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Allgemeine Zeitung, Nr. 137, 23. März 1908.

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München, Montag Allgemeine Zeitung 23. März 1908. Nr. 137.
[Spaltenumbruch] fest gewillt, seine kommerziellen Interessen einmal zu wahren,
dann aber auch zu verstärken. Der herzliche Empfang, den er
bei den Vertretern der anderen hier interessierten Mächte ge-
funden habe, bürge dem Grafen dafür, daß auf diesem Gebiete
etwa auftauchende Fragen zur allseitigen Befriedigung ihre Er-
ledigung finden werden.

Der Tod des englischen Botschafters in Konstantinopel.

Am Donnerstag Nachmittag starb in Konstantinopel,
wie wir bereits gemeldet haben, Sir Nicholas O'Connor,
der britische Botschafter, der nahezu zehn Jahre lang mit
der Lösung der schweren Aufgabe beschäftigt war, für maze-
donische Reformen zu sorgen und dabei gleichzeitig die
Freundschaft zwischen England und der Türkei im Inter-
esse des englischen Vorteils zu wahren.

Der verstorbene Botschafter ist, wie sein Name zeigt,
irischer Nationalität und stammt von Sir Hugh O'Connor,
von Ballintobber Castle, ab, d. h. von dem anerkannten
Nachkommen der letzten Könige von Irland. Er galt in
England nicht als so gewandt, wie beispielsweise ein Can-
ning oder ein Lord Dufferin, aber er war ein sehr fleißiger
Diplomat von beträchtlicher Intelligenz. Man verhehlt
sich nicht, daß es ihm nicht immer gelang, die ihm gestellten
Aufgaben zu lösen. Während seines Aufenthaltes in China
in den Jahren 1892 bis 1895 wuchs der russische Einfluß
über das chinesische Reich beträchtlich, und in dem diplo-
matischen Kampfe mit dem Grafen Murawiew um den
Besitz von Port Arthur blieb O'Connor nicht Sieger. Er
erlebte allerdings, vielleicht zu seiner Genugtuung, den Zu-
sammenbruch der kühnen Pläne des Fürsten Lobanow und
des Grafen Murawiew im fernen Osten. Seine erfolg-
reichste Zeit in der diplomatischen Laufbahn war wohl ohne
Zweifel die Zeit, die er in der türkischen Hauptstadt ver-
lebte, und man wird ihn in der Krisis, die durch den Vor-
schlag des Sir Edward Grey in bezug auf Mazedonien ge-
schaffen wurde, als erfahrenen Ratgeber sehr vermissen.
Der Verstorbene wurde am 3. Juli 1843 geboren. Er hei-
ratete im Jahre 1887 eine Nichte des Herzogs von Norfolk.



Politische Nachrichten.
Die Benützung unserer Originalnachrichten ist nur mit der Quellenangabe
"Allg. Ztg." gestattet.

Die neue Gestaltung des Flottenvereins.

Die Augsburger Abendzeitung
meldet: In Dresden fand vor einigen Tagen eine ver-
trauliche Besprechung
zwischen Vertretern der
Landesverbände des Deutschen Flottenvereins
statt. Es waren mit Ausnahme dreier Verbände, der von
Ostpreußen, Westpreußen und Posen, sämtliche vertreten.
Auch Bayern hatte zwei Delegierte entsandt. Die
Verbandsvertreter einigten sich dahin, der Hauptversamm-
lung in Danzig ein Präsidium vorzuschlagen, in welchem
kein einziger Herr des früheren Präsidiums ver-
treten sei. Dabei wird für die Stelle des ersten Präsidenten
an Fürst Salms Stelle Großadmiral v. Köster vorge-
schlagen, für den ersten Vizepräsidenten Exzellenz General-
leutnant z. D. Liebermann, für den zweiten Vize-
präsidenten Kommerzienrat Körner-Nürnberg;
für den ersten geschäftsführenden Vorsitzenden an General
Keims Stelle Konteradmiral z. D. Siegel, der
frühere Marineattache in Paris, für den stellvertretenden
Vorsitzenden Geheimrat Michaelis-Breslau. Diese
Vorschlagsliste dürfe als außerordentlich glücklich bezeichnet
werden und werde in Danzig jedenfalls durchgehen.

Ein Internationaler Verband der Vereine von Handlungs-
reisenden.

Handelsminister Lloyd-
George
führte den Vorsitz in einer Versammlung, die
behufs Gründung eines Internationalen Ver-
bandes der Vereine von Handlungsreisen-
den
einberufen worden war. Zweck der Gründung ist die
Unterstützung der Vertreter des britischen Handels, welche
das Ausland, und der ausländischen Handelsvertreter,
welche England besuchen. Delegierte aus Deutschland,
Frankreich und aus anderen Ländern waren zugegen. Lloyd-
George betonte die Wichtigkeit des Planes vom Stand-
[Spaltenumbruch] punkte sowohl des Handels und der internationalen Inter-
essen als auch der Förderung des Friedens unter
den Nationen aus. Aus Deutschland, der Schweiz, Frank-
reich, Ungarn und Dänemark sind zustimmende Erklärungen
eingegangen. Eine Resolution zugunsten der Gründung
des Verbandes fand einstimmige Annahme.

Ein österreichisches Ministerium für öffentliche Arbeiten.

Der Kaiser genehmigte die
Errichtung eines Ministeriums für öffentliche Arbeiten
und ernannte den Minister ohne Portefeuille, Glas-
mann,
zum Minister für öffentliche Arbeiten. Das neue
Ministerium umfaßt Bauangelegenheiten und zwar ad-
ministrative und technische, den Hochbau und Wasserbau,
die Straßenbahn, ferner das Bergwesen, die Förderung des
Gewerbes und die Förderung der Güterverwertung und
des Fremdenverkehrs.

Zum Fall Wahrmund.

(Privattelegr.)
Der akademische Senat der Innsbrucker Universität ver-
sammelte sich heute, um eine Eingabe an das Unterrichts-
ministerium in Angelegenheit der bekannten Forderung
des päpstlichen Nuntius am Wiener Hofe zu be-
schließen. Die Eingabe kennzeichnet in lapidaren Sätzen
den Standpunkt der nächstbeteiligten Universität, läßt aber
die politische Seite der Intervention beiseite.
Die Eingabe wurde noch heute an das Unterrichtsmini-
sterium abgesandt

(Privattelegr.)
Der akademische Senat der Wiener Universität be-
schloß anläßlich der Affäre Wahrmund eine Resolution,
worin er erklärt, daß die Universität nur der Aufsicht des
Staates unterstehe und jeden Versuch kirchlichen Einflusses
unbeugsamen Widerstand entgegensetze.

(Privattelegr.)
In einer heute abend stattgefundenen sehr zahlreich besuch-
ten Versammlung des Deutschen Wählervereins
für Tirol,
bei der Reichsratsabgeordneter Malik sprach,
wurde Professor Wahrmund einstimmig als Kandidat
für die kommende Reichratsersatzwahl in Inns-
bruck aufgestellt.

Das Gefecht in Kamerun.

Ueber die Expedition in
Kamerun,
bei der Hauptmann Glauning den Tod
gefunden hat, wird nunmehr amtlich gemeldet: Um die
bevorstehenden Arbeiten der Grenzkommission
an der deutsch-englischen Westgrenze Ka-
meruns
zu ermöglichen, mußten die dort wohnenden
kriegerischen Stämme zur Anerkennung der Oberhoheit des
Deutschen Reiches gebracht werden. Infolgedessen war
Major Puder, der Kommandeur der Schutztruppe für
Kamerun, auf Befehl des Gouverneurs am 28. Oktober
1907 mit der 6. Kompagnie von der Küste aufgebrochen,
um im Verein mit der 2. und 4. Kompagnie (Bamenda
und Banjo) die Gebiete längs der deutsch-englischen Grenze
zu durchqueren und zu befrieden. Das Häuptlingsdorf von
Alkasim wurde am 19. Dezember ohne Kampf besetzt. Dann
erhielt die 4. Kompagnie, die aus dem Verbande der Ex-
pedition ausschied, den Auftrag, das Alkasim-Gebiet
und die nördlich und nordwestlich davon im Banjo-
Bezirk
liegenden Gebiete unter Verwaltung zu nehmen.
Die 6. und die 2. Kompagnie setzte die Expedition in das
westliche Grenzgebiet an dem Katsema fort. Hierbei ist am
5, März nach siegreichem Gefecht gegen die Mun-
tschis der Hauptmann Glauning, der Führer der 2. Kom-
pagnie und Chef des Bezirks Bamenda, gefallen.

