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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch]

Nichts ist würdeloser als die Gespreiztheit womit die
Kammermehrheit es ihrer Würde schuldig zu sein glaubt sich bei der Rückkehr nach
Paris nicht zu übereilen, sondern die Frage noch einem zweiten Prüfungsausschuß
bis ans Ende des Monats zuzuweisen. Der Kammerpräsident Hr. Grevy räth
diese Galgenfrist noch zu bewilligen um keine Bosheiten der Rechten hervorzurufen.
Sie wird sich vielleicht an Paris für die Absicht des linken Centrums rächen, die
endgültige Republik mit Drittel-Erneuerung und einem Oberhause sofort zu verkün-
den. Es ist dieß der einzige Weg auf welchem die Nationalversammlung der Auf-
lösung zu entgehen vermag. Eben deßhalb wird der bezügliche Antrag, welcher
übrigens durch die Umstände aufgedrungen wird, von vielen Mitgliedern der Linken,
die auf der vollständigen und baldigen Auflösung bestehen, mißbilligt. Auch
die Freunde des Herzogs von Aumale wollen die bestehende Ordnung bewahren,
weil in ihr Thiers und die Nationalversammlung an eine gleiche dauernd gebun-
den find, und Aumale von Thiers nichts zu erwarten hat, hingegen mit der
Kammermehrheit sich abfinden könnte. In jenen brennenden Fragen wird
Thiers die Mehrheit zu schonen suchen, solange nicht die neuen Steuern be-
willigt find und das Budget für 1872 richtig gestellt ist. Im neuen Budgetaus-
schuß sitzen tüchtige Fachmänner, wie der ultraconservative Baron Soubeyran und
der republicanische Duclerc, welcher Finanzminister gewesen ist. Die Linke ist in
dem Ausschuß stärker als gewöhnlich vertreten. Von ihr hat Thiers kaum eine
Opposition zu besorgen, sogar nicht gegen seine augenscheinlichen Irrthümer. Die
Mehrzahl der Ausschußmitglieder will mit außerordentlicher Beschleunigung vor-
erst den Staatsbedarf feststellen, um hernach die Deckung, mithin auch die Ein-
nahmsquellen, zu bestimmen. So wollen sie die 200 Millionen Frcs. für Schulden-
tilgung gänzlich oder theilweise streichen und die militärischen Passionen des Prä-
sidenten der Republik minder kostspielig machen. Die erstere Forderung wird auch
die Linke genehmigen, hingegen wird sie an Heereskosten keinen Centime
herunterhandeln. Die Methode des Ausschusses würde die Angelegenheit
der neuen Steuern sehr vereinfachen, und ihre Lösung desto mehr erleichtern,
je geringer sich der Bedarf darstellt. Die Anwesenheit des Hrn. v. Sou-
beyran im Ausschuß verbürgt z. B. schon die Veseitigung von Abgaben
welche den Verkehr der Börse treffen würden. Die Einfuhrzölle würden ebenfalls
weniger in Anspruch genommen werden. Aber der Minister besteht auf der sofor-
tigen Bewilligung der neuen Einnahmsquellen, und hofft in letzter Instanz seine
Einfuhrzölle durchzubringen, nachdem nämlich die Kammer alle anderen Steuer-
vorschläge verworfen hat, und ihr schließlich keine Wahl bleibt. -- Es laufen heute
wieder schlimme Nachrichten über Unverträglichkeit in der Champagne herum. Alle
Blätter besprechen eine obscöne Stelle in dem Blatt "L'Alsacien," welches gewisse
Frauen stylistisch a la Haynau behandelt. Hr. Dr. Mommsen, dessen Entrüstung
nur zu begreiflich ist, wird auch daran erinnert daß sich wieder 30,000 Deutsche in
Paris aufhalten ohne einer Unfreundlichkeit oder Unhöflichkeit zu begegnen, solange
sie keine Ansprüche auf französische Gesellschaft erheben. Gegenseitige Berichti-
gungen dürften am sichersten zur Nachahmung des Beispiels führen welches Thiers
und Graf Arnim mit lebhafter Genugthuung zur Schau stellen.

Italien.

Ueber die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform des
italienischen Universitätswesens ist seit zehn Jahren sehr viel geredet und geschrie-
ben worden. Niemand bezweifelt diese Nothwendigkeit; auch scheint man darüber
einig zu sein daß die Reform zu beginnen hätte mit der Verringerung der Zahl der
Universitäten; denn diese Zahl steht außer Verhältniß zu dem wissenschaftlichen
Bedürfniß und Vermögen des Landes, zu den vohandenen gelehrten Kräften und
finanziellen Mitteln. (Die Zahl der italienischen Universitäten, Rom einbegriffen,
ist genau die der deutschen, Straßburg einbegriffen, d. i. 20, während -- von dem
Unterschied in Umfang und Intensität der wissenschaftlichen Thätigkeit in beiden
Ländern ganz abgesehen -- die Bevölkerung Deutschlands um die Hälfte stärker ist
als die Italiens). Allein eben weil die Reform zunächst in der Aufhebung von
so und so vielen Universitäten zu bestehen hätte, ist bis jetzt nichts geschehen. Der
Regional- und Municipalpatriotismus wehrt sich aller Orten, und die Regierung
hat nicht einmal die Abschaffung einer der beiden Hochschulen der Insel Sardinien
durchzusetzen vermocht, obwohl schon eine zu viel wäre. Als vor einigen Monaten
Ruggiero Bonghi, der schon mehrere zum Theil auch in der "Allg. Ztg." bespro-
chene Schriften über den Gegenstand veröffentlicht hat, den Vorschlag machte:
Florenz für die durch die Verlegung des Regierungssitzes erlittene Einbuße dadurch
zu entschädigen daß einige der in Pisa und Siena bestehenden Facultäten nach
Florenz verbracht und hier eine große mit all den nöthigen Mitteln und Anstalten
ausgestattete Universität gegründet werden solle, wollte man in Florenz von diesem,
an und für sich so vortheilhaften Plane nichts wissen, aus dem bezeichnenden Grunde
daß Florenz sich nur den Zorn der beiden Nachbarstädte zuziehen, ihnen aber nim-
mermehr ihren eifersüchtig bewachten Besitz entreißen würde. In dieser Lage der
Dinge sind nun zwei angesehene Docenten, der Professor der Physik in Palermo,
Blaserna, und der Professor der physiologischen Pathologie in Rom, Tommasi, mit
einem neuen sehr verständigen Vorschlag hervorgetreten, der dahin geht die Reform
einstweilen auf die Universität Rom zu beschränken. Diese befindet sich nämlich
noch in einem Provisorium, welches Neuerungen erlaubt. Als die italienische
Regierung dieselbe überkam, suchte der betreffende Commissär, Professor Brioschi,
den Mängeln der bisher päpstlichen Anstalt dadurch abzuhelfen daß er
ein physio-pathologisches Institut, eine chirurgische und eine geburtshülfliche
Klinik und ein anatomisches Laboratorium schuf, die medicinische Klinik ver-
besserte, die Zahl der Lehrstühle in den verschiedenen Facultäten vermehrte und
alle Laboratorien so gut als möglich dotirte. Nach Brioschi's Abgang aber
wurde dieses Reorganisationswerk unterbrochen; ja, es schien eine Zeitlang sogar
zweifelhaft ob man die Universität überhaupt bestehen lassen sollte. Seitdem aber
der Papst im Vatican die Lehrstühle der ehemaligen Professoren der römischen
Universität welche sich mit der neuen Regierung nicht haben verständigen mögen
wieder aufgerichtet hat, ist die Regierung zur Ueberzeugung gekommen daß in der
Hauptstadt des Königreichs neben der wiederstandenen päpstlichen Universität eine
italienische Univerfität nicht fehlen dürfe. In welchem Sinne soll aber diese letztere
eingerichtet werden? Soll sie nur eine Wiederholung der vielen anderen vorstellen,
[Spaltenumbruch] von deren mangelhafter und ungenügender Beschaffenheit alle Welt überzeugt ist?
Die genannten beiden Professoren verneinen dieß in einem Schriftchen, betitelt
"L'Universita di Roma," dessen Grundgedanke dieser ist: daß man in Italien bis-
her zu große Wichtigkeit auf das Dociren vom Katheder herunter, zu geringe auf
die selbstthätige Beschäftigung der Studenten im Seminar und Laboratorium ge-
legt habe. Außerdem verwirft das Schriftchen die in Italien den Lehrer und den
Studenten einschnürenden Regulamente und die dürftige und ohne alle Rücksicht
auf das wissenschaftliche Verdienst ein für allemal festgestellte Bezahlung der Pro-
fessoren. Das Schriftchen verlangt daher die Reorganisation der Universität Rom
auf neuen -- wie man aus den Prämissen bereits ersieht, den deutschen Einrich-
tungen nachgebildeten -- Grundlagen. Beschränkung des bloß kathedratischen.
Unterrichts, aber Vermehrung und Erweiterung der wissenschaftlichen Anstalten,
Gründung praktischer Schulen für Chemie, Physik, Anatomie und Physiologie und
historischer, philologischer und archäologischer Seminarien; Befreiung der Stu-
denten von der Beobachtung des für die übrigen Universitäten (mit Ausnahme
Neapels) gültigen Regulamento, Herabsetzung der Studienzeit und der obligato-
rischen Collegien auf ein Minimum, Zulassung von Privatdocenten und Einführung
des Systems der Collegiengelder -- das sind die Reformen welche empfohlen wer-
den. Ein ähnlicher Reformplan ist schon öfter aufgestellt worden, zumal auch von
Bonghi, der als Sachverständiger im Unterrichtswesen kein so großer Gegner
Deutschlands ist denn als Politiker. Allein indem dießmal die Reform nur für die
Universität Rom begehrt wird, und als unabhängig erscheint von der Reduction der
andern Universitäten, läßt sich vielleicht die praktische Verwirklichung eher erhoffen.
Und daß eine in modernem Sinn eingerichtete und arbeitende Hochschule gerade
auf dem mit dogmatischem Schutt bedeckten Ruinenboden von Rom segensreich zu
wirken vermöchte -- wer dürfte das bezweifeln? Die Herstellung einer solchen Uni-
versität erschiene so recht als der erste Schritt zu einer nicht mehr bloß äußerlich
politischen, sondern innerlich moralischen Lösung der römischen Frage.

