der Landflucht. Nach faktiſchen Konſtatierungen des Abg. Löweneck (lib.), wobei er vor allem die Kompetenz der Abgeordnetenkammer be- jaht, wird die Sitzung vertagt auf Montag, nachmittags 3 Uhr, mit der Fortſetzung der heutigen Tagesordnung. Schluß um 12 Uhr. Handels-Zeitung. (Der Nachdruck der nicht mit einem * gezeichneten Origtnalartikel, Notizen und Telegramme iſt nur mit genauer Quellenangabe geſtattet.) * München, 21. März. Großkapital und Induſtrie. ≏ Die Vertreter der Landwirtſchaft ſuchen der Börſe alle Sympathien zu nehmen. Sie arbeiten mit Hochdruck und führen die unmöglichſten Gründe für ſich ins Feld. Sie ſprechen von einer „Bedrohung der induſtriellen Ge- ſundheit“ und machen dafür die Tatſache verantwortlich, daß die Induſtrie in immer größere Abhängigkeit von dem in den Bankengruppen konzentrierten Groß- kapital geraten ſei. Dieſes volkswirtſchaftlich ungeſunde Verhältnis habe der Terminhandel herbeigeführt. Das iſt nun eine ganz eigenartige Sache. Seit elf Jahren beſteht nur noch ein ſehr beſchränktes Termingeſchäft an der Börſe. In Induſtrieaktien gar keines. Und gerade in dieſer Periode iſt das Verhältnis zwiſchen Großkapital und Induſtrie ein beſonders inniges geworden. Da kann’s doch mit dem Terminhandel nicht ganz ſtimmen? Es müßte denn zwei verſchiedene Arten von Logik geben: eine agrari- ſche und eine gewöhnliche. Weiter. Die induſtrielle Ge- ſundheit iſt durch den wachſenden Einfluß des Großkapitals gefährdet worden. Das Krankheitsbild ergibt, daß in den letzten zehn Jahren zwei Perioden der Hochkonjunktur waren und im Durchſchnitt die höchſten Dividenden gezahlt worden ſind. Vielleicht erblicken die Agrarier gerade in dieſer Tatſache einen Schaden. Einen moraliſchen natür- lich. Die Gefährdung der Selbſtgenügſamkeit; denn es iſt ein Nachteil, wenn durch hohe Dividenden die Anſprüche der Aktienbeſitzer geſteigert werden. Alſo laſſen wir die Land- wirte mit ihren ſanitären Bedenken und ihrer der Sanie- rung bedürfenden Logik und ſehen wir zu, wie es mit den Beziehungen zwiſchen Großkapital und Induſtrie ſteht. Nach den Bilanzen der Berliner Groß- banken, die vor kurzer Zeit erſchienen und hier im ein- zelnen beſprochen worden ſind, haben diejenigen Inſtitute am ſtärkſten unter den Einwirkungen des Niederganges der Konjunktur gelitten, die die ausgedehnteſten Beziehun- gen zur Induſtrie unterhalten. An der Spitze der Schaaff- hauſenſche Bankverein, der als Schulbeiſpiel dienen kann. Ihm ſind 16 Millionen an induſtriellen Guthaben entzogen worden, während auf der anderen Seite ſein Akzept durch die Induſtrie mit 27 Millionen mehr in Anſpruch ge- nommen wurde. Dadurch ſind gerade die liquideſten Mittel des Inſtituts, die Bar- und Wechſelbeſtände, erheblich redu- ziert worden! In der Vermehrung der Debitoren um 30 Millionen auf 332 Millionen bei 145 Millionen Aktien- kapital iſt natürlich auch eine indirekte Belaſtung, und zwar in dieſem Falle wieder durch die Induſtrie (die Außenſtände bei größeren Aktiengeſellſchaften und Gewerk- ſchaften erhöhten ſich um 40 Mill. auf 105 Mill.), zu er- blicken; denn die Debitoren gehören nicht zu den ſogenann- ten greifbaren Aktiven. Die erhebliche Verſchlechterung der Liquidität des Schaaffhauſenſchen Bankvereins — das In- ſtitut ſteht mit einem Deckungsverhältnis von rund 39 Pro- zent am unterſten Platz im Range der Großbanken — iſt lediglich durch die Induſtrie verſchuldet; und man könnte deshalb wohl mit einer mindeſtens gleich großen Berechti- gung wie die Agrarier von einer Bedrohung der indu- ſtriellen Geſundheit durch das Großkapital ſprechen, eine ſtarke Gefährdung der Gefundheit der Ban- ken durch die Induſtrie konſtatieren. Ich ſage: wenn man überhaupt „geſundheitsſchädliche“ Momente hier herein- bringen will, was nicht nach jedermanns Geſchmack ſein wird. Aehnlich wie der Schaaffhauſenſche Bankverein haben auch die meiſten anderen Banken eine Abnahme ihrer fremden Gelder durch Kündigung induſtrieller Guthaben zu verzeichnen; und da trotzdem — oder gerade deshalb — die Anſprüche an den Kredit nicht geringere geworden ſind, ſo mußten die Finanzinſtitute ſich entweder mit einer ſtär- keren Gewährung von Akzeptkredit oder einer Hergabe liquider Mittel ihrer Aufgabe als Kreditgeber entledigen. Der Schaden liegt alſo in jedem Falle auf der Seite der Banken und nicht bei der Induſtrie. Würden die Gegner der Börſe nicht nur mit inhaltloſen Schlagworten arbeiten, ſondern ſich bemühen, etwas tiefer in den Zuſam- _

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 136, 22. März 1908, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine136_1908/4>, abgerufen am 01.06.2024.