General Robilant Nachfolger de Giorgis.

(Privattelegramm.)
Graf Robilant, Brigadegeneral in Turin, ist plötzlich hierher
beordert und sofort vom Kriegsminister, dem Minister des
Aeußern und vom König empfangen worden. Der König
teilte ihm persönlich mit, er sei zum Nachfolger des Gene-
rals de Giorgis
ausersehen, da er sich am besten für diesen
Posten eigne, für den nicht nur hervorragende militärische, son-
dern auch diplomatische Eigenschaften unentbehrlich seien.
Robilant sprach seinen Dank aus für den neuen Gnadenbeweis.
General Robilant vertrat Italien im vorigen Jahr im Haag.

[Spaltenumbruch]
Marokko.

Gutem Vernehmen nach dürfte die
französische Regierung Abd ul Asis den eindringlichen Rat
erteilen, bei den von ihm geplanten militärischen Unter-
nehmungen zur Besetzung von Saffi und Azzemur mit mög-
lichster Vorsicht
und Zurückhaltung vorzugehen, um Ruhe-
störungen, insbesondere die Gefährdung und Schädigung der
europäischen Kaufleute, zu vermeiden.

Die Europäer Paret und
Bianchi, die von den Medakra gefangen genommen worden
waren, sind freigelassen worden und heute in Casablanca
eingetroffen.



(Privattelegr.)
Das preußische Staatsministerium trat unter
dem Vorsitz des Fürsten Bülow heute zu einer Sitzung
zusammen.

Dem Reichstage ist heute ein Antrag
Brandys und Genossen zugegangen, der Reichstag wolle be-
schließen, den Reichskanzler zu ersuchen, in dem Gesetzentwurf
zur Feststellung des Reichshaushaltsetats für 1909 eine ent-
sprechende Summe anzufordern zur Bestreitung der Kosten einer
aus Mitgliedern der verbündeten Regierungen und des Reichs-
tages zusammengesetzten Enquetekommission behufs Untersuchung
der politischen Verhältnisse der polnischen Bevölkerung im Deut-
schen Reiche.

Der König von Sachsen ist
zum Besuch seiner Tante, der Fürstin Leopold von Hohenzollern,
am fürstlichen Hofe eingetroffen.

Auf Veranlassung des Unterstaats-
sekretärs der schönen Künste Dujardin-Beaumetz ordnete
die Polizeipräfektur an, daß mehrere, von einem polnischen Maler
in dem gestern eröffneten Salon der Unabhängigen ausgestellte
abgeschmackte Zerrbilder des Kaisers Wilhelm und
des Zaren Nikolaus entfernt werden.

(Privattelegr.)
Nach einer New-Yorker Meldung fehlt noch die Bestätigung
der Nachricht, daß die Unionsregierung Japans Ein-
ladung
der amerikanischen Flotte nach einigen japani-
schen Häfen annehme, doch rief das Gerücht im ganzen
Lande große Befriedigung hervor. Man glaubt, die Flotte
werde eventuell Yokohama besuchen.

(Privattelegr.)
Drei Bataillone türkischer Truppen haben in der
Nähe von Chanekin, nördlich von Bagdad, die persische
Grenze überschritten und halten persisches Gebiet besetzt.



Schiffbruch eines deutschen Dampfers.

(Privattelegramm.)
Den Daily Mail wird aus Aden telegraphiert, daß der deutsche
Passagierdampfer Laeisz der deutsch-australischen Linie auf
der Heimfahrt und ohne Passagiere im Roten Meere am Dienstag
früh Schiffbruch erlitten habe. Es heißt, daß die Offiziere
die Instruktionen des Kapitäns mißverstanden hätten und einen
falschen Kurs einschlugen, als sich der Kapitän zu Bette gelegt
hatte. Der Dampfer sank 25 Minuten, nachdem er auf einen
Felsen aufgelaufen war. Die aus 55 Personen bestehende Be-
satzung schiffte sich in die Boote ein. Die Mannschaft wurde von
einem englischen Dampfer Mittwoch früh 4 Uhr aufgefunden, an
Bord genommen und nach Aden gebracht.



Theaternachrichten.

(Privattelegramm.)
Im Friedrich Wilhelmstädtischen Schauspiel-
haus
erlebte heute das vor 25 Jahren entstandene Schauspiel
"Die Rantzau und die Pogwisch" von Detlev von
Liliencron
seine Uraufführung. Das Publikum dankte dem
Dichter, der uns inzwischen mit köstlichen Gaben so überreich be-
schenkt, durch eine mehr als achtungsvolle Aufnahme seines Wer-
kes, das trotz des veralteten Stils und der wirren Handlung
Sinn für dramatische und theatralische Wirkungen verrät und dem
Verfasser darin Recht gibt, daß man ihm, wie er äußerte, als dra-
matischen Neuling vor 20 Jahren hätte Beachtung schenken sollen.

[irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Heimliche Liebe.
(34)

(Nachdruck verboten.)

Nun fing Georg an zu begreifen und wurde unruhig.
Eine leichte Röte der Verlegenheit ging über sein Gesicht,
und er sah zur Seite.

"Ado Kramsdorff? So ... ja -- nun ..., aber woher
weißt du das alles?"

Hanna wagte nicht aufzusehen.

"Von Herrn von Halbach. Er erzählte es mir vor acht
Tagen, als er uns seinen Gegenbesuch machte." -- Sie
atmete schwer und fügte nach einer Pause hinzu: "Er und
Rittmeister Degenhardt waren bisher die einzigen..."

"Was heißt: die einzigen?"

Georg zitterte bereits vor innerer Erregung. Er stellte
diese Frage, obwohl er sehr gut wußte, was sie mit der
Bemerkung sagen wollte.

Hannas Augen füllten sich langsam mit Tränen.

"Die einzigen," antwortete sie, "die es bisher der
Mühe für wert gehalten haben..." Plötzlich begann sie
zu schluchzen. "O, mein Gott, Georg! Und alles dies um
meinetwillen! Ich habe es kommen sehen -- schon seit
Wochen. Und du selbst -- du mußt es ja doch auch emp-
funden haben. Du willst mich nur schonen... Die kühle
Höflichkeit, mit der man uns empfing ... die Zurückhal-
tung! Wir werden nie, niemals festen Fuß fassen hier!
Man weiß, oder man ahnt, man spricht davon... Nein,
sage nicht, das es übergroße Empfindlichkeit ist! Ich habe
geschwiegen bisher, aber nun ertrage ich es nicht länger...
Ich wage kaum mehr, das Haus zu verlassen... Unsere
eigenen Leute, die Leute im Dorfe -- ich habe das Gefühl,
als wiche ein jeder mir aus, als sähen sie mich an --
fragend, vorwurfsvoll, gehässig, mitleidslos..."

Schweigend hatte Georg ihr zugehört. Jedes ihrer
Worte empfand er wie einen körperlichen Schmerz. Alle
Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er preßte die
Lippen fest aufeinander und ballte die Hände. Er wollte
sprechen; aber ein trockenes Würgen schnürte ihm die Kehle
zusammen. Endlich stieß er mühsam hervor:

"Aber das ist doch alles... Nein, Hanna! Ich --
[Spaltenumbruch] woher sollte denn jemand davon wissen? ... Für uns
selbst ist es ja doch schließlich auch nur eine Vermutung..."

"Was ist eine Vermutung?"

Sie hatte sich jäh aufgerichtet und sah ihn finster und
beinahe drohend an.

Georg erschrak vor der Härte ihres Blickes.

"Daß .. ich meine das Unglück .. daß Rudolf selbst..."

Da erhob sie sich.

"O, wie erbärmlich! Dahin also ist es schon gekommen,
daß wir selbst anfangen, einander zu belügen! Wie feige
und erbärmlich, daß wir nicht einmal mehr den Mut haben,
vor uns selber wahr zu sein!"

Georg entgegnete nichts mehr. Sie hatte ja recht --
mit jedem Worte, das sie sprach.