Dänemark.

schreibt man der "Schles. Ztg.:" "Es ist im
verflossenen Jahre vielfach die Rede von einer endlichen Erledigung der nord-
schleswigischen Frage gewesen; wir sind inzwischen im Stande die Versicherung ab-
zugeben daß diese Frage gar nicht zur Verhandlung zwischen den Cabineten in
Kopenhagen und Berlin gekommen ist, wenn es sich gleich richtig verhält daß die
russische Regierung, ja selbst der russische Kaiser, sehr wünscht daß diese Frage ein-
mal definitiv aus der Welt gebracht werde. Man wird in diesem Wunsch eine
fernere Bestätigung von Rußlands friedlichen Absichten Deutschland gegenüber
finden; denn falls Rußland kriegerische Zwecke verfolgen sollte, würde es gerade
wünschen die nordschleswigische Frage offen zu erhalten, um in Dänemark einen
Alliirten zu haben. Es ist inzwischen klar daß diese Frage sich nicht wird lösen
lassen ohne daß Preußen sich ausbedingt daß Dänemark eine ähnliche Stellung zu
Deutschland einnehme wie z. B. Bayern seiner Zeit zum Norddeutschen Bund.
Die dänische Regierung soll auf verschiedene Weise indirect ihren Wunsch in Be-
zug auf die definitive Ordnung der deutsch-dänischen Gränzfrage zu erkennen ge-
geben haben, man hat jedoch in Berlin derselben mit Stillschweigen geantwortet.
Was Dänemark anbelangt, ist diese Stellung demselben im höchsten Grad unan-
genehm, wie es ebenfalls sowohl hier als in Hamburg und an andern Orten zu
höchst phantastischen Combinationen Anlaß gibt, welche die Gemüther in einer
gewissen Spannung erhalten. Solchergestalt kann keine Däne nach Hamburg kom-
men ohne daß dortige Freunde ihn mit dem Ausruf begrüßen: "Jetzt sollt ihr
unser Admiralstaat werden!" Die Stimmung in Dänemark ist der Art daß man
fast mit Ungeduld einer endlichen Ordnung entgegensieht. Die dänische Presse gibt
Zeugniß hievon, mit alleiniger Ausnahme des "Dagblad," welches im napoleo-
nischen System festgerannt ist, und dessen Bedeutung -- seiner Zeit sehr groß --
mit jedem Tag abnimmt, was durch die Abonnentenliste in traurigster Weise con
statirt werden soll, wogegen das gemäßigte Blatt "Dagstelegraphen" es au-
15,000 Abonnenten gebracht hat. Wir können nicht umhin den jetzigen Zeitpunkf
als sehr gut gewählt zu einer definitiven Erledigung der nordschleswigischen Fragt
anzusehen, gleichwie dieß in bedeutendem Grade die baltischen Interessen beidee
Staaten würde fördern können. Die in Schleswig installirte "internationalr
Commission" läßt wohl auf ein zukünftiges Einverständniß der beiden Ländere
schließen.

Rußland.

Mit großer Befriedigung nimmt unser
Publicum die Anerkennung wahr welche die Wiener Zeitungs-Presse in ihren be-
deutenderen Organen der friedlichen Politik unserer Regierung zollt. Offenbar
betrachtet die öffentliche Meinung Oesterreichs das als ein Glück daß nach so man-
chen Zerwürfnissen endlich in Bezug auf Rußland eine Aera gegenseitiger Befrie-
digung eingetreten ist. Nur verleitet das Bewußtsein der eigenen Glückseligkeit
eine der wichtigsten Stimmen Oesterreichs, die "N. Fr. Pr.," in einem ausführ-
licheren Artikel (Nr. 2628) auch die Zufriedenstellung des russischen Volkes zu ver-
langen. Das Mittel das russische Volk ebenso glücklich zu machen wie das öster-
reichische, soll nun die Verleihung einer Constitution sein! Der "Uebergang vom ab-
soluten Staate zum Rechtsstaat," meint die "N. Fr. Pr.," würde als Ausdruck "natio-
naler Wiedergeburt" die Friedensversicherungen des Czaren, "die sonst nur Worte
bleiben," erst recht dauerhaft hinstellen "durch die politische Mündigsprechung des russi-
schen Volkes." Bei der Bedeutung der "N. Fr. Pr." dürften wir nicht Unrecht haben,
wenn wir annehmen daß gewiß ein großer Theil des österreichischen Publicums hinter
solcher Ansicht steht, und die "politische Mündigsprechung des russischen Volkes"
als eine wesentliche Errungenschaft für den Weltfrieden zu betrachten geneigt ist.
Diesem müssen wir durchaus widersprechen. Wir lassen ganz die inneren
Gründe beiseite, nach welchen unser Volk erweislich für Verleihung einer Consti-
tution noch lange nicht reif ist, und welche die Leser der "Allgemeinen Zeitung"
sich aus unseren Berichten wohl selbst mit Leichtigkeit entnehmen werden. Wir
wollen vielmehr erwägen ob von der Verleihung einer Constitution für die
äußere Politik ein Vortheil zu erwarten ist. Der "Neuen Freien Presse" und
dem ganzen österreichischen Publicum ist es zu nächst doch um Forterhaltung des Frie-
dens mit Rußland zu thun, und alles von Werth was darauf hinwirkt. Die "russi-
sche Schwenkung," wie man das neue Verhalten des Czarenreichs zu nennen beliebt
hat, ist aber erweislich nach dem Georgenfeste lediglich aus dem Toaste des Kaisers
herzuleiten. Ein moralischer Toast, der solche Wendung bewirkt, ist mit seinen gegen-

