Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
einen seiner Juristen unterzubringen, und er habe endlich Budgets vorgelegt die Der Vice-Admiral Vicomte de Chabannes la Palice schreibt der "Times" Die Prinzessin Ludwig von Hessen hat ihre Rückreise nach Deutschland einer Wir vernehmen, sagt "Daily News," daß das Kriegsministerium die ver- Der "Times" zufolge wird das Marinebudget für 1872/73 wahrscheinlich Das erste der von Sir William Armstrong im Auftrage des Kriegsmini- In Glasgow soll demnächst ein republicanischer Club gegründet werden. Während des am 31 März 1870 geendigten Fiscaljahrs beförderten die Frankreich. Paris, 10 Jan. * Wie das "Siecle" heute mittheilt, hat das linke Centrum über folgende Vor- Die Unterrichsfrage hat die religiöse Welt, Laien wie Geistlichkeit, in große Gestern, gegen 2 Uhr Nachmittags, ist der General Cremer in seiner Woh- Wie der "Figaro" anzeigt, ist der Deputirte des Eure-Departements, Dupont, Sechstes Kriegsgericht zu Versailles. Verhandlung gegen die Aus Nizza wird gemeldet daß der Herzog v. Persigny daselbst plötzlich von [Spaltenumbruch]
einen ſeiner Juriſten unterzubringen, und er habe endlich Budgets vorgelegt die Der Vice-Admiral Vicomte de Chabannes la Palice ſchreibt der „Times“ Die Prinzeſſin Ludwig von Heſſen hat ihre Rückreiſe nach Deutſchland einer Wir vernehmen, ſagt „Daily News,“ daß das Kriegsminiſterium die ver- Der „Times“ zufolge wird das Marinebudget für 1872/73 wahrſcheinlich Das erſte der von Sir William Armſtrong im Auftrage des Kriegsmini- In Glasgow ſoll demnächſt ein republicaniſcher Club gegründet werden. Während des am 31 März 1870 geendigten Fiscaljahrs beförderten die Frankreich. Paris, 10 Jan. * Wie das „Siècle“ heute mittheilt, hat das linke Centrum über folgende Vor- Die Unterrichsfrage hat die religiöſe Welt, Laien wie Geiſtlichkeit, in große Geſtern, gegen 2 Uhr Nachmittags, iſt der General Cremer in ſeiner Woh- Wie der „Figaro“ anzeigt, iſt der Deputirte des Eure-Departements, Dupont, Sechstes Kriegsgericht zu Verſailles. Verhandlung gegen die Aus Nizza wird gemeldet daß der Herzog v. Perſigny daſelbſt plötzlich von <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="182"/><cb/> einen ſeiner Juriſten unterzubringen, und er habe endlich Budgets vorgelegt die<lb/> excentriſch genug waren um ein minder kräftiges Land zu ruiniren. Er ſchloß<lb/> hierauf ſeine Rede, indem er eine Lanze für die Lebenslänglichkeit der Pairie brach,<lb/> und fich gegen alle ſocialiſtiſchen Phantaſtereien ausſprach die ſich auf eine Staats-<lb/> hülfe gründeten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Der Vice-Admiral Vicomte de Chabannes la Palice ſchreibt der „Times“<lb/> aus Paris unterm 6 d. betreffs der projectirten Verbindung zwiſchen Frankreich<lb/> und England: er habe ſich ſeit langem für die Frage intereſſirt, und hauptſächlich<lb/> die Gründung eines tiefen Hafens Dover gegenüber bei Cap Grisnez ins Auge<lb/> gefaßt, den eine Bahnlinie mit der Nordbahn verbinden ſolle. In einem ſolchen<lb/> Hafen und in den rieſenhaften Dampffähren beſtehe allein die Löſung des Pro-<lb/> blems. Der Hafenbau könne ins Werk geſetzt werden ſobald die Conceſſion der<lb/> franzöſiſchen Regierung eingeholt worden ſei, die Ausführung ſei leicht und keines-<lb/> wegs zu koſtſpielig. Unterdeß denkt man auch in England ernſtlich an die Sache.<lb/> — In Elswick werden Plane für ſtarke hydrauliſche Maſchinen angefertigt, welche<lb/> bei dem in Ausſicht genommenen Dampffährſyſtem zwiſchen Calais und Dover zur<lb/> Verwendung kommen ſollen. Sir William Armſtrong hat berechnet daß dieſe<lb/> Apparate im Stande ſein werden einen ganzen Zug innerhalb 4 Minuten und<lb/> 37 Secunden von dem Bahngeleiſe auf die Dampffähre zu heben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Prinzeſſin Ludwig von Heſſen hat ihre Rückreiſe nach Deutſchland einer<lb/> kleinen Unbäßlichkeit wegen abermals hinausgeſchoben, und zwar bis morgen früh,<lb/> wo ſie Windſor verlaſſen und ſich in Gravesend an Bord der kgl. Yacht „Victoria<lb/> and Albert“ einſchiffen wird. — Prinz Arthur, der dritte Sohn der Königin, wird<lb/> ſich dieſer Tage zum Beſuche beim Kronprinzen von Deutſchland nach Berlin be-<lb/> geben und auf dem