Das also war der Grund ihrer Versunkenheit, ihres
dumpfen Hindämmerns alle die Wochen hindurch! Sie
hatte geglaubt, allein fertig zu werden damit, hatte die
Qual in ihrem Innern verschlossen; und nun brach sie her-
vor mit einer Leidenschaftlichkeit, die ihn erschütterte.

In den Tagen, die nun folgten, wurde die Stimmung
noch banger und schwüler zwischen den beiden. Bei den
Mahlzeiten saßen sie verlegen und scheu einander gegen-
über. Gespräche über die nichtigsten Dinge hervorsuchend
und in die Länge ziehend, weil jeder Augenblick des Schwei-
gens für sie zur Qual wurde.

Mitte Januar gaben sie ihre erste Gesellschaft.

Udo Kramsdorff war inzwischen wieder abgereist --
ohne einen Besuch in Helldorf gemacht zu haben. Es war
also der erste, der offen mit Georg und Hanna brach. Er
hatte nicht den Mut gefunden, den beiden unbefangen
gegenüberzutreten. "Eigentlich ist es ja nur selbstver-
ständlich, daß er nicht gekommen ist," sagte sich Hanna und
dachte dabei an jene Szene im Walde, am Silvesterabend.
Georg aber, der davon nichts wußte, war völlig ratlos.
Am liebsten wäre er dem Grafen nachgereist nach Hannover,
um ihn zur Rede zu stellen und Aufklärung zu fordern. Er
sah jedoch das Törichte und Lächerliche einer solchen Hand-
lungsweise ein und versuchte, seinen Grimm und seine Em-
pörung -- so gut es ging -- vor Hanna zu verbergen.

Die beiden Schwestern Udos hatten sich schließlich doch
bewogen gefühlt, wenn auch erst nach Wochen, ihren Gegen-
besuch zu machen, und hatten auch die Einladung ange-
nommen.

[Spaltenumbruch]

Seit Tagen hatte Hanna schon diesen Gesellschafts-
abend vorbereitet. Georg selbst drang darauf, daß alles
in großartigstem Stile hergerichtet würde. Er wollte
blenden mit seinem Haushalte -- um jeden Preis. So
weit war es schon mit ihm gekommen, daß er hoffte, durch
unerhörte Prachtentfaltung die Leute noch für sich gewin-
nen zu können. Der Aermste merkte nicht einmal mehr,
wie unvornehm das Posieren war, wie wenig würdig des
alten Namens Helldorf.

So wurde denn der ganze Silberschatz des Hauses auf
die Tafel geschleppt, das reiche, funkelnde Kristall, Gläser,
die sonst nur den Zierschrank geschmückt hatten und deren
jedes eine kleine Geschichte in der Chronik der Helldorfs
hatte. Das sorgsam gehütete kostbare Porzellan, das er
schon als Knabe beinahe ehrfürchtig bewundert und das
seine Mutter nur bei ganz besonders festlichen Gelegen-
heiten herausgegeben hatte. Obwohl das Gut ein eigenes
kleines Treibhaus besaß, ließ er aus Berlin eine verschwen-
derische Fülle von Blumen kommen. Im Speisesaal selbst
brannten nur Wachskerzen auf der Tafel in schweren Silber-
leuchtern und in den vier Ecken des Saales in mannshohen.
Bronzeständern orientalischer Arbeit, die der alte Herr
von Helldorf von einer Reise nach Aegypten aus Kairo
mitgebracht hatte. Die Zahl der "Gänge" überstieg bei
weitem das Maß, das bei solchen Gelegenheiten üblich
war, und die Weine hätte vielleicht nur der alte Herr von
Halbach in rechter Weise zu würdigen verstanden -- wenn
ihm nicht die gesuchte und aufdringliche Art des Ganzen,
die so gar nicht zu den Gewohnheiten eines alten, derben
Landedelmannes paßte, von vornherein die Stimmung
verdorben hätte.

Georg und Hanna selbst waren in "großer Toilette"
und empfingen die Gäste im Vorsaal: steif, förmlich, mit
ausgesuchter Höflichkeit, aber ohne jede Herzlichkeit im
Tone ihrer Begrüßungsworte.

Hanna leitete das Ganze ruhig und vornehm; und sie
wußte sich so meisterhaft zu beherrschen, daß niemand ahnte,
wie mühsam sie das Lächeln auf ihre Lippen quälen mußte,
wie fieberhaft sie auf jedes Flüstern achtete, um in den
Seelen dieser Menschen zu lesen; sie sah bezaubernd aus
und zitterte bei dem Gedanken, daß jemand bemerken
könnte, daß sie -- zum erstenmal in ihrem Leben -- Rot
aufgelegt hatte; sie wußte zu unterhalten, lebhaft und doch

München, Montag Allgemeine Zeitung 23. März 1908. Nr. 137.
[Spaltenumbruch] feſt gewillt, ſeine kommerziellen Intereſſen einmal zu wahren,
dann aber auch zu verſtärken. Der herzliche Empfang, den er
bei den Vertretern der anderen hier intereſſierten Mächte ge-
funden habe, bürge dem Grafen dafür, daß auf dieſem Gebiete
etwa auftauchende Fragen zur allſeitigen Befriedigung ihre Er-
ledigung finden werden.

Der Tod des engliſchen Botſchafters in Konſtantinopel.

Am Donnerstag Nachmittag ſtarb in Konſtantinopel,
wie wir bereits gemeldet haben, Sir Nicholas O’Connor,
der britiſche Botſchafter, der nahezu zehn Jahre lang mit
der Löſung der ſchweren Aufgabe beſchäftigt war, für maze-
doniſche Reformen zu ſorgen und dabei gleichzeitig die
Freundſchaft zwiſchen England und der Türkei im Inter-
eſſe des engliſchen Vorteils zu wahren.

Der verſtorbene Botſchafter iſt, wie ſein Name zeigt,
iriſcher Nationalität und ſtammt von Sir Hugh O’Connor,
von Ballintobber Caſtle, ab, d. h. von dem anerkannten
Nachkommen der letzten Könige von Irland. Er galt in
England nicht als ſo gewandt, wie beiſpielsweiſe ein Can-
ning oder ein Lord Dufferin, aber er war ein ſehr fleißiger
Diplomat von beträchtlicher Intelligenz. Man verhehlt
ſich nicht, daß es ihm nicht immer gelang, die ihm geſtellten
Aufgaben zu löſen. Während ſeines Aufenthaltes in China
in den Jahren 1892 bis 1895 wuchs der ruſſiſche Einfluß
über das chineſiſche Reich beträchtlich, und in dem diplo-
matiſchen Kampfe mit dem Grafen Murawiew um den
Beſitz von Port Arthur blieb O’Connor nicht Sieger. Er
erlebte allerdings, vielleicht zu ſeiner Genugtuung, den Zu-
ſammenbruch der kühnen Pläne des Fürſten Lobanow und
des Grafen Murawiew im fernen Oſten. Seine erfolg-
reichſte Zeit in der diplomatiſchen Laufbahn war wohl ohne
Zweifel die Zeit, die er in der türkiſchen Hauptſtadt ver-
lebte, und man wird ihn in der Kriſis, die durch den Vor-
ſchlag des Sir Edward Grey in bezug auf Mazedonien ge-
ſchaffen wurde, als erfahrenen Ratgeber ſehr vermiſſen.
Der Verſtorbene wurde am 3. Juli 1843 geboren. Er hei-
ratete im Jahre 1887 eine Nichte des Herzogs von Norfolk.



Politiſche Nachrichten.
Die Benützung unſerer Originalnachrichten iſt nur mit der Quellenangabe
„Allg. Ztg.“ geſtattet.

Die neue Geſtaltung des Flottenvereins.

Die Augsburger Abendzeitung
meldet: In Dresden fand vor einigen Tagen eine ver-
trauliche Beſprechung
zwiſchen Vertretern der
Landesverbände des Deutſchen Flottenvereins
ſtatt. Es waren mit Ausnahme dreier Verbände, der von
Oſtpreußen, Weſtpreußen und Poſen, ſämtliche vertreten.
Auch Bayern hatte zwei Delegierte entſandt. Die
Verbandsvertreter einigten ſich dahin, der Hauptverſamm-
lung in Danzig ein Präſidium vorzuſchlagen, in welchem
kein einziger Herr des früheren Präſidiums ver-
treten ſei. Dabei wird für die Stelle des erſten Präſidenten
an Fürſt Salms Stelle Großadmiral v. Köſter vorge-
ſchlagen, für den erſten Vizepräſidenten Exzellenz General-
leutnant z. D. Liebermann, für den zweiten Vize-
präſidenten Kommerzienrat Körner-Nürnberg;
für den erſten geſchäftsführenden Vorſitzenden an General
Keims Stelle Konteradmiral z. D. Siegel, der
frühere Marineattaché in Paris, für den ſtellvertretenden
Vorſitzenden Geheimrat Michaelis-Breslau. Dieſe
Vorſchlagsliſte dürfe als außerordentlich glücklich bezeichnet
werden und werde in Danzig jedenfalls durchgehen.