[Spaltenumbruch]

Nichts iſt würdeloſer als die Geſpreiztheit womit die
Kammermehrheit es ihrer Würde ſchuldig zu ſein glaubt ſich bei der Rückkehr nach
Paris nicht zu übereilen, ſondern die Frage noch einem zweiten Prüfungsausſchuß
bis ans Ende des Monats zuzuweiſen. Der Kammerpräſident Hr. Grévy räth
dieſe Galgenfriſt noch zu bewilligen um keine Bosheiten der Rechten hervorzurufen.
Sie wird ſich vielleicht an Paris für die Abſicht des linken Centrums rächen, die
endgültige Republik mit Drittel-Erneuerung und einem Oberhauſe ſofort zu verkün-
den. Es iſt dieß der einzige Weg auf welchem die Nationalverſammlung der Auf-
löſung zu entgehen vermag. Eben deßhalb wird der bezügliche Antrag, welcher
übrigens durch die Umſtände aufgedrungen wird, von vielen Mitgliedern der Linken,
die auf der vollſtändigen und baldigen Auflöſung beſtehen, mißbilligt. Auch
die Freunde des Herzogs von Aumale wollen die beſtehende Ordnung bewahren,
weil in ihr Thiers und die Nationalverſammlung an eine gleiche dauernd gebun-
den find, und Aumale von Thiers nichts zu erwarten hat, hingegen mit der
Kammermehrheit ſich abfinden könnte. In jenen brennenden Fragen wird
Thiers die Mehrheit zu ſchonen ſuchen, ſolange nicht die neuen Steuern be-
willigt find und das Budget für 1872 richtig geſtellt iſt. Im neuen Budgetaus-
ſchuß ſitzen tüchtige Fachmänner, wie der ultraconſervative Baron Soubeyran und
der republicaniſche Duclerc, welcher Finanzminiſter geweſen iſt. Die Linke iſt in
dem Ausſchuß ſtärker als gewöhnlich vertreten. Von ihr hat Thiers kaum eine
Oppoſition zu beſorgen, ſogar nicht gegen ſeine augenſcheinlichen Irrthümer. Die
Mehrzahl der Ausſchußmitglieder will mit außerordentlicher Beſchleunigung vor-
erſt den Staatsbedarf feſtſtellen, um hernach die Deckung, mithin auch die Ein-
nahmsquellen, zu beſtimmen. So wollen ſie die 200 Millionen Frcs. für Schulden-
tilgung gänzlich oder theilweiſe ſtreichen und die militäriſchen Paſſionen des Prä-
ſidenten der Republik minder koſtſpielig machen. Die erſtere Forderung wird auch
die Linke genehmigen, hingegen wird ſie an Heereskoſten keinen Centime
herunterhandeln. Die Methode des Ausſchuſſes würde die Angelegenheit
der neuen Steuern ſehr vereinfachen, und ihre Löſung deſto mehr erleichtern,
je geringer ſich der Bedarf darſtellt. Die Anweſenheit des Hrn. v. Sou-
beyran im Ausſchuß verbürgt z. B. ſchon die Veſeitigung von Abgaben
welche den Verkehr der Börſe treffen würden. Die Einfuhrzölle würden ebenfalls
weniger in Anſpruch genommen werden. Aber der Miniſter beſteht auf der ſofor-
tigen Bewilligung der neuen Einnahmsquellen, und hofft in letzter Inſtanz ſeine
Einfuhrzölle durchzubringen, nachdem nämlich die Kammer alle anderen Steuer-
vorſchläge verworfen hat, und ihr ſchließlich keine Wahl bleibt. — Es laufen heute
wieder ſchlimme Nachrichten über Unverträglichkeit in der Champagne herum. Alle
Blätter beſprechen eine obſcöne Stelle in dem Blatt „L’Alſacien,“ welches gewiſſe
Frauen ſtyliſtiſch à la Haynau behandelt. Hr. Dr. Mommſen, deſſen Entrüſtung
nur zu begreiflich iſt, wird auch daran erinnert daß ſich wieder 30,000 Deutſche in
Paris aufhalten ohne einer Unfreundlichkeit oder Unhöflichkeit zu begegnen, ſolange
ſie keine Anſprüche auf franzöſiſche Geſellſchaft erheben. Gegenſeitige Berichti-
gungen dürften am ſicherſten zur Nachahmung des Beiſpiels führen welches Thiers
und Graf Arnim mit lebhafter Genugthuung zur Schau ſtellen.

Italien.

