Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 15 Montag, den 14. Januar 1924 [Spaltenumbruch]
wenn es durch die Weltlage, zu der auch Dann hätte Frankreich den Besonders beachtenswert ist auch immer Es ist ja immerhin erfreulich, daß die Die Stellung Deutschlands ist Würde sie außerdem die Notwendigkeit der Freilich Vorschläge schlechthin Deshalb keine Vorschläge ohne Fascismus und Hakenkreuz Innsbrucker Brief. In grandiosen und in weniger imponierenden Soweit ist das alles gut zu ertragen, und die In Rom kommt man von diesen Bravourerien Davon hat der Nationalsozialismus Dieses Stück Korruption wird Oesterreich eli- Deutsche Städtevertreter in Wien * Wien, 12. Jan.Eine Abordnung der Teilneh- Er dankte für den Besuch und gab der Ver- Oberbürgermeister Wißloff dankte für den Militär und Presse Dresden, 12. Jan. In seiner gestrigen Rede Es bereite ihm besondere Freude, gerade die Der Vertreter einer holländischen Zeitung Abends versammelten sich die Gäste im Foyer Die Tätigkeit des Sparkommissars Berlin, 12. Jan.Über die Tätigkeit und die Er- Beamtenabbau und Siedelung Der preußische Landtagsabgeordnete Graf Al- In dem Schreiben des für diese Fragen als sehr Die Länder sind im Besitz großer zur Siede- Graf Stolberg bemerkt zum Schluß, daß er [Spaltenumbruch] Die Frau in der Politik Ich bin gebeten worden, über dieses Thema mich Diese Dinge tragen alle -- es läßt sich nicht Laßt uns scherzhaft sein. Es ist heute das Beste. Schon von so altersgrauen Damen her, wie Nicht der Zusammenbruch dieses oder jenes Ich will uns nicht beschönigen. Wir sind noch Laßt uns scherzhaft sein. Es ist heute unsere Ende 1916, als in Deutschland die Lebensmittel Das Ende war kraß. Die Köchin, welche auf Warum ich dies erzähle? -- im Hinblick des so Neue Architektur Auf die "Eingabspläne" Gärtners zum Wittels- Das neue Haus der Diskonto-Gesell- Städtebaulich interessiert natürlich vor allem War es ein Feigenblatt? In der Wiener Volks- Das paradiesische Kostüm der Eva war seiner Mei- Allgemeine Zeitung. Nr. 15 Montag, den 14. Januar 1924 [Spaltenumbruch]
wenn es durch die Weltlage, zu der auch Dann hätte Frankreich den Beſonders beachtenswert iſt auch immer Es iſt ja immerhin erfreulich, daß die Die Stellung Deutſchlands iſt Würde ſie außerdem die Notwendigkeit der Freilich Vorſchläge ſchlechthin Deshalb keine Vorſchläge ohne Faſcismus und Hakenkreuz Innsbrucker Brief. In grandioſen und in weniger imponierenden Soweit iſt das alles gut zu ertragen, und die In Rom kommt man von dieſen Bravourerien Davon hat der Nationalſozialismus Dieſes Stück Korruption wird Oeſterreich eli- Deutſche Städtevertreter in Wien * Wien, 12. Jan.Eine Abordnung der Teilneh- Er dankte für den Beſuch und gab der Ver- Oberbürgermeiſter Wißloff dankte für den Militär und Preſſe Dresden, 12. Jan. In ſeiner geſtrigen Rede Es bereite ihm beſondere Freude, gerade die Der Vertreter einer holländiſchen Zeitung Abends verſammelten ſich die Gäſte im Foyer Die Tätigkeit des Sparkommiſſars Berlin, 12. Jan.Über die Tätigkeit und die Er- Beamtenabbau und Siedelung Der preußiſche Landtagsabgeordnete Graf Al- In dem Schreiben des für dieſe Fragen als ſehr Die Länder ſind im Beſitz großer zur Siede- Graf Stolberg bemerkt zum Schluß, daß er [Spaltenumbruch] Die Frau in der Politik Ich bin gebeten worden, über dieſes Thema mich Dieſe Dinge tragen alle — es läßt ſich nicht Laßt uns ſcherzhaft ſein. Es iſt heute das Beſte. Schon von ſo altersgrauen Damen her, wie Nicht der Zuſammenbruch dieſes oder jenes Ich will uns nicht beſchönigen. Wir ſind noch Laßt uns ſcherzhaft ſein. Es iſt heute unſere Ende 1916, als in Deutſchland die Lebensmittel Das Ende war kraß. Die Köchin, welche auf Warum ich dies erzähle? — im Hinblick des ſo Neue Architektur Auf die „Eingabspläne“ Gärtners zum Wittels- Das neue Haus der Diskonto-Geſell- Städtebaulich intereſſiert natürlich vor allem War es ein Feigenblatt? In der Wiener Volks- Das paradieſiſche Koſtüm der Eva war ſeiner Mei- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0002" n="Seite 2[2]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> Nr. 15 Montag, den 14. Januar 1924</hi> </fw><lb/> <cb/> <p>wenn es durch die Weltlage, zu der auch<lb/> Deutſchland durch geſchickte Politik beitra-<lb/> gen kann, gezwungen würde, ſeine wahre<lb/> Politik der Eroberung preiszugeben und an<lb/> ihrer Stelle eine wirkliche <hi rendition="#g">Politik der<lb/> Reparation</hi> treten laſſen müßte, die<lb/> von geſunden, auch für Deutſchland <hi rendition="#g">er-<lb/> träglichen</hi> Wirtſchaftsgrundſätzen ge-<lb/> tragen wäre.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Dann hätte Frankreich den<lb/> Krieg verloren.</hi> Das weiß <hi rendition="#g">Poin-<lb/> caré</hi> und deshalb ſeine ſcheinheilige Tak-<lb/> tik. Aber Poincaré iſt zäh und ſo leicht<lb/> läßt er ſich nicht von ſeinem Ziele abbrin-<lb/> gen. Deshalb iſt auch die Note, man mag<lb/> ſie ſonſt beurteilen wie man will, wieder<lb/> nur eine weitere <hi rendition="#g">Etappe</hi> auf dem lang-<lb/> ſamen Wege zur <hi rendition="#g">neuen deutſchen<lb/> Freiheit.</hi></p><lb/> <p>Beſonders beachtenswert iſt auch immer<lb/> die Rolle, die <hi rendition="#g">Belgien</hi> dabei zugeteilt<lb/> wird. Belgien iſt ja ſchließlich von dem<lb/> ganzen Ruhrverbrechen noch etwas ſtärker<lb/> berührt, ſchon weil es <hi rendition="#g">näher daran</hi> iſt<lb/> und die wirtſchaftlichen Beziehungen ſtär-<lb/> kere waren. Belgien hat daher in der letz-<lb/> ten Zeit immer <hi rendition="#g">etwas höflicher</hi> ſchrei-<lb/> ben dürfen im Verkehr mit dem Boche. Und<lb/> auch bei dieſer Note hört man ja wieder, daß<lb/> die belgiſche Antwort in Ton und Form an-<lb/> ſtändiger ſei wie die franzöſiſche.</p><lb/> <p>Es iſt ja immerhin erfreulich, daß die<lb/> Formen des internationaleu Verkehrs<lb/> wenigſtens von den <hi rendition="#g">kleineren</hi> Völkern<lb/> wieder etwas mehr gepflegt werden. Die<lb/> großen, oder gar <hi rendition="#g">Frankreich</hi> haben das<lb/> ja noch nicht ſo nötig.