Ein Internationaler Verband der Vereine von Handlungs-
reiſenden.

Handelsminiſter Lloyd-
George
führte den Vorſitz in einer Verſammlung, die
behufs Gründung eines Internationalen Ver-
bandes der Vereine von Handlungsreiſen-
den
einberufen worden war. Zweck der Gründung iſt die
Unterſtützung der Vertreter des britiſchen Handels, welche
das Ausland, und der ausländiſchen Handelsvertreter,
welche England beſuchen. Delegierte aus Deutſchland,
Frankreich und aus anderen Ländern waren zugegen. Lloyd-
George betonte die Wichtigkeit des Planes vom Stand-
[Spaltenumbruch] punkte ſowohl des Handels und der internationalen Inter-
eſſen als auch der Förderung des Friedens unter
den Nationen aus. Aus Deutſchland, der Schweiz, Frank-
reich, Ungarn und Dänemark ſind zuſtimmende Erklärungen
eingegangen. Eine Reſolution zugunſten der Gründung
des Verbandes fand einſtimmige Annahme.

Ein öſterreichiſches Miniſterium für öffentliche Arbeiten.

Der Kaiſer genehmigte die
Errichtung eines Miniſteriums für öffentliche Arbeiten
und ernannte den Miniſter ohne Portefeuille, Glas-
mann,
zum Miniſter für öffentliche Arbeiten. Das neue
Miniſterium umfaßt Bauangelegenheiten und zwar ad-
miniſtrative und techniſche, den Hochbau und Waſſerbau,
die Straßenbahn, ferner das Bergweſen, die Förderung des
Gewerbes und die Förderung der Güterverwertung und
des Fremdenverkehrs.

Zum Fall Wahrmund.

(Privattelegr.)
Der akademiſche Senat der Innsbrucker Univerſität ver-
ſammelte ſich heute, um eine Eingabe an das Unterrichts-
miniſterium in Angelegenheit der bekannten Forderung
des päpſtlichen Nuntius am Wiener Hofe zu be-
ſchließen. Die Eingabe kennzeichnet in lapidaren Sätzen
den Standpunkt der nächſtbeteiligten Univerſität, läßt aber
die politiſche Seite der Intervention beiſeite.
Die Eingabe wurde noch heute an das Unterrichtsmini-
ſterium abgeſandt

(Privattelegr.)
Der akademiſche Senat der Wiener Univerſität be-
ſchloß anläßlich der Affäre Wahrmund eine Reſolution,
worin er erklärt, daß die Univerſität nur der Aufſicht des
Staates unterſtehe und jeden Verſuch kirchlichen Einfluſſes
unbeugſamen Widerſtand entgegenſetze.

(Privattelegr.)
In einer heute abend ſtattgefundenen ſehr zahlreich beſuch-
ten Verſammlung des Deutſchen Wählervereins
für Tirol,
bei der Reichsratsabgeordneter Malik ſprach,
wurde Profeſſor Wahrmund einſtimmig als Kandidat
für die kommende Reichratserſatzwahl in Inns-
bruck aufgeſtellt.

Das Gefecht in Kamerun.

Ueber die Expedition in
Kamerun,
bei der Hauptmann Glauning den Tod
gefunden hat, wird nunmehr amtlich gemeldet: Um die
bevorſtehenden Arbeiten der Grenzkommiſſion
an der deutſch-engliſchen Weſtgrenze Ka-
meruns
zu ermöglichen, mußten die dort wohnenden
kriegeriſchen Stämme zur Anerkennung der Oberhoheit des
Deutſchen Reiches gebracht werden. Infolgedeſſen war
Major Puder, der Kommandeur der Schutztruppe für
Kamerun, auf Befehl des Gouverneurs am 28. Oktober
1907 mit der 6. Kompagnie von der Küſte aufgebrochen,
um im Verein mit der 2. und 4. Kompagnie (Bamenda
und Banjo) die Gebiete längs der deutſch-engliſchen Grenze
zu durchqueren und zu befrieden. Das Häuptlingsdorf von
Alkaſim wurde am 19. Dezember ohne Kampf beſetzt. Dann
erhielt die 4. Kompagnie, die aus dem Verbande der Ex-
pedition ausſchied, den Auftrag, das Alkaſim-Gebiet
und die nördlich und nordweſtlich davon im Banjo-
Bezirk
liegenden Gebiete unter Verwaltung zu nehmen.
Die 6. und die 2. Kompagnie ſetzte die Expedition in das
weſtliche Grenzgebiet an dem Katſema fort. Hierbei iſt am
5, März nach ſiegreichem Gefecht gegen die Mun-
tſchis der Hauptmann Glauning, der Führer der 2. Kom-
pagnie und Chef des Bezirks Bamenda, gefallen.

General Robilant Nachfolger de Giorgis.

(Privattelegramm.)
Graf Robilant, Brigadegeneral in Turin, iſt plötzlich hierher
beordert und ſofort vom Kriegsminiſter, dem Miniſter des
Aeußern und vom König empfangen worden. Der König
teilte ihm perſönlich mit, er ſei zum Nachfolger des Gene-
rals de Giorgis
auserſehen, da er ſich am beſten für dieſen
Poſten eigne, für den nicht nur hervorragende militäriſche, ſon-
dern auch diplomatiſche Eigenſchaften unentbehrlich ſeien.
Robilant ſprach ſeinen Dank aus für den neuen Gnadenbeweis.
General Robilant vertrat Italien im vorigen Jahr im Haag.

[Spaltenumbruch]
Marokko.

Gutem Vernehmen nach dürfte die
franzöſiſche Regierung Abd ul Aſis den eindringlichen Rat
erteilen, bei den von ihm geplanten militäriſchen Unter-
nehmungen zur Beſetzung von Saffi und Azzemur mit mög-
lichſter Vorſicht
und Zurückhaltung vorzugehen, um Ruhe-
ſtörungen, insbeſondere die Gefährdung und Schädigung der
europäiſchen Kaufleute, zu vermeiden.

Die Europäer Paret und
Bianchi, die von den Medakra gefangen genommen worden
waren, ſind freigelaſſen worden und heute in Caſablanca
eingetroffen.



(Privattelegr.)
Das preußiſche Staatsminiſterium trat unter
dem Vorſitz des Fürſten Bülow heute zu einer Sitzung
zuſammen.

Dem Reichstage iſt heute ein Antrag
Brandys und Genoſſen zugegangen, der Reichstag wolle be-
ſchließen, den Reichskanzler zu erſuchen, in dem Geſetzentwurf
zur Feſtſtellung des Reichshaushaltsetats für 1909 eine ent-
ſprechende Summe anzufordern zur Beſtreitung der Koſten einer
aus Mitgliedern der verbündeten Regierungen und des Reichs-
tages zuſammengeſetzten Enquetekommiſſion behufs Unterſuchung
der politiſchen Verhältniſſe der polniſchen Bevölkerung im Deut-
ſchen Reiche.

Der König von Sachſen iſt
zum Beſuch ſeiner Tante, der Fürſtin Leopold von Hohenzollern,
am fürſtlichen Hofe eingetroffen.

Auf Veranlaſſung des Unterſtaats-
ſekretärs der ſchönen Künſte Dujardin-Beaumetz ordnete
die Polizeipräfektur an, daß mehrere, von einem polniſchen Maler
in dem geſtern eröffneten Salon der Unabhängigen ausgeſtellte
abgeſchmackte Zerrbilder des Kaiſers Wilhelm und
des Zaren Nikolaus entfernt werden.