Ueber die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform des
italieniſchen Univerſitätsweſens iſt ſeit zehn Jahren ſehr viel geredet und geſchrie-
ben worden. Niemand bezweifelt dieſe Nothwendigkeit; auch ſcheint man darüber
einig zu ſein daß die Reform zu beginnen hätte mit der Verringerung der Zahl der
Univerſitäten; denn dieſe Zahl ſteht außer Verhältniß zu dem wiſſenſchaftlichen
Bedürfniß und Vermögen des Landes, zu den vohandenen gelehrten Kräften und
finanziellen Mitteln. (Die Zahl der italieniſchen Univerſitäten, Rom einbegriffen,
iſt genau die der deutſchen, Straßburg einbegriffen, d. i. 20, während — von dem
Unterſchied in Umfang und Intenſität der wiſſenſchaftlichen Thätigkeit in beiden
Ländern ganz abgeſehen — die Bevölkerung Deutſchlands um die Hälfte ſtärker iſt
als die Italiens). Allein eben weil die Reform zunächſt in der Aufhebung von
ſo und ſo vielen Univerſitäten zu beſtehen hätte, iſt bis jetzt nichts geſchehen. Der
Regional- und Municipalpatriotismus wehrt ſich aller Orten, und die Regierung
hat nicht einmal die Abſchaffung einer der beiden Hochſchulen der Inſel Sardinien
durchzuſetzen vermocht, obwohl ſchon eine zu viel wäre. Als vor einigen Monaten
Ruggiero Bonghi, der ſchon mehrere zum Theil auch in der „Allg. Ztg.“ beſpro-
chene Schriften über den Gegenſtand veröffentlicht hat, den Vorſchlag machte:
Florenz für die durch die Verlegung des Regierungsſitzes erlittene Einbuße dadurch
zu entſchädigen daß einige der in Piſa und Siena beſtehenden Facultäten nach
Florenz verbracht und hier eine große mit all den nöthigen Mitteln und Anſtalten
ausgeſtattete Univerſität gegründet werden ſolle, wollte man in Florenz von dieſem,
an und für ſich ſo vortheilhaften Plane nichts wiſſen, aus dem bezeichnenden Grunde
daß Florenz ſich nur den Zorn der beiden Nachbarſtädte zuziehen, ihnen aber nim-
mermehr ihren eiferſüchtig bewachten Beſitz entreißen würde. In dieſer Lage der
Dinge ſind nun zwei angeſehene Docenten, der Profeſſor der Phyſik in Palermo,
Blaſerna, und der Profeſſor der phyſiologiſchen Pathologie in Rom, Tommaſi, mit
einem neuen ſehr verſtändigen Vorſchlag hervorgetreten, der dahin geht die Reform
einſtweilen auf die Univerſität Rom zu beſchränken. Dieſe befindet ſich nämlich
noch in einem Proviſorium, welches Neuerungen erlaubt. Als die italieniſche
Regierung dieſelbe überkam, ſuchte der betreffende Commiſſär, Profeſſor Brioschi,
den Mängeln der bisher päpſtlichen Anſtalt dadurch abzuhelfen daß er
ein phyſio-pathologiſches Inſtitut, eine chirurgiſche und eine geburtshülfliche
Klinik und ein anatomiſches Laboratorium ſchuf, die mediciniſche Klinik ver-
beſſerte, die Zahl der Lehrſtühle in den verſchiedenen Facultäten vermehrte und
alle Laboratorien ſo gut als möglich dotirte. Nach Brioschi’s Abgang aber
wurde dieſes Reorganiſationswerk unterbrochen; ja, es ſchien eine Zeitlang ſogar
zweifelhaft ob man die Univerſität überhaupt beſtehen laſſen ſollte. Seitdem aber
der Papſt im Vatican die Lehrſtühle der ehemaligen Profeſſoren der römiſchen
Univerſität welche ſich mit der neuen Regierung nicht haben verſtändigen mögen
wieder aufgerichtet hat, iſt die Regierung zur Ueberzeugung gekommen daß in der
Hauptſtadt des Königreichs neben der wiederſtandenen päpſtlichen Univerſität eine
italieniſche Univerfität nicht fehlen dürfe. In welchem Sinne ſoll aber dieſe letztere
eingerichtet werden? Soll ſie nur eine Wiederholung der vielen anderen vorſtellen,
[Spaltenumbruch] von deren mangelhafter und ungenügender Beſchaffenheit alle Welt überzeugt iſt?
Die genannten beiden Profeſſoren verneinen dieß in einem Schriftchen, betitelt
L’Università di Roma,“ deſſen Grundgedanke dieſer iſt: daß man in Italien bis-
her zu große Wichtigkeit auf das Dociren vom Katheder herunter, zu geringe auf
die ſelbſtthätige Beſchäftigung der Studenten im Seminar und Laboratorium ge-
legt habe. Außerdem verwirft das Schriftchen die in Italien den Lehrer und den
Studenten einſchnürenden Regulamente und die dürftige und ohne alle Rückſicht
auf das wiſſenſchaftliche Verdienſt ein für allemal feſtgeſtellte Bezahlung der Pro-
feſſoren. Das Schriftchen verlangt daher die Reorganiſation der Univerſität Rom
auf neuen — wie man aus den Prämiſſen bereits erſieht, den deutſchen Einrich-
tungen nachgebildeten — Grundlagen. Beſchränkung des bloß kathedratiſchen.
Unterrichts, aber Vermehrung und Erweiterung der wiſſenſchaftlichen Anſtalten,
Gründung praktiſcher Schulen für Chemie, Phyſik, Anatomie und Phyſiologie und
hiſtoriſcher, philologiſcher und archäologiſcher Seminarien; Befreiung der Stu-
denten von der Beobachtung des für die übrigen Univerſitäten (mit Ausnahme
Neapels) gültigen Regulamento, Herabſetzung der Studienzeit und der obligato-
riſchen Collegien auf ein Minimum, Zulaſſung von Privatdocenten und Einführung
des Syſtems der Collegiengelder — das ſind die Reformen welche empfohlen wer-
den. Ein ähnlicher Reformplan iſt ſchon öfter aufgeſtellt worden, zumal auch von
Bonghi, der als Sachverſtändiger im Unterrichtsweſen kein ſo großer Gegner
Deutſchlands iſt denn als Politiker. Allein indem dießmal die Reform nur für die
Univerſität Rom begehrt wird, und als unabhängig erſcheint von der Reduction der
andern Univerſitäten, läßt ſich vielleicht die praktiſche Verwirklichung eher erhoffen.
Und daß eine in modernem Sinn eingerichtete und arbeitende Hochſchule gerade
auf dem mit dogmatiſchem Schutt bedeckten Ruinenboden von Rom ſegensreich zu
wirken vermöchte — wer dürfte das bezweifeln? Die Herſtellung einer ſolchen Uni-
verſität erſchiene ſo recht als der erſte Schritt zu einer nicht mehr bloß äußerlich
politiſchen, ſondern innerlich moraliſchen Löſung der römiſchen Frage.

Dänemark.

ſchreibt man der „Schleſ. Ztg.:“ „Es iſt im
verfloſſenen Jahre vielfach die Rede von einer endlichen Erledigung der nord-
ſchleswigiſchen Frage geweſen; wir ſind inzwiſchen im Stande die Verſicherung ab-
zugeben daß dieſe Frage gar nicht zur Verhandlung zwiſchen den Cabineten in
Kopenhagen und Berlin gekommen iſt, wenn es ſich gleich richtig verhält daß die
ruſſiſche Regierung, ja ſelbſt der ruſſiſche Kaiſer, ſehr wünſcht daß dieſe Frage ein-
mal definitiv aus der Welt gebracht werde. Man wird in dieſem Wunſch eine
fernere Beſtätigung von Rußlands friedlichen Abſichten Deutſchland gegenüber
finden; denn falls Rußland kriegeriſche Zwecke verfolgen ſollte, würde es gerade
wünſchen die nordſchleswigiſche Frage offen zu erhalten, um in Dänemark einen
Alliirten zu haben. Es iſt inzwiſchen klar daß dieſe Frage ſich nicht wird löſen
laſſen ohne daß Preußen ſich ausbedingt daß Dänemark eine ähnliche Stellung zu
Deutſchland einnehme wie z. B. Bayern ſeiner Zeit zum Norddeutſchen Bund.
Die däniſche Regierung ſoll auf verſchiedene Weiſe indirect ihren Wunſch in Be-
zug auf die definitive Ordnung der deutſch-däniſchen Gränzfrage zu erkennen ge-
geben haben, man hat jedoch in Berlin derſelben mit Stillſchweigen geantwortet.
Was Dänemark anbelangt, iſt dieſe Stellung demſelben im höchſten Grad unan-
genehm, wie es ebenfalls ſowohl hier als in Hamburg und an andern Orten zu
höchſt phantaſtiſchen Combinationen Anlaß gibt, welche die Gemüther in einer
gewiſſen Spannung erhalten. Solchergeſtalt kann keine Däne nach Hamburg kom-
men ohne daß dortige Freunde ihn mit dem Ausruf begrüßen: „Jetzt ſollt ihr
unſer Admiralſtaat werden!“ Die Stimmung in Dänemark iſt der Art daß man
faſt mit Ungeduld einer endlichen Ordnung entgegenſieht. Die däniſche Preſſe gibt
Zeugniß hievon, mit alleiniger Ausnahme des „Dagblad,“ welches im napoleo-
niſchen Syſtem feſtgerannt iſt, und deſſen Bedeutung — ſeiner Zeit ſehr groß —
mit jedem Tag abnimmt, was durch die Abonnentenliſte in traurigſter Weiſe con
ſtatirt werden ſoll, wogegen das gemäßigte Blatt „Dagstelegraphen“ es au-
15,000 Abonnenten gebracht hat. Wir können nicht umhin den jetzigen Zeitpunkf
als ſehr gut gewählt zu einer definitiven Erledigung der nordſchleswigiſchen Fragt
anzuſehen, gleichwie dieß in bedeutendem Grade die baltiſchen Intereſſen beidee
Staaten würde fördern können. Die in Schleswig inſtallirte „internationalr
Commiſſion“ läßt wohl auf ein zukünftiges Einverſtändniß der beiden Ländere
ſchließen.

Rußland.

Mit großer Befriedigung nimmt unſer
Publicum die Anerkennung wahr welche die Wiener Zeitungs-Preſſe in ihren be-
deutenderen Organen der friedlichen Politik unſerer Regierung zollt. Offenbar
betrachtet die öffentliche Meinung Oeſterreichs das als ein Glück daß nach ſo man-
chen Zerwürfniſſen endlich in Bezug auf Rußland eine Aera gegenſeitiger Befrie-
digung eingetreten iſt. Nur verleitet das Bewußtſein der eigenen Glückſeligkeit
eine der wichtigſten Stimmen Oeſterreichs, die „N. Fr. Pr.,“ in einem ausführ-
licheren Artikel (Nr. 2628) auch die Zufriedenſtellung des ruſſiſchen Volkes zu ver-
langen. Das Mittel das ruſſiſche Volk ebenſo glücklich zu machen wie das öſter-
reichiſche, ſoll nun die Verleihung einer Conſtitution ſein! Der „Uebergang vom ab-
ſoluten Staate zum Rechtsſtaat,“ meint die „N. Fr. Pr.,“ würde als Ausdruck „natio-
naler Wiedergeburt“ die Friedensverſicherungen des Czaren, „die ſonſt nur Worte
bleiben,“ erſt recht dauerhaft hinſtellen „durch die politiſche Mündigſprechung des ruſſi-
ſchen Volkes.“ Bei der Bedeutung der „N. Fr. Pr.“ dürften wir nicht Unrecht haben,
wenn wir annehmen daß gewiß ein großer Theil des öſterreichiſchen Publicums hinter
ſolcher Anſicht ſteht, und die „politiſche Mündigſprechung des ruſſiſchen Volkes“
als eine weſentliche Errungenſchaft für den Weltfrieden zu betrachten geneigt iſt.
Dieſem müſſen wir durchaus widerſprechen. Wir laſſen ganz die inneren
Gründe beiſeite, nach welchen unſer Volk erweislich für Verleihung einer Conſti-
tution noch lange nicht reif iſt, und welche die Leſer der „Allgemeinen Zeitung“
ſich aus unſeren Berichten wohl ſelbſt mit Leichtigkeit entnehmen werden. Wir
wollen vielmehr erwägen ob von der Verleihung einer Conſtitution für die
äußere Politik ein Vortheil zu erwarten iſt. Der „Neuen Freien Preſſe“ und
dem ganzen öſterreichiſchen Publicum iſt es zu nächſt doch um Forterhaltung des Frie-
dens mit Rußland zu thun, und alles von Werth was darauf hinwirkt. Die „ruſſi-
ſche Schwenkung,“ wie man das neue Verhalten des Czarenreichs zu nennen beliebt
hat, iſt aber erweislich nach dem Georgenfeſte lediglich aus dem Toaſte des Kaiſers
herzuleiten. Ein moraliſcher Toaſt, der ſolche Wendung bewirkt, iſt mit ſeinen gegen-

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er&#x017F;t den Staatsbedarf fe&#x017F;t&#x017F;tellen, um hernach die Deckung, mithin auch die Ein-<lb/>
nahmsquellen, zu be&#x017F;timmen. So wollen &#x017F;ie die 200 Millionen Frcs. für Schulden-<lb/>
tilgung gänzlich oder theilwei&#x017F;e &#x017F;treichen und die militäri&#x017F;chen Pa&#x017F;&#x017F;ionen des Prä-<lb/>
&#x017F;identen der Republik minder ko&#x017F;t&#x017F;pielig machen. Die er&#x017F;tere Forderung wird auch<lb/>
die Linke genehmigen, hingegen wird &#x017F;ie an Heeresko&#x017F;ten keinen Centime<lb/>
herunterhandeln. Die Methode des Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es würde die Angelegenheit<lb/>
der neuen Steuern &#x017F;ehr vereinfachen, und ihre Lö&#x017F;ung de&#x017F;to mehr erleichtern,<lb/>
je geringer &#x017F;ich der Bedarf dar&#x017F;tellt. Die Anwe&#x017F;enheit des Hrn. v. Sou-<lb/>
beyran im Aus&#x017F;chuß verbürgt z. B. &#x017F;chon die Ve&#x017F;eitigung von Abgaben<lb/>
welche den Verkehr der Bör&#x017F;e treffen würden. Die Einfuhrzölle würden ebenfalls<lb/>
weniger in An&#x017F;pruch genommen werden. Aber der Mini&#x017F;ter be&#x017F;teht auf der &#x017F;ofor-<lb/>
tigen Bewilligung der neuen Einnahmsquellen, und hofft in letzter In&#x017F;tanz &#x017F;eine<lb/>
Einfuhrzölle durchzubringen, nachdem nämlich die Kammer alle anderen Steuer-<lb/>
vor&#x017F;chläge verworfen hat, und ihr &#x017F;chließlich keine Wahl bleibt. &#x2014; Es laufen heute<lb/>
wieder &#x017F;chlimme Nachrichten über Unverträglichkeit in der Champagne herum. Alle<lb/>
Blätter be&#x017F;prechen eine ob&#x017F;cöne Stelle in dem Blatt &#x201E;L&#x2019;Al&#x017F;acien,&#x201C; welches gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Frauen &#x017F;tyli&#x017F;ti&#x017F;ch à la Haynau behandelt. Hr. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Momm&#x017F;en, de&#x017F;&#x017F;en Entrü&#x017F;tung<lb/>
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Paris aufhalten ohne einer Unfreundlichkeit oder Unhöflichkeit zu begegnen, &#x017F;olange<lb/>
&#x017F;ie keine An&#x017F;prüche auf franzö&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft erheben. Gegen&#x017F;eitige Berichti-<lb/>
gungen dürften am &#x017F;icher&#x017F;ten zur Nachahmung des Bei&#x017F;piels führen welches Thiers<lb/>
und Graf Arnim mit lebhafter Genugthuung zur Schau &#x017F;tellen.</p>
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            <p>Ueber die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform des<lb/>
italieni&#x017F;chen Univer&#x017F;itätswe&#x017F;ens i&#x017F;t &#x017F;eit zehn Jahren &#x017F;ehr viel geredet und ge&#x017F;chrie-<lb/>
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einig zu &#x017F;ein daß die Reform zu beginnen hätte mit der Verringerung der Zahl der<lb/>
Univer&#x017F;itäten; denn die&#x017F;e Zahl &#x017F;teht außer Verhältniß zu dem wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen<lb/>
Bedürfniß und Vermögen des Landes, zu den vohandenen gelehrten Kräften und<lb/>
finanziellen Mitteln. (Die Zahl der italieni&#x017F;chen Univer&#x017F;itäten, Rom einbegriffen,<lb/>
i&#x017F;t genau die der deut&#x017F;chen, Straßburg einbegriffen, d. i. 20, während &#x2014; von dem<lb/>
Unter&#x017F;chied in Umfang und Inten&#x017F;ität der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Thätigkeit in beiden<lb/>
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als die Italiens). Allein eben weil die Reform zunäch&#x017F;t in der Aufhebung von<lb/>
&#x017F;o und &#x017F;o vielen Univer&#x017F;itäten zu be&#x017F;tehen hätte, i&#x017F;t bis jetzt nichts ge&#x017F;chehen. Der<lb/>
Regional- und Municipalpatriotismus wehrt &#x017F;ich aller Orten, und die Regierung<lb/>
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durchzu&#x017F;etzen vermocht, obwohl &#x017F;chon eine zu viel wäre. Als vor einigen Monaten<lb/>
Ruggiero Bonghi, der &#x017F;chon mehrere zum Theil auch in der &#x201E;Allg. Ztg.&#x201C; be&#x017F;pro-<lb/>
chene Schriften über den Gegen&#x017F;tand veröffentlicht hat, den Vor&#x017F;chlag machte:<lb/>
Florenz für die durch die Verlegung des Regierungs&#x017F;itzes erlittene Einbuße dadurch<lb/>
zu ent&#x017F;chädigen daß einige der in Pi&#x017F;a und Siena be&#x017F;tehenden Facultäten nach<lb/>
Florenz verbracht und hier eine große mit all den nöthigen Mitteln und An&#x017F;talten<lb/>
ausge&#x017F;tattete Univer&#x017F;ität gegründet werden &#x017F;olle, wollte man in Florenz von die&#x017F;em,<lb/>
an und für &#x017F;ich &#x017F;o vortheilhaften Plane nichts wi&#x017F;&#x017F;en, aus dem bezeichnenden Grunde<lb/>
daß Florenz &#x017F;ich nur den Zorn der beiden Nachbar&#x017F;tädte zuziehen, ihnen aber nim-<lb/>
mermehr ihren eifer&#x017F;üchtig bewachten Be&#x017F;itz entreißen würde. In die&#x017F;er Lage der<lb/>
Dinge &#x017F;ind nun zwei ange&#x017F;ehene Docenten, der Profe&#x017F;&#x017F;or der Phy&#x017F;ik in Palermo,<lb/>
Bla&#x017F;erna, und der Profe&#x017F;&#x017F;or der phy&#x017F;iologi&#x017F;chen Pathologie in Rom, Tomma&#x017F;i, mit<lb/>
einem neuen &#x017F;ehr ver&#x017F;tändigen Vor&#x017F;chlag hervorgetreten, der dahin geht die Reform<lb/>
ein&#x017F;tweilen auf die Univer&#x017F;ität Rom zu be&#x017F;chränken. Die&#x017F;e befindet &#x017F;ich nämlich<lb/>
noch in einem Provi&#x017F;orium, welches Neuerungen erlaubt. Als die italieni&#x017F;che<lb/>
Regierung die&#x017F;elbe überkam, &#x017F;uchte der betreffende Commi&#x017F;&#x017F;är, Profe&#x017F;&#x017F;or Brioschi,<lb/>
den Mängeln der bisher päp&#x017F;tlichen An&#x017F;talt dadurch abzuhelfen daß er<lb/>
ein phy&#x017F;io-pathologi&#x017F;ches In&#x017F;titut, eine chirurgi&#x017F;che und eine geburtshülfliche<lb/>
Klinik und ein anatomi&#x017F;ches Laboratorium &#x017F;chuf, die medicini&#x017F;che Klinik ver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;erte, die Zahl der Lehr&#x017F;tühle in den ver&#x017F;chiedenen Facultäten vermehrte und<lb/>
alle Laboratorien &#x017F;o gut als möglich dotirte. Nach Brioschi&#x2019;s Abgang aber<lb/>
wurde die&#x017F;es Reorgani&#x017F;ationswerk unterbrochen; ja, es &#x017F;chien eine Zeitlang &#x017F;ogar<lb/>
zweifelhaft ob man die Univer&#x017F;ität überhaupt be&#x017F;tehen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte. Seitdem aber<lb/>
der Pap&#x017F;t im Vatican die Lehr&#x017F;tühle der ehemaligen Profe&#x017F;&#x017F;oren der römi&#x017F;chen<lb/>
Univer&#x017F;ität welche &#x017F;ich mit der neuen Regierung nicht haben ver&#x017F;tändigen mögen<lb/>
wieder aufgerichtet hat, i&#x017F;t die Regierung zur Ueberzeugung gekommen daß in der<lb/>
Haupt&#x017F;tadt des Königreichs neben der wieder&#x017F;tandenen päp&#x017F;tlichen Univer&#x017F;ität eine<lb/>
italieni&#x017F;che Univerfität nicht fehlen dürfe. In welchem Sinne &#x017F;oll aber die&#x017F;e letztere<lb/>
eingerichtet werden? Soll &#x017F;ie nur eine Wiederholung der vielen anderen vor&#x017F;tellen,<lb/><cb/>
von deren mangelhafter und ungenügender Be&#x017F;chaffenheit alle Welt überzeugt i&#x017F;t?<lb/>
Die genannten beiden Profe&#x017F;&#x017F;oren verneinen dieß in einem Schriftchen, betitelt<lb/>
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her zu große Wichtigkeit auf das Dociren vom Katheder herunter, zu geringe auf<lb/>
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legt habe. Außerdem verwirft das Schriftchen die in Italien den Lehrer und den<lb/>
Studenten ein&#x017F;chnürenden Regulamente und die dürftige und ohne alle Rück&#x017F;icht<lb/>
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fe&#x017F;&#x017F;oren. Das Schriftchen verlangt daher die Reorgani&#x017F;ation der Univer&#x017F;ität Rom<lb/>
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tungen nachgebildeten &#x2014; Grundlagen. Be&#x017F;chränkung des bloß kathedrati&#x017F;chen.<lb/>
Unterrichts, aber Vermehrung und Erweiterung der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen An&#x017F;talten,<lb/>
Gründung prakti&#x017F;cher Schulen für Chemie, Phy&#x017F;ik, Anatomie und Phy&#x017F;iologie und<lb/>
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Neapels) gültigen Regulamento, Herab&#x017F;etzung der Studienzeit und der obligato-<lb/>
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Bonghi, der als Sachver&#x017F;tändiger im Unterrichtswe&#x017F;en kein &#x017F;o großer Gegner<lb/>
Deut&#x017F;chlands i&#x017F;t denn als Politiker. Allein indem dießmal die Reform nur für die<lb/>
Univer&#x017F;ität Rom begehrt wird, und als unabhängig er&#x017F;cheint von der Reduction der<lb/>
andern Univer&#x017F;itäten, läßt &#x017F;ich vielleicht die prakti&#x017F;che Verwirklichung eher erhoffen.<lb/>
Und daß eine in modernem Sinn eingerichtete und arbeitende Hoch&#x017F;chule gerade<lb/>
auf dem mit dogmati&#x017F;chem Schutt bedeckten Ruinenboden von Rom &#x017F;egensreich zu<lb/>
wirken vermöchte &#x2014; wer dürfte das bezweifeln? Die Her&#x017F;tellung einer &#x017F;olchen Uni-<lb/>
ver&#x017F;ität er&#x017F;chiene &#x017F;o recht als der er&#x017F;te Schritt zu einer nicht mehr bloß äußerlich<lb/>
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zugeben daß die&#x017F;e Frage gar nicht zur Verhandlung zwi&#x017F;chen den Cabineten in<lb/>
Kopenhagen und Berlin gekommen i&#x017F;t, wenn es &#x017F;ich gleich richtig verhält daß die<lb/>
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finden; denn falls Rußland kriegeri&#x017F;che Zwecke verfolgen &#x017F;ollte, würde es gerade<lb/>
wün&#x017F;chen die nord&#x017F;chleswigi&#x017F;che Frage offen zu erhalten, um in Dänemark einen<lb/>
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Deut&#x017F;chland einnehme wie z. B. Bayern &#x017F;einer Zeit zum Norddeut&#x017F;chen Bund.<lb/>
Die däni&#x017F;che Regierung &#x017F;oll auf ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e indirect ihren Wun&#x017F;ch in Be-<lb/>
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Was Dänemark anbelangt, i&#x017F;t die&#x017F;e Stellung dem&#x017F;elben im höch&#x017F;ten Grad unan-<lb/>
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</TEI>
[183/0007] * Paris, 10 Jan. Nichts iſt würdeloſer als die Geſpreiztheit womit die Kammermehrheit es ihrer Würde ſchuldig zu ſein glaubt ſich bei der Rückkehr nach Paris nicht zu übereilen, ſondern die Frage noch einem zweiten Prüfungsausſchuß bis ans Ende des Monats zuzuweiſen. Der Kammerpräſident Hr. Grévy räth dieſe Galgenfriſt noch zu bewilligen um keine Bosheiten der Rechten hervorzurufen. Sie wird ſich vielleicht an Paris für die Abſicht des linken Centrums rächen, die endgültige Republik mit Drittel-Erneuerung und einem Oberhauſe ſofort zu verkün- den. Es iſt dieß der einzige Weg auf welchem die Nationalverſammlung der Auf- löſung zu entgehen vermag. Eben deßhalb wird der bezügliche Antrag, welcher übrigens durch die Umſtände aufgedrungen wird, von vielen Mitgliedern der Linken, die auf der vollſtändigen und baldigen Auflöſung beſtehen, mißbilligt. Auch die Freunde des Herzogs von Aumale wollen die beſtehende Ordnung bewahren, weil in ihr Thiers und die Nationalverſammlung an eine gleiche dauernd gebun- den find, und Aumale von Thiers nichts zu erwarten hat, hingegen mit der Kammermehrheit ſich abfinden könnte. In jenen brennenden Fragen wird Thiers die Mehrheit zu ſchonen ſuchen, ſolange nicht die neuen Steuern be- willigt find und das Budget für 1872 richtig geſtellt iſt. Im neuen Budgetaus- ſchuß ſitzen tüchtige Fachmänner, wie der ultraconſervative Baron Soubeyran und der republicaniſche Duclerc, welcher Finanzminiſter geweſen iſt. Die Linke iſt in dem Ausſchuß ſtärker als gewöhnlich vertreten. Von ihr hat Thiers kaum eine Oppoſition zu beſorgen, ſogar nicht gegen ſeine augenſcheinlichen Irrthümer. Die Mehrzahl der Ausſchußmitglieder will mit außerordentlicher Beſchleunigung vor- erſt den Staatsbedarf feſtſtellen, um hernach die Deckung, mithin auch die Ein- nahmsquellen, zu beſtimmen. So wollen ſie die 200 Millionen Frcs. für Schulden- tilgung gänzlich oder theilweiſe ſtreichen und die militäriſchen Paſſionen des Prä- ſidenten der Republik minder koſtſpielig machen. Die erſtere Forderung wird auch die Linke genehmigen, hingegen wird ſie an Heereskoſten keinen Centime herunterhandeln. Die Methode des Ausſchuſſes würde die Angelegenheit der neuen Steuern ſehr vereinfachen, und ihre Löſung deſto mehr erleichtern, je geringer ſich der Bedarf darſtellt. Die Anweſenheit des Hrn. v. Sou- beyran im Ausſchuß verbürgt z. B. ſchon die Veſeitigung von Abgaben welche den Verkehr der Börſe treffen würden. Die Einfuhrzölle würden ebenfalls weniger in Anſpruch genommen werden. Aber der Miniſter beſteht auf der ſofor- tigen Bewilligung der neuen Einnahmsquellen, und hofft in letzter Inſtanz ſeine Einfuhrzölle durchzubringen, nachdem nämlich die Kammer alle anderen Steuer- vorſchläge verworfen hat, und ihr ſchließlich keine Wahl bleibt. — Es laufen heute wieder ſchlimme Nachrichten über Unverträglichkeit in der Champagne herum. Alle Blätter beſprechen eine obſcöne Stelle in dem Blatt „L’Alſacien,“ welches gewiſſe Frauen ſtyliſtiſch à la Haynau behandelt. Hr. Dr. Mommſen, deſſen Entrüſtung nur zu begreiflich iſt, wird auch daran erinnert daß ſich wieder 30,000 Deutſche in Paris aufhalten ohne einer Unfreundlichkeit oder Unhöflichkeit zu begegnen, ſolange ſie keine Anſprüche auf franzöſiſche Geſellſchaft erheben. Gegenſeitige Berichti- gungen dürften am ſicherſten zur Nachahmung des Beiſpiels führen welches Thiers und Graf Arnim mit lebhafter Genugthuung zur Schau ſtellen. Italien. ⵔ Rom, 6 Jan. Ueber die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform des italieniſchen Univerſitätsweſens iſt ſeit zehn Jahren ſehr viel geredet und geſchrie- ben worden. Niemand bezweifelt dieſe Nothwendigkeit; auch ſcheint man darüber einig zu ſein daß die Reform zu beginnen hätte mit der Verringerung der Zahl der Univerſitäten; denn dieſe Zahl ſteht außer Verhältniß zu dem wiſſenſchaftlichen Bedürfniß und Vermögen des Landes, zu den vohandenen gelehrten Kräften und finanziellen Mitteln. (Die Zahl der italieniſchen Univerſitäten, Rom einbegriffen, iſt genau die der deutſchen, Straßburg einbegriffen, d. i. 20, während — von dem Unterſchied in Umfang und Intenſität der wiſſenſchaftlichen Thätigkeit in beiden Ländern ganz abgeſehen — die Bevölkerung Deutſchlands um die Hälfte ſtärker iſt als die Italiens). Allein eben weil die Reform zunächſt in der Aufhebung von ſo und ſo vielen Univerſitäten zu beſtehen hätte, iſt bis jetzt nichts geſchehen. Der Regional- und Municipalpatriotismus wehrt ſich aller Orten, und die Regierung hat nicht einmal die Abſchaffung einer der beiden Hochſchulen der Inſel Sardinien durchzuſetzen vermocht, obwohl ſchon eine zu viel wäre. Als vor einigen Monaten Ruggiero Bonghi, der ſchon mehrere zum Theil auch in der „Allg. Ztg.“ beſpro- chene Schriften über den Gegenſtand veröffentlicht hat, den Vorſchlag machte: Florenz für die durch die Verlegung des Regierungsſitzes erlittene Einbuße dadurch zu entſchädigen daß einige der in Piſa und Siena beſtehenden Facultäten nach Florenz verbracht und hier eine große mit all den nöthigen Mitteln und Anſtalten ausgeſtattete Univerſität gegründet werden ſolle, wollte man in Florenz von dieſem, an und für ſich ſo vortheilhaften Plane nichts wiſſen, aus dem bezeichnenden Grunde daß Florenz ſich nur den Zorn der beiden Nachbarſtädte zuziehen, ihnen aber nim- mermehr ihren eiferſüchtig bewachten Beſitz entreißen würde. In dieſer Lage der Dinge ſind nun zwei angeſehene Docenten, der Profeſſor der Phyſik in Palermo, Blaſerna, und der Profeſſor der phyſiologiſchen Pathologie in Rom, Tommaſi, mit einem neuen ſehr verſtändigen Vorſchlag hervorgetreten, der dahin geht die Reform einſtweilen auf die Univerſität Rom zu beſchränken. Dieſe befindet ſich nämlich noch in einem Proviſorium, welches Neuerungen erlaubt. Als die italieniſche Regierung dieſelbe überkam, ſuchte der betreffende Commiſſär, Profeſſor Brioschi, den Mängeln der bisher päpſtlichen Anſtalt dadurch abzuhelfen daß er ein phyſio-pathologiſches Inſtitut, eine chirurgiſche und eine geburtshülfliche Klinik und ein anatomiſches Laboratorium ſchuf, die mediciniſche Klinik ver- beſſerte, die Zahl der Lehrſtühle in den verſchiedenen Facultäten vermehrte und alle Laboratorien ſo gut als möglich dotirte. Nach Brioschi’s Abgang aber wurde dieſes Reorganiſationswerk unterbrochen; ja, es ſchien eine Zeitlang ſogar zweifelhaft ob man die Univerſität überhaupt beſtehen laſſen ſollte. Seitdem aber der Papſt im Vatican die Lehrſtühle der ehemaligen Profeſſoren der römiſchen Univerſität welche ſich mit der neuen Regierung nicht haben verſtändigen mögen wieder aufgerichtet hat, iſt die Regierung zur Ueberzeugung gekommen daß in der Hauptſtadt des Königreichs neben der wiederſtandenen päpſtlichen Univerſität eine italieniſche Univerfität nicht fehlen dürfe. In welchem Sinne ſoll aber dieſe letztere eingerichtet werden? Soll ſie nur eine Wiederholung der vielen anderen vorſtellen, von deren mangelhafter und ungenügender Beſchaffenheit alle Welt überzeugt iſt? Die genannten beiden Profeſſoren verneinen dieß in einem Schriftchen, betitelt „L’Università di Roma,“ deſſen Grundgedanke dieſer iſt: daß man in Italien bis- her zu große Wichtigkeit auf das Dociren vom Katheder herunter, zu geringe auf die ſelbſtthätige Beſchäftigung der Studenten im Seminar und Laboratorium ge- legt habe. Außerdem verwirft das Schriftchen die in Italien den Lehrer und den Studenten einſchnürenden Regulamente und die dürftige und ohne alle Rückſicht auf das wiſſenſchaftliche Verdienſt ein für allemal feſtgeſtellte Bezahlung der Pro- feſſoren. Das Schriftchen verlangt daher die Reorganiſation der Univerſität Rom auf neuen — wie man aus den Prämiſſen bereits erſieht, den deutſchen Einrich- tungen nachgebildeten — Grundlagen. Beſchränkung des bloß kathedratiſchen. Unterrichts, aber Vermehrung und Erweiterung der wiſſenſchaftlichen Anſtalten, Gründung praktiſcher Schulen für Chemie, Phyſik, Anatomie und Phyſiologie und hiſtoriſcher, philologiſcher und archäologiſcher Seminarien; Befreiung der Stu- denten von der Beobachtung des für die übrigen Univerſitäten (mit Ausnahme Neapels) gültigen Regulamento, Herabſetzung der Studienzeit und der obligato- riſchen Collegien auf ein Minimum, Zulaſſung von Privatdocenten und Einführung des Syſtems der Collegiengelder — das ſind die Reformen welche empfohlen wer- den. Ein ähnlicher Reformplan iſt ſchon öfter aufgeſtellt worden, zumal auch von Bonghi, der als Sachverſtändiger im Unterrichtsweſen kein ſo großer Gegner Deutſchlands iſt denn als Politiker. Allein indem dießmal die Reform nur für die Univerſität Rom begehrt wird, und als unabhängig erſcheint von der Reduction der andern Univerſitäten, läßt ſich vielleicht die praktiſche Verwirklichung eher erhoffen. Und daß eine in modernem Sinn eingerichtete und arbeitende Hochſchule gerade auf dem mit dogmatiſchem Schutt bedeckten Ruinenboden von Rom ſegensreich zu wirken vermöchte — wer dürfte das bezweifeln? Die Herſtellung einer ſolchen Uni- verſität erſchiene ſo recht als der erſte Schritt zu einer nicht mehr bloß äußerlich politiſchen, ſondern innerlich moraliſchen Löſung der römiſchen Frage. Dänemark. Aus Kopenhagen, 5 Jan., ſchreibt man der „Schleſ. Ztg.:“ „Es iſt im verfloſſenen Jahre vielfach die Rede von einer endlichen Erledigung der nord- ſchleswigiſchen Frage geweſen; wir ſind inzwiſchen im Stande die Verſicherung ab- zugeben daß dieſe Frage gar nicht zur Verhandlung zwiſchen den Cabineten in Kopenhagen und Berlin gekommen iſt, wenn es ſich gleich richtig verhält daß die ruſſiſche Regierung, ja ſelbſt der ruſſiſche Kaiſer, ſehr wünſcht daß dieſe Frage ein- mal definitiv aus der Welt gebracht werde. Man wird in dieſem Wunſch eine fernere Beſtätigung von Rußlands friedlichen Abſichten Deutſchland gegenüber finden; denn falls Rußland kriegeriſche Zwecke verfolgen ſollte, würde es gerade wünſchen die nordſchleswigiſche Frage offen zu erhalten, um in Dänemark einen Alliirten zu haben. Es iſt inzwiſchen klar daß dieſe Frage ſich nicht wird löſen laſſen ohne daß Preußen ſich ausbedingt daß Dänemark eine ähnliche Stellung zu Deutſchland einnehme wie z. B. Bayern ſeiner Zeit zum Norddeutſchen Bund. Die däniſche Regierung ſoll auf verſchiedene Weiſe indirect ihren Wunſch in Be- zug auf die definitive Ordnung der deutſch-däniſchen Gränzfrage zu erkennen ge- geben haben, man hat jedoch in Berlin derſelben mit Stillſchweigen geantwortet. Was Dänemark anbelangt, iſt dieſe Stellung demſelben im höchſten Grad unan- genehm, wie es ebenfalls ſowohl hier als in Hamburg und an andern Orten zu höchſt phantaſtiſchen Combinationen Anlaß gibt, welche die Gemüther in einer gewiſſen Spannung erhalten. Solchergeſtalt kann keine Däne nach Hamburg kom- men ohne daß dortige Freunde ihn mit dem Ausruf begrüßen: „Jetzt ſollt ihr unſer Admiralſtaat werden!“ Die Stimmung in Dänemark iſt der Art daß man faſt mit Ungeduld einer endlichen Ordnung entgegenſieht. Die däniſche Preſſe gibt Zeugniß hievon, mit alleiniger Ausnahme des „Dagblad,“ welches im napoleo- niſchen Syſtem feſtgerannt iſt, und deſſen Bedeutung — ſeiner Zeit ſehr groß — mit jedem Tag abnimmt, was durch die Abonnentenliſte in traurigſter Weiſe con ſtatirt werden ſoll, wogegen das gemäßigte Blatt „Dagstelegraphen“ es au- 15,000 Abonnenten gebracht hat. Wir können nicht umhin den jetzigen Zeitpunkf als ſehr gut gewählt zu einer definitiven Erledigung der nordſchleswigiſchen Fragt anzuſehen, gleichwie dieß in bedeutendem Grade die baltiſchen Intereſſen beidee Staaten würde fördern können. Die in Schleswig inſtallirte „internationalr Commiſſion“ läßt wohl auf ein zukünftiges Einverſtändniß der beiden Ländere ſchließen. Rußland. §§. St. Petersburg, 4 Jan. Mit großer Befriedigung nimmt unſer Publicum die Anerkennung wahr welche die Wiener Zeitungs-Preſſe in ihren be- deutenderen Organen der friedlichen Politik unſerer Regierung zollt. Offenbar betrachtet die öffentliche Meinung Oeſterreichs das als ein Glück daß nach ſo man- chen Zerwürfniſſen endlich in Bezug auf Rußland eine Aera gegenſeitiger Befrie- digung eingetreten iſt. Nur verleitet das Bewußtſein der eigenen Glückſeligkeit eine der wichtigſten Stimmen Oeſterreichs, die „N. Fr. Pr.,“ in einem ausführ- licheren Artikel (Nr. 2628) auch die Zufriedenſtellung des ruſſiſchen Volkes zu ver- langen. Das Mittel das ruſſiſche Volk ebenſo glücklich zu machen wie das öſter- reichiſche, ſoll nun die Verleihung einer Conſtitution ſein! Der „Uebergang vom ab- ſoluten Staate zum Rechtsſtaat,“ meint die „N. Fr. Pr.,“ würde als Ausdruck „natio- naler Wiedergeburt“ die Friedensverſicherungen des Czaren, „die ſonſt nur Worte bleiben,“ erſt recht dauerhaft hinſtellen „durch die politiſche Mündigſprechung des ruſſi- ſchen Volkes.“ Bei der Bedeutung der „N. Fr. Pr.“ dürften wir nicht Unrecht haben, wenn wir annehmen daß gewiß ein großer Theil des öſterreichiſchen Publicums hinter ſolcher Anſicht ſteht, und die „politiſche Mündigſprechung des ruſſiſchen Volkes“ als eine weſentliche Errungenſchaft für den Weltfrieden zu betrachten geneigt iſt. Dieſem müſſen wir durchaus widerſprechen. Wir laſſen ganz die inneren Gründe beiſeite, nach welchen unſer Volk erweislich für Verleihung einer Conſti- tution noch lange nicht reif iſt, und welche die Leſer der „Allgemeinen Zeitung“ ſich aus unſeren Berichten wohl ſelbſt mit Leichtigkeit entnehmen werden. Wir wollen vielmehr erwägen ob von der Verleihung einer Conſtitution für die äußere Politik ein Vortheil zu erwarten iſt. Der „Neuen Freien Preſſe“ und dem ganzen öſterreichiſchen Publicum iſt es zu nächſt doch um Forterhaltung des Frie- dens mit Rußland zu thun, und alles von Werth was darauf hinwirkt. Die „ruſſi- ſche Schwenkung,“ wie man das neue Verhalten des Czarenreichs zu nennen beliebt hat, iſt aber erweislich nach dem Georgenfeſte lediglich aus dem Toaſte des Kaiſers herzuleiten. Ein moraliſcher Toaſt, der ſolche Wendung bewirkt, iſt mit ſeinen gegen-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/7>, abgerufen am 21.11.2024.