Ordensfeſte mit dem Schwarzen Adler belehnt werden. Auch<lb/> Graf Bernſtorff, welcher bei Gelegenheit des letzten kronprinzlichen Beſuchs den<lb/> Schwarzen Adlerorden erhalten hatte, wird nebſt Gemahlin zum Ordensfeſte nach<lb/> Deutſchland gehen und etwa vierzehn Tage bis drei Wochen ausbleiben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Wir vernehmen, ſagt „Daily News,“ daß das Kriegsminiſterium die ver-<lb/> trauliche Veröffentlichung der Berichte verfügt hat welche von Oberſt C. C. Ches-<lb/> ney vom Ingenieurcorps auf ſeiner Rundreiſe angefertigt worden ſind. Dieſe<lb/> Reiſe hat 5 bis 6 Monate in Anſpruch genommen, welche von Oberſt Chesney<lb/> dazu benutzt wurden für die Regierung Informationen zu ſammeln über die verſchie-<lb/> denen militäriſchen Fragen auf dem Gebiete der militäriſchen Ingenieurwiſſenſchaf-<lb/> ten, und auf andern Feldern welche aus dem letzten Feldzug erwachſen ſind. Dieſe<lb/> Berichte enthalten dem Vernehmen nach nicht nur mancherlei intereſſante Einzel-<lb/> heiten über den Krieg in Frankreich, ſondern ſchließen auch die Ergebniſſe amtlicher<lb/> Beſuche in der Schweiz ein, wo Oberſt Chesney das Militärſyſtem ſtudierte, ſowie<lb/> Mittheilungen über einen militäriſchen Beſuch in Italien, wo Major Stotherd,<lb/> der dem Oberſten Chesney für ſeine Sendung beigegeben war, den Manövern bei<lb/> Verona beiwohnte. Möglicherweiſe werden die Berichte der genannten Officiere,<lb/> welche die Oſtſeehäfen gründlich unterſucht haben, ſpäter das Geheimniß aufhellen<lb/> warum die franzöſiſche Marine ſo gründlich Fiasco gemacht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Der „Times“ zufolge wird das Marinebudget für 1872/73 wahrſcheinlich<lb/> einen Poſten für Conſtruction eines Fahrzeuges enthalten deſſen Armatur aus<lb/> Torpedo-Artillerie unter der Waſſerlinie beſteht. Vor einiger Zeit, ſo ſchreibt das<lb/> genannte Blatt weiter, wurden Verſuche mit dem Whitehead’ſchen Fiſch-Torpedo<lb/> angeſtellt, unter einem Abkommen des Erfinders mit der Regierung daß er, falls<lb/> der Torpedo bei den Experimenten die von dem Erfinder gemachten Verſprechungen<lb/> erfülle, die Summe von 15,000 Pf. St. erhalte, wofür der Regierung das Recht<lb/> zuſtehe den Torpedo als Theil des nationalen Kriegsapparats zu verwenden. Bei<lb/> den Verſuchen nun entwickelte der Torpedo eine Kraft welche die vom Erfinder in<lb/> Ausſicht geſtellte noch übertraf, es wurde ihm daher die vereinbarte Summe aus-<lb/> gezahlt. Da der Bau des neuen Fahrzeuges unternommen werden wird um den<lb/> Torpedo als neue Form von See-Artillerie weiter zu erproben, dürfen wir anneh-<lb/> men daß dasſelbe als Probeſchiff von ſehr beſchränkter Dimenſion ſein wird. Die<lb/> Thatſachen daß die Experimente mit dem Torpedo ſo gut ausgefallen ſind, daß die<lb/> Regierung eine ſo bedeutende Summe dafür gezahlt hat, und daß die Admiralität<lb/> im Begriff ſtehe ein neues Schiff zu conſtruiren um ſeine Tauglichkeit als neue<lb/> unterſeeiſche Artillerie für unſere Flotten zu erproben, ſcheinen anzudeuten daß<lb/> über die erfolgreiche Verwendung desſelben in der Praxis wenig oder gar kein<lb/> Zweifel herrſcht. Sollte es ſich nun bei der Praxis herausſtellen daß ein Fahr-<lb/> zeug ſeine Batterie Torpedogeſchütze in irgendeiner gegebenen Diſtanz unter dem<lb/> Waſſerſpiegel, oder, ſagen wir, zwiſchen 7 und 12 Fuß unter ſeiner Waſſerlinie<lb/> tragen kann, dann wird die Nation einer abermaligen Reconſtruction ihrer Flotte<lb/> bedürfen. Die Panzerplatten werden auf die Rümpfe der Schiffe ausgedehnt<lb/> werden müſſen, während Ankerketten, Kohlen, Vorräthe u. ſ. w., allem Anſchein<lb/> nach dann oberhalb der Waſſerlinie verſtaut werden müſſen, etwa dort wo jetzt die<lb/> Geſchütze placirt ſind.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Das erſte der von Sir William Armſtrong im Auftrage des Kriegsmini-<lb/> ſteriums angefertigten Gatling-Geſchütze iſt im Arſenal von Woolwich eingetroffen.<lb/> Dasſelbe unterſcheidet ſich nur in einigen Einzelheiten von dem im vorvorigen Jahr<lb/> aus Amerika herübergebrachten Exemplare. Das Kaliber der Läufe iſt das<lb/> nämliche wie beim Henry-Martini-Gewehr, ſo daß die nämlichen Patronen ge-<lb/> braucht werden können; und jedes Geſchütz führt — ohne irgendwelchen Muni-<lb/> tionswagen — 3200 Stück Patronen mit ſich. Wie es heißt, ſind die Geſchütze<lb/> auserſehen an Stelle der leichten Feldſtücke auf die oberſten Decke der Kriegsſchiffe<lb/> placirt zu werden, um das Anlegen zu verhindern.