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Stellung Deutſchlands</hi> iſt<lb/> klar. Wenn dieſe mündlichen Erklärungen<lb/> zur Note <hi rendition="#g">ernſt</hi> gemeint wären, wohinter<lb/> wir <hi rendition="#g">zum Schutze gegen weitere<lb/> Enttäuſchungen</hi> ein recht großes Fra-<lb/> gezeichen machen möchten, dann kann die<lb/> Reichsregierung auf ihre ſchon <hi rendition="#g">wieder-<lb/> holt</hi> gemachten Anerbieten verweiſen.</p><lb/> <p>Würde ſie außerdem die Notwendigkeit der<lb/><hi rendition="#g">endgültigen Feſtſetzung einer<lb/> erträglichen Reparationsſum-<lb/> me</hi> und damit im Zuſammenhang die Not-<lb/> wendigkeit einer <hi rendition="#g">internationalen<lb/> Anleihe</hi> für Deutſchland beſonders be-<lb/> tonen, ſo müßte das böswillige Geſchwätz<lb/> vom böswilligen Schuldner endlich ver-<lb/> ſtummen.</p><lb/> <p>Freilich <hi rendition="#g">Vorſchläge ſchlechthin</hi><lb/> darf Deutſchland heute <hi rendition="#g">nicht</hi> machen. Wir<lb/> müſſen unſere <hi rendition="#g">Bedingungen</hi> ſtellen.<lb/> Man hat uns Unrecht getan, man hat <hi rendition="#g">deut-<lb/> ſches Eigentum</hi> mitten im Frieden ge-<lb/> raubt, hat deutſche Volksgenoſſen aus ihrer<lb/> Heimat vertrieben und ſie in franzöſiſche<lb/> Kerker verſchleppt, hat friedliche arbeitſame<lb/> Bürger mit Peitſche und Bajonetten trak-<lb/> tiert —, deshalb iſt uns gewiß kein mate-<lb/> rielles Opfer zu groß, die <hi rendition="#g">deutſche<lb/> Freiheit</hi> wiederzugewinnen, aber <hi rendition="#g">ſinn-<lb/> loſe Opfer,</hi> die ihren Zweck doch nicht<lb/> erreichen, <hi rendition="#g">wollen wir nicht bringen.</hi></p><lb/> <p>Deshalb <hi rendition="#g">keine Vorſchläge ohne<lb/> Bedingungen!</hi></p><lb/> <cb/> </div> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Faſcismus und Hakenkreuz</hi> </head><lb/> <argument> <p><hi rendition="#b">Innsbrucker</hi> Brief.</p> </argument><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Dr. <hi rendition="#g">Bruno Altmann</hi></hi> </byline><lb/> <p>In grandioſen und in weniger imponierenden<lb/> Aeußerlichkeiten merkt man hier italieniſche Nähe.<lb/> Innsbruck und ſein Hinterland iſt ſozuſagen ein<lb/> Vorhof von Italien. Landſchaft und Bauart ge-<lb/> hen allmählich in den italieniſchen Stil über,<lb/> man hört viel italieniſch ſprechen, und ein Teil<lb/> der öſterreichiſchen Bevölkerung verſteht ſich auf<lb/> die Sprache des ſüdlichen Nachbars.</p><lb/> <p>Soweit iſt das alles gut zu ertragen, und die<lb/> Nordtiroler haben auch mit den Italienern ihren<lb/> modus vivendi gefunden. Ein paar Meilen weiter<lb/> beginnt die <hi rendition="#g">Irredenta,</hi> und da zeigt der <hi rendition="#g">Faſ-<lb/> cismus</hi> ſeine Zähne. Was für harmloſe Wai-<lb/> ſenknaben waren doch die kaiſerlich deutſchen<lb/> Machthaber von ehemals in ihrer Verdeutſchungs-<lb/> politik gegenüber Lothringern, Dänen und Polen<lb/> im Vergleich zu den faſciſtiſchen Methoden, die<lb/> angegliederten Gebiete reſtlos und Hals über<lb/> Kopf zu italieniſieren! Eine radikale Auswei-<lb/> ſungspraxis beſeitigt nach und nach alle Bevölke-<lb/> rungselemente, die nicht ſchon Jahr und Tag in<lb/> den abgetretenen Gebieten wohnen. Beamte und<lb/> Lehrer öſterreichiſcher Herkunft ſind bis auf einen<lb/> kleinſten Reſt durch itaheniſche Kollegen erſetzt,<lb/> Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken erhält<lb/> kein deutſcher oder öſterreichiſcher Staatsbürger,<lb/> wofern noch ein Italiener dieſer Gegend in dem<lb/> gleichen Erwerbszweig Beſchäftigung ſucht. Ganz<lb/> ſchlimm ergeht es Leuten, die in den Verdacht ir-<lb/> redentiſtiſcher Propaganda kommen. Das erſte iſt<lb/> ihre Verhaftung. Gewöhnlich ſind faſciſtiſche<lb/> Trupps zugegen und nötigen den in Ketten ge-<lb/> legten Arreſtanten ein Fläſchchen Rhizinus zu<lb/> leeren. Die verhaftenden Karabinieri pflegen,<lb/> ſoweit ſich das mit ihren Vorſchriften verträgt,<lb/> milde umzugehen. In ein paar Stunden, tröſten<lb/> ſie den Feſtgenommenen, wird der Zwiſchenfall<lb/> erledigt ſein. Der Unglückliche wartet ebenſoviele<lb/> Tage, aber noch hat er keine Gelegenheit, ſich in<lb/> einem Verhör zu rechtfertigen. Der Verkehr mit<lb/> ſeiner konſulariſchen Behörde wird ihm unter-<lb/> ſagt. Nach etwa acht Tagen ſagt man ihm die<lb/> Wahrheit: die Erledigung ſeines Falles ginge<lb/> nicht ſo ſchnell, die Akten würden erſt nach Rom<lb/> geſchickt, und von dort bekomme man Weiſung,<lb/> was zu tun ſei. Wenn die Sache gut abgeht, ſitzt<lb/> der Arreſtant ſeine fünf bis ſechs Wochen, ehe<lb/> er verhört wird; ich kenne Leute, die neunzig<lb/> Tage auf ihre erſte Vernehmung gewartet ha-<lb/> ben. Eine Denunziation kann jedem Richtita-<lb/> liener alle dieſe Ungeheuerlichkeiten verſchaffen,<lb/> und ſelbſtverſtändlich iſt die Denunziation an<lb/> der Tagesordnung.</p><lb/> <p>In Rom kommt man von dieſen Bravourerien<lb/> der faſciſtiſchen Angliederungspolitik allmählich<lb/> ab. Auf die Intervention öſterreichiſcher Frauen,<lb/> welche von Engländerinnen und Amerikanerin-<lb/> nen unterſtützt war, hat ſich der Kultusminiſter<lb/> zur Zulaſſung des Unterrichts in deutſcher Spra-<lb/> che bereit erklärt; der Innenminiſter hat die Zu-<lb/> rücknahme der ſchärfſten Aufſichtsverfügungen<lb/> angeordnet. Nun zeigte ſich hier aber eine ähn-<lb/> liche Entwicklung der Machtverhältniſſe, wie ſie<lb/> in Rußland von allen Reiſenden geſchildert wird:<lb/> die eigentliche Gewalt liegt weniger innerhalb<lb/> der Zentralleitung, als bei den lokalen Amts-<lb/> größen. Die Muſſolini, Finzi uſw. können viel<lb/> verfügen, es geſchieht <hi rendition="#g">das,</hi> was in den Städten<lb/> und Dörfern die Polizeihauptleute wollen. Da-<lb/> bei geht ein geradezu „dialektiſcher Prozeß“ vor<lb/> ſich. Die Zentralmachthaber müſſen, ſofern ſie<lb/> eine Revolution an die Spitze gebracht hat, im-<lb/> mer ſehr viel von ihren Programmpunkten nach-<lb/> laſſen. Wieviel haben nicht Lenin dort und Muſ-<lb/> ſolini hier von ihren Prinzipien preisgegeben,<lb/> jener im ſozialen Innenprogramm, dieſer in der<lb/> Außenpolitik! Die nachgeordneten Amtsperſonen,<lb/> welche zu ihren Poſten auf Grund des urſprüng-<lb/> lichen Programms gekommen ſind, können ſich<lb/> den Luxus geſtatten, bei dieſen Grundſätzen zu<lb/> bleiben. Auf dieſe Weiſe regieren die Diſtrikts-<lb/> größen in Rußland bolſchewiſtiſcher als Lenin,<lb/> und die Ortsmachthaber im ticoliſchen Italien<lb/> faſciſtiſchen als Muſſolini. Dabei entſteht ſehr leicht<lb/><cb/> politiſche Gegnerſchaft zwiſchen den vom ur-<lb/> ſprünglichen Programm abgegangenen Zentral-<lb/> machthabern und den ſtandhaft gebliebenen Un-<lb/> terbeamten. Kommt nun eine Verordnung her-<lb/> aus, wie diejenige des italieniſchen Kultusmini-<lb/> ſters oder ſeines Kollegen vom Innenminiſterium,<lb/> ſo wird ſie glatt ignoriert. Der Unterricht wird<lb/> alſo weiter in italieniſcher Sprache erteilt, die<lb/> Aufſichtsmaßnahmen bleiben weiter überſchärft<lb/> ſtreng. Südtirol leidet vorläufig weiter unter dem<lb/> Faſcismus.</p><lb/> <p>Davon hat der <hi rendition="#g">Nationalſozialismus</hi><lb/> in Tirol profitiert. Die Parteileitung hat zuerſt<lb/> heftige Anſtrengungen gemacht, um die faſciſtiſche<lb/> Bewegung mit der nat.-ſoz. Richtung zu ver-<lb/> binden. Als Muſſolini ihr den Abſagebrief<lb/> ſchickte, ſpielte ſie ſich als der Anwalt gegen den<lb/> italieniſchen Hypernationalismus und Imperia-<lb/> lismus auf. Allzu tragiſch wird das Muſſolini<lb/> freilich nicht nehmen, denn ein Machtfaktor ſind<lb/> die Nationalſozialiſten nicht einmal für Oeſter-<lb/> reich ſo recht geworden. Es langt gerade, um al-<lb/> lerhand Stänkereien und Skandale zu verüben,<lb/> um in das geſamte Geſellſchaftsleben einen kor-<lb/> rupten Zug und viel Verhetzung hineinzubrin-<lb/> gen. Weiter nicht. Die Nationalſozialiſten re-<lb/> krutieren ſich hier aus ſchlechtbezahlten Richtern,<lb/> Beamten, Schullehrern, Studenten, einem Teil<lb/> der ebenfalls ſchlechtbezahlten Univerſitätsprofeſ-<lb/> ſoren und vielen Beamten a. D., die an den Ab-<lb/> bau haben glauben müſſen. Ueber parteiiſche<lb/> Rechtſprechung und parteiiſche Handhabung der<lb/> Verwaltung wird viel geklagt. Und wenn man<lb/> den Anläſſen der zur Beſchwerde führenden Rich-<lb/> terſprüche und Amtsvornahmen auf den Grund<lb/> geht, findet man oft die angeblich auch anders-<lb/> wo exiſtierenden Zuſammenhänge von Haken-<lb/> kreuzlern im Amt und außer Amt.</p><lb/> <p>Dieſes Stück Korruption wird Oeſterreich eli-<lb/> minieren müſſen, und es hat den Anſchein, als<lb/> ob es mit dem Penſum in abſehbarer Zeit fertig<lb/> würde. Nationalſozialismus und Kommunis-<lb/> mus ſind Reaktionen auf eine äußerſte Verzweif-<lb/> lungslage. Ein Volk von etwa ſechseinhalb Mil-<lb/> lionen Menſchen, worüber das heutige Oeſterreich<lb/> noch verfügt, ein Volk von ſeiner Kultur- und<lb/> Wirtſchaftsſtufe wird ſich ſchon eine Daſeinsform<lb/> zu ſchaffen wiſſen, innerhalb derer ſich die Deſpe-<lb/> radopolitiker ſozuſagen ſelbſt außerhalb der<lb/> Norm des Angebrachten ſtellen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſche Städtevertreter in Wien</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Wien,</hi> 12. Jan.</dateline><lb/> <p>Eine Abordnung der Teilneh-<lb/> mer der vom <hi rendition="#g">Deutſchen Städtetag</hi> arran-<lb/> gierten <hi rendition="#g">Studienreiſe</hi> erſchien geſtern zu<lb/> einem Empfang beim Bürgermeiſter <hi rendition="#g">Seitz,</hi> bei<lb/> dem dieſer ſeine Freude und Genugtuung darüber<lb/> ausſprach, daß die Brüder aus dem Reiche gekom-<lb/> men ſeien.</p><lb/> <p>Er dankte für den Beſuch und gab der Ver-<lb/> ſicherung Ausdruck, daß das Denken und Fühlen<lb/> der Wiener darauf gerichtet ſei, wie ſich das<lb/> deutſche Volk aus dem jetzigen Elend wieder er-<lb/> heben wird. Er ſprach ferner ſeine Zuverſicht aus,<lb/> daß das deutſche Volk in der Welt wieder ſeine<lb/> Stellung finde, die ihm nach Kultur und Wiſſen-<lb/> ſchaft, nach Wirtſchaft und Kunſt gehöre. Er drückte<lb/> ſchließlich die Hoffnung aus, daß die frendſchaft-<lb/> lichen Beziehungen aller deutſchen Städte über<lb/> alle Grenzpfähle hinaus auch ferner fortbeſtehen<lb/> werden.</p><lb/> <p>Oberbürgermeiſter <hi rendition="#g">Wißloff</hi> dankte für den<lb/> herzlichen Empfang, indem er ſagte, daß die<lb/> Deutſchen überzeugt waren, mit Freuden empfan-<lb/> gen zu werden. Er ſprach ſodann weiter über die<lb/> Einrichtungen der Stadt Wien und ſprach ſeine<lb/> größte Befriedigung über das Geſehene aus. Die<lb/> deutſchen Städte würden die gleiche Tatkraft, die<lb/> ſie in Wien geſehen hatten, aufbringen, um ſo<lb/> das Wiederaufbauwerk zu fördern. Es ſei ſeine<lb/> Ueberzeugung, daß das <hi rendition="#g">deutſche Volk ſich<lb/> wieder vereine.</hi></p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Militär und Preſſe</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 12. Jan.</dateline><lb/> <p>In ſeiner geſtrigen Rede<lb/> beim Empfang der Teilnehmer des ſächſiſchen<lb/> Preſſetages führte <hi rendition="#g">General Müller</hi> unter<lb/> anderem aus:</p><lb/> <p>Es bereite ihm beſondere Freude, gerade die<lb/> Vertreter der Auslandspreſſe begrüßen zu dürfen.<lb/> In Deutſchland habe man bisher leider den <hi rendition="#g">Wert<lb/> und Einfluß der Preſſe nicht immer<lb/> voll anerkannt.</hi> Hätte man das getan, dann<lb/> wäre die Welt früher und rechtzeitiger <hi rendition="#g">über<lb/> die Urſachen des Weltkrieges aufge-<lb/> klärt</hi> worden. Die Uebertragung der vollziehen-<lb/> den Gewalt habe ihm die Verpflichtung auferlegt,<lb/><hi rendition="#g">Ruhe und Ordnung zu ſichern.</hi> Denjeni-<lb/> gen Deutſchen jedoch, welche leicht erworbenen<lb/> Gewinn im Auslande verpraſſen und dadurch den<lb/> deutſchen Namen ſchänden, ſollten die ausländi-<lb/> ſchen Journaliſten die <hi rendition="#g">Verelendigung der<lb/> deutſchen Heimat</hi> verkündigen. Er bitte die<lb/> ausländiſchen Journaliſten dringend, in ihren<lb/> Preſſe mitzuteilen, daß <hi rendition="#g">in Sachſen wieder<lb/> Ruhe und Ordnung</hi> eingekehrt ſei, damit<lb/> neue Aufträge und neue Arbeit ins Land kämen.</p><lb/> <p>Der Vertreter einer holländiſchen Zeitung<lb/> dankte dem General für den überaus frendlichen<lb/> Empfang.</p><lb/> <p>Abends verſammelten ſich die Gäſte im Foyer<lb/> des Staatsſchauſpielhauſes, wo ſie von dem <hi rendition="#g">Kul-<lb/> tusminiſter Dr. Kaiſer</hi> begrüßt wurden.<lb/> In einer kleinen Anſprache ſagte die Miniſter,<lb/> die Kunſt entſpringe dem Geiſte des Volkes. Kunſt<lb/> ſei die einzige Macht, die die Länder wieder näher<lb/> zuſammenführen könne.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Tätigkeit des Sparkommiſſars</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 12. Jan.</dateline><lb/> <p>Über die Tätigkeit und die Er-<lb/> folge des im November 1922 als <hi rendition="#g">Sparkom-<lb/> miſſar</hi> eingeſetzten früheren Miniſters <hi rendition="#g">Sä-<lb/> miſch</hi> wird berichtet, daß es ſeiner Tätigkeit be-<lb/> reits gelungen ſei, in den Perſonalausgaben des<lb/> Reichs eine <hi rendition="#g">Erſparnis von rund 83 Mil-<lb/> lionen Goldmark</hi> zu erzielen. Die Zahl der<lb/> im Reich bisher Ausgeſchiedenen beträgt insge-<lb/> ſamt 54000. Um dieſes Ziel zu erreichen, muß-<lb/> ten die Zuſtändigkeiten des Sparkommiſſars aller-<lb/> dings beträchtlich erweitert werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Beamtenabbau und Siedelung</hi> </head><lb/> <p>Der preußiſche Landtagsabgeordnete <hi rendition="#g">Graf Al-<lb/> brecht zu Stolberg-Wernigerode</hi> (D.<lb/> Vp.) hat an den Arbeitsminiſter Dr. <hi rendition="#g">Brauns</hi><lb/> ein Schreiben gerichtet, in dem er den Vorſchlag<lb/> macht, Beamte, die entlaſſen werden müſſen, anzu-<lb/> ſiedeln.</p><lb/> <p>In dem Schreiben des für dieſe Fragen als ſehr<lb/> ſachverſtändig anzuſehenden oſtpreußiſchen Groß-<lb/> grundbeſitzers heißt es:</p><lb/> <cit> <quote>Die <hi rendition="#g">Länder</hi> ſind im Beſitz großer zur Siede-<lb/> lung geeigneter Moor- und Oedländereien. Auch<lb/> im <hi rendition="#g">Privatbeſitz</hi> befinden ſich zur Siedlung<lb/> geeignete Oedländereien. Aber auch vor einer ſtär-<lb/> keren Erfaſſung von bereits in Kultur befind-<lb/> lichem Lande, ſoweit es im Großbetrieb bewirt-<lb/> ſchaftet wird, wird man in dieſem Falle nicht zu-<lb/> rückſchrecken dürfen, zumal man hiermit gleich<lb/> zwei wichtigen Aufgaben des Reiches und der<lb/> Länder, der <hi rendition="#g">Unterbringung entlaſſe-<lb/> ner Beamten</hi> und der im Staatsintereſſe ſo<lb/> ſehr wichtigen Siedlung, gerecht wird. Ich rege<lb/> deshalb an, das Flüchtlings-Siedlungsgeſetz auch<lb/> auf die abzubauenden Beamten auszudehnen.<lb/> Ein dreifaches wäre dabei zu berückſichtigen:<lb/> 1. muß natürlich die Summe von 40 000 Hektar<lb/> entſprechend erhöht werden, 2. müſſen <hi rendition="#g">ſämt-<lb/> liche</hi> im Privatbeſitz befindliche Oedländereien,<lb/> 3. <hi rendition="#g">ſämtliche</hi> im Beſitz der Länder befindliche<lb/> zur Kultivierung und Siedlung geeignete Moor-<lb/> und Oedländereien unter dieſes Geſetz geſtellt wer-<lb/> den.</quote> </cit><lb/> <p>Graf Stolberg bemerkt zum Schluß, daß er<lb/><hi rendition="#g">ſelbſt,</hi> um ein Beiſpiel zu geben, ein Gut aus<lb/> ſeinem Beſitz der Oſtpreußiſchen Landgeſellſchaft<lb/> in Königsberg <hi rendition="#g">zur Beamtenſiedlung<lb/> angeboten</hi> habe</p><lb/> <cb/> </div> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Frau in der Politik</hi> </head><lb/> <byline>Von<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Annelle Kolb.</hi></hi></byline><lb/> <p>Ich bin gebeten worden, über dieſes Thema mich<lb/> zu äußern. Es iſt faſt zu einfach. Am beſten, man<lb/> zählt nur Tatſachen auf oder ſtellt Fragen be-<lb/> treffs dieſer Tatſachen wie zum Beiſpiel: Was<lb/> hat man aus der Politik werden laſſen? Unter<lb/> weſſen Regie wurde ſie ein ſo rückläufiges, rück-<lb/> ſtändiges und unmenſchliches Etwas? Wer hat<lb/> ſo famoſe Sachen wie „Parteipreſſe“ und „Partei-<lb/> politik“ — von der Bezeichnung allein ſchon ſollte<lb/> man genug haben! — ins Leben gerufen?</p><lb/> <p>Dieſe Dinge tragen alle — es läßt ſich nicht<lb/> leugnen — die Signatur des Mannes. Der Kar-<lb/> ren, der heute ſo verfahren daliegt, es iſt der<lb/> ſeine. Nach ſeinem Dafürhalten iſt es zwar noch<lb/> immer ſeine eigenſte Sache, ihn zu lenken. O ja,<lb/> es iſt Sache ſeiner eigenſten Weisheit, wie er<lb/> ihn führte.</p><lb/> <p>Laßt uns ſcherzhaft ſein. Es iſt heute das Beſte.</p><lb/> <p>Schon von ſo altersgrauen Damen her, wie<lb/> Dido und Semiramis, hat es kaum eine mittel-<lb/> mäßige Herrſcherin gegeben. Das Regieren wäre<lb/> alſo gar nicht ſo ſchwer, oder die Frau iſt zu ſo<lb/> ſchweren Aemtern geboren.</p><lb/> <p>Nicht der Zuſammenbruch dieſes oder jenes<lb/> Landes wird die große Vergeltung des letzten<lb/> Krieges ſein, Gottes Mühlen mahlen nicht in die-<lb/> ſem Tempo. Es ſchlagen ihre Flügel über gewon-<lb/> nene und verlorene Kriege hin, als wären ſie<lb/> nicht. Das Urteil iſt längſt gefällt, mögen ſo<lb/> manche Dezenien vergehen, bevor es zur Aus-<lb/> wirkung gelangt. Die große Abdikation des Man-<lb/> nes iſt im vollen Anzug, auch wenn er ſie noch<lb/><cb/> nicht wahr haben will. Welche Genugtuung hat es<lb/> ihm bereitet, die Frau zu ihm aufblicken zu ſehen!<lb/> Damit iſt es auf Jahrhunderte vorbei. Viel enger<lb/> als er es noch ahnt, hängt ihre Unabhängigkeits-<lb/> erklärung mit der Art und Weiſe zuſammen, in<lb/> welcher das Selbſtbeſtimmungsrecht der Völker<lb/> verwirklicht wurde.</p><lb/> <p>Ich will uns nicht beſchönigen. Wir ſind noch<lb/> reichlich öde. Wir neigen zur Albernheit. Der<lb/> Mann iſt dumm. Sollte jedoch die Albernheit<lb/> am Ende heilbarer ſein als die Dummheit, gegen<lb/> welche die Götter ...</p><lb/> <p>Laßt uns ſcherzhaft ſein. Es iſt heute unſere<lb/> letzte Rettung.</p><lb/> <p>Ende 1916, als in Deutſchland die Lebensmittel<lb/> immer knapper wurden, gelang es der Familie<lb/> eines Rector Magnificus, ſich in den Beſitz einer<lb/> Gans zu ſetzen. Auf daß ſie nicht Zeitlang hätte<lb/> und vom Fleiſche fiele, ſtellte man ihr den ganzen<lb/> Garten zur Verfügung. Sie dehnte ihre Prome-<lb/> naden täglich weiter aus, ſuchte aber dann ganz<lb/> aus freien Stücken das Souterrain wieder auf,<lb/> in dem die Küche lag. Die Köchin, die ſich auch ein-<lb/> ſam fühlte, ſchloß ſich ihr an. Der Springbrunnen<lb/> hatte die übliche Einfaſſung aus glattem Stein.<lb/> Dieſe Ringbahn erwählte die Gans zu ihrem<lb/> Boulevard; ein bißchen verzaubert, ein bißchen<lb/> geiſteskrank, aber empfänglich für Ideen, vollzog<lb/> ſie ungezählte Rundgänge. Hie und da ein<lb/> Schlückchen aus dem Baſſin, dann begab ſie ſich<lb/> bedächtigen Trittes wieder zur Köchin. Sie hatte<lb/> aufgehört, eine Gans unter Gänſen zu ſein, und<lb/> es konnte kein Zweifel mehr beſtehen: <hi rendition="#g">ſie evo-<lb/> luierte.</hi></p><lb/> <p>Das Ende war kraß. Die Köchin, welche auf<lb/> die Anhänglichkeit des Tieres ſchwur, weigerte<lb/><cb/> ſich, es umzubringen, und kündigte. Die Damen<lb/> des Hauſes ſtellten ſich auf ihre Seite. In ſeiner<lb/> Ungeduld packte es zuletzt der Rector Magnificus<lb/> ſelber beim Kragen.</p><lb/> <p>Warum ich dies erzähle? — im Hinblick des ſo<lb/> oft gebrauchten Sinnbildes natürlich. Und weil<lb/> der Eſel immer ein Eſel bleibt. Er wird ſich be-<lb/> ſcheiden müſſen. Weil er ſo ſtur iſt, nur deshalb<lb/> glaube ich, daß die Gänſe ihre Chance haben<lb/> werden. Nichts kann mehr ihren Aufſtieg hint-<lb/> anhalten.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Neue Architektur</hi> </head><lb/> <p>Auf die „Eingabspläne“ Gärtners zum Wittels-<lb/> bacher Palais ſchrieb Ludwig 1. am 2. März 1844<lb/> die eigenhändige Bemerkung, daß wegen der ho-<lb/> hen Koſten der Bau nur dreigeſchoſſig ausgeführt<lb/> werden ſolle, dabei jedoch die Möglichkeit eines<lb/> vierten Geſchoſſes vorgeſehen werden wolle, mit<lb/> der offenherzigen Begründung „daß einmal eine<lb/> beträchtliche Zahl Kinder es erforderlich machen<lb/> würde“. Der König wäre wohl baß verwundert,<lb/> wenn er heute, nach kaum achtzig Jahren, ſtatt<lb/> eines Geſchoßaufbaues für ſeine Kinder einen mit<lb/> allen techniſchen Schikanen ausgeſtatteten Bank-<lb/> palaſt für fünfhundert Beamte in ſeinem Gar-<lb/> ten vorfinden würde.</p><lb/> <p>Das neue Haus der <hi rendition="#g">Diskonto-Geſell-<lb/> ſchaft</hi> an der Briennerſtraße iſt der Typ des<lb/> vornehmen, modernen Bankgebäudes, repräſenta-<lb/> tiv im Aeußeren, überſichtlich und praktiſch als<lb/> Bauorganismus, techniſch vervollkommnet bis zum<lb/> Letztmöglichen. Veſtibül, Treppen, Schalterhalle,<lb/> Direktionsräume, Büros uſw. ſind im Raummaß,<lb/> in der Dispoſition und Ausſtattung vorbildlich.<lb/> Max Littmann hat ſich hier — wie ſchon ſo oft<lb/> — als ſouveräner Baupraktiker gezeigt; die Fir-<lb/> ma Heilmann & Littmann hat ihre Leiſtungs-<lb/> fähigkeit auch in ſchwierigſten Zeitverhältniſſen<lb/> bewährt. Neben den techniſchen Einrichtungen des<lb/> Hauſes (wie Funkſpruchſtation, Rohrpoſtanlage,<lb/> automatiſches Haustelephon. Fernſchreiber. Pump-<lb/><cb/> anlage) verdient beſonders die ſogenannte<lb/> „Schachteltreppe“ Beachtung, das iſt eine Doppel-<lb/> treppe, die in zwei getrennten Läufen unterein-<lb/> ander zum dritten Stock führt.</p><lb/> <p>Städtebaulich intereſſiert natürlich vor allem<lb/> das Aeußere. Der Baukomplex im großen und<lb/> ganzen hat zweifellos — beſonders wenn man von<lb/> der Ottoſtraße kommt — Haltung. Im Detail<lb/> freilich kann man ſich einiges anders wünſchen:<lb/> die Vaſen ſind faſt zu dick geraten, der Haus-<lb/> ſockel erſcheint etwas ſchwächlich, die Dachfenſter<lb/> — wie auch das Balkongeſims — vielleicht ein<lb/> wenig zu plump. Bei allem Können, das ſich im<lb/> großen Wurf kundgibt, fehlt doch das „gewiſſe<lb/> Etwas“, das man an dieſer prominenten Stelle<lb/> der Stadt ſo ungern entbehrt, und das z. B. das<lb/> benachbarte Almeidapalais zwar diskret, aber ge-<lb/> rade deshalb ſo überzeugend an ſich hat. Es mag<lb/> das zum guten Teil im Zeitgeiſt liegen; trotzdem<lb/> glaube ich, daß es z. B. ein Theodor Fiſcher, ein<lb/> Beſtelmetzer oder ein Bieber hätten ſchaffen kön-<lb/> nen — das „gewiſſe Etwas“.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Herman Sörgel</hi> </byline> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">War es ein Feigenblatt?</hi> </head><lb/> <p>In der Wiener Volks-<lb/> oper ſollte in dieſen Tagen die Uraufführung eines<lb/> pantomimiſchen Spieles „Adam und Eva“ ſtattfinden.<lb/> Auf der Generalprobe kam es jedoch zu einem Zwi-<lb/> ſchenfall, der die Abſetzung des Stückes ſchon vor der<lb/> Premiere zur Folge hatte. 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Allgemeine Zeitung. Nr. 15 Montag, den 14. Januar 1924
wenn es durch die Weltlage, zu der auch
Deutſchland durch geſchickte Politik beitra-
gen kann, gezwungen würde, ſeine wahre
Politik der Eroberung preiszugeben und an
ihrer Stelle eine wirkliche Politik der
Reparation treten laſſen müßte, die
von geſunden, auch für Deutſchland er-
träglichen Wirtſchaftsgrundſätzen ge-
tragen wäre.
Dann hätte Frankreich den
Krieg verloren. Das weiß Poin-
caré und deshalb ſeine ſcheinheilige Tak-
tik. Aber Poincaré iſt zäh und ſo leicht
läßt er ſich nicht von ſeinem Ziele abbrin-
gen. Deshalb iſt auch die Note, man mag
ſie ſonſt beurteilen wie man will, wieder
nur eine weitere Etappe auf dem lang-
ſamen Wege zur neuen deutſchen
Freiheit.
Beſonders beachtenswert iſt auch immer
die Rolle, die Belgien dabei zugeteilt
wird. Belgien iſt ja ſchließlich von dem
ganzen Ruhrverbrechen noch etwas ſtärker
berührt, ſchon weil es näher daran iſt
und die wirtſchaftlichen Beziehungen ſtär-
kere waren. Belgien hat daher in der letz-
ten Zeit immer etwas höflicher ſchrei-
ben dürfen im Verkehr mit dem Boche. Und
auch bei dieſer Note hört man ja wieder, daß
die belgiſche Antwort in Ton und Form an-
ſtändiger ſei wie die franzöſiſche.
Es iſt ja immerhin erfreulich, daß die
Formen des internationaleu Verkehrs
wenigſtens von den kleineren Völkern
wieder etwas mehr gepflegt werden. Die
großen, oder gar Frankreich haben das
ja noch nicht ſo nötig.
Die Stellung Deutſchlands iſt
klar. Wenn dieſe mündlichen Erklärungen
zur Note ernſt gemeint wären, wohinter
wir zum Schutze gegen weitere
Enttäuſchungen ein recht großes Fra-
gezeichen machen möchten, dann kann die
Reichsregierung auf ihre ſchon wieder-
holt gemachten Anerbieten verweiſen.
Würde ſie außerdem die Notwendigkeit der
endgültigen Feſtſetzung einer
erträglichen Reparationsſum-
me und damit im Zuſammenhang die Not-
wendigkeit einer internationalen
Anleihe für Deutſchland beſonders be-
tonen, ſo müßte das böswillige Geſchwätz
vom böswilligen Schuldner endlich ver-
ſtummen.
Freilich Vorſchläge ſchlechthin
darf Deutſchland heute nicht machen. Wir
müſſen unſere Bedingungen ſtellen.
Man hat uns Unrecht getan, man hat deut-
ſches Eigentum mitten im Frieden ge-
raubt, hat deutſche Volksgenoſſen aus ihrer
Heimat vertrieben und ſie in franzöſiſche
Kerker verſchleppt, hat friedliche arbeitſame
Bürger mit Peitſche und Bajonetten trak-
tiert —, deshalb iſt uns gewiß kein mate-
rielles Opfer zu groß, die deutſche
Freiheit wiederzugewinnen, aber ſinn-
loſe Opfer, die ihren Zweck doch nicht
erreichen, wollen wir nicht bringen.
Deshalb keine Vorſchläge ohne
Bedingungen!
Faſcismus und Hakenkreuz
Innsbrucker Brief.
Dr. Bruno Altmann
In grandioſen und in weniger imponierenden
Aeußerlichkeiten merkt man hier italieniſche Nähe.
Innsbruck und ſein Hinterland iſt ſozuſagen ein
Vorhof von Italien. Landſchaft und Bauart ge-
hen allmählich in den italieniſchen Stil über,
man hört viel italieniſch ſprechen, und ein Teil
der öſterreichiſchen Bevölkerung verſteht ſich auf
die Sprache des ſüdlichen Nachbars.
Soweit iſt das alles gut zu ertragen, und die
Nordtiroler haben auch mit den Italienern ihren
modus vivendi gefunden. Ein paar Meilen weiter
beginnt die Irredenta, und da zeigt der Faſ-
cismus ſeine Zähne. Was für harmloſe Wai-
ſenknaben waren doch die kaiſerlich deutſchen
Machthaber von ehemals in ihrer Verdeutſchungs-
politik gegenüber Lothringern, Dänen und Polen
im Vergleich zu den faſciſtiſchen Methoden, die
angegliederten Gebiete reſtlos und Hals über
Kopf zu italieniſieren! Eine radikale Auswei-
ſungspraxis beſeitigt nach und nach alle Bevölke-
rungselemente, die nicht ſchon Jahr und Tag in
den abgetretenen Gebieten wohnen. Beamte und
Lehrer öſterreichiſcher Herkunft ſind bis auf einen
kleinſten Reſt durch itaheniſche Kollegen erſetzt,
Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken erhält
kein deutſcher oder öſterreichiſcher Staatsbürger,
wofern noch ein Italiener dieſer Gegend in dem
gleichen Erwerbszweig Beſchäftigung ſucht. Ganz
ſchlimm ergeht es Leuten, die in den Verdacht ir-
redentiſtiſcher Propaganda kommen. Das erſte iſt
ihre Verhaftung. Gewöhnlich ſind faſciſtiſche
Trupps zugegen und nötigen den in Ketten ge-
legten Arreſtanten ein Fläſchchen Rhizinus zu
leeren. Die verhaftenden Karabinieri pflegen,
ſoweit ſich das mit ihren Vorſchriften verträgt,
milde umzugehen. In ein paar Stunden, tröſten
ſie den Feſtgenommenen, wird der Zwiſchenfall
erledigt ſein. Der Unglückliche wartet ebenſoviele
Tage, aber noch hat er keine Gelegenheit, ſich in
einem Verhör zu rechtfertigen. Der Verkehr mit
ſeiner konſulariſchen Behörde wird ihm unter-
ſagt. Nach etwa acht Tagen ſagt man ihm die
Wahrheit: die Erledigung ſeines Falles ginge
nicht ſo ſchnell, die Akten würden erſt nach Rom
geſchickt, und von dort bekomme man Weiſung,
was zu tun ſei. Wenn die Sache gut abgeht, ſitzt
der Arreſtant ſeine fünf bis ſechs Wochen, ehe
er verhört wird; ich kenne Leute, die neunzig
Tage auf ihre erſte Vernehmung gewartet ha-
ben. Eine Denunziation kann jedem Richtita-
liener alle dieſe Ungeheuerlichkeiten verſchaffen,
und ſelbſtverſtändlich iſt die Denunziation an
der Tagesordnung.
In Rom kommt man von dieſen Bravourerien
der faſciſtiſchen Angliederungspolitik allmählich
ab. Auf die Intervention öſterreichiſcher Frauen,
welche von Engländerinnen und Amerikanerin-
nen unterſtützt war, hat ſich der Kultusminiſter
zur Zulaſſung des Unterrichts in deutſcher Spra-
che bereit erklärt; der Innenminiſter hat die Zu-
rücknahme der ſchärfſten Aufſichtsverfügungen
angeordnet. Nun zeigte ſich hier aber eine ähn-
liche Entwicklung der Machtverhältniſſe, wie ſie
in Rußland von allen Reiſenden geſchildert wird:
die eigentliche Gewalt liegt weniger innerhalb
der Zentralleitung, als bei den lokalen Amts-
größen. Die Muſſolini, Finzi uſw. können viel
verfügen, es geſchieht das, was in den Städten
und Dörfern die Polizeihauptleute wollen. Da-
bei geht ein geradezu „dialektiſcher Prozeß“ vor
ſich. Die Zentralmachthaber müſſen, ſofern ſie
eine Revolution an die Spitze gebracht hat, im-
mer ſehr viel von ihren Programmpunkten nach-
laſſen. Wieviel haben nicht Lenin dort und Muſ-
ſolini hier von ihren Prinzipien preisgegeben,
jener im ſozialen Innenprogramm, dieſer in der
Außenpolitik! Die nachgeordneten Amtsperſonen,
welche zu ihren Poſten auf Grund des urſprüng-
lichen Programms gekommen ſind, können ſich
den Luxus geſtatten, bei dieſen Grundſätzen zu
bleiben. Auf dieſe Weiſe regieren die Diſtrikts-
größen in Rußland bolſchewiſtiſcher als Lenin,
und die Ortsmachthaber im ticoliſchen Italien
faſciſtiſchen als Muſſolini. Dabei entſteht ſehr leicht
politiſche Gegnerſchaft zwiſchen den vom ur-
ſprünglichen Programm abgegangenen Zentral-
machthabern und den ſtandhaft gebliebenen Un-
terbeamten. Kommt nun eine Verordnung her-
aus, wie diejenige des italieniſchen Kultusmini-
ſters oder ſeines Kollegen vom Innenminiſterium,
ſo wird ſie glatt ignoriert. Der Unterricht wird
alſo weiter in italieniſcher Sprache erteilt, die
Aufſichtsmaßnahmen bleiben weiter überſchärft
ſtreng. Südtirol leidet vorläufig weiter unter dem
Faſcismus.
Davon hat der Nationalſozialismus
in Tirol profitiert. Die Parteileitung hat zuerſt
heftige Anſtrengungen gemacht, um die faſciſtiſche
Bewegung mit der nat.-ſoz. Richtung zu ver-
binden. Als Muſſolini ihr den Abſagebrief
ſchickte, ſpielte ſie ſich als der Anwalt gegen den
italieniſchen Hypernationalismus und Imperia-
lismus auf. Allzu tragiſch wird das Muſſolini
freilich nicht nehmen, denn ein Machtfaktor ſind
die Nationalſozialiſten nicht einmal für Oeſter-
reich ſo recht geworden. Es langt gerade, um al-
lerhand Stänkereien und Skandale zu verüben,
um in das geſamte Geſellſchaftsleben einen kor-
rupten Zug und viel Verhetzung hineinzubrin-
gen. Weiter nicht. Die Nationalſozialiſten re-
krutieren ſich hier aus ſchlechtbezahlten Richtern,
Beamten, Schullehrern, Studenten, einem Teil
der ebenfalls ſchlechtbezahlten Univerſitätsprofeſ-
ſoren und vielen Beamten a. D., die an den Ab-
bau haben glauben müſſen. Ueber parteiiſche
Rechtſprechung und parteiiſche Handhabung der
Verwaltung wird viel geklagt. Und wenn man
den Anläſſen der zur Beſchwerde führenden Rich-
terſprüche und Amtsvornahmen auf den Grund
geht, findet man oft die angeblich auch anders-
wo exiſtierenden Zuſammenhänge von Haken-
kreuzlern im Amt und außer Amt.
Dieſes Stück Korruption wird Oeſterreich eli-
minieren müſſen, und es hat den Anſchein, als
ob es mit dem Penſum in abſehbarer Zeit fertig
würde. Nationalſozialismus und Kommunis-
mus ſind Reaktionen auf eine äußerſte Verzweif-
lungslage. Ein Volk von etwa ſechseinhalb Mil-
lionen Menſchen, worüber das heutige Oeſterreich
noch verfügt, ein Volk von ſeiner Kultur- und
Wirtſchaftsſtufe wird ſich ſchon eine Daſeinsform
zu ſchaffen wiſſen, innerhalb derer ſich die Deſpe-
radopolitiker ſozuſagen ſelbſt außerhalb der
Norm des Angebrachten ſtellen.
Deutſche Städtevertreter in Wien
* Wien, 12. Jan.
Eine Abordnung der Teilneh-
mer der vom Deutſchen Städtetag arran-
gierten Studienreiſe erſchien geſtern zu
einem Empfang beim Bürgermeiſter Seitz, bei
dem dieſer ſeine Freude und Genugtuung darüber
ausſprach, daß die Brüder aus dem Reiche gekom-
men ſeien.
Er dankte für den Beſuch und gab der Ver-
ſicherung Ausdruck, daß das Denken und Fühlen
der Wiener darauf gerichtet ſei, wie ſich das
deutſche Volk aus dem jetzigen Elend wieder er-
heben wird. Er ſprach ferner ſeine Zuverſicht aus,
daß das deutſche Volk in der Welt wieder ſeine
Stellung finde, die ihm nach Kultur und Wiſſen-
ſchaft, nach Wirtſchaft und Kunſt gehöre. Er drückte
ſchließlich die Hoffnung aus, daß die frendſchaft-
lichen Beziehungen aller deutſchen Städte über
alle Grenzpfähle hinaus auch ferner fortbeſtehen
werden.
Oberbürgermeiſter Wißloff dankte für den
herzlichen Empfang, indem er ſagte, daß die
Deutſchen überzeugt waren, mit Freuden empfan-
gen zu werden. Er ſprach ſodann weiter über die
Einrichtungen der Stadt Wien und ſprach ſeine
größte Befriedigung über das Geſehene aus. Die
deutſchen Städte würden die gleiche Tatkraft, die
ſie in Wien geſehen hatten, aufbringen, um ſo
das Wiederaufbauwerk zu fördern. Es ſei ſeine
Ueberzeugung, daß das deutſche Volk ſich
wieder vereine.
Militär und Preſſe
Dresden, 12. Jan.
In ſeiner geſtrigen Rede
beim Empfang der Teilnehmer des ſächſiſchen
Preſſetages führte General Müller unter
anderem aus:
Es bereite ihm beſondere Freude, gerade die
Vertreter der Auslandspreſſe begrüßen zu dürfen.
In Deutſchland habe man bisher leider den Wert
und Einfluß der Preſſe nicht immer
voll anerkannt. Hätte man das getan, dann
wäre die Welt früher und rechtzeitiger über
die Urſachen des Weltkrieges aufge-
klärt worden. Die Uebertragung der vollziehen-
den Gewalt habe ihm die Verpflichtung auferlegt,
Ruhe und Ordnung zu ſichern. Denjeni-
gen Deutſchen jedoch, welche leicht erworbenen
Gewinn im Auslande verpraſſen und dadurch den
deutſchen Namen ſchänden, ſollten die ausländi-
ſchen Journaliſten die Verelendigung der
deutſchen Heimat verkündigen. Er bitte die
ausländiſchen Journaliſten dringend, in ihren
Preſſe mitzuteilen, daß in Sachſen wieder
Ruhe und Ordnung eingekehrt ſei, damit
neue Aufträge und neue Arbeit ins Land kämen.
Der Vertreter einer holländiſchen Zeitung
dankte dem General für den überaus frendlichen
Empfang.
Abends verſammelten ſich die Gäſte im Foyer
des Staatsſchauſpielhauſes, wo ſie von dem Kul-
tusminiſter Dr. Kaiſer begrüßt wurden.
In einer kleinen Anſprache ſagte die Miniſter,
die Kunſt entſpringe dem Geiſte des Volkes. Kunſt
ſei die einzige Macht, die die Länder wieder näher
zuſammenführen könne.
Die Tätigkeit des Sparkommiſſars
Berlin, 12. Jan.
Über die Tätigkeit und die Er-
folge des im November 1922 als Sparkom-
miſſar eingeſetzten früheren Miniſters Sä-
miſch wird berichtet, daß es ſeiner Tätigkeit be-
reits gelungen ſei, in den Perſonalausgaben des
Reichs eine Erſparnis von rund 83 Mil-
lionen Goldmark zu erzielen. Die Zahl der
im Reich bisher Ausgeſchiedenen beträgt insge-
ſamt 54000. Um dieſes Ziel zu erreichen, muß-
ten die Zuſtändigkeiten des Sparkommiſſars aller-
dings beträchtlich erweitert werden.
Beamtenabbau und Siedelung
Der preußiſche Landtagsabgeordnete Graf Al-
brecht zu Stolberg-Wernigerode (D.
Vp.) hat an den Arbeitsminiſter Dr. Brauns
ein Schreiben gerichtet, in dem er den Vorſchlag
macht, Beamte, die entlaſſen werden müſſen, anzu-
ſiedeln.
In dem Schreiben des für dieſe Fragen als ſehr
ſachverſtändig anzuſehenden oſtpreußiſchen Groß-
grundbeſitzers heißt es:
Die Länder ſind im Beſitz großer zur Siede-
lung geeigneter Moor- und Oedländereien. Auch
im Privatbeſitz befinden ſich zur Siedlung
geeignete Oedländereien. Aber auch vor einer ſtär-
keren Erfaſſung von bereits in Kultur befind-
lichem Lande, ſoweit es im Großbetrieb bewirt-
ſchaftet wird, wird man in dieſem Falle nicht zu-
rückſchrecken dürfen, zumal man hiermit gleich
zwei wichtigen Aufgaben des Reiches und der
Länder, der Unterbringung entlaſſe-
ner Beamten und der im Staatsintereſſe ſo
ſehr wichtigen Siedlung, gerecht wird. Ich rege
deshalb an, das Flüchtlings-Siedlungsgeſetz auch
auf die abzubauenden Beamten auszudehnen.
Ein dreifaches wäre dabei zu berückſichtigen:
1. muß natürlich die Summe von 40 000 Hektar
entſprechend erhöht werden, 2. müſſen ſämt-
liche im Privatbeſitz befindliche Oedländereien,
3. ſämtliche im Beſitz der Länder befindliche
zur Kultivierung und Siedlung geeignete Moor-
und Oedländereien unter dieſes Geſetz geſtellt wer-
den.
Graf Stolberg bemerkt zum Schluß, daß er
ſelbſt, um ein Beiſpiel zu geben, ein Gut aus
ſeinem Beſitz der Oſtpreußiſchen Landgeſellſchaft
in Königsberg zur Beamtenſiedlung
angeboten habe
Die Frau in der Politik
Von
Annelle Kolb.
Ich bin gebeten worden, über dieſes Thema mich
zu äußern. Es iſt faſt zu einfach. Am beſten, man
zählt nur Tatſachen auf oder ſtellt Fragen be-
treffs dieſer Tatſachen wie zum Beiſpiel: Was
hat man aus der Politik werden laſſen? Unter
weſſen Regie wurde ſie ein ſo rückläufiges, rück-
ſtändiges und unmenſchliches Etwas? Wer hat
ſo famoſe Sachen wie „Parteipreſſe“ und „Partei-
politik“ — von der Bezeichnung allein ſchon ſollte
man genug haben! — ins Leben gerufen?
Dieſe Dinge tragen alle — es läßt ſich nicht
leugnen — die Signatur des Mannes. Der Kar-
ren, der heute ſo verfahren daliegt, es iſt der
ſeine. Nach ſeinem Dafürhalten iſt es zwar noch
immer ſeine eigenſte Sache, ihn zu lenken. O ja,
es iſt Sache ſeiner eigenſten Weisheit, wie er
ihn führte.
Laßt uns ſcherzhaft ſein. Es iſt heute das Beſte.
Schon von ſo altersgrauen Damen her, wie
Dido und Semiramis, hat es kaum eine mittel-
mäßige Herrſcherin gegeben. Das Regieren wäre
alſo gar nicht ſo ſchwer, oder die Frau iſt zu ſo
ſchweren Aemtern geboren.
Nicht der Zuſammenbruch dieſes oder jenes
Landes wird die große Vergeltung des letzten
Krieges ſein, Gottes Mühlen mahlen nicht in die-
ſem Tempo. Es ſchlagen ihre Flügel über gewon-
nene und verlorene Kriege hin, als wären ſie
nicht. Das Urteil iſt längſt gefällt, mögen ſo
manche Dezenien vergehen, bevor es zur Aus-
wirkung gelangt. Die große Abdikation des Man-
nes iſt im vollen Anzug, auch wenn er ſie noch
nicht wahr haben will. Welche Genugtuung hat es
ihm bereitet, die Frau zu ihm aufblicken zu ſehen!
Damit iſt es auf Jahrhunderte vorbei. Viel enger
als er es noch ahnt, hängt ihre Unabhängigkeits-
erklärung mit der Art und Weiſe zuſammen, in
welcher das Selbſtbeſtimmungsrecht der Völker
verwirklicht wurde.
Ich will uns nicht beſchönigen. Wir ſind noch
reichlich öde. Wir neigen zur Albernheit. Der
Mann iſt dumm. Sollte jedoch die Albernheit
am Ende heilbarer ſein als die Dummheit, gegen
welche die Götter ...
Laßt uns ſcherzhaft ſein. Es iſt heute unſere
letzte Rettung.
Ende 1916, als in Deutſchland die Lebensmittel
immer knapper wurden, gelang es der Familie
eines Rector Magnificus, ſich in den Beſitz einer
Gans zu ſetzen. Auf daß ſie nicht Zeitlang hätte
und vom Fleiſche fiele, ſtellte man ihr den ganzen
Garten zur Verfügung. Sie dehnte ihre Prome-
naden täglich weiter aus, ſuchte aber dann ganz
aus freien Stücken das Souterrain wieder auf,
in dem die Küche lag. Die Köchin, die ſich auch ein-
ſam fühlte, ſchloß ſich ihr an. Der Springbrunnen
hatte die übliche Einfaſſung aus glattem Stein.
Dieſe Ringbahn erwählte die Gans zu ihrem
Boulevard; ein bißchen verzaubert, ein bißchen
geiſteskrank, aber empfänglich für Ideen, vollzog
ſie ungezählte Rundgänge. Hie und da ein
Schlückchen aus dem Baſſin, dann begab ſie ſich
bedächtigen Trittes wieder zur Köchin. Sie hatte
aufgehört, eine Gans unter Gänſen zu ſein, und
es konnte kein Zweifel mehr beſtehen: ſie evo-
luierte.
Das Ende war kraß. Die Köchin, welche auf
die Anhänglichkeit des Tieres ſchwur, weigerte
ſich, es umzubringen, und kündigte. Die Damen
des Hauſes ſtellten ſich auf ihre Seite. In ſeiner
Ungeduld packte es zuletzt der Rector Magnificus
ſelber beim Kragen.
Warum ich dies erzähle? — im Hinblick des ſo
oft gebrauchten Sinnbildes natürlich. Und weil
der Eſel immer ein Eſel bleibt. Er wird ſich be-
ſcheiden müſſen. Weil er ſo ſtur iſt, nur deshalb
glaube ich, daß die Gänſe ihre Chance haben
werden. Nichts kann mehr ihren Aufſtieg hint-
anhalten.
Neue Architektur
Auf die „Eingabspläne“ Gärtners zum Wittels-
bacher Palais ſchrieb Ludwig 1. am 2. März 1844
die eigenhändige Bemerkung, daß wegen der ho-
hen Koſten der Bau nur dreigeſchoſſig ausgeführt
werden ſolle, dabei jedoch die Möglichkeit eines
vierten Geſchoſſes vorgeſehen werden wolle, mit
der offenherzigen Begründung „daß einmal eine
beträchtliche Zahl Kinder es erforderlich machen
würde“. Der König wäre wohl baß verwundert,
wenn er heute, nach kaum achtzig Jahren, ſtatt
eines Geſchoßaufbaues für ſeine Kinder einen mit
allen techniſchen Schikanen ausgeſtatteten Bank-
palaſt für fünfhundert Beamte in ſeinem Gar-
ten vorfinden würde.
Das neue Haus der Diskonto-Geſell-
ſchaft an der Briennerſtraße iſt der Typ des
vornehmen, modernen Bankgebäudes, repräſenta-
tiv im Aeußeren, überſichtlich und praktiſch als
Bauorganismus, techniſch vervollkommnet bis zum
Letztmöglichen. Veſtibül, Treppen, Schalterhalle,
Direktionsräume, Büros uſw. ſind im Raummaß,
in der Dispoſition und Ausſtattung vorbildlich.
Max Littmann hat ſich hier — wie ſchon ſo oft
— als ſouveräner Baupraktiker gezeigt; die Fir-
ma Heilmann & Littmann hat ihre Leiſtungs-
fähigkeit auch in ſchwierigſten Zeitverhältniſſen
bewährt. Neben den techniſchen Einrichtungen des
Hauſes (wie Funkſpruchſtation, Rohrpoſtanlage,
automatiſches Haustelephon. Fernſchreiber. Pump-
anlage) verdient beſonders die ſogenannte
„Schachteltreppe“ Beachtung, das iſt eine Doppel-
treppe, die in zwei getrennten Läufen unterein-
ander zum dritten Stock führt.
Städtebaulich intereſſiert natürlich vor allem
das Aeußere. Der Baukomplex im großen und
ganzen hat zweifellos — beſonders wenn man von
der Ottoſtraße kommt — Haltung. Im Detail
freilich kann man ſich einiges anders wünſchen:
die Vaſen ſind faſt zu dick geraten, der Haus-
ſockel erſcheint etwas ſchwächlich, die Dachfenſter
— wie auch das Balkongeſims — vielleicht ein
wenig zu plump. Bei allem Können, das ſich im
großen Wurf kundgibt, fehlt doch das „gewiſſe
Etwas“, das man an dieſer prominenten Stelle
der Stadt ſo ungern entbehrt, und das z. B. das
benachbarte Almeidapalais zwar diskret, aber ge-
rade deshalb ſo überzeugend an ſich hat. Es mag
das zum guten Teil im Zeitgeiſt liegen; trotzdem
glaube ich, daß es z. B. ein Theodor Fiſcher, ein
Beſtelmetzer oder ein Bieber hätten ſchaffen kön-
nen — das „gewiſſe Etwas“.
Herman Sörgel
War es ein Feigenblatt?
In der Wiener Volks-
oper ſollte in dieſen Tagen die Uraufführung eines
pantomimiſchen Spieles „Adam und Eva“ ſtattfinden.
Auf der Generalprobe kam es jedoch zu einem Zwi-
ſchenfall, der die Abſetzung des Stückes ſchon vor der
Premiere zur Folge hatte. Am Dirigentenpulte ſaß
Direktor v. Weingartner. Als ſich der Vor-
hang hob und die paradieſiſche Landſchaft mit der von
Frau Lanik verkörperten Eva zeigte, rief ſchon nach
wenigen Sekunden der Direktor: „Vorhang runter!“
Das paradieſiſche Koſtüm der Eva war ſeiner Mei-
nung nach doch allzuſehr der Wirklichkeit nahegekom-
men. Die Künſtlerin, die die Eva ſpielte, verwahrte
ſich jedoch entſchieden gegen den ihr gemachten Vor-
wurf der Koſtümloſigkeit und erklärte, ſie könne die
Eva doch nicht im Frack darſtellen. Dieſer Anſicht
konnte ſich zwar Direktor v. Weingartner nicht ver-
ſchließen, aber die Premiere wurde trotzdem abgeſetzt.
Es iſt fraglich, wann ſie jetzt ſtattfinden wird; der
Streit über Evas Koſtüm ſcheint doch ſchwer zu löſen
au ſein.
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(2022-12-19T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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