(Privattelegr.)
Nach einer New-Yorker Meldung fehlt noch die Beſtätigung
der Nachricht, daß die Unionsregierung Japans Ein-
ladung
der amerikaniſchen Flotte nach einigen japani-
ſchen Häfen annehme, doch rief das Gerücht im ganzen
Lande große Befriedigung hervor. Man glaubt, die Flotte
werde eventuell Yokohama beſuchen.

(Privattelegr.)
Drei Bataillone türkiſcher Truppen haben in der
Nähe von Chanekin, nördlich von Bagdad, die perſiſche
Grenze überſchritten und halten perſiſches Gebiet beſetzt.



Schiffbruch eines deutſchen Dampfers.

(Privattelegramm.)
Den Daily Mail wird aus Aden telegraphiert, daß der deutſche
Paſſagierdampfer Laeisz der deutſch-auſtraliſchen Linie auf
der Heimfahrt und ohne Paſſagiere im Roten Meere am Dienstag
früh Schiffbruch erlitten habe. Es heißt, daß die Offiziere
die Inſtruktionen des Kapitäns mißverſtanden hätten und einen
falſchen Kurs einſchlugen, als ſich der Kapitän zu Bette gelegt
hatte. Der Dampfer ſank 25 Minuten, nachdem er auf einen
Felſen aufgelaufen war. Die aus 55 Perſonen beſtehende Be-
ſatzung ſchiffte ſich in die Boote ein. Die Mannſchaft wurde von
einem engliſchen Dampfer Mittwoch früh 4 Uhr aufgefunden, an
Bord genommen und nach Aden gebracht.



Theaternachrichten.

(Privattelegramm.)
Im Friedrich Wilhelmſtädtiſchen Schauſpiel-
haus
erlebte heute das vor 25 Jahren entſtandene Schauſpiel
Die Rantzau und die Pogwiſch“ von Detlev von
Liliencron
ſeine Uraufführung. Das Publikum dankte dem
Dichter, der uns inzwiſchen mit köſtlichen Gaben ſo überreich be-
ſchenkt, durch eine mehr als achtungsvolle Aufnahme ſeines Wer-
kes, das trotz des veralteten Stils und der wirren Handlung
Sinn für dramatiſche und theatraliſche Wirkungen verrät und dem
Verfaſſer darin Recht gibt, daß man ihm, wie er äußerte, als dra-
matiſchen Neuling vor 20 Jahren hätte Beachtung ſchenken ſollen.

[irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Heimliche Liebe.
(34)

(Nachdruck verboten.)

Nun fing Georg an zu begreifen und wurde unruhig.
Eine leichte Röte der Verlegenheit ging über ſein Geſicht,
und er ſah zur Seite.

„Ado Kramsdorff? So ... ja — nun ..., aber woher
weißt du das alles?“

Hanna wagte nicht aufzuſehen.

„Von Herrn von Halbach. Er erzählte es mir vor acht
Tagen, als er uns ſeinen Gegenbeſuch machte.“ — Sie
atmete ſchwer und fügte nach einer Pauſe hinzu: „Er und
Rittmeiſter Degenhardt waren bisher die einzigen...“

„Was heißt: die einzigen?“

Georg zitterte bereits vor innerer Erregung. Er ſtellte
dieſe Frage, obwohl er ſehr gut wußte, was ſie mit der
Bemerkung ſagen wollte.

Hannas Augen füllten ſich langſam mit Tränen.

„Die einzigen,“ antwortete ſie, „die es bisher der
Mühe für wert gehalten haben...“ Plötzlich begann ſie
zu ſchluchzen. „O, mein Gott, Georg! Und alles dies um
meinetwillen! Ich habe es kommen ſehen — ſchon ſeit
Wochen. Und du ſelbſt — du mußt es ja doch auch emp-
funden haben. Du willſt mich nur ſchonen... Die kühle
Höflichkeit, mit der man uns empfing ... die Zurückhal-
tung! Wir werden nie, niemals feſten Fuß faſſen hier!
Man weiß, oder man ahnt, man ſpricht davon... Nein,
ſage nicht, das es übergroße Empfindlichkeit iſt! Ich habe
geſchwiegen bisher, aber nun ertrage ich es nicht länger...
Ich wage kaum mehr, das Haus zu verlaſſen... Unſere
eigenen Leute, die Leute im Dorfe — ich habe das Gefühl,
als wiche ein jeder mir aus, als ſähen ſie mich an —
fragend, vorwurfsvoll, gehäſſig, mitleidslos...“

Schweigend hatte Georg ihr zugehört. Jedes ihrer
Worte empfand er wie einen körperlichen Schmerz. Alle
Farbe war aus ſeinem Geſicht gewichen. Er preßte die
Lippen feſt aufeinander und ballte die Hände. Er wollte
ſprechen; aber ein trockenes Würgen ſchnürte ihm die Kehle
zuſammen. Endlich ſtieß er mühſam hervor:

„Aber das iſt doch alles... Nein, Hanna! Ich —
[Spaltenumbruch] woher ſollte denn jemand davon wiſſen? ... Für uns
ſelbſt iſt es ja doch ſchließlich auch nur eine Vermutung...“

„Was iſt eine Vermutung?“

Sie hatte ſich jäh aufgerichtet und ſah ihn finſter und
beinahe drohend an.

Georg erſchrak vor der Härte ihres Blickes.

„Daß .. ich meine das Unglück .. daß Rudolf ſelbſt...“

Da erhob ſie ſich.

„O, wie erbärmlich! Dahin alſo iſt es ſchon gekommen,
daß wir ſelbſt anfangen, einander zu belügen! Wie feige
und erbärmlich, daß wir nicht einmal mehr den Mut haben,
vor uns ſelber wahr zu ſein!“

Georg entgegnete nichts mehr. Sie hatte ja recht —
mit jedem Worte, das ſie ſprach.

Das alſo war der Grund ihrer Verſunkenheit, ihres
dumpfen Hindämmerns alle die Wochen hindurch! Sie
hatte geglaubt, allein fertig zu werden damit, hatte die
Qual in ihrem Innern verſchloſſen; und nun brach ſie her-
vor mit einer Leidenſchaftlichkeit, die ihn erſchütterte.

In den Tagen, die nun folgten, wurde die Stimmung
noch banger und ſchwüler zwiſchen den beiden. Bei den
Mahlzeiten ſaßen ſie verlegen und ſcheu einander gegen-
über. Geſpräche über die nichtigſten Dinge hervorſuchend
und in die Länge ziehend, weil jeder Augenblick des Schwei-
gens für ſie zur Qual wurde.

Mitte Januar gaben ſie ihre erſte Geſellſchaft.

Udo Kramsdorff war inzwiſchen wieder abgereiſt —
ohne einen Beſuch in Helldorf gemacht zu haben. Es war
alſo der erſte, der offen mit Georg und Hanna brach. Er
hatte nicht den Mut gefunden, den beiden unbefangen
gegenüberzutreten. „Eigentlich iſt es ja nur ſelbſtver-
ſtändlich, daß er nicht gekommen iſt,“ ſagte ſich Hanna und
dachte dabei an jene Szene im Walde, am Silveſterabend.
Georg aber, der davon nichts wußte, war völlig ratlos.
Am liebſten wäre er dem Grafen nachgereiſt nach Hannover,
um ihn zur Rede zu ſtellen und Aufklärung zu fordern. Er
ſah jedoch das Törichte und Lächerliche einer ſolchen Hand-
lungsweiſe ein und verſuchte, ſeinen Grimm und ſeine Em-
pörung — ſo gut es ging — vor Hanna zu verbergen.

Die beiden Schweſtern Udos hatten ſich ſchließlich doch
bewogen gefühlt, wenn auch erſt nach Wochen, ihren Gegen-
beſuch zu machen, und hatten auch die Einladung ange-
nommen.

[Spaltenumbruch]

Seit Tagen hatte Hanna ſchon dieſen Geſellſchafts-
abend vorbereitet. Georg ſelbſt drang darauf, daß alles
in großartigſtem Stile hergerichtet würde. Er wollte
blenden mit ſeinem Haushalte — um jeden Preis. So
weit war es ſchon mit ihm gekommen, daß er hoffte, durch
unerhörte Prachtentfaltung die Leute noch für ſich gewin-
nen zu können. Der Aermſte merkte nicht einmal mehr,
wie unvornehm das Poſieren war, wie wenig würdig des
alten Namens Helldorf.

So wurde denn der ganze Silberſchatz des Hauſes auf
die Tafel geſchleppt, das reiche, funkelnde Kriſtall, Gläſer,
die ſonſt nur den Zierſchrank geſchmückt hatten und deren
jedes eine kleine Geſchichte in der Chronik der Helldorfs
hatte. Das ſorgſam gehütete koſtbare Porzellan, das er
ſchon als Knabe beinahe ehrfürchtig bewundert und das
ſeine Mutter nur bei ganz beſonders feſtlichen Gelegen-
heiten herausgegeben hatte. Obwohl das Gut ein eigenes
kleines Treibhaus beſaß, ließ er aus Berlin eine verſchwen-
deriſche Fülle von Blumen kommen. Im Speiſeſaal ſelbſt
brannten nur Wachskerzen auf der Tafel in ſchweren Silber-
leuchtern und in den vier Ecken des Saales in mannshohen.
Bronzeſtändern orientaliſcher Arbeit, die der alte Herr
von Helldorf von einer Reiſe nach Aegypten aus Kairo
mitgebracht hatte. Die Zahl der „Gänge“ überſtieg bei
weitem das Maß, das bei ſolchen Gelegenheiten üblich
war, und die Weine hätte vielleicht nur der alte Herr von
Halbach in rechter Weiſe zu würdigen verſtanden — wenn
ihm nicht die geſuchte und aufdringliche Art des Ganzen,
die ſo gar nicht zu den Gewohnheiten eines alten, derben
Landedelmannes paßte, von vornherein die Stimmung
verdorben hätte.

Georg und Hanna ſelbſt waren in „großer Toilette“
und empfingen die Gäſte im Vorſaal: ſteif, förmlich, mit
ausgeſuchter Höflichkeit, aber ohne jede Herzlichkeit im
Tone ihrer Begrüßungsworte.

Hanna leitete das Ganze ruhig und vornehm; und ſie
wußte ſich ſo meiſterhaft zu beherrſchen, daß niemand ahnte,
wie mühſam ſie das Lächeln auf ihre Lippen quälen mußte,
wie fieberhaft ſie auf jedes Flüſtern achtete, um in den
Seelen dieſer Menſchen zu leſen; ſie ſah bezaubernd aus
und zitterte bei dem Gedanken, daß jemand bemerken
könnte, daß ſie — zum erſtenmal in ihrem Leben — Rot
aufgelegt hatte; ſie wußte zu unterhalten, lebhaft und doch

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[2/0002] München, Montag Allgemeine Zeitung 23. März 1908. Nr. 137. feſt gewillt, ſeine kommerziellen Intereſſen einmal zu wahren, dann aber auch zu verſtärken. Der herzliche Empfang, den er bei den Vertretern der anderen hier intereſſierten Mächte ge- funden habe, bürge dem Grafen dafür, daß auf dieſem Gebiete etwa auftauchende Fragen zur allſeitigen Befriedigung ihre Er- ledigung finden werden. Der Tod des engliſchen Botſchafters in Konſtantinopel. Am Donnerstag Nachmittag ſtarb in Konſtantinopel, wie wir bereits gemeldet haben, Sir Nicholas O’Connor, der britiſche Botſchafter, der nahezu zehn Jahre lang mit der Löſung der ſchweren Aufgabe beſchäftigt war, für maze- doniſche Reformen zu ſorgen und dabei gleichzeitig die Freundſchaft zwiſchen England und der Türkei im Inter- eſſe des engliſchen Vorteils zu wahren. Der verſtorbene Botſchafter iſt, wie ſein Name zeigt, iriſcher Nationalität und ſtammt von Sir Hugh O’Connor, von Ballintobber Caſtle, ab, d. h. von dem anerkannten Nachkommen der letzten Könige von Irland. Er galt in England nicht als ſo gewandt, wie beiſpielsweiſe ein Can- ning oder ein Lord Dufferin, aber er war ein ſehr fleißiger Diplomat von beträchtlicher Intelligenz. Man verhehlt ſich nicht, daß es ihm nicht immer gelang, die ihm geſtellten Aufgaben zu löſen. Während ſeines Aufenthaltes in China in den Jahren 1892 bis 1895 wuchs der ruſſiſche Einfluß über das chineſiſche Reich beträchtlich, und in dem diplo- matiſchen Kampfe mit dem Grafen Murawiew um den Beſitz von Port Arthur blieb O’Connor nicht Sieger. Er erlebte allerdings, vielleicht zu ſeiner Genugtuung, den Zu- ſammenbruch der kühnen Pläne des Fürſten Lobanow und des Grafen Murawiew im fernen Oſten. Seine erfolg- reichſte Zeit in der diplomatiſchen Laufbahn war wohl ohne Zweifel die Zeit, die er in der türkiſchen Hauptſtadt ver- lebte, und man wird ihn in der Kriſis, die durch den Vor- ſchlag des Sir Edward Grey in bezug auf Mazedonien ge- ſchaffen wurde, als erfahrenen Ratgeber ſehr vermiſſen. Der Verſtorbene wurde am 3. Juli 1843 geboren. Er hei- ratete im Jahre 1887 eine Nichte des Herzogs von Norfolk. Politiſche Nachrichten. Eigener telegr. Dienſt der „Allgemeinen Zeitung“. Die Benützung unſerer Originalnachrichten iſt nur mit der Quellenangabe „Allg. Ztg.“ geſtattet. Die neue Geſtaltung des Flottenvereins. * Augsburg, 21. März. Die Augsburger Abendzeitung meldet: In Dresden fand vor einigen Tagen eine ver- trauliche Beſprechung zwiſchen Vertretern der Landesverbände des Deutſchen Flottenvereins ſtatt. Es waren mit Ausnahme dreier Verbände, der von Oſtpreußen, Weſtpreußen und Poſen, ſämtliche vertreten. Auch Bayern hatte zwei Delegierte entſandt. Die Verbandsvertreter einigten ſich dahin, der Hauptverſamm- lung in Danzig ein Präſidium vorzuſchlagen, in welchem kein einziger Herr des früheren Präſidiums ver- treten ſei. Dabei wird für die Stelle des erſten Präſidenten an Fürſt Salms Stelle Großadmiral v. Köſter vorge- ſchlagen, für den erſten Vizepräſidenten Exzellenz General- leutnant z. D. Liebermann, für den zweiten Vize- präſidenten Kommerzienrat Körner-Nürnberg; für den erſten geſchäftsführenden Vorſitzenden an General Keims Stelle Konteradmiral z. D. Siegel, der frühere Marineattaché in Paris, für den ſtellvertretenden Vorſitzenden Geheimrat Michaelis-Breslau. Dieſe Vorſchlagsliſte dürfe als außerordentlich glücklich bezeichnet werden und werde in Danzig jedenfalls durchgehen. Ein Internationaler Verband der Vereine von Handlungs- reiſenden. * London, 21. März. Handelsminiſter Lloyd- George führte den Vorſitz in einer Verſammlung, die behufs Gründung eines Internationalen Ver- bandes der Vereine von Handlungsreiſen- den einberufen worden war. Zweck der Gründung iſt die Unterſtützung der Vertreter des britiſchen Handels, welche das Ausland, und der ausländiſchen Handelsvertreter, welche England beſuchen. Delegierte aus Deutſchland, Frankreich und aus anderen Ländern waren zugegen. Lloyd- George betonte die Wichtigkeit des Planes vom Stand- punkte ſowohl des Handels und der internationalen Inter- eſſen als auch der Förderung des Friedens unter den Nationen aus. Aus Deutſchland, der Schweiz, Frank- reich, Ungarn und Dänemark ſind zuſtimmende Erklärungen eingegangen. Eine Reſolution zugunſten der Gründung des Verbandes fand einſtimmige Annahme. Ein öſterreichiſches Miniſterium für öffentliche Arbeiten. * Wien, 21. März. Der Kaiſer genehmigte die Errichtung eines Miniſteriums für öffentliche Arbeiten und ernannte den Miniſter ohne Portefeuille, Glas- mann, zum Miniſter für öffentliche Arbeiten. Das neue Miniſterium umfaßt Bauangelegenheiten und zwar ad- miniſtrative und techniſche, den Hochbau und Waſſerbau, die Straßenbahn, ferner das Bergweſen, die Förderung des Gewerbes und die Förderung der Güterverwertung und des Fremdenverkehrs. Zum Fall Wahrmund. p. Innsbruck, 21. März, 7.45 N. (Privattelegr.) Der akademiſche Senat der Innsbrucker Univerſität ver- ſammelte ſich heute, um eine Eingabe an das Unterrichts- miniſterium in Angelegenheit der bekannten Forderung des päpſtlichen Nuntius am Wiener Hofe zu be- ſchließen. Die Eingabe kennzeichnet in lapidaren Sätzen den Standpunkt der nächſtbeteiligten Univerſität, läßt aber die politiſche Seite der Intervention beiſeite. Die Eingabe wurde noch heute an das Unterrichtsmini- ſterium abgeſandt a. Wien, 21. März, 9.15 N. (Privattelegr.) Der akademiſche Senat der Wiener Univerſität be- ſchloß anläßlich der Affäre Wahrmund eine Reſolution, worin er erklärt, daß die Univerſität nur der Aufſicht des Staates unterſtehe und jeden Verſuch kirchlichen Einfluſſes unbeugſamen Widerſtand entgegenſetze. p. Innsbruck, 21. März, 11.20 N. (Privattelegr.) In einer heute abend ſtattgefundenen ſehr zahlreich beſuch- ten Verſammlung des Deutſchen Wählervereins für Tirol, bei der Reichsratsabgeordneter Malik ſprach, wurde Profeſſor Wahrmund einſtimmig als Kandidat für die kommende Reichratserſatzwahl in Inns- bruck aufgeſtellt. Das Gefecht in Kamerun. * Berlin, 21. März. Ueber die Expedition in Kamerun, bei der Hauptmann Glauning den Tod gefunden hat, wird nunmehr amtlich gemeldet: Um die bevorſtehenden Arbeiten der Grenzkommiſſion an der deutſch-engliſchen Weſtgrenze Ka- meruns zu ermöglichen, mußten die dort wohnenden kriegeriſchen Stämme zur Anerkennung der Oberhoheit des Deutſchen Reiches gebracht werden. Infolgedeſſen war Major Puder, der Kommandeur der Schutztruppe für Kamerun, auf Befehl des Gouverneurs am 28. Oktober 1907 mit der 6. Kompagnie von der Küſte aufgebrochen, um im Verein mit der 2. und 4. Kompagnie (Bamenda und Banjo) die Gebiete längs der deutſch-engliſchen Grenze zu durchqueren und zu befrieden. Das Häuptlingsdorf von Alkaſim wurde am 19. Dezember ohne Kampf beſetzt. Dann erhielt die 4. Kompagnie, die aus dem Verbande der Ex- pedition ausſchied, den Auftrag, das Alkaſim-Gebiet und die nördlich und nordweſtlich davon im Banjo- Bezirk liegenden Gebiete unter Verwaltung zu nehmen. Die 6. und die 2. Kompagnie ſetzte die Expedition in das weſtliche Grenzgebiet an dem Katſema fort. Hierbei iſt am 5, März nach ſiegreichem Gefecht gegen die Mun- tſchis der Hauptmann Glauning, der Führer der 2. Kom- pagnie und Chef des Bezirks Bamenda, gefallen. General Robilant Nachfolger de Giorgis. gl. Rom, 21. März, 4.20 N. (Privattelegramm.) Graf Robilant, Brigadegeneral in Turin, iſt plötzlich hierher beordert und ſofort vom Kriegsminiſter, dem Miniſter des Aeußern und vom König empfangen worden. Der König teilte ihm perſönlich mit, er ſei zum Nachfolger des Gene- rals de Giorgis auserſehen, da er ſich am beſten für dieſen Poſten eigne, für den nicht nur hervorragende militäriſche, ſon- dern auch diplomatiſche Eigenſchaften unentbehrlich ſeien. Robilant ſprach ſeinen Dank aus für den neuen Gnadenbeweis. General Robilant vertrat Italien im vorigen Jahr im Haag. Marokko. * Tanger, 21. März. Gutem Vernehmen nach dürfte die franzöſiſche Regierung Abd ul Aſis den eindringlichen Rat erteilen, bei den von ihm geplanten militäriſchen Unter- nehmungen zur Beſetzung von Saffi und Azzemur mit mög- lichſter Vorſicht und Zurückhaltung vorzugehen, um Ruhe- ſtörungen, insbeſondere die Gefährdung und Schädigung der europäiſchen Kaufleute, zu vermeiden. * Caſablanca, 21. März. Die Europäer Paret und Bianchi, die von den Medakra gefangen genommen worden waren, ſind freigelaſſen worden und heute in Caſablanca eingetroffen. n. Berlin, 21. März, 8.50 N. (Privattelegr.) Das preußiſche Staatsminiſterium trat unter dem Vorſitz des Fürſten Bülow heute zu einer Sitzung zuſammen. * Berlin, 21. März. Dem Reichstage iſt heute ein Antrag Brandys und Genoſſen zugegangen, der Reichstag wolle be- ſchließen, den Reichskanzler zu erſuchen, in dem Geſetzentwurf zur Feſtſtellung des Reichshaushaltsetats für 1909 eine ent- ſprechende Summe anzufordern zur Beſtreitung der Koſten einer aus Mitgliedern der verbündeten Regierungen und des Reichs- tages zuſammengeſetzten Enquetekommiſſion behufs Unterſuchung der politiſchen Verhältniſſe der polniſchen Bevölkerung im Deut- ſchen Reiche. * Sigmaringen, 21. März. Der König von Sachſen iſt zum Beſuch ſeiner Tante, der Fürſtin Leopold von Hohenzollern, am fürſtlichen Hofe eingetroffen. * Paris, 21. März. Auf Veranlaſſung des Unterſtaats- ſekretärs der ſchönen Künſte Dujardin-Beaumetz ordnete die Polizeipräfektur an, daß mehrere, von einem polniſchen Maler in dem geſtern eröffneten Salon der Unabhängigen ausgeſtellte abgeſchmackte Zerrbilder des Kaiſers Wilhelm und des Zaren Nikolaus entfernt werden. z. London, 21. März, 3.10 N. (Privattelegr.) Nach einer New-Yorker Meldung fehlt noch die Beſtätigung der Nachricht, daß die Unionsregierung Japans Ein- ladung der amerikaniſchen Flotte nach einigen japani- ſchen Häfen annehme, doch rief das Gerücht im ganzen Lande große Befriedigung hervor. Man glaubt, die Flotte werde eventuell Yokohama beſuchen. a. Odeſſa, 21. März, 6.40 N. (Privattelegr.) Drei Bataillone türkiſcher Truppen haben in der Nähe von Chanekin, nördlich von Bagdad, die perſiſche Grenze überſchritten und halten perſiſches Gebiet beſetzt. Schiffbruch eines deutſchen Dampfers. z. London, 21. März, 4.58 N. (Privattelegramm.) Den Daily Mail wird aus Aden telegraphiert, daß der deutſche Paſſagierdampfer Laeisz der deutſch-auſtraliſchen Linie auf der Heimfahrt und ohne Paſſagiere im Roten Meere am Dienstag früh Schiffbruch erlitten habe. Es heißt, daß die Offiziere die Inſtruktionen des Kapitäns mißverſtanden hätten und einen falſchen Kurs einſchlugen, als ſich der Kapitän zu Bette gelegt hatte. Der Dampfer ſank 25 Minuten, nachdem er auf einen Felſen aufgelaufen war. Die aus 55 Perſonen beſtehende Be- ſatzung ſchiffte ſich in die Boote ein. Die Mannſchaft wurde von einem engliſchen Dampfer Mittwoch früh 4 Uhr aufgefunden, an Bord genommen und nach Aden gebracht. Theaternachrichten. k. Berlin, 21. März, 11.10 N. (Privattelegramm.) Im Friedrich Wilhelmſtädtiſchen Schauſpiel- haus erlebte heute das vor 25 Jahren entſtandene Schauſpiel „Die Rantzau und die Pogwiſch“ von Detlev von Liliencron ſeine Uraufführung. Das Publikum dankte dem Dichter, der uns inzwiſchen mit köſtlichen Gaben ſo überreich be- ſchenkt, durch eine mehr als achtungsvolle Aufnahme ſeines Wer- kes, das trotz des veralteten Stils und der wirren Handlung Sinn für dramatiſche und theatraliſche Wirkungen verrät und dem Verfaſſer darin Recht gibt, daß man ihm, wie er äußerte, als dra- matiſchen Neuling vor 20 Jahren hätte Beachtung ſchenken ſollen. _ Heimliche Liebe. Roman von Konrad Remling. (34) (Nachdruck verboten.) Nun fing Georg an zu begreifen und wurde unruhig. Eine leichte Röte der Verlegenheit ging über ſein Geſicht, und er ſah zur Seite. „Ado Kramsdorff? So ... ja — nun ..., aber woher weißt du das alles?“ Hanna wagte nicht aufzuſehen. „Von Herrn von Halbach. Er erzählte es mir vor acht Tagen, als er uns ſeinen Gegenbeſuch machte.“ — Sie atmete ſchwer und fügte nach einer Pauſe hinzu: „Er und Rittmeiſter Degenhardt waren bisher die einzigen...“ „Was heißt: die einzigen?“ Georg zitterte bereits vor innerer Erregung. Er ſtellte dieſe Frage, obwohl er ſehr gut wußte, was ſie mit der Bemerkung ſagen wollte. Hannas Augen füllten ſich langſam mit Tränen. „Die einzigen,“ antwortete ſie, „die es bisher der Mühe für wert gehalten haben...“ Plötzlich begann ſie zu ſchluchzen. „O, mein Gott, Georg! Und alles dies um meinetwillen! Ich habe es kommen ſehen — ſchon ſeit Wochen. Und du ſelbſt — du mußt es ja doch auch emp- funden haben. Du willſt mich nur ſchonen... Die kühle Höflichkeit, mit der man uns empfing ... die Zurückhal- tung! Wir werden nie, niemals feſten Fuß faſſen hier! Man weiß, oder man ahnt, man ſpricht davon... Nein, ſage nicht, das es übergroße Empfindlichkeit iſt! Ich habe geſchwiegen bisher, aber nun ertrage ich es nicht länger... Ich wage kaum mehr, das Haus zu verlaſſen... Unſere eigenen Leute, die Leute im Dorfe — ich habe das Gefühl, als wiche ein jeder mir aus, als ſähen ſie mich an — fragend, vorwurfsvoll, gehäſſig, mitleidslos...“ Schweigend hatte Georg ihr zugehört. Jedes ihrer Worte empfand er wie einen körperlichen Schmerz. Alle Farbe war aus ſeinem Geſicht gewichen. Er preßte die Lippen feſt aufeinander und ballte die Hände. Er wollte ſprechen; aber ein trockenes Würgen ſchnürte ihm die Kehle zuſammen. Endlich ſtieß er mühſam hervor: „Aber das iſt doch alles... Nein, Hanna! Ich — woher ſollte denn jemand davon wiſſen? ... Für uns ſelbſt iſt es ja doch ſchließlich auch nur eine Vermutung...“ „Was iſt eine Vermutung?“ Sie hatte ſich jäh aufgerichtet und ſah ihn finſter und beinahe drohend an. Georg erſchrak vor der Härte ihres Blickes. „Daß .. ich meine das Unglück .. daß Rudolf ſelbſt...“ Da erhob ſie ſich. „O, wie erbärmlich! Dahin alſo iſt es ſchon gekommen, daß wir ſelbſt anfangen, einander zu belügen! Wie feige und erbärmlich, daß wir nicht einmal mehr den Mut haben, vor uns ſelber wahr zu ſein!“ Georg entgegnete nichts mehr. Sie hatte ja recht — mit jedem Worte, das ſie ſprach. Das alſo war der Grund ihrer Verſunkenheit, ihres dumpfen Hindämmerns alle die Wochen hindurch! Sie hatte geglaubt, allein fertig zu werden damit, hatte die Qual in ihrem Innern verſchloſſen; und nun brach ſie her- vor mit einer Leidenſchaftlichkeit, die ihn erſchütterte. In den Tagen, die nun folgten, wurde die Stimmung noch banger und ſchwüler zwiſchen den beiden. Bei den Mahlzeiten ſaßen ſie verlegen und ſcheu einander gegen- über. Geſpräche über die nichtigſten Dinge hervorſuchend und in die Länge ziehend, weil jeder Augenblick des Schwei- gens für ſie zur Qual wurde. Mitte Januar gaben ſie ihre erſte Geſellſchaft. Udo Kramsdorff war inzwiſchen wieder abgereiſt — ohne einen Beſuch in Helldorf gemacht zu haben. Es war alſo der erſte, der offen mit Georg und Hanna brach. Er hatte nicht den Mut gefunden, den beiden unbefangen gegenüberzutreten. „Eigentlich iſt es ja nur ſelbſtver- ſtändlich, daß er nicht gekommen iſt,“ ſagte ſich Hanna und dachte dabei an jene Szene im Walde, am Silveſterabend. Georg aber, der davon nichts wußte, war völlig ratlos. Am liebſten wäre er dem Grafen nachgereiſt nach Hannover, um ihn zur Rede zu ſtellen und Aufklärung zu fordern. Er ſah jedoch das Törichte und Lächerliche einer ſolchen Hand- lungsweiſe ein und verſuchte, ſeinen Grimm und ſeine Em- pörung — ſo gut es ging — vor Hanna zu verbergen. Die beiden Schweſtern Udos hatten ſich ſchließlich doch bewogen gefühlt, wenn auch erſt nach Wochen, ihren Gegen- beſuch zu machen, und hatten auch die Einladung ange- nommen. Seit Tagen hatte Hanna ſchon dieſen Geſellſchafts- abend vorbereitet. Georg ſelbſt drang darauf, daß alles in großartigſtem Stile hergerichtet würde. Er wollte blenden mit ſeinem Haushalte — um jeden Preis. So weit war es ſchon mit ihm gekommen, daß er hoffte, durch unerhörte Prachtentfaltung die Leute noch für ſich gewin- nen zu können. Der Aermſte merkte nicht einmal mehr, wie unvornehm das Poſieren war, wie wenig würdig des alten Namens Helldorf. So wurde denn der ganze Silberſchatz des Hauſes auf die Tafel geſchleppt, das reiche, funkelnde Kriſtall, Gläſer, die ſonſt nur den Zierſchrank geſchmückt hatten und deren jedes eine kleine Geſchichte in der Chronik der Helldorfs hatte. Das ſorgſam gehütete koſtbare Porzellan, das er ſchon als Knabe beinahe ehrfürchtig bewundert und das ſeine Mutter nur bei ganz beſonders feſtlichen Gelegen- heiten herausgegeben hatte. Obwohl das Gut ein eigenes kleines Treibhaus beſaß, ließ er aus Berlin eine verſchwen- deriſche Fülle von Blumen kommen. Im Speiſeſaal ſelbſt brannten nur Wachskerzen auf der Tafel in ſchweren Silber- leuchtern und in den vier Ecken des Saales in mannshohen. Bronzeſtändern orientaliſcher Arbeit, die der alte Herr von Helldorf von einer Reiſe nach Aegypten aus Kairo mitgebracht hatte. Die Zahl der „Gänge“ überſtieg bei weitem das Maß, das bei ſolchen Gelegenheiten üblich war, und die Weine hätte vielleicht nur der alte Herr von Halbach in rechter Weiſe zu würdigen verſtanden — wenn ihm nicht die geſuchte und aufdringliche Art des Ganzen, die ſo gar nicht zu den Gewohnheiten eines alten, derben Landedelmannes paßte, von vornherein die Stimmung verdorben hätte. Georg und Hanna ſelbſt waren in „großer Toilette“ und empfingen die Gäſte im Vorſaal: ſteif, förmlich, mit ausgeſuchter Höflichkeit, aber ohne jede Herzlichkeit im Tone ihrer Begrüßungsworte. Hanna leitete das Ganze ruhig und vornehm; und ſie wußte ſich ſo meiſterhaft zu beherrſchen, daß niemand ahnte, wie mühſam ſie das Lächeln auf ihre Lippen quälen mußte, wie fieberhaft ſie auf jedes Flüſtern achtete, um in den Seelen dieſer Menſchen zu leſen; ſie ſah bezaubernd aus und zitterte bei dem Gedanken, daß jemand bemerken könnte, daß ſie — zum erſtenmal in ihrem Leben — Rot aufgelegt hatte; ſie wußte zu unterhalten, lebhaft und doch

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 137, 23. März 1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine137_1908/2>, abgerufen am 16.07.2024.