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>In Glasgow ſoll demnächſt ein republicaniſcher Club gegründet werden.<lb/> Die „Conſtitution“ desſelben ſagt: der Club ſolle die Subſtituirung einer durch<lb/> und durch demokratiſchen Republik an Stelle der jetzigen monarchiſchen Regie-<lb/> rungsform, Abſchaffung einer erblichen und privilegirten Ariſtokratie und Ab-<lb/> ſchaffung einer vom Staate begünſtigten Kirche fördern und anſtreben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Während des am 31 März 1870 geendigten Fiscaljahrs beförderten die<lb/> Staatstelegraphen 9,850,177 Telegramme, während dieſes Finanzjahr (wenn<lb/> man das letzte Quartal nach den drei vorhergehenden berechnet) 12,410,726, oder<lb/> eine Zunahme von 26 Procent ergeben wird. Dafür find auch die Telegraphen-<lb/> ſtationen zwiſchen dem Februar 1870, wo die Linien in die Hände des Staats über-<lb/> giengen, von 2932 auf 5098 geſtiegen, und London allein beſitzt jetzt nicht weniger<lb/> als 361 Stationen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 10 Jan.</dateline><lb/> <p>* Wie das „Siècle“ heute mittheilt, hat das linke Centrum über folgende Vor-<lb/> ſchläge an die Nationalverſammlung berathen: 1) Die Verſammlung einzuladen<lb/> dem Proviſorium, durch den Ausſpruch daß die Republik die definitive Regierung<lb/> Frankreichs iſt, ein Ende zu machen. 2) Frankreich zwei Kammern ſtatt einer zu<lb/> geben, und 3) die gegenwärtige Verſammlung drittelweiſe zu erneuern. Die Partei-<lb/><cb/> verſammlung des linken Centrums konnte ſich jedoch nicht ſofort für Anträge von<lb/> ſolcher Wichtigkeit entſcheiden, und hat die Prüfung einer neuen Berathung, welche<lb/> am nächſten Freitag ſtattfinden ſoll, vorbehalten. Das „Siècle“ empfiehlt natürlich<lb/> dieſe Vorſchläge, welche dem Willen der Mehrheit des Landes Ausdruck geben, da<lb/> das ganze Land eine definitive Ordnung der Staatsform verlange. Wird der An-<lb/> trag, wie wohl nicht zu zweifeln iſt, eingebracht, ſo wird er die heftigſten Debatten<lb/> erregen; Ausſicht auf Annahme aber hat er bei der gegenwärtigen Zuſammenſetzung<lb/> der Mehrheit nicht, auch wenn, was noch keineswegs ſicher iſt, die Regierung und<lb/> Hr. Thiers ſich dafür ausſprechen ſollten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Unterrichsfrage hat die religiöſe Welt, Laien wie Geiſtlichkeit, in große<lb/> Aufregung gebracht. Eine Anzahl von Katholiken hat bereits ein Comité unter<lb/> dem Namen „katholiſches Comité“ gebildet. Dasſelbe hat ſich an die National-<lb/> verſammlung mit einer Petition gewendet, welche die Beibehaltung des religiöſen<lb/> Unterrichts im Primärunterricht fordert. Biſchof Dupanloup, der Vorſitzende<lb/> des zur Berathung des Unterrichtsgeſetzentwurfs niedergeſetzten Ausſchuſſes, ſchätzt<lb/> ſich in einer Zuſchrift an das Comité glücklich den Anſtrengungen desſelben Bei-<lb/> fall zollen zu können. Den Unterricht nennt er das große Schlachtfeld, gewählt<lb/> durch die gebildeten Feinde des Glaubens; hiedurch hofften ſie ſich der franzöſi-<lb/> ſchen Jugend zu bemächtigen und für den Unglauben und Skepticismus die künf-<lb/> tigen Generationen zu bilden. Nach der Zuſammenſetzung des Ausſchuſſes und<lb/> der Mehrheit der Verſammlung zu ſchließen, wird der Ultramontanismus vom<lb/> neuen Geſetze nichts zu fürchten haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Geſtern, gegen 2 Uhr Nachmittags, iſt der General Cremer in ſeiner Woh-<lb/> nung von zwei Polizei-Agenten in Civil verhaftet worden. Vor den Polizei-Prä-<lb/> feeten Renault geführt, beklagte er ſich lebhaft über dieſe Verhaftung. Der Prä-<lb/> fect erwiederte ihm: er ſelbſt ſei daran Schuld, weil er ſich auf die Vorladung des<lb/> Unterſuchungsrichters von Beaune nicht vor demſelben geſtellt habe. Cremer er-<lb/> klärte: daß ihm das Reiſegeld gefehlt habe, worauf ihn der Präfect noch an dem-<lb/> ſelben Abend mit dem Schnellzuge nach Beaune abführen ließ.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Wie der „Figaro“ anzeigt, iſt der Deputirte des Eure-Departements, Dupont,<lb/> geſtern Abends halb 10 Uhr, mitten auf dem Boulevard Montmartre, vom Schlag-<lb/> fluß befallen worden und augenblicklich verſchieden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p><hi rendition="#g">Sechstes Kriegsgericht zu Verſailles. Verhandlung gegen die<lb/> Mörder der Geiſeln.</hi> Sitzung vom 9 Jan. Man ſchreitet zum Verhör des An-<lb/> geklagten <hi rendition="#g">Picon.</hi> Derſelbe war vor der Commune bereits Gefängnißwärter in La<lb/> Roquette und hat während derſelben ſeine Functionen beibehalten. Er geſteht ein: am<lb/> 24 Mai die ihm von ſeinem Vorgeſetzten übergebenen Weiſungen weiter befördert zu<lb/> haben, aber bei den Erſchießungen, die er immer getadelt haben will, war er nicht<lb/> betheiligt. Er läugnet die Gefangenen hart behandelt zu haben. Der Genoſſe Picons,<lb/> der Mitangeklagte <hi rendition="#g">Langbein,</hi> ein bildſchöner Greis, ſcheint auch nur eine Compliſen-<lb/> rolle geſpielt zu haben; dennoch iſt er mehr compromittirt als Picon, denn man hat<lb/> bei ihm für 2000 Fr. Werthpapiere gefunden, die den Opfern abgenommen worden<lb/> waren. Langbein erklärt freilich: er habe dieſelben nur in Verwahrung genommen.<lb/> Der Mitangeklagte <hi rendition="#g">Genton,</hi> ein Mann mittleren Wuchſes, mit ſcharfen Zügen und flam-<lb/> menden Augen, ſucht die Wichtigkeit abzuſchwächen welche ihm der Anklage-Act beilegt.<lb/> Mit Vermorel und Vall<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>s ſei er ſtets gegen die Ermordung der Geiſeln geweſen. Als<lb/> er aus ſeinem Bataillon das Executions-Peloton formirte, habe er nur Zeit gewinnen<lb/> wollen. Als Ferré das Hinrichtungs-Decret unterzeichnete, war er nicht anweſend.<lb/> Am Tage nach der Erſchießung hätten ihm Vermorel und Vallès ausdrücklich geſagt<lb/> daß ſie dieſelbe mißbilligten und für ein großes Unglück hielten. Er habe ſtets dieſe<lb/> Anſicht getheilt. Er erinnert ſich nicht der Worte welche nach dem Anklage-Act Frau<lb/> La Chaiſe zu ihm geſagt in Bezug auf das 66. Bataillon, das ſchon genug blutige<lb/> Arbeit gethan habe. Genton läugnet ferner am 24 mit François gefrühſtückt zu<lb/> haben, und beruft ſich auf das Zeugniß des Mitangeklagten Ramain. Dieſes Zeugniß<lb/> wird jedoch nicht zugelaſſen, da Genton ſeit fünf Monaten Zeit genug gehabt habe ſich<lb/> mit Ramain zu verſtändigen. Genton beſtreitet ſchließlich daß er auf das Kriegsgericht,<lb/> welches die Geiſeln verurtheilte, den Einfluß ausgeübt den man ihm jetzt zuſchreiben<lb/> wolle. Der Angeklagte <hi rendition="#g">Girardot,</hi> ein Mann von 36 Jahren, der mit einem gewiſſen<lb/> Selbſtgefühl die Weiber-Blouſe trägt, war anweſend als man die Geiſeln verurtheilte;<lb/> aber er gibt vor nicht zu wiſſen ob Genton deren ſofortige Hinrichtung ausgeſprochen<lb/> habe. Man las ihm ſeine Ausſage vor dem Unterſuchungsrichter vor, welche dieſe An-<lb/> gabe enthalte. Der Angeklagte <hi rendition="#g">Grangeaud</hi> weist jede Theilnahme an den Ereig-<lb/> niſſen des 24 Mai zurück, die er erſt nach ihrer Vollziehung erfahren habe. Er habe<lb/> die Hinrichtungen allerdings vorhergeſehen und ſich deßhalb bei ſich eingeſchloſſen, da er<lb/> ſie nicht verhindern konnte. Der Angeklagte <hi rendition="#g">Latour</hi> hat in der Vorunterſuchung<lb/> behauptet daß Grangeaud und Girout der Plünderung der Leichname beigewohnt hätten.<lb/> Heute läugnet er dieß, wogegen der Mitangeklagte Ramain ihn beſchuldigt den letzten<lb/> Cadaver ſelbſt durchſucht zu haben. <hi rendition="#g">Latour</hi> behauptet: er habe nur ein Stück Papier<lb/> aus der Taſche des Pater Allard herausgezogen, und will von einem Portemonnaie,<lb/> deſſen er ſich bei dieſer Gelegenheit bemächtigt haben ſoll, nichts wiſſen. Seine Hülfe-<lb/> leiſtung bei der Veerdigung ſei ihm am folgenden Tage mit 60 Cent. vergütet worden.<lb/> Angeklagter <hi rendition="#g">Poidevin</hi> behauptet: am 24 Mai gar nicht in La Roquette geweſen zu<lb/> ſein, und am 25 ſei er nur zurückgekommen um ſein Gewehr abzugeben. Ramain<lb/> und Latour bekräftigen beide daß er weder bei der Hinrichtung noch bei der Beerdigung<lb/> anweſend war. Der Angeklagte <hi rendition="#g">Girout,</hi> welcher am 24 in La Roquette auf Wache<lb/> ſtand, will ſich geweigert haben in das Executions-Peloton einzutreten. Nach der<lb/> Hinrichtung habe Capitän Vérige ihn geweckt, damit er die Cadaver wegtragen<lb/> helfe. Er nimmt heut alles zurück was er in der Vorunterſuchung über die Beſchuldi-<lb/> gung von Grangeaud, Latour und Levain geſagt. Er hat weder geſehen noch gehört<lb/> was bei der Plünderung der Leichname vorgefallen. Die Angeklagte <hi rendition="#g">Grandel,</hi> die<lb/> Geliebte des Gefängnißdirectors François, will in keiner Weiſe bei der Ermordung<lb/> betheiligt geweſen ſein. Durch die Annahme des Pakets welches der Regiſtrator von<lb/> Petite-Roquette ihr übergeben, und das die Werthſachen der Ermordeten enthielt, glaubt<lb/> ſie keinen Diebſtahl begangen zu haben. Sie habe es nicht einmal geöffnet und es am<lb/> folgenden Tage dem Greffier zurückgegeben, damit es verbrannt werde. Sie beſtreitet<lb/> ferner Geld behufs des Ankaufs von Petroleum vertheilt zu haben. Schließlich erzählt die<lb/> Frau <hi rendition="#g">La Chaiſe</hi> nach ihrer Weiſe die Ereigniſſe des 24 Mai. Sie wohnte der Sitzung<lb/> des Kriegsgerichts in der Mairie des 11. Arrondiſſements bei, und bemerkte daß Genton<lb/> die Angeklagten daſelbſt wie ein Unterſuchungsrichter befragte. Als ſie ſpäter für die<lb/> Geiſeln zu interveniren verſuchte, ſtieß man ſie mit den Worten zurück: „Die Weiber<lb/> haben hier nichts zu ſuchen!“ Dennoch gelang es ihr, wie dieß der Anklage-Act<lb/> zugibt, einige Mann des 66. Bataillons vom Dienſt im Hinrichtungs-Peloton zu<lb/> befreien.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Aus <hi rendition="#g">Nizza</hi> wird gemeldet daß der Herzog v. Perſigny daſelbſt plötzlich von<lb/> einem Rückenmarksleiden ergriffen worden ſei, welches das Schlimmſte befürchten<lb/> laſſe. Man habe ſofort an ſeine Gemahlin telegraphirt, die ſich in dieſem Augen-<lb/> blick in Aegypten befinde. Der Herzog wird von ſeiner Tochter und dem bekannten<lb/> Baron Stoffel begleitet.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0006]
einen ſeiner Juriſten unterzubringen, und er habe endlich Budgets vorgelegt die
excentriſch genug waren um ein minder kräftiges Land zu ruiniren. Er ſchloß
hierauf ſeine Rede, indem er eine Lanze für die Lebenslänglichkeit der Pairie brach,
und fich gegen alle ſocialiſtiſchen Phantaſtereien ausſprach die ſich auf eine Staats-
hülfe gründeten.
Der Vice-Admiral Vicomte de Chabannes la Palice ſchreibt der „Times“
aus Paris unterm 6 d. betreffs der projectirten Verbindung zwiſchen Frankreich
und England: er habe ſich ſeit langem für die Frage intereſſirt, und hauptſächlich
die Gründung eines tiefen Hafens Dover gegenüber bei Cap Grisnez ins Auge
gefaßt, den eine Bahnlinie mit der Nordbahn verbinden ſolle. In einem ſolchen
Hafen und in den rieſenhaften Dampffähren beſtehe allein die Löſung des Pro-
blems. Der Hafenbau könne ins Werk geſetzt werden ſobald die Conceſſion der
franzöſiſchen Regierung eingeholt worden ſei, die Ausführung ſei leicht und keines-
wegs zu koſtſpielig. Unterdeß denkt man auch in England ernſtlich an die Sache.
— In Elswick werden Plane für ſtarke hydrauliſche Maſchinen angefertigt, welche
bei dem in Ausſicht genommenen Dampffährſyſtem zwiſchen Calais und Dover zur
Verwendung kommen ſollen. Sir William Armſtrong hat berechnet daß dieſe
Apparate im Stande ſein werden einen ganzen Zug innerhalb 4 Minuten und
37 Secunden von dem Bahngeleiſe auf die Dampffähre zu heben.
Die Prinzeſſin Ludwig von Heſſen hat ihre Rückreiſe nach Deutſchland einer
kleinen Unbäßlichkeit wegen abermals hinausgeſchoben, und zwar bis morgen früh,
wo ſie Windſor verlaſſen und ſich in Gravesend an Bord der kgl. Yacht „Victoria
and Albert“ einſchiffen wird. — Prinz Arthur, der dritte Sohn der Königin, wird
ſich dieſer Tage zum Beſuche beim Kronprinzen von Deutſchland nach Berlin be-
geben und auf dem Ordensfeſte mit dem Schwarzen Adler belehnt werden. Auch
Graf Bernſtorff, welcher bei Gelegenheit des letzten kronprinzlichen Beſuchs den
Schwarzen Adlerorden erhalten hatte, wird nebſt Gemahlin zum Ordensfeſte nach
Deutſchland gehen und etwa vierzehn Tage bis drei Wochen ausbleiben.
Wir vernehmen, ſagt „Daily News,“ daß das Kriegsminiſterium die ver-
trauliche Veröffentlichung der Berichte verfügt hat welche von Oberſt C. C. Ches-
ney vom Ingenieurcorps auf ſeiner Rundreiſe angefertigt worden ſind. Dieſe
Reiſe hat 5 bis 6 Monate in Anſpruch genommen, welche von Oberſt Chesney
dazu benutzt wurden für die Regierung Informationen zu ſammeln über die verſchie-
denen militäriſchen Fragen auf dem Gebiete der militäriſchen Ingenieurwiſſenſchaf-
ten, und auf andern Feldern welche aus dem letzten Feldzug erwachſen ſind. Dieſe
Berichte enthalten dem Vernehmen nach nicht nur mancherlei intereſſante Einzel-
heiten über den Krieg in Frankreich, ſondern ſchließen auch die Ergebniſſe amtlicher
Beſuche in der Schweiz ein, wo Oberſt Chesney das Militärſyſtem ſtudierte, ſowie
Mittheilungen über einen militäriſchen Beſuch in Italien, wo Major Stotherd,
der dem Oberſten Chesney für ſeine Sendung beigegeben war, den Manövern bei
Verona beiwohnte. Möglicherweiſe werden die Berichte der genannten Officiere,
welche die Oſtſeehäfen gründlich unterſucht haben, ſpäter das Geheimniß aufhellen
warum die franzöſiſche Marine ſo gründlich Fiasco gemacht.
Der „Times“ zufolge wird das Marinebudget für 1872/73 wahrſcheinlich
einen Poſten für Conſtruction eines Fahrzeuges enthalten deſſen Armatur aus
Torpedo-Artillerie unter der Waſſerlinie beſteht. Vor einiger Zeit, ſo ſchreibt das
genannte Blatt weiter, wurden Verſuche mit dem Whitehead’ſchen Fiſch-Torpedo
angeſtellt, unter einem Abkommen des Erfinders mit der Regierung daß er, falls
der Torpedo bei den Experimenten die von dem Erfinder gemachten Verſprechungen
erfülle, die Summe von 15,000 Pf. St. erhalte, wofür der Regierung das Recht
zuſtehe den Torpedo als Theil des nationalen Kriegsapparats zu verwenden. Bei
den Verſuchen nun entwickelte der Torpedo eine Kraft welche die vom Erfinder in
Ausſicht geſtellte noch übertraf, es wurde ihm daher die vereinbarte Summe aus-
gezahlt. Da der Bau des neuen Fahrzeuges unternommen werden wird um den
Torpedo als neue Form von See-Artillerie weiter zu erproben, dürfen wir anneh-
men daß dasſelbe als Probeſchiff von ſehr beſchränkter Dimenſion ſein wird. Die
Thatſachen daß die Experimente mit dem Torpedo ſo gut ausgefallen ſind, daß die
Regierung eine ſo bedeutende Summe dafür gezahlt hat, und daß die Admiralität
im Begriff ſtehe ein neues Schiff zu conſtruiren um ſeine Tauglichkeit als neue
unterſeeiſche Artillerie für unſere Flotten zu erproben, ſcheinen anzudeuten daß
über die erfolgreiche Verwendung desſelben in der Praxis wenig oder gar kein
Zweifel herrſcht. Sollte es ſich nun bei der Praxis herausſtellen daß ein Fahr-
zeug ſeine Batterie Torpedogeſchütze in irgendeiner gegebenen Diſtanz unter dem
Waſſerſpiegel, oder, ſagen wir, zwiſchen 7 und 12 Fuß unter ſeiner Waſſerlinie
tragen kann, dann wird die Nation einer abermaligen Reconſtruction ihrer Flotte
bedürfen. Die Panzerplatten werden auf die Rümpfe der Schiffe ausgedehnt
werden müſſen, während Ankerketten, Kohlen, Vorräthe u. ſ. w., allem Anſchein
nach dann oberhalb der Waſſerlinie verſtaut werden müſſen, etwa dort wo jetzt die
Geſchütze placirt ſind.
Das erſte der von Sir William Armſtrong im Auftrage des Kriegsmini-
ſteriums angefertigten Gatling-Geſchütze iſt im Arſenal von Woolwich eingetroffen.
Dasſelbe unterſcheidet ſich nur in einigen Einzelheiten von dem im vorvorigen Jahr
aus Amerika herübergebrachten Exemplare. Das Kaliber der Läufe iſt das
nämliche wie beim Henry-Martini-Gewehr, ſo daß die nämlichen Patronen ge-
braucht werden können; und jedes Geſchütz führt — ohne irgendwelchen Muni-
tionswagen — 3200 Stück Patronen mit ſich. Wie es heißt, ſind die Geſchütze
auserſehen an Stelle der leichten Feldſtücke auf die oberſten Decke der Kriegsſchiffe
placirt zu werden, um das Anlegen zu verhindern.
In Glasgow ſoll demnächſt ein republicaniſcher Club gegründet werden.
Die „Conſtitution“ desſelben ſagt: der Club ſolle die Subſtituirung einer durch
und durch demokratiſchen Republik an Stelle der jetzigen monarchiſchen Regie-
rungsform, Abſchaffung einer erblichen und privilegirten Ariſtokratie und Ab-
ſchaffung einer vom Staate begünſtigten Kirche fördern und anſtreben.
Während des am 31 März 1870 geendigten Fiscaljahrs beförderten die
Staatstelegraphen 9,850,177 Telegramme, während dieſes Finanzjahr (wenn
man das letzte Quartal nach den drei vorhergehenden berechnet) 12,410,726, oder
eine Zunahme von 26 Procent ergeben wird. Dafür find auch die Telegraphen-
ſtationen zwiſchen dem Februar 1870, wo die Linien in die Hände des Staats über-
giengen, von 2932 auf 5098 geſtiegen, und London allein beſitzt jetzt nicht weniger
als 361 Stationen.
Frankreich.
Paris, 10 Jan.
* Wie das „Siècle“ heute mittheilt, hat das linke Centrum über folgende Vor-
ſchläge an die Nationalverſammlung berathen: 1) Die Verſammlung einzuladen
dem Proviſorium, durch den Ausſpruch daß die Republik die definitive Regierung
Frankreichs iſt, ein Ende zu machen. 2) Frankreich zwei Kammern ſtatt einer zu
geben, und 3) die gegenwärtige Verſammlung drittelweiſe zu erneuern. Die Partei-
verſammlung des linken Centrums konnte ſich jedoch nicht ſofort für Anträge von
ſolcher Wichtigkeit entſcheiden, und hat die Prüfung einer neuen Berathung, welche
am nächſten Freitag ſtattfinden ſoll, vorbehalten. Das „Siècle“ empfiehlt natürlich
dieſe Vorſchläge, welche dem Willen der Mehrheit des Landes Ausdruck geben, da
das ganze Land eine definitive Ordnung der Staatsform verlange. Wird der An-
trag, wie wohl nicht zu zweifeln iſt, eingebracht, ſo wird er die heftigſten Debatten
erregen; Ausſicht auf Annahme aber hat er bei der gegenwärtigen Zuſammenſetzung
der Mehrheit nicht, auch wenn, was noch keineswegs ſicher iſt, die Regierung und
Hr. Thiers ſich dafür ausſprechen ſollten.
Die Unterrichsfrage hat die religiöſe Welt, Laien wie Geiſtlichkeit, in große
Aufregung gebracht. Eine Anzahl von Katholiken hat bereits ein Comité unter
dem Namen „katholiſches Comité“ gebildet. Dasſelbe hat ſich an die National-
verſammlung mit einer Petition gewendet, welche die Beibehaltung des religiöſen
Unterrichts im Primärunterricht fordert. Biſchof Dupanloup, der Vorſitzende
des zur Berathung des Unterrichtsgeſetzentwurfs niedergeſetzten Ausſchuſſes, ſchätzt
ſich in einer Zuſchrift an das Comité glücklich den Anſtrengungen desſelben Bei-
fall zollen zu können. Den Unterricht nennt er das große Schlachtfeld, gewählt
durch die gebildeten Feinde des Glaubens; hiedurch hofften ſie ſich der franzöſi-
ſchen Jugend zu bemächtigen und für den Unglauben und Skepticismus die künf-
tigen Generationen zu bilden. Nach der Zuſammenſetzung des Ausſchuſſes und
der Mehrheit der Verſammlung zu ſchließen, wird der Ultramontanismus vom
neuen Geſetze nichts zu fürchten haben.
Geſtern, gegen 2 Uhr Nachmittags, iſt der General Cremer in ſeiner Woh-
nung von zwei Polizei-Agenten in Civil verhaftet worden. Vor den Polizei-Prä-
feeten Renault geführt, beklagte er ſich lebhaft über dieſe Verhaftung. Der Prä-
fect erwiederte ihm: er ſelbſt ſei daran Schuld, weil er ſich auf die Vorladung des
Unterſuchungsrichters von Beaune nicht vor demſelben geſtellt habe. Cremer er-
klärte: daß ihm das Reiſegeld gefehlt habe, worauf ihn der Präfect noch an dem-
ſelben Abend mit dem Schnellzuge nach Beaune abführen ließ.
Wie der „Figaro“ anzeigt, iſt der Deputirte des Eure-Departements, Dupont,
geſtern Abends halb 10 Uhr, mitten auf dem Boulevard Montmartre, vom Schlag-
fluß befallen worden und augenblicklich verſchieden.
Sechstes Kriegsgericht zu Verſailles. Verhandlung gegen die
Mörder der Geiſeln. Sitzung vom 9 Jan. Man ſchreitet zum Verhör des An-
geklagten Picon. Derſelbe war vor der Commune bereits Gefängnißwärter in La
Roquette und hat während derſelben ſeine Functionen beibehalten. Er geſteht ein: am
24 Mai die ihm von ſeinem Vorgeſetzten übergebenen Weiſungen weiter befördert zu
haben, aber bei den Erſchießungen, die er immer getadelt haben will, war er nicht
betheiligt. Er läugnet die Gefangenen hart behandelt zu haben. Der Genoſſe Picons,
der Mitangeklagte Langbein, ein bildſchöner Greis, ſcheint auch nur eine Compliſen-
rolle geſpielt zu haben; dennoch iſt er mehr compromittirt als Picon, denn man hat
bei ihm für 2000 Fr. Werthpapiere gefunden, die den Opfern abgenommen worden
waren. Langbein erklärt freilich: er habe dieſelben nur in Verwahrung genommen.
Der Mitangeklagte Genton, ein Mann mittleren Wuchſes, mit ſcharfen Zügen und flam-
menden Augen, ſucht die Wichtigkeit abzuſchwächen welche ihm der Anklage-Act beilegt.
Mit Vermorel und Vall_s ſei er ſtets gegen die Ermordung der Geiſeln geweſen. Als
er aus ſeinem Bataillon das Executions-Peloton formirte, habe er nur Zeit gewinnen
wollen. Als Ferré das Hinrichtungs-Decret unterzeichnete, war er nicht anweſend.
Am Tage nach der Erſchießung hätten ihm Vermorel und Vallès ausdrücklich geſagt
daß ſie dieſelbe mißbilligten und für ein großes Unglück hielten. Er habe ſtets dieſe
Anſicht getheilt. Er erinnert ſich nicht der Worte welche nach dem Anklage-Act Frau
La Chaiſe zu ihm geſagt in Bezug auf das 66. Bataillon, das ſchon genug blutige
Arbeit gethan habe. Genton läugnet ferner am 24 mit François gefrühſtückt zu
haben, und beruft ſich auf das Zeugniß des Mitangeklagten Ramain. Dieſes Zeugniß
wird jedoch nicht zugelaſſen, da Genton ſeit fünf Monaten Zeit genug gehabt habe ſich
mit Ramain zu verſtändigen. Genton beſtreitet ſchließlich daß er auf das Kriegsgericht,
welches die Geiſeln verurtheilte, den Einfluß ausgeübt den man ihm jetzt zuſchreiben
wolle. Der Angeklagte Girardot, ein Mann von 36 Jahren, der mit einem gewiſſen
Selbſtgefühl die Weiber-Blouſe trägt, war anweſend als man die Geiſeln verurtheilte;
aber er gibt vor nicht zu wiſſen ob Genton deren ſofortige Hinrichtung ausgeſprochen
habe. Man las ihm ſeine Ausſage vor dem Unterſuchungsrichter vor, welche dieſe An-
gabe enthalte. Der Angeklagte Grangeaud weist jede Theilnahme an den Ereig-
niſſen des 24 Mai zurück, die er erſt nach ihrer Vollziehung erfahren habe. Er habe
die Hinrichtungen allerdings vorhergeſehen und ſich deßhalb bei ſich eingeſchloſſen, da er
ſie nicht verhindern konnte. Der Angeklagte Latour hat in der Vorunterſuchung
behauptet daß Grangeaud und Girout der Plünderung der Leichname beigewohnt hätten.
Heute läugnet er dieß, wogegen der Mitangeklagte Ramain ihn beſchuldigt den letzten
Cadaver ſelbſt durchſucht zu haben. Latour behauptet: er habe nur ein Stück Papier
aus der Taſche des Pater Allard herausgezogen, und will von einem Portemonnaie,
deſſen er ſich bei dieſer Gelegenheit bemächtigt haben ſoll, nichts wiſſen. Seine Hülfe-
leiſtung bei der Veerdigung ſei ihm am folgenden Tage mit 60 Cent. vergütet worden.
Angeklagter Poidevin behauptet: am 24 Mai gar nicht in La Roquette geweſen zu
ſein, und am 25 ſei er nur zurückgekommen um ſein Gewehr abzugeben. Ramain
und Latour bekräftigen beide daß er weder bei der Hinrichtung noch bei der Beerdigung
anweſend war. Der Angeklagte Girout, welcher am 24 in La Roquette auf Wache
ſtand, will ſich geweigert haben in das Executions-Peloton einzutreten. Nach der
Hinrichtung habe Capitän Vérige ihn geweckt, damit er die Cadaver wegtragen
helfe. Er nimmt heut alles zurück was er in der Vorunterſuchung über die Beſchuldi-
gung von Grangeaud, Latour und Levain geſagt. Er hat weder geſehen noch gehört
was bei der Plünderung der Leichname vorgefallen. Die Angeklagte Grandel, die
Geliebte des Gefängnißdirectors François, will in keiner Weiſe bei der Ermordung
betheiligt geweſen ſein. Durch die Annahme des Pakets welches der Regiſtrator von
Petite-Roquette ihr übergeben, und das die Werthſachen der Ermordeten enthielt, glaubt
ſie keinen Diebſtahl begangen zu haben. Sie habe es nicht einmal geöffnet und es am
folgenden Tage dem Greffier zurückgegeben, damit es verbrannt werde. Sie beſtreitet
ferner Geld behufs des Ankaufs von Petroleum vertheilt zu haben. Schließlich erzählt die
Frau La Chaiſe nach ihrer Weiſe die Ereigniſſe des 24 Mai. Sie wohnte der Sitzung
des Kriegsgerichts in der Mairie des 11. Arrondiſſements bei, und bemerkte daß Genton
die Angeklagten daſelbſt wie ein Unterſuchungsrichter befragte. Als ſie ſpäter für die
Geiſeln zu interveniren verſuchte, ſtieß man ſie mit den Worten zurück: „Die Weiber
haben hier nichts zu ſuchen!“ Dennoch gelang es ihr, wie dieß der Anklage-Act
zugibt, einige Mann des 66. Bataillons vom Dienſt im Hinrichtungs-Peloton zu
befreien.
Aus Nizza wird gemeldet daß der Herzog v. Perſigny daſelbſt plötzlich von
einem Rückenmarksleiden ergriffen worden ſei, welches das Schlimmſte befürchten
laſſe. Man habe ſofort an ſeine Gemahlin telegraphirt, die ſich in dieſem Augen-
blick in Aegypten befinde. Der Herzog wird von ſeiner Tochter und dem bekannten
Baron Stoffel